BERICHT über einen Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der Europäischen Union durch Ungarn besteht

4.7.2018 - (2017/2131(INL))

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Berichterstatterin: Judith Sargentini
(Initiative gemäß Artikel 46 und 52 der Geschäftsordnung)


Verfahren : 2017/2131(INL)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A8-0250/2018
Eingereichte Texte :
A8-0250/2018
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu einem Vorschlag, mit dem der Rat aufgefordert wird, im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der Europäischen Union durch Ungarn besteht

(2017/2131(INL))

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 2 und Artikel 7 Absatz 1,

–  unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und ihre Protokolle,

–  unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,

–  unter Hinweis auf die internationalen Menschenrechtsübereinkommen der Vereinten Nationen und des Europarats wie die Europäische Sozialcharta und das Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Übereinkommen von Istanbul),

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Mai 2017 zur Lage in Ungarn[1],

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 16. Dezember 2015[2] und vom 10. Juni 2015[3] zur Lage in Ungarn,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Juli 2013 zu der Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012)[4],

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 16. Februar 2012 zu den aktuellen politischen Entwicklungen in Ungarn[5] und vom 10. März 2011 zum Mediengesetz in Ungarn[6],

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte[7],

–  unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 1. April 2004 zu der Mitteilung der Kommission zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union: Wahrung und Förderung der Grundwerte der Europäischen Union[8],

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 15. Oktober 2003 an den Rat und an das Europäische Parlament zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union – Wahrung und Förderung der Grundwerte der Europäischen Union[9],

–  unter Hinweis auf die Jahresberichte der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) und des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF),

–  gestützt auf Artikel 45, 52 und 83 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie die Stellungnahmen des Haushaltskontrollausschusses, des Ausschusses für Kultur und Bildung, des Ausschusses für konstitutionelle Angelegenheiten und des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A8‑0250/2018),

A.  in der Erwägung, dass sich die Europäische Union auf die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) festgelegten, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union widergespiegelten und in internationalen Menschenrechtsübereinkommen verankerten Werte gründet, d. h. auf die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, und dass diese Werte, die allen Mitgliedstaaten gemein sind und denen sich alle Mitgliedstaaten aus freien Stücken unterworfen haben, die Grundlage der Rechte darstellen, die allen in der Union lebenden Personen zustehen;

B.  in der Erwägung, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV verankerten Werte durch einen Mitgliedstaat nicht nur den Mitgliedstaat betrifft, in dem diese Gefahr besteht, sondern Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten, auf das gegenseitige Vertrauen zwischen ihnen sowie auf das Wesen der Union und die in den Rechtsvorschriften der Union festgeschriebenen Grundrechte ihrer Bürger hat;

C.  in der Erwägung, dass, wie in der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2003 zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union angegeben, der Anwendungsbereich von Artikel 7 EUV nicht auf die Verpflichtungen aus den Verträgen beschränkt ist, wie in Artikel 258 AEUV angeführt, und dass die Union feststellen kann, dass in Bereichen, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der gemeinsamen Werte besteht;

D.  in der Erwägung, dass es in Artikel 7 Absatz 1 EUV um eine Präventivphase geht, mit der der Union die Möglichkeit eingeräumt wird, im Falle der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der gemeinsamen Werte einzugreifen; in der Erwägung, dass im Rahmen einer solchen präventiven Maßnahme ein Dialog mit dem betreffenden Mitgliedstaat vorgesehen ist und dass mit der Maßnahme das Ziel verfolgt wird, etwaige Sanktionen zu vermeiden;

E.  in der Erwägung, dass die ungarischen Stellen zwar stets bereit waren, die Rechtmäßigkeit sämtlicher konkreter Maßnahmen zu erörtern, allerdings keine Maßnahmen zur Verbesserung der Situation getroffen wurden und nach wie vor zahlreiche Bedenken bestehen, wodurch der Ruf der Union sowie ihre Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit bei der Verteidigung der Grundrechte, der Menschenrechte und der Demokratie weltweit beeinträchtigt werden und deutlich wird, dass die Union in Bezug auf diese Bedenken im Rahmen eines abgestimmten Vorgehens tätig werden muss;

1.  weist darauf hin, dass die Bedenken des Parlaments folgende Punkte betreffen:

(1) die Funktionsweise des Verfassungs- und des Wahlsystems;

(2) die Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen sowie die Rechte der Richter,

(3) Korruption und Interessenkonflikte,

(4) Privatsphäre und Datenschutz,

(5) das Recht auf freie Meinungsäußerung,

(6) die akademische Freiheit,

(7) die Religionsfreiheit,

(8) die Vereinigungsfreiheit,

(9) das Recht auf Gleichbehandlung,

(10) die Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, einschließlich Roma und Juden, und den Schutz vor hetzerischen Äußerungen, die gegen diese Minderheiten gerichtet sind,

(11) die Grundrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen,

(12) wirtschaftliche und soziale Rechte.

2.  ist der Ansicht, dass die in der Anlage zu dieser Entschließung genannten Sachverhalte und Tendenzen in ihrer Gesamtheit eine systemrelevante Bedrohung der in Artikel 2 EUV genannten Werte und die eindeutige Gefahr ihrer schwerwiegenden Verletzung darstellen;

3.  weist auf die Ergebnisse der Parlamentswahl in Ungarn vom 8. April 2018 hin; betont, dass jede ungarische Regierung dafür verantwortlich ist, die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte auszuräumen, selbst wenn diese Gefahr eine dauerhafte Folge der von früheren Regierungen vorgeschlagenen oder gebilligten politischen Entscheidungen ist;

4  übermittelt dem Rat aus diesem Grund und im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 EUV diesen begründeten Vorschlag und fordert ihn auf festzustellen, ob die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte durch Ungarn besteht, und diesbezüglich geeignete Empfehlungen an Ungarn zu richten;

5.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und den in der Anlage enthaltenen begründeten Vorschlag für einen Beschluss des Rates der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

ANLAGE ZU DEM ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

Vorschlag für einen

Beschluss des Rates

zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der Europäischen Union durch Ungarn im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION,

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 7 Absatz 1,

auf begründeten Vorschlag des Europäischen Parlaments,

nach Zustimmung des Europäischen Parlaments,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)  Die Europäische Union gründet sich auf die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) genannten Werte, die allen Mitgliedstaaten gemein sind und zu denen die Achtung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte gehört. Nach Artikel 49 EUV setzt der Beitritt zur Union die Achtung und Förderung der in Artikel 2 EUV genannten Werte voraus.

(2)  Der Beitritt Ungarns war ein freiwilliger Akt auf der Grundlage einer souveränen Entscheidung mit einem breiten Konsens des gesamten politischen Spektrums in Ungarn.

(3)  In seinem begründeten Vorschlag hat das Europäische Parlament seine Bedenken im Zusammenhang mit der Lage in Ungarn dargelegt. Die größten Bedenken bestehen insbesondere in Bezug auf die Funktionsweise des Verfassungs- und des Wahlsystems, die Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen, die Rechte der Richter, Korruption und Interessenkonflikte, die Privatsphäre und den Datenschutz, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die akademische Freiheit, die Religionsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Gleichbehandlung, die Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, einschließlich Roma und Juden, und den Schutz vor hetzerischen Äußerungen, die gegen diese Minderheiten gerichtet sind, die Grundrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte.

(4)  Das Europäische Parlament hat ferner festgestellt, dass die ungarischen Stellen zwar stets bereit waren, die Rechtmäßigkeit sämtlicher konkreter Maßnahmen zu erörtern, es jedoch versäumt haben, alle in seinen vorangegangenen Entschließungen empfohlenen Maßnahmen zu ergreifen.

(5)  In seiner Entschließung vom 17. Mai 2017 zur Lage in Ungarn erklärte das Europäische Parlament, dass angesichts der aktuellen Situation in Ungarn die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte besteht und es daher gerechtfertigt ist, das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV einzuleiten.

(6)  In ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2003 zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union führt die Kommission zahlreiche Informationsquellen an, die bei der Überwachung der Wahrung und Förderung der gemeinsamen Werte berücksichtigt werden müssen, darunter die Berichte internationaler und regierungsunabhängiger Organisationen und die Entscheidungen regionaler und internationaler Gerichte. Viele verschiedene Akteure auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene haben tiefe Besorgnis über die Lage der Demokratie, der Rechtstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn geäußert, darunter die Organe und Einrichtungen der Union, der Europarat, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Vereinten Nationen und zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, doch handelt es sich dabei um nicht rechtsverbindliche Stellungnahmen, da es allein dem Gerichtshof der Europäischen Union obliegt, die Bestimmungen der Verträge auszulegen.

Funktionsweise des Verfassungs- und des Wahlsystems

(7)  Die Venedig-Kommission äußerte sich mehrfach besorgt angesichts des Verfassungsprozesses in Ungarn, und zwar sowohl mit Blick auf das Grundgesetz als auch auf seine Änderungen. Die Venedig-Kommission begrüßte, dass mit dem Grundgesetz eine Verfassungsordnung eingeführt wurde, der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Grundrechte zugrunde liegen, und sie erkannte an, dass Bemühungen unternommen wurden, eine Verfassungsordnung zu schaffen, die mit den gemeinsamen demokratischen Werten und Normen Europas im Einklang steht, und die Grundrechte und -freiheiten im Einklang mit verbindlichen internationalen Instrumenten festzulegen. Kritisiert wurden vor allem die fehlende Transparenz des Prozesses, die unzulängliche Einbeziehung der Zivilgesellschaft, das Ausbleiben einer wirklichen Konsultation, die Gefährdung der Gewaltenteilung und die Schwächung des nationalen Systems von Kontrolle und Gegenkontrolle.

(8)  Die Zuständigkeiten des ungarischen Verfassungsgerichts seien durch die Verfassungsreform beschränkt worden, auch mit Blick auf Haushaltsfragen, die Abschaffung der Popularklage, die Möglichkeit des Gerichts, auf seine Rechtsprechung aus der Zeit vor dem 1. Januar 2012 Bezug zu nehmen, und die Einschränkung der Befugnis des Gerichts, die Verfassungsmäßigkeit von Änderungen des Grundgesetzes zu prüfen, die nicht lediglich verfahrensrechtlichen Charakter tragen. Die Venedig-Kommission äußerte große Besorgnis angesichts dieser Einschränkungen und des Verfahrens für die Ernennung der Richter und empfahl den ungarischen Regierungsstellen in ihrem Gutachten vom 19. Juni 2012 zum Gesetz Nr. CLI/2011 über das ungarische Verfassungsgericht und in seinem Gutachten vom 17. Juni 2013 zur vierten Änderung des ungarischen Grundgesetzes, für die notwendigen Kontrollen und Gegenkontrollen zu sorgen. In ihren Gutachten gelangte die Venedig-Kommission auch zu einer positiven Bewertung einer Reihe von Elementen der Reformen, darunter die Bestimmungen über Haushaltsgarantien, der Ausschluss einer Wiederwahl von Richtern und die Tatsache, dass dem Ombudsmann für Grundrechte das Recht zur Einleitung von Ex-post-Überprüfungen eingeräumt wurde.

(9)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen seine Sorge darüber, dass das derzeitige Verfahren der Verfassungsbeschwerde einen eingeschränkteren Zugang zum Verfassungsgericht bietet, keine Frist für die verfassungsgerichtliche Kontrolle vorsieht und keine aufschiebende Wirkung in Bezug auf angefochtene Rechtsvorschriften hat. Außerdem wies der Menschenrechtsrat darauf hin, dass die Sicherheit der Amtszeit der Richter durch die Bestimmungen des neuen Gesetzes über das Verfassungsgericht geschwächt und der Einfluss der Regierung auf die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Verfassungsgerichts gestärkt wird, da in dem Gesetz das Verfahren für die Ernennung von Richtern, die Zahl der Richter am Gericht und ihr Renteneintrittsalter geändert wurde. Der Menschenrechtsrat war darüber hinaus besorgt über die Einschränkung der Zuständigkeit und der Befugnisse des Verfassungsgerichts mit Blick auf die Überprüfung von Rechtsvorschriften, die Auswirkungen auf Haushaltsangelegenheiten haben.

(10)  In ihren vorläufigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen vom 9. April 2018 erklärte die begrenzte Wahlbeobachtungsmission des Büros der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte, dass die Wahl in technischer Hinsicht professionell und transparent durchgeführt wurde und dass die Grundrechte und ‑freiheiten zwar insgesamt gewahrt, jedoch in einem ungünstigen Klima ausgeübt wurden. Die Wahlverwaltung habe ihr Mandat professionell und transparent erfüllt und das allgemeine Vertrauen der Beteiligten genossen. Der Wahlkampf sei lebhaft verlaufen, durch feindliche und einschüchternde Wahlkampfrhetorik sei jedoch der Raum für eine inhaltliche Debatte begrenzt und die Fähigkeit der Wähler, eine fundierte Entscheidung zu treffen, eingeschränkt worden. Die Finanzierung des Wahlkampfs aus öffentlichen Mitteln und die Ausgabenobergrenzen hätten zum Ziel, allen Bewerbern gleiche Chancen zu bieten. Die Möglichkeit der Kandidaten, unter gleichen Bedingungen miteinander in Wettbewerb zu treten, sei jedoch durch die überhöhten Ausgaben der Regierung für öffentliche Informationsanzeigen, durch die die Wahlkampfbotschaft der Regierungskoalition herausgehoben worden sei, erheblich beeinträchtigt worden. Des Weiteren äußerte die Wahlbeobachtungsmission Besorgnis über die Einteilung von Einpersonenwahlkreisen. Ähnliche Bedenken wurden auch in dem gemeinsamen Gutachten der Venedig-Kommission und des Rates für demokratische Wahlen vom 18. Juni 2012 zu dem Gesetz über die Wahl von Mitgliedern des ungarischen Parlaments vorgebracht, in der erwähnt wurde, dass die Abgrenzung der Wahlkreise transparent und professionell im Rahmen eines objektiven, unparteiischen Verfahrens erfolgen muss, wobei keine kurzfristigen politischen Ziele verfolgt werden dürfen (willkürliche Einteilung von Wahlkreisen).

(11)  In den vergangenen Jahren führte die ungarische Regierung zahlreiche nationale Konsultationen durch, wodurch die plebiszitäre Demokratie auf nationaler Ebene ausgeweitet wurde. Die Kommission wies am 27. April 2017 darauf hin, dass die nationale Konsultation „Brüssel stoppen!“ mehrere Behauptungen und Unterstellungen enthielt, die sachlich falsch oder äußerst irreführend waren. Des Weiteren führte die ungarische Regierung im Mai 2015 eine Konsultation zum Thema „Einwanderung und Terrorismus“ und im Oktober 2017 eine Konsultation gegen einen sogenannten „Soros-Plan“ durch. Bei diesen Konsultationen, die insbesondere gegen die Person George Soros und die Union gerichtet waren, wurden Parallelen zwischen Terrorismus und Migration gezogen, durch die Hass gegenüber Migranten geschürt wurde.

Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen sowie die Rechte der Richter

(12)  Im Zuge der umfassenden Änderungen des Rechtsrahmens, die im Jahr 2011 vorgenommen wurden, wurden dem Präsidenten des neu eingerichteten Nationalen Justizamts umfassende Befugnisse übertragen. Die Venedig-Kommission kritisierte diese umfassenden Befugnisse in ihrem Gutachten vom 19. März 2012 zu dem Gesetz Nr. CLXII/2011 über die Rechtsstellung und die Vergütung von Richtern und dem Gesetz Nr. CLXI/2011 über die Organisation und Verwaltung der Gerichte in Ungarn sowie in ihrer Stellungnahme vom 15. Oktober 2012 über die Schwerpunktgesetze betreffend die Justiz. Ähnliche Bedenken wurden am 29. Februar 2012 und am 3. Juli 2013 vom Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten sowie von der Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) in ihrem Bericht vom 27. März 2015 vorgebracht. All diese Akteure betonten, dass die Rolle des Kollektivorgans – des Nationalen Richterrats – als Kontrollbehörde gestärkt werden muss, da der Präsident des Nationalen Justizamts, der vom ungarischen Parlament gewählt wird, nicht als Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung angesehen werden kann. Aufgrund internationaler Empfehlungen wurden der Status des Präsidenten des Nationalen Justizamts geändert und seine Befugnisse eingeschränkt, um für ein besseres Gleichgewicht zwischen dem Präsidenten und dem Nationalen Justizamt zu sorgen.

(13)  Seit 2012 hat Ungarn positive Schritte unternommen, um bestimmte Aufgaben des Präsidenten des Nationalen Justizamts auf den Nationalen Richterrat zu übertragen, damit für ein besseres Gleichgewicht zwischen den beiden Organen gesorgt ist. Es sind jedoch weitere Fortschritte nötig. Die GRECO forderte in ihrem Bericht vom 27. März 2015, die potenziellen Gefahren zu minimieren, die mit Ermessensentscheidungen des Präsidenten des Nationalen Justizamts einhergingen. Dieser ist unter anderem befugt, Richter zu versetzen und zuzuteilen, und spielt eine Rolle in Disziplinarverfahren gegen Richter. Darüber hinaus richtet der Präsident des Nationalen Justizamts Empfehlungen an den ungarischen Staatspräsidenten hinsichtlich der Ernennung und Entlassung der Gerichtspräsidenten, einschließlich der Präsidenten und Vizepräsidenten der Berufungsgerichte. Die GRECO begrüßte den kürzlich angenommenen Ethikkodex für Richter, ist jedoch der Ansicht, dass dieser klarer formuliert werden und mit internen Schulungen einhergehen könnte. Die GRECO äußerte außerdem Anerkennung bezüglich der Änderungen der Bestimmungen über die Bestellung von Richtern und die Auswahlverfahren im Zeitraum 2012–2014 in Ungarn, durch die dem Nationalen Richterrat im Rahmen des Auswahlverfahrens eine stärkere Kontrollfunktion zukommt. Am 2. Mai 2018 erließ der Nationale Richterrat in einer Sitzung einstimmig Beschlüsse über die Praxis des Präsidenten des Nationalen Justizamts, Ausschreibungen für richterliche und leitende Positionen als nicht erfolgreich zu erklären. In den Beschlüssen wurde die Praxis des Präsidenten als rechtswidrig bezeichnet.

(14)  Am 29. Mai 2018 legte die ungarische Regierung den Entwurf einer siebten Änderung des Grundgesetzes (T/332) vor, der am 20. Juni 2018 angenommen wurde. Durch die Änderung wurde ein neues System von Verwaltungsgerichten eingeführt.

(15)  Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (der „Gerichtshof“) vom 6. November 2012 in der Rechtssache C-286/12, Kommission/Ungarn[1], in dem der Gerichtshof befand, dass Ungarn dadurch gegen seine Verpflichtungen nach Unionsrecht verstoßen hat, dass es eine nationale Regelung erlassen hat, gemäß der Richter, Staatsanwälte und Notare mit Vollendung des 62. Lebensjahres aus dem Berufsleben ausscheiden müssen, nahm das ungarische Parlament das Gesetz Nr. XX/2013 an, in dem vorgesehen ist, dass das Renteneintrittsalter von Richtern über einen Zeitraum von zehn Jahren schrittweise auf 65 Jahre abgesenkt wird, und in dem die Kriterien für die Wiedereinsetzung oder Entschädigung festgelegt sind. Gemäß dem Gesetz bestand die Möglichkeit, dass Richter im Ruhestand zu denselben Bedingungen wie vor den Bestimmungen über das Ausscheiden aus dem Berufsleben auf ihre frühere Stelle an demselben Gericht zurückkehrten. Wenn sie nicht zur Rückkehr bereit waren, erhielten sie für ihre entgangene Vergütung einen Pauschalbetrag in Höhe von zwölf Monatsvergütungen. Außerdem konnten sie beim Gericht eine weitere Entschädigung beantragen. Die Wiedereinsetzung in Führungspositionen in der Verwaltung wurde jedoch nicht garantiert. Dessen ungeachtet erkannte die Kommission die Maßnahmen Ungarns an, sein Ruhestandsrecht mit dem Unionsrecht vereinbar zu machen. In seinem Bericht vom Oktober 2015 führte das Menschenrechtsinstitut der Internationalen Anwaltskammer an, dass die Mehrheit der entlassenen Richter nicht auf ihre ursprünglichen Posten zurückgekehrt ist, teils deshalb, weil ihre bisherigen Posten zwischenzeitlich bereits neu besetzt worden waren. Das Institut wies ferner darauf hin, dass die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der ungarischen Justiz nicht gewährleistet sind und die Rechtsstaatlichkeit nach wie vor geschwächt ist.

(16)  In seinem Urteil vom 16. Juli 2015 in der Rechtssache Gazsó/Ungarn stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass gegen das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verstoßen wurde. Der EGMR kam zu dem Schluss, dass die Rechtsverletzungen darauf zurückzuführen sind, dass Ungarn wiederholt versäumt hat, sicherzustellen, dass Verfahren zur Feststellung von Bürgerrechten und ‑pflichten innerhalb einer angemessenen Frist abgeschlossen werden, und Maßnahmen zu ergreifen, damit Antragsteller auf nationaler Ebene eine Wiedergutmachung für übermäßig lange Zivilverfahren fordern können. Die Durchführung des Urteils steht noch aus. Die 2016 verabschiedete neue Zivilprozessordnung sieht die Beschleunigung von Zivilverfahren durch Einführung eines zweistufigen Verfahrens vor. Ungarn hat dem Ministerkomitee des Europarats mitgeteilt, dass das neue Gesetz zur Schaffung eines wirksamen Rechtsbehelfs für lange Verfahren bis Oktober 2018 verabschiedet wird.

(17)  In seinem Urteil vom 23. Juni 2016 in der Rechtssache Baka/Ungarn stellte der EGMR fest, dass gegen das Recht von András Baka, der im Juni 2009 für einen Zeitraum von sechs Jahren zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gewählt worden war, dieses Amt im Einklang mit den Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes, durch die die Kurie zur Rechtsnachfolgerin des Obersten Gerichtshofs wurde, jedoch aufgeben musste, auf Zugang zu einem Gericht und auf freie Meinungsäußerung verstoßen wurde. Die Durchführung des Urteils steht noch aus. Am 10. März 2017 forderte das Ministerkomitee des Europarats, dass Maßnahmen ergriffen werden, damit keine weiteren frühzeitigen Entlassungen von Richtern aus ähnlichen Gründen erfolgen und ein entsprechender Missbrauch verhindert wird. Die ungarische Regierung wies darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht mit der Durchführung des Urteils in Zusammenhang stehen.

(18)  Am 29. September 2008 wurde András Jóri für eine Amtszeit von sechs Jahren zum Datenschutzbeauftragten ernannt. Mit Wirkung vom 1. Januar 2012 beschloss das ungarische Parlament jedoch, das Datenschutzsystem zu reformieren und den Datenschutzbeauftragten durch eine nationale Behörde für Datenschutz und Informationsfreiheit zu ersetzen. András Jóri musste sein Amt vor Ablauf seiner gesamten Amtszeit aufgeben. Am 8. April 2014 stellte der Gerichtshof fest, dass die Unabhängigkeit von Aufsichtsbehörden zwingend auch die Verpflichtung umfasst, es ihnen zu ermöglichen, ihr Amt bis zum regulären Ablauf ihrer Amtszeit auszuüben, und dass Ungarn seine Verpflichtung gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rats nicht erfüllt hat[2]. Daraufhin änderte Ungarn die Vorschriften für die Ernennung des Beauftragten, entschuldigte sich und zahlte die vereinbarte Entschädigungssumme.

(19)  Die Venedig-Kommission wies in ihrem Gutachten vom 19. Juni 2012 zu dem Gesetz Nr. CLXIII/2011 über die Staatsanwaltschaft und dem Gesetz Nr. CLXIV/2011 über die Rechtsstellung des Generalstaatsanwalts, der Staatsanwälte und anderer Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft sowie die Laufbahn als Staatsanwalt in Ungarn auf mehrere Mängel hin. Die GRECO forderte die ungarischen Regierungsstellen in ihrem Bericht vom 27. März 2015 auf, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um einen Missbrauch zu verhüten und die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zu stärken, indem unter anderem die Möglichkeit der Wiederwahl des Generalstaatsanwalts abgeschafft wird. Darüber hinaus forderte die GRECO, dass Disziplinarverfahren gegen reguläre Staatsanwälte transparenter gestaltet werden müssten und dass für die Entscheidung, einen Fall einem Staatsanwalt zu entziehen und einem anderen zu übertragen, strenge rechtliche Kriterien gelten und Begründungen gegeben werden müssten. Nach Angaben der ungarischen Regierung seien die Fortschritte Ungarns in Bezug auf Staatsanwälte in dem Compliance-Bericht der GRECO von 2017 anerkannt worden. (Die Veröffentlichung wurde von den ungarischen Behörden trotz Aufforderungen im Rahmen der GRECO-Plenartagungen noch nicht genehmigt.) Der zweite Compliance-Bericht liegt noch nicht vor.

Korruption und Interessenkonflikte

(20)  In ihrem Bericht vom 27. März 2015 forderte die GRECO die Einführung von Verhaltenskodizes für die Mitglieder des ungarischen Parlaments mit Leitlinien für Fälle von Interessenkonflikten. Darüber hinaus sollten die Parlamentsmitglieder verpflichtet werden, ad hoc auftretende Interessenkonflikte zu melden. Außerdem sollte die Verpflichtung zur Offenlegung ihrer Vermögenswerte strenger gestaltet werden. Dazu sollten Bestimmungen erlassen werden, nach denen Sanktionen verhängt werden können, wenn falsche Vermögensoffenbarungen vorgelegt werden. Darüber hinaus sollten die Vermögensoffenbarungen im Internet veröffentlicht werden, um der Allgemeinheit eine echte Kontrollmöglichkeit zu geben. Es sollte eine einheitliche elektronische Datenbank eingerichtet werden, damit alle Offenlegungen und Änderungen in transparenter Weise zugänglich sind.

(21)  In ihren vorläufigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen vom 9. April 2018 kam die begrenzte Wahlbeobachtungsmission des Büros der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte zu dem Schluss, dass die begrenzte Überwachung der Ausgaben für den Wahlkampf und die fehlende umfassende Offenlegung der Finanzierungsquellen für den Wahlkampf vor dem Abschluss der Wahl die Transparenz der Wahlkampfinanzierung und die Fähigkeit der Wähler beeinträchtigt, eine sachkundige Entscheidung zu treffen, und somit im Widerspruch zu den OSZE-Verpflichtungen und internationalen Standards steht. Die geltenden Rechtsvorschriften sehen einen Ex-post-Überwachungs- und Kontrollmechanismus vor. Der staatliche Rechnungshof ist dafür zuständig, die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen zu überwachen und zu kontrollieren. Der offizielle Prüfbericht des staatlichen Rechnungshofs über die Parlamentswahl 2018 war nicht Bestandteil der vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen, da er zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt war.

(22)  Am 7. Dezember 2016 erhielt der Lenkungsausschuss der Partnerschaft für eine offene Regierung (Open Government Partnership – OGP) ein Schreiben der ungarischen Regierung, in dem diese den sofortigen Austritt Ungarns aus der Partnerschaft, an der sich 75 Staaten und hunderte zivilgesellschaftliche Organisationen freiwillig beteiligen, bekanntgab. Die Regierung Ungarns war seit Juli 2015 Gegenstand von Überprüfungen seitens der OGP, da zivilgesellschaftliche Organisationen Bedenken geäußert hatten, die insbesondere ihren Handlungsspielraum bei Tätigkeiten in Ungarn betrafen. Nicht alle Mitgliedstaaten der EU sind Mitglied der OGP.

(23)  Ungarn erhält EU-Mittel in Höhe von 4,4 % seines BIP, d. h. mehr als die Hälfte der öffentlichen Investitionen. Der Anteil der Aufträge, die nach öffentlichen Vergabeverfahren erteilt wurden, zu denen nur ein einziges Angebot einging, blieb mit 36 % im Jahr 2016 hoch. Ungarn weist im Hinblick auf die Strukturfonds und die Landwirtschaft im Zeitraum 2013–2017 unionsweit den höchsten Anteil an Empfehlungen für finanzielle Folgemaßnahmen vonseiten des OLAF auf. Im Jahr 2016 schloss das OLAF eine Untersuchung zu einem Verkehrsprojekt in Ungarn mit einem Investitionsvolumen von 1,7 Mrd. EUR ab, dessen Hauptakteure mehrere internationale spezialisierte Bauunternehmen waren. Die Untersuchung ergab, dass es bei der Durchführung des Projekts zu äußerst schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten sowie mutmaßlich zu Betrug und Korruption gekommen war. 2017 stellte das OLAF bei der Untersuchung von 35 Verträgen über Straßenbeleuchtung, die an ein zum damaligen Zeitpunkt vom Schwiegersohn des ungarischen Premierministers kontrolliertes Unternehmen vergeben worden waren, schwerwiegende Unregelmäßigkeiten und Interessenkonflikte fest. Das OLAF übersandte seinen Abschlussbericht mit Empfehlungen für finanzielle Folgemaßnahmen zur Wiedereinziehung von 43,7 Mio. EUR an die Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung der Kommission und mit Empfehlungen für gerichtliche Folgemaßnahmen an den ungarischen Generalstaatsanwalt. Eine vom OLAF im Jahr 2017 abgeschlossene grenzüberschreitende Untersuchung erstreckte sich unter anderem auf den mutmaßlichen Missbrauch von Unionsmitteln bei 31 Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Bei der Untersuchung, die in Ungarn, Lettland und Serbien durchgeführt wurde, wurde ein System der Vergabe von Unteraufträgen aufgedeckt, das dazu diente, die Projektkosten künstlich in die Höhe zu treiben und zu verschleiern, dass die endgültigen Anbieter verbundene Unternehmen waren. Das OLAF schloss die Untersuchung deshalb mit einer Empfehlung für finanzielle Folgemaßnahmen an die Kommission zur Wiedereinziehung von 28,3 Mio. EUR und einer Empfehlung für gerichtliche Folgemaßnahmen an die ungarischen Justizbehörden ab. Ungarn beschloss, sich nicht an der Einrichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft zu beteiligen, die für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung in Bezug auf Personen, die als Täter oder Mittäter Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union begangen haben, zuständig sein soll.

(24)  Dem Siebten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt zufolge ist die Wirksamkeit der Regierungsführung in Ungarn seit 1996 zurückgegangen, außerdem ist Ungarn einer der Mitgliedstaaten der Union mit der geringsten Wirksamkeit der Regierungsführung. Alle Regionen Ungarns liegen im Hinblick auf die Regierungsqualität deutlich unter dem Unionsdurchschnitt. Nach dem 2014 von der Kommission veröffentlichten Bericht über die Korruptionsbekämpfung wird die Korruption in Ungarn als weit verbreitet (89 %) angesehen. Laut dem vom Weltwirtschaftsforum herausgegebenen Global Competitiveness Report 2017–2018 war das hohe Maß an Korruption einer der problematischsten Faktoren bei der Geschäftstätigkeit in Ungarn.

Privatsphäre und Datenschutz

(25)  In seinem Urteil vom 12. Januar 2016 in der Rechtssache Szabó und Vissy/Ungarn stellte der EGMR fest, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzt wurde, da es keine ausreichenden rechtlichen Garantien gegen eine mögliche unrechtmäßige verdeckte Überwachung – unter anderem bei der Nutzung von Telekommunikationssystemen – aus Gründen der nationalen Sicherheit gibt. Die Kläger erhoben nicht den Vorwurf, dass man verdeckte Überwachungsmaßnahmen gegen sie ergriffen habe, sodass keine weiteren konkreten Maßnahmen erforderlich schienen. Die Änderung der entsprechenden Rechtsvorschriften ist allgemein erforderlich. Vorschläge zur Änderung des Gesetzes über die nationalen Sicherheitsdienste werden derzeit von den Sachverständigen der zuständigen Ministerien Ungarns diskutiert. Die Durchführung des Urteils steht somit noch aus.

(26)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bedenken dahingehend, dass der Rechtsrahmen Ungarns für die verdeckte Überwachung aus Gründen der nationalen Sicherheit die Massenüberwachung der Kommunikation ermöglicht und nur unzureichende Vorkehrungen zum Schutz vor einer willkürlichen Verletzung des Rechts auf Privatsphäre vorsieht. Der Menschenrechtsrat war darüber hinaus besorgt über den Mangel an Bestimmungen, mit denen im Falle eines Missbrauchs für einen wirksamen Rechtsbehelf und nach Abschluss der Überwachungsmaßnahmen für die möglichst rasche Unterrichtung der betreffenden Person gesorgt wird, ohne den Zweck der Einschränkung zu gefährden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

(27)  Am 22. Juni 2015 veröffentlichte die Venedig-Kommission ihr Gutachten zu den Mediengesetzen Ungarns (Gesetz Nr. CLXXXV/2010 über die Mediendienste und die Massenmedien, Gesetz Nr. CIV/2010 über die Pressefreiheit und die Rechtsvorschriften für die Besteuerung der Werbeeinnahmen von Massenmedien), in dem sie zahlreiche Änderungen des Gesetzes über die Presse und des Mediengesetzes fordert, insbesondere mit Blick auf die Definition des Begriffs „illegale Medieninhalte“, die Offenlegung der Quellen von Journalisten und Sanktionen für Medienorganen. Ähnliche Bedenken waren im Februar 2011 in einer vom Büro des Beauftragten der OSZE für die Freiheit der Medien in Auftrag gegebenen Analyse, vom damaligen Menschenrechtskommissar des Europarats in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2011 zu den Mediengesetzen Ungarns angesichts der Standards des Europarates für die Medienfreiheit und von Sachverständigen des Europarates in ihrem Gutachten über die Mediengesetze Ungarns vom 11. Mai 2012 vorgebracht worden. In seiner Erklärung vom 29. Januar 2013 begrüßte der Generalsekretär des Europarats, dass Diskussionen im Bereich der Medien zu mehreren wichtigen Veränderungen geführt haben. Der Menschenrechtskommissar des Europarats bekräftigte in seinem im Anschluss an seine Reise nach Ungarn verfassten Bericht, der am 16. Dezember 2014 veröffentlicht wurde, allerdings die noch nicht ausgeräumten Bedenken. Er wies außerdem auf die Probleme im Zusammenhang mit der Eigentumskonzentration im Medienbereich und der Selbstzensur hin und betonte, dass der Rechtsrahmen, mit dem Verleumdung zu einer Straftat erklärt wurde, außer Kraft gesetzt werden sollte.

(28)  In ihrem Gutachten vom 22. Juni 2015 zu den Mediengesetzen erkannte die Venedig-Kommission die Bemühungen der ungarischen Regierung an, im Laufe der Jahre den ursprünglichen Text der Mediengesetze entsprechend den Anmerkungen verschiedener Beobachter, einschließlich des Europarats, zu verbessern, und würdigte die Bereitschaft der ungarischen Regierungsstellen, den Dialog fortzusetzen. Dessen ungeachtet bekräftigte die Venedig-Kommission, dass die Vorschriften für die Wahl der Mitglieder des Medienrats geändert werden müssten, damit für eine faire Vertretung von gesellschaftlich wichtigen politischen und anderen Gruppen gesorgt ist, und dass das Verfahren für die Ernennung sowie die Stellung des Vorsitzes des Medienrats bzw. des Präsidenten der Medienbehörde überprüft werden sollte, um die Machtkonzentration zu verringern und für politische Neutralität zu sorgen. Auch der Überwachungsausschuss sollte entsprechend reformiert werden. Darüber hinaus empfahl die Venedig-Kommission, die Verwaltung der öffentlichen Medienunternehmen zu dezentralisieren und dafür zu sorgen, dass die nationale Nachrichtenagentur nicht der einzige Nachrichtenanbieter für öffentliche Medienunternehmen ist. Ähnliche Bedenken waren im Februar 2011 in einer vom Büro des Beauftragten der OSZE für die Freiheit der Medien in Auftrag gegebenen Analyse, vom damaligen Menschenrechtskommissar des Europarats in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2011 zu den Mediengesetzen Ungarns angesichts der Standards des Europarates für die Medienfreiheit und von Sachverständigen des Europarates für die Mediengesetze Ungarns in ihrem Gutachten vom 11. Mai 2012 vorgebracht worden. In seiner Erklärung vom 29. Januar 2013 begrüßte der Generalsekretär des Europarats, dass Diskussionen im Bereich Medien zu mehreren wichtigen Veränderungen geführt hätten. In seinem im Anschluss an seine Reise nach Ungarn verfassten Bericht, der am 16. Dezember 2014 veröffentlicht wurde, wiederholte der Menschenrechtskommissar des Europarats allerdings die verbliebenen Bedenken.

(29)  Am 18. Oktober 2012 veröffentlichte die Venedig-Kommission ihr Gutachten zum ungarischen Gesetz Nr. CXII/2011 über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Informationsfreiheit. Trotz der allgemein positiven Bewertung stellte die Venedig-Kommission fest, dass weitere Verbesserungen erforderlich sind. Durch anschließende Änderungen dieses Gesetzes wurde das Recht auf Zugang zu Regierungsinformationen jedoch noch stärker eingeschränkt. Diese Änderungen wurden in der vom Büro des Beauftragten der OSZE für die Freiheit der Medien im März 2016 in Auftrag gegebenen Analyse kritisiert. In ihr wird angeführt, dass die Gebühren für die direkten Kosten zwar als vollkommen angemessen erscheinen, die Gebühren für die Zeit, die die Staatsbediensteten für die Beantwortung von Anfragen benötigten, jedoch inakzeptabel sind. Die Kommission stellt in ihrem Länderbericht von 2018 fest, dass der Datenschutzbeauftragte und die Gerichte, einschließlich des Verfassungsgerichts, in transparenzbezogenen Fragen einen progressiven Standpunkt vertreten.

(30)  In ihren vorläufigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen vom 9. April 2018 kam die begrenzte Wahlbeobachtungsmission des Büros der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte für die Parlamentswahl 2018 in Ungarn zu dem Schluss, dass der Zugang zu Informationen sowie die Medien- und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt wurden, auch durch die jüngsten Gesetzesänderungen, und dass in den Medien zwar ausführlich über den Wahlkampf berichtet wurde, die Berichterstattung aber äußerst polarisiert war und es an einer kritischen Analyse fehlte. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt habe zwar ihren Auftrag, den Kandidaten kostenfreie Sendezeit zur Verfügung zu stellen, erfüllt, in ihren Nachrichtensendungen und redaktionellen Beiträgen jedoch eindeutig die Regierungskoalition begünstigt, was den internationalen Standards zuwiderlaufe. Die meisten privaten Rundfunkanstalten hätten in ihrer Berichterstattung Partei für die Regierungsparteien oder die Oppositionsparteien ergriffen. Die Online-Medien hätten eine Plattform für pluralistische, sachorientierte politische Debatten geboten. Die Wahlbeobachtungskommission wies ferner darauf hin, dass die Politisierung des Medieneigentums in Kombination mit einem restriktiven Rechtsrahmen eine abschreckende Wirkung auf die redaktionelle Freiheit hatte, wodurch die Wähler keinen Zugang zu pluralistischen Informationen hatten. Sie erwähnte außerdem, dass der Zugang zu Informationen durch die Gesetzesänderungen unangemessen eingeschränkt wurde, indem die Definition von Informationen, die nicht offengelegt werden müssen, ausgeweitet und die Gebühr für Anträge auf den Zugang zu Informationen erhöht wurde.

(31)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bedenken im Hinblick auf die ungarischen Mediengesetze und Praktiken, mit denen das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung eingeschränkt werde. Er äußerte sich besorgt, dass der geltende Rechtsrahmen aufgrund zahlreicher Änderungen des Gesetzes nicht vollständig sicherstellt, dass die Berichterstattung in der Presse auf unzensierte und ungehinderte Weise erfolgen kann. Er wies mit Sorge darauf hin, dass der Medienrat und die Medienbehörde nicht unabhängig genug sind, um ihre Aufgaben wahrzunehmen, und über zu umfassende Regulierungs- und Sanktionsbefugnisse verfügen.

(32)  Am 13. April 2018 verurteilte der Beauftragte der OSZE für die Freiheit der Medien mit Nachdruck die Veröffentlichung einer Liste von mehr als 200 Personen durch ein ungarisches Medienunternehmen, das behauptete, dass über 2 000 Personen, einschließlich der namentlich aufgeführten, daran arbeiten, „die Regierung zu stürzen“. Die Liste wurde am 11. April in der ungarischen Zeitschrift Figyelő veröffentlicht und enthielt die Namen zahlreicher Journalisten und anderer Bürger. Am 7. Mai 2018 brachte der Beauftragte der OSZE für die Freiheit der Medien seine große Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass einigen unabhängigen Journalisten die Akkreditierung verweigert wurde und diese daher keine Möglichkeit hatten, über die konstituierende Sitzung des neu gewählten ungarischen Parlaments zu berichten. Es wurde darüber hinaus angemerkt, dass ein solches Ereignis nicht dazu missbraucht werden darf, die kritische Berichterstattung inhaltlich zu beschneiden, und dass mit einem solchen Vorgehen ein negativer Präzedenzfall für die neue Wahlperiode des ungarischen Parlaments geschaffen wird.

Akademische Freiheit

(33)  Am 6. Oktober 2017 nahm die Venedig-Kommission ihr Gutachten zum Gesetz Nr. XXV vom 4. April 2017 zur Änderung des nationalen Hochschulgesetzes Nr. CCIV/2011 an. Sie kam zu dem Schluss, dass die Einführung strengerer Regeln ohne ausgesprochen triftigen Grund in Kombination mit strengen Fristen und schwerwiegenden Rechtsfolgen für ausländische Universitäten, die bereits in Ungarn ansässig und dort seit vielen Jahren rechtmäßig tätig sind, im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit und die Prinzipien der Grundrechte sowie die damit verbundenen Garantien äußerst problematisch ist. Diese Universitäten und ihre Studierenden seien durch nationale und internationale Vorschriften über die akademische Freiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung und die Freiheit der Lehre geschützt. Die Venedig-Kommission empfahl den ungarischen Regierungsstellen, vor allem sicherzustellen, dass neue Vorschriften über die Erfordernis einer Arbeitserlaubnis die akademische Freiheit nicht übermäßig stark beeinträchtigen und diskriminierungsfrei und flexibel angewandt werden, ohne die Qualität und internationale Ausrichtung der Bildung an den bereits niedergelassenen Universitäten zu gefährden. Auch der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung, der Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die Sonderberichterstatterin für kulturelle Rechte brachten in ihrer Erklärung vom 11. April 2017 diese Bedenken über die Änderung des nationalen Hochschulgesetzes Nr. CCIV/2011 zum Ausdruck. In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 wies der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen darauf hin, dass es keine ausreichende Begründung für derartige Einschränkungen der Gedankenfreiheit, der freien Meinungsäußerung, der Vereinigungsfreiheit und der akademischen Freiheit gibt.

(34)  Am 17. Oktober 2017 verlängerte das ungarische Parlament die Frist, innerhalb deren die in Ungarn tätigen ausländischen Universitäten die neuen Kriterien erfüllen müssen, auf ausdrückliches Ersuchen der betroffenen Einrichtungen und auf Empfehlung des Präsidiums der ungarischen Rektorenkonferenz bis zum 1. Januar 2019. Die Venedig-Kommission begrüßte diese Fristverlängerung. Die Verhandlungen zwischen der ungarischen Regierung und den betroffenen ausländischen Hochschulen, vor allem der Central European University, laufen noch, und somit bleibt der rechtliche Schwebezustand der ausländischen Universitäten vorerst bestehen, auch wenn die Central European University die neuen Anforderungen fristgerecht erfüllt hat.

(35)  Am 7. Dezember 2017 beschloss die Europäische Kommission, beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Ungarn einzureichen, weil die Änderung des nationalen Hochschulgesetzes Nr. CCIV/2011 die Tätigkeit von EU- und Nicht-EU-Universitäten unverhältnismäßig stark einschränke und das Gesetz wieder mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht werden müsse. Die Kommission war der Ansicht, dass das neue Gesetz dem Recht auf akademische Freiheit, dem Recht auf Bildung und der unternehmerischen Freiheit gemäß der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („Charta“) sowie den rechtlichen Verpflichtungen der Union gemäß internationalem Handelsrecht zuwiderläuft.

Religionsfreiheit

(36)  Am 30. Dezember 2011 nahm das ungarische Parlament das Gesetz Nr. CCVI/2011 über das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit und die Rechtsstellung der Kirchen, Religionsbekenntnisse und religiösen Gemeinschaften an, das am 1. Januar 2012 in Kraft trat. Mit dem Gesetz wurde die Rechtspersönlichkeit zahlreicher religiöser Organisationen überprüft und die Zahl der staatlich anerkannten Kirchen in Ungarn auf 14 gesenkt. Am 16. Dezember 2011 übermittelte der Menschenrechtskommissar des Europarats den ungarischen Regierungsstellen ein Schreiben, in dem er seine Bedenken über dieses Gesetz äußerte. Aufgrund des internationalen Drucks erweiterte das ungarische Parlament die Zahl der anerkannten Kirchen im Februar 2012 auf 31. Am 19. März 2012 veröffentlichte die Venedig-Kommission ihr Gutachten zum ungarischen Gesetz Nr. CCVI/2011 über das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit und die Rechtsstellung der Kirchen, Religionsbekenntnisse und religiösen Gemeinschaften und wies darauf hin, dass in dem Gesetz eine Reihe von Auflagen für die Anerkennung von Kirchen festgelegt werden, die übermäßig strikt sind und auf willkürlichen Kriterien beruhen. Sie wies ferner darauf hin, dass das Gesetz dazu geführt hat, dass Hunderte zuvor staatlich anerkannte Kirchen ihre staatliche Anerkennung verloren haben, und dass das Gesetz teilweise eine ungerechte und sogar diskriminierende Behandlung von religiösen Überzeugungen und Gemeinschaften vorsieht, je nachdem, ob sie anerkannt sind oder nicht.

(37)  Im Februar 2013 stellte das Verfassungsgericht Ungarns fest, dass es verfassungswidrig war, den anerkannten Kirchen ihre staatliche Anerkennung zu entziehen. Aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts änderte das ungarische Parlament im März 2013 das Grundgesetz. Im Juni und September 2013 änderte das ungarische Parlament das Gesetz Nr. CCVI/2011, um eine zweistufige Einteilung in „Religionsgemeinschaften“ und „anerkannte Kirchen“ zu schaffen. Im September 2013 änderte das ungarische Parlament darüber hinaus das Grundgesetz ausdrücklich zu dem Zweck, sich selbst die Befugnis zu übertragen, Religionsgemeinschaften auszuwählen, die mit dem Staat „zusammenarbeiten“ sollen, um „Aufgaben im öffentlichen Interesse“ wahrzunehmen, wobei es sich selbst mit der Ermessensbefugnis ausstattete, eine religiöse Organisation mit einer Zweidrittelmehrheit anzuerkennen.

(38)  In seinem Urteil vom 8. April 2014 in der Rechtssache Magyar Keresztény Mennonita Egyház und andere/Ungarn urteilte der EGMR, dass Ungarn gegen die Vereinigungsfreiheit im Sinne der Gewissens- und Religionsfreiheit verstoßen hat. Das ungarische Verfassungsgericht stellte fest, dass bestimmte Regelungen bezüglich der Bedingungen für eine Anerkennung als Kirche verfassungswidrig waren, und erteilte dem Gesetzgeber die Anweisung, die betreffenden Regelungen gemäß den Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu überarbeiten. Demgemäß wurde das entsprechende Gesetz dem ungarischen Parlament im Dezember 2015 vorgelegt, erhielt jedoch nicht die erforderliche Mehrheit. Die Durchführung des Urteils steht noch aus.

Vereinigungsfreiheit

(39)  Am 9. Juli 2014 wies der Menschenrechtskommissar des Europarats in einem Schreiben an die ungarischen Regierungsstellen darauf hin, dass er beunruhigt ist angesichts der stigmatisierenden Äußerungen von Politikern, die die Rechtmäßigkeit der Arbeit nichtstaatlicher Organisationen, die den Fonds des EWR und Norwegens für nichtstaatliche Organisationen verwalten bzw. Mittel aus diesem Fonds erhalten, infrage stellten, nachdem das ungarische Regierungsamt für die Kontrolle der Verwaltung entsprechende Audits durchgeführt hatte. Die ungarische Regierung hat eine Vereinbarung mit dem Fonds unterzeichnet, sodass die Zuschüsse weitergezahlt werden. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Lage von Menschenrechtsverteidigern reiste vom 8. bis 16. Februar 2016 nach Ungarn und erklärte in seinem anschließenden Bericht, dass der geltende Rechtsrahmen für die Wahrnehmung der Grundfreiheiten, darunter das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, erhebliche Herausforderungen mit sich bringt und dass sich auch Rechtsvorschriften in den Bereichen nationale Sicherheit und Migration einschränkend auf die Zivilgesellschaft auswirken können.

(40)  Im April 2017 wurde dem ungarischen Parlament ein Gesetzesentwurf über die Transparenz von Organisationen, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten, vorgelegt, dessen erklärtes Ziel es war, Anforderungen im Zusammenhang mit der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismus einzuführen. Die Venedig-Kommission hatte 2013 anerkannt, dass es für einen Staat verschiedene Gründe geben könne, ausländische Finanzierung einzuschränken, auch zum Zwecke der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, jedoch sollten diese legitimen Ziele nicht als Vorwand dienen, um nichtstaatliche Organisationen zu kontrollieren oder ihre Fähigkeit zur Ausübung ihrer rechtmäßigen Tätigkeiten, insbesondere zur Verteidigung der Menschenrechte, einzuschränken. Der Menschenrechtskommissar des Europarats übermittelte dem Präsidenten der ungarischen Nationalversammlung am 26. April 2017 ein Schreiben, in dem er darauf hinwies, dass der Gesetzesvorschlag vor dem Hintergrund anhaltender feindlicher Äußerungen bestimmter Mitglieder der Regierungskoalition vorgelegt wurde, die einige nichtstaatliche Organisationen aufgrund ihrer Finanzierungsquellen öffentlich als „ausländische Agenten“ bezeichneten und ihre Rechtmäßigkeit in Frage stellten. Der Begriff „ausländische Agenten“ wurde in dem Gesetzesentwurf jedoch nicht verwendet. Ähnliche Bedenken wurden in der am 7. März 2017 veröffentlichten Erklärung des Vorsitzes der Konferenz der internationalen nichtstaatlichen Organisationen des Europarats und des Vorsitzes des Sachverständigenrats für das Gesetz über nichtstaatliche Organisationen, in dem am 24. April 2017 veröffentlichten Gutachten des Sachverständigenrats für das Gesetz über nichtstaatliche Organisationen und in der Erklärung der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Lage von Menschenrechtsverteidigern und für die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung vom 15. Mai 2017 vorgebracht.

(41)  Das ungarische Parlament nahm den Gesetzesvorschlag am 13. Juni 2017 mit einer Reihe von Änderungen an. In ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 2017 räumte die Venedig-Kommission ein, dass der Begriff „Organisation, die Unterstützung aus dem Ausland erhält“ neutral und deskriptiv ist und dass einige dieser Änderungen eine deutliche Verbesserung darstellen, erklärte aber gleichzeitig, dass andere Probleme nicht angegangen wurden und die Änderungen nicht ausreichen, um die Bedenken zu zerstreuen, dass das Gesetz eine unverhältnismäßige und unnötige Beeinträchtigung der Vereinigungsfreiheit, der freien Meinungsäußerung, des Rechts auf Privatsphäre und des Diskriminierungsverbots zur Folge hat. In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 wies der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen darauf hin, dass es keine ausreichende Begründung für diese Anforderungen gibt, die Teil des Versuchs zu sein scheinen, einige nichtstaatliche Organisationen, darunter nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte in Ungarn einsetzen, zu diskreditieren.

(42)  Am 7. Dezember 2017 beschloss die Kommission, ein Gerichtsverfahren gegen Ungarn anzustrengen, da Ungarn aufgrund von Bestimmungen im Gesetz über nichtstaatliche Organisationen, mit denen nach Auffassung der Kommission zivilgesellschaftliche Organisationen indirekt diskriminiert und Spenden aus dem Ausland an solche Organisationen unverhältnismäßig eingeschränkt würden, seinen Verpflichtungen gemäß den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr nicht nachkomme. Darüber hinaus machte die Kommission geltend, dass Ungarn gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Schutz des Privatlebens und der personenbezogenen Daten gemäß der Charta in Verbindung mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr gemäß Artikel 26 Absatz 2 sowie Artikel 56 und 63 AEUV verstoßen hat.

(43)  Im Februar 2018 legte die ungarische Regierung ein Gesetzespaket vor, das aus drei Gesetzesvorschlägen (T/19776, T/19775 und T/19774) bestand. Der Vorsitz der Konferenz der internationalen nichtstaatlichen Organisationen des Europarats und der Vorsitz des Sachverständigenrats für das Gesetz über nichtstaatliche Organisationen veröffentlichten am 14. Februar 2018 eine Erklärung, in der sie darauf hinwiesen, dass das Paket nicht mit dem Recht auf Vereinigungsfreiheit vereinbar ist, vor allem für nichtstaatliche Organisationen, die sich für Migranten einsetzen. Am 15. Februar 2018 äußerte der Menschenrechtskommissar des Europarats ähnliche Bedenken. Am 8. März 2018 wiesen der Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, der Sonderberichterstatter über die Lage von Menschenrechtsverteidigern, der Unabhängige Experte für Menschenrechte und internationale Solidarität, der Sonderberichterstatter über die Menschenrechte von Migranten und der Sonderberichterstatter für zeitgenössische Formen des Rassismus, der Rassendiskriminierung, der Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz der Vereinten Nationen warnend darauf hin, dass der Gesetzesentwurf zu unzulässigen Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung in Ungarn führen würde. In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 brachte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen seine Sorge zum Ausdruck, dass nichtstaatliche Organisationen durch das Gesetzespaket stigmatisiert werden und ihre Fähigkeit, ihre wichtigen Aufgaben im Bereich der Förderung der Menschenrechte und vor allem der Rechte von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten wahrzunehmen, beeinträchtigt wird, da im Rahmen des Gesetzespakets auf das „Überleben der Nation“ und den Schutz der Bürger und der Kultur angespielt sowie die Arbeit der nichtstaatlichen Organisationen mit einer angeblichen internationalen Verschwörung in Verbindung gebracht wird. Der Menschenrechtsrat war außerdem besorgt, dass die auferlegten Beschränkungen für die Finanzierung von nichtstaatlichen Organisationen aus dem Ausland verwendet werden könnten, um diese unzulässig unter Druck zu setzen und ungerechtfertigten Einfluss auf ihre Tätigkeiten zu nehmen. Einer der Gesetzesentwürfe sah vor, aus dem Ausland stammende Mittel nichtstaatlicher Organisationen, einschließlich Finanzmitteln der Union, mit einem Satz von 25 % zu besteuern. Durch das Gesetzespaket würden die nichtstaatlichen Organisationen außerdem der Rechtsbehelfe beraubt, mit denen willkürliche Entscheidungen angefochten werden könnten. Am 22. März 2018 forderte der Ausschuss für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats bei der Venedig-Kommission ein Gutachten zu dem vorgeschlagenen Gesetzespaket an.

(44)  Am 29. Mai 2018 legte die ungarische Regierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung bestimmter Gesetze über Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung vor (T/333). Der Entwurf ist eine überarbeitete Fassung des vorausgegangenen Legislativpakets und sieht strafrechtliche Sanktionen für die „Förderung der illegalen Einwanderung“ vor. Am selben Tag forderte das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, den Vorschlag zurückzuziehen, und äußerte seine Besorgnis, dass durch diese Vorschläge im Falle ihrer Annahme Menschen, die gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu flüchten, dringend erforderlicher Hilfe und Unterstützungsleistungen beraubt und der bereits spannungsgeladene öffentliche Diskurs und die zunehmenden fremdenfeindlichen Haltungen befördert werden. Am 1. Juni 2018 äußerte die Menschenrechtskommissarin des Europarats ähnliche Bedenken. Am 31. Mai 2018 bestätigte die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, dass man die Venedig-Kommission um ein Gutachten zu dem neuen Gesetzesentwurf ersucht hat. Der Entwurf wurde am 20. Juni 2018 angenommen, bevor die Venedig-Kommission das Gutachten vorlegte. Am 21. Juni 2018 verurteilte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte den Beschluss des ungarischen Parlaments. Am 22. Juni 2018 wiesen die Venedig-Kommission und das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte darauf hin, dass die Bestimmung über die strafrechtliche Haftung zu einer Beeinträchtigung der Tätigkeit von Organisationen und der Meinungsäußerung führen kann und gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt und deshalb aufgehoben werden sollte.

Recht auf Gleichbehandlung

(45)  Vom 17.–27. Mai 2016 unternahm die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Diskriminierung von Frauen qua Gesetz und in der Praxis eine Reise nach Ungarn. In ihrem Bericht wies die Arbeitsgruppe darauf hin, dass die konservative Familienform, die aufgrund ihrer wesentlichen Bedeutung für den Fortbestand der Nation geschützt wird, keine Unausgewogenheit im Hinblick auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte sowie die Stellung der Frau verursachen sollte. Die Arbeitsgruppe wies außerdem darauf hin, dass das Recht der Frauen auf Gleichstellung nicht nur als Schutz einer schutzbedürftigen Personengruppe – wie beispielsweise von Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen – betrachtet werden darf, da Frauen einen wesentlichen Teil all dieser Gruppen ausmachen. Neue Schulbücher enthielten nach wie vor Geschlechterstereotype, in deren Rahmen Frauen vorrangig als Mütter und Ehefrauen dargestellt und in einigen Fällen Mütter als weniger intelligent dargestellt würden als Väter. Andererseits erkannte die Arbeitsgruppe die Anstrengungen der ungarischen Regierung an, die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben durch die Einführung großzügiger Maßnahmen im Familienfördersystem sowie in Bezug auf die frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung zu fördern. In ihren vorläufigen Ergebnissen und Schlussfolgerungen vom 9. April 2018 erklärte die begrenzte Wahlbeobachtungsmission des Büros der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte für die Parlamentswahl 2018 in Ungarn, dass Frauen im politischen Leben nach wie vor unterrepräsentiert sind und es keine Rechtsvorschriften gibt, um die Gleichstellung der Geschlechter bei Wahlen zu fördern. Zwar habe eine große Partei eine Frau auf den Spitzenplatz der nationalen Liste gesetzt, und einige Parteien hätten sich in ihren Programmen mit geschlechterbezogenen Fragen befasst, jedoch habe die Stärkung der Position der Frau in der Gesellschaft als Wahlkampfthema – auch in den Medien – kaum Beachtung gefunden.

(46)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 begrüßte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Unterzeichnung des Übereinkommens von Istanbul, bekundete jedoch sein Bedauern darüber, dass in Ungarn im Hinblick auf die Stellung der Frau in der Gesellschaft nach wie vor patriarchalische Stereotype vorherrschen, und stellte mit Besorgnis fest, dass von politischen Akteuren diskriminierende Aussagen gegenüber Frauen getätigt wurden. Außerdem wies er darauf hin, dass weibliche Opfer häuslicher Gewalt durch das ungarische Strafrecht nicht umfassend geschützt werden. Der Menschenrechtsrat bekräftigte seine Sorge darüber, dass Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst und insbesondere in Ministerien und im ungarischen Parlament nach wie vor unterrepräsentiert sind. Das Übereinkommen von Istanbul wurde noch nicht ratifiziert.

(47)  Das Grundgesetz Ungarns enthält zwingende Bestimmungen zum Schutz der Arbeitsplätze von Eltern und zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes; somit gibt es für Frauen sowie für Mütter und Väter, die Kinder erziehen, arbeitsrechtliche Sondervorschriften. Am 27. April 2017 veröffentlichte die Kommission eine begründete Stellungnahme, in der sie Ungarn aufforderte, die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates[3] ordnungsgemäß umzusetzen, da im ungarischen Recht eine Ausnahme von dem Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts vorgesehen sei, die sehr viel weiter gefasst sei als die nach der Richtlinie zulässige Ausnahme. Am selben Tag veröffentlichte die Kommission eine an Ungarn gerichtete begründete Stellungnahme aufgrund der Nichteinhaltung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates[4], die besagt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Arbeitsbedingungen für Schwangere und Stillende so zu gestalten, dass sie vor Gefahren für ihre Gesundheit und Sicherheit geschützt sind. Die ungarische Regierung hat sich verpflichtet, die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes Nr. CXXV/2003 über die Gleichbehandlung und die Förderung der Chancengleichheit sowie das Arbeitsgesetzbuch (Gesetz Nr. I/2012) zu ändern. Daraufhin wurde das Verfahren am 7. Juni 2018 abgeschlossen.

(48)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bedenken im Hinblick darauf, dass die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität in dem verfassungsmäßigen Diskriminierungsverbot nicht ausdrücklich als Diskriminierungsgründe genannt werden und dass die restriktive Definition des Begriffs „Familie“ zu Diskriminierung führen könnte, da bestimmte Familienformen, etwa gleichgeschlechtliche Partnerschaften, nicht darunter fallen. Der Menschenrechtsrat äußerte ferner Bedenken im Hinblick auf Gewalttaten, negative Stereotype und Vorurteile gegenüber lesbischen, schwulen, und bisexuellen Personen sowie Transgender-Personen, insbesondere in den Bereichen Beschäftigung und Bildung.

(49)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 erwähnte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen auch die Zwangsunterbringung zahlreicher Personen mit geistigen, psychischen und psychosozialen Behinderungen in medizinischen Einrichtungen und deren Isolierung und zwangsweise Behandlung sowie Berichte über gewaltsame, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung und eine mutmaßlich hohe Zahl an ungeklärten Todesfällen in geschlossenen Einrichtungen.

Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, einschließlich Roma und Juden, und Schutz vor hetzerischen Äußerungen, die gegen diese Minderheiten gerichtet sind

(50)  In seinem im Anschluss an seine Reise nach Ungarn verfassten Bericht, der am 16. Dezember 2014 veröffentlicht wurde, wies der Menschenrechtskommissar des Europarats darauf hin, dass er angesichts der Verschlechterung der Lage im Hinblick auf Rassismus und Intoleranz in Ungarn besorgt ist, wobei Antiziganismus die offensichtlichste Form der Intoleranz sei, was sich an dem besonders rauen und auch gewaltsamen Umgang mit Roma und an paramilitärischen Märschen und Patrouillen in von Roma bewohnten Dörfern zeige. Außerdem wies er darauf hin, dass die ungarischen Behörden antisemitische Äußerungen zwar verurteilt haben, Antisemitismus jedoch ein wiederkehrendes Problem ist, das sich durch Hetze und Gewalt gegen jüdische Mitbürger und ihr Eigentum äußert. Außerdem sei es zu einem Wiedererstarken der Fremdenfeindlichkeit gegenüber Migranten – darunter Asylbewerber und Flüchtlinge – sowie Intoleranz gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen wie LGBTI-Personen sowie armen und obdachlosen Personen gekommen. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) äußerte in ihrem am 9. Juni 2015 veröffentlichten Bericht über Ungarn ähnliche Bedenken.

(51)  In seiner vierten Stellungnahme zu Ungarn, die am 25. Februar 2016 angenommen wurde, wies der Beratende Ausschuss zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten darauf hin, dass Roma nach wie vor unter systemischer Diskriminierung und Ungleichbehandlung in allen Lebensbereichen leiden, etwa in den Bereichen Wohnen, Beschäftigung, Bildung, Zugang zur Gesundheitsversorgung und Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben. In seiner Entschließung vom 5. Juli 2017 empfahl das Ministerkomitee des Europarats den ungarischen Behörden, nachhaltige und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Roma zu verhindern, zu bekämpfen und zu bestrafen, die Lebensbedingungen, den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und die Beschäftigung von Roma in enger Abstimmung mit Roma-Vertretern zu verbessern, wirksame Maßnahmen zur Beseitigung der zur anhaltenden schulischen Segregation von Roma-Kindern führenden Praktiken zu ergreifen, die Bemühungen um die Beseitigung der Probleme zu verstärken, vor denen Roma-Kinder im Bildungswesen stehen, dafür zu sorgen, dass Roma-Kinder gleiche Chancen im Hinblick auf den Zugang zu allen Bildungsebenen und hochwertigen Bildungsmöglichkeiten haben, und weiterhin Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Kinder zu Unrecht Sonderschulen und ‑klassen zugewiesen werden. Die ungarische Regierung hat mehrere wesentliche Maßnahmen zur Förderung der Inklusion der Roma ergriffen. So hat sie am 4. Juli 2012 den Beschäftigungsschutz-Aktionsplan zum Schutz der Arbeitsplätze von benachteiligten Arbeitnehmern und zur Förderung der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen verabschiedet. Außerdem hat sie die sektorspezifische Strategie für die Gesundheitsversorgung „Gesundes Ungarn 2014–2020“ zum Abbau von Ungleichheiten im Bereich Gesundheit beschlossen. 2014 hat sie eine Strategie für den Zeitraum 2014–2020 zur Behandlung slumartigen Wohnraums in segregierten Siedlungen verabschiedet. Dennoch ist laut dem Grundrechtsbericht 2018 der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) der Anteil der jungen Roma, deren Haupttätigkeit gegenwärtig nicht im Rahmen eines Arbeits-, Bildungs- oder Ausbildungsverhältnis stattfindet, von 38 % im Jahre 2011 auf 51 % im Jahre 2016 gestiegen.

(52)  In seinem Urteil vom 29. Januar 2013 in der Rechtssache Horváth und Kiss/Ungarn stellte der EGMR fest, dass bei der Anwendung der einschlägigen ungarischen Rechtsvorschriften in der Praxis keine angemessenen Vorkehrungen getroffen werden, weswegen übermäßig viele Roma-Kinder Sonderschulen zugewiesen werden, da systematisch fälschlicherweise geistige Behinderungen diagnostiziert werden, was einem Verstoß gegen das Recht auf diskriminierungsfreie Bildung gleichkommt. Die Durchführung des Urteils steht noch aus.

(53)  Am 26. Mai 2016 übermittelte die Kommission den ungarischen Behörden ein Aufforderungsschreiben in Bezug auf die ungarischen Rechtsvorschriften und Verwaltungsverfahren, die dazu führten, dass übermäßig viele Roma-Kinder Sonderschulen für Kinder mit geistigen Behinderungen zugewiesen und im Rahmen der regulären Schulen in erheblichem Maße getrennt unterrichtet würden, wodurch die soziale Inklusion behindert werde. Die ungarische Regierung führte einen aktiven Dialog mit der Kommission. Die Schwerpunkte der ungarischen Inklusionsstrategie liegen auf der Förderung der inklusiven Bildung, dem Abbau der Segregation, der Bekämpfung der Weitergabe von Benachteiligungen von Generation zu Generation und der Schaffung eines inklusiven Schulumfelds. Darüber hinaus wurde das Gesetz über das staatliche öffentliche Bildungswesen im Januar 2017 durch zusätzliche Garantien ergänzt, und die ungarische Regierung führte im Zeitraum 2011 bis 2015 behördliche Prüfungen durch, gefolgt von Maßnahmen durch Regierungsstellen.

(54)  In seinem Urteil vom 20. Oktober 2015 in der Rechtssache Balázs/Ungarn stellte der EGMR fest, dass es im Zusammenhang mit der fehlenden Berücksichtigung des mutmaßlich romafeindlichen Charakters eines Angriffs zu einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gekommen ist. In seinem Urteil vom 12. April 2016 in der Rechtssache R. B./Ungarn und seinem Urteil vom 17. Januar 2017 in der Rechtssache Király und Dömötör/Ungarn stellte der EGMR fest, dass es aufgrund unzulänglicher Untersuchungen vom mutmaßlichen Fällen rassistisch motivierter Beschimpfungen zu einem Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens gekommen ist. In seinem Urteil vom 31. Oktober 2017 in der Rechtssache M.F./Ungarn stellte der EGMR einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Verbindung mit dem Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung fest, da die Behörden nicht untersucht haben, ob der betreffende Vorfall möglicherweise rassistisch motiviert gewesen ist. Die Durchführung dieser Urteile steht noch aus. Nach den Urteilen in den Rechtssachen Balázs/Ungarn und R.B./Ungarn trat jedoch am 28. Oktober 2016 eine Änderung des Tatbestands des „Schürens von Gewalt oder Hass gegen die Gemeinschaft“ im Strafgesetzbuch in Kraft, um den Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates[5] umzusetzen. Das Strafgesetzbuch war 2011 geändert worden, um Kampagnen rechtsextremer paramilitärischer Gruppen zu unterbinden, indem die sogenannte „Straftat in Uniform“ eingeführt wurde, bei der provokantes unsoziales Verhalten, durch das ein Angehöriger einer nationalen, ethnischen oder religiösen Gemeinschaft in Angst versetzt wird, mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bestraft wird.

(55)  Vom 29. Juni bis 1. Juli 2015 führte das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE im Rahmen einer Reise nach Ungarn aufgrund von Berichten über die Maßnahmen der Stadtverwaltung von Miskolc im Zusammenhang mit der Zwangsräumung von Roma eine Bewertungsmission durch. Die lokalen Stellen hatten ein Modell romafeindlicher Maßnahmen zur Anwendung gebracht, noch bevor das Gemeindedekret über Sozialleistungen von 2014 geändert wurde, und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Stadt hatten gehäuft romafeindliche Erklärungen abgegeben. So wurde berichtet, dass der Bürgermeister von Miskolc im Februar 2013 gesagt habe, er wolle die Stadt von „asozialen, perversen Roma“, die angeblich widerrechtlich vom „Nestbauprogramm“ (Fészekrakó program) für Beihilfen zum Erwerb von Wohnraum profitiert hätten, und von Menschen, die in Sozialwohnungen wohnten und Miet- sowie Nebenkostenzahlungen schuldig geblieben seien, säubern. Diese Äußerung markierte den Beginn einer Reihe von Zwangsräumungen, und noch im selben Monat wurden 50 von 273 Wohnungen der entsprechenden Kategorie geräumt, auch um Flächen für die Erneuerung eines Stadions freizumachen. Nachdem die zuständige Regierungsbehörde Rechtsmittel eingelegt hatte, erklärte der Oberste Gerichtshof die betreffenden Bestimmungen in seinem Beschluss vom 28. April 2015 für nichtig. Am 5. Juni 2015 veröffentlichten der Ombudsmann für Grundrechte und der stellvertretende Ombudsmann für die Rechte nationaler Minderheiten eine gemeinsame Stellungnahme zu den Grundrechtsverletzungen gegen Roma in Miskolc, die Empfehlungen enthielt, die die Stadtverwaltung nicht umsetzte. Auch die ungarische Behörde für Gleichbehandlung führte Ermittlungen durch und forderte die Stadtverwaltung im Juli 2015 im Rahmen eines Beschlusses auf, sämtliche Räumungen einzustellen und einen Maßnahmenplan für die Bereitstellung menschenwürdigen Wohnraums zu erarbeiten. Am 26. Januar 2016 übermittelte der Menschenrechtskommissar des Europarates den Regierungen von Albanien, Bulgarien, Frankreich, Italien, Schweden, Serbien und Ungarn Schreiben bezüglich Zwangsräumungen von Roma. In dem Schreiben an die ungarischen Stellen wurden Bedenken hinsichtlich der Behandlung von Roma in Miskolc geäußert. Der Maßnahmenplan wurde am 21. April 2016 angenommen, und inzwischen wurde außerdem eine Agentur für Sozialwohnungen eingerichtet. In ihrer Entscheidung vom 14. Oktober 2016 stellte die Behörde für Gleichbehandlung fest, dass die Gemeinde ihre Verpflichtungen erfüllt hat. Dennoch wies die ECRI in ihren Schlussfolgerungen zur Umsetzung der Empfehlungen in Bezug auf Ungarn vom 15. Mai 2018 darauf hin, dass zwar einige positive Entwicklungen im Hinblick auf die Verbesserung der Wohnverhältnisse der Roma zu verzeichnen sind, die Empfehlung allerdings nicht umgesetzt wurde.

(56)  In seiner Entschließung vom 5. Juli 2017 empfahl das Ministerkomitee des Europarats den ungarischen Behörden, ihren Dialog mit der jüdischen Gemeinschaft weiterhin zu verbessern und nachhaltig zu gestalten, dem Vorgehen gegen Antisemitismus im öffentlichen Raum höchste Priorität einzuräumen, nachhaltige Maßnahmen zu ergreifen, um rassistisch und ethnisch motivierten sowie antisemitischen Taten, darunter Vandalismus und Hetze, vorzubeugen, festzustellen, ob es sich um einschlägig motivierte Taten handelt, und dann entsprechend zu ermitteln, die Taten strafrechtlich zu verfolgen und wirksame Strafen zu verhängen sowie eine Änderung der Rechtsvorschriften in Betracht zu ziehen, um für einen möglichst umfassenden rechtlichen Schutz vor rassistischen Verbrechen zu sorgen.

(57)  Die ungarische Regierung verfügte, dass die Leibrente für Überlebende des Holocausts 2012 um 50 % angehoben wird, gründete 2013 den Ausschuss für das ungarische Holocaust-Gedenkjahr 2014, erklärte das Jahr 2014 zum Holocaust-Gedenkjahr, leitete Renovierungs- und Restaurierungsprogramme für mehrere ungarische Synagogen und jüdische Friedhöfe ein und bereitet derzeit die 2019 in Budapest stattfindende Europäische Makkabiade vor. In den ungarischen Rechtsvorschriften wird eine Reihe von Vergehen im Zusammenhang mit Hass oder der Aufstachelung zu Hass, einschließlich antisemitischer Taten sowie Holocaustleugnung und ‑verunglimpfung, benannt. Von 2015 bis 2016 hatte Ungarn den Vorsitz in der Internationalen Allianz für das Gedenken an den Holocaust (Holocaust Remembrance Alliance – IHRA) inne. Dennoch richtete der ungarische Ministerpräsident in einer Rede am 15. März 2018 in Budapest polemische Angriffe gegen George Soros, auch unter Verwendung eindeutig antisemitischer Stereotype, die als strafbar hätten eingestuft werden können.

(58)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bedenken im Hinblick auf Berichte, denen zufolge die Roma-Gemeinschaft nach wie vor von weit verbreiteter Diskriminierung und Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit sowie Segregation in den Bereichen Wohnen und Bildung betroffen sei. Er ist insbesondere beunruhigt darüber, dass die schulische Segregation nach wie vor weitverbreitet ist, insbesondere in kirchlichen Schulen und Privatschulen, und dass die Anzahl der Roma-Kinder, die Schulen für Kinder mit leichten Behinderungen zugewiesen werden, weiterhin unverhältnismäßig hoch ist. Er äußerte außerdem Bedenken im Hinblick auf die Häufigkeit von Hassverbrechen sowie Hetze im politischen Diskurs, in den Medien und im Internet, die insbesondere gegen Roma, Muslime, Migranten und Flüchtlinge gerichtet seien, und zwar auch im Zusammenhang mit staatlich geförderten Kampagnen. Der Menschenrechtsrat äußerte Bedenken im Hinblick auf die Häufigkeit antisemitischer Stereotype. Er stellte außerdem mit Besorgnis fest, dass die offiziell verzeichnete Zahl von Hassverbrechen deshalb äußerst gering sein soll, weil die Polizei in Fällen glaubwürdiger Vorwürfe von Hassverbrechen und strafbarer Hetze oft keine Ermittlungen und keine Strafverfolgung einleite. Schließlich äußerte der Menschenrechtsrat Bedenken im Hinblick auf Berichte, wonach Roma von der Polizei kontinuierlich aufgrund ihres Aussehens kontrolliert würden („racial profiling“).

(59)  In einem Fall, der das Dorf Gyöngyöspata betraf, wo die örtliche Polizei Geldstrafen für geringfügige Verkehrsdelikte nur gegen Roma verhängte, wurde in erster Instanz entschieden, dass diese Praxis Schikane und eine direkte Diskriminierung von Roma dargestellte, auch wenn die einzelnen Maßnahmen rechtmäßig waren. Das Gericht der zweiten Instanz und der Oberste Gerichtshof urteilten jedoch, dass der in einer von der ungarischen Gesellschaft für Freiheitsrechte (Társaság a Szabadságjogokért – TASZ) eingereichten Popularklage erhobene Vorwurf der Diskriminierung nicht erhärtet werden konnte. Der Fall wurde vor den EGMR gebracht.

(60)  Gemäß der Vierten Änderung des Grundgesetzes darf die „Freiheit der Meinungsäußerung nicht mit dem Ziel ausgeübt werden, die Würde der ungarischen Nation oder einer anderen nationalen, ethnischen, Rassen- oder Religionsgemeinschaft zu verletzen“; Nach dem ungarischen Strafgesetzbuch steht das Schüren von Gewalt oder Hass gegen ein Mitglied einer Gemeinschaft unter Strafe. Die Regierung hat eine Arbeitsgruppe gegen Hassverbrechen eingerichtet, die Schulungsmaßnahmen für Polizeibedienstete durchführt und Opfer bei der Zusammenarbeit mit der Polizei und der Anzeige von Vorfällen unterstützt.

Grundrechte von Migranten, Asylsuchenden und Flüchtlingen

(61)  Am 3. Juli 2015 äußerte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Bedenken im Hinblick auf das beschleunigte Verfahren zur Änderung des Asylrechts. Am 17. September 2015 äußerte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge die Ansicht, dass Ungarn mit seiner Behandlung von Flüchtlingen und Migranten gegen das Völkerrecht verstößt. Am 27. November 2015 erklärte der Menschenrechtskommissar des Europarats, dass Ungarn mit seiner Reaktion auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit Flüchtlingen die Menschenrechte nicht achtet. Am 21. Dezember 2015 forderten der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, der Europarat und das Büro der OSZE für demokratische Institutionen und Menschenrechte Ungarn nachdrücklich auf, von Strategien und Verfahren abzusehen, mit denen Intoleranz und Angst gefördert würden und Fremdenfeindlichkeit gegenüber Flüchtlingen und Migranten geschürt werde. Am 6. Juni 2016 äußerte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Bedenken im Hinblick auf die steigende Zahl der mutmaßlichen Fälle der Misshandlung von Asylsuchenden und Migranten durch Grenzbeamte sowie im Hinblick auf die umfassenderen restriktiven Verfahren an der Grenze und Legislativmaßnahmen, unter anderem im Hinblick auf den Zugang zu Asylverfahren. Am 10. April 2017 forderte das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen die sofortige Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Ungarn. Im Jahr 2017 wurden von den insgesamt 3 397 in Ungarn gestellten Anträgen auf internationalen Schutz 2 880 abgelehnt, womit die Ablehnungsquote bei 69,1 % liegt. Im Jahr 2015 wurden von 480 Einsprüchen vor Gericht im Zusammenhang mit Anträgen auf internationalen Schutz lediglich 40 positiv beschieden, d. h. 9 %. 2016 wurden von 775 Einsprüchen 5 positiv beschieden, d. h. 1 %. Im Jahr 2017 gab es keinerlei Einsprüche.

(62)  Der Grundrechtsbeauftragte der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache besuchte Ungarn im Oktober 2016 und im März 2017 aufgrund seiner Bedenken, dass die Agentur unter Bedingungen arbeite, bei denen die Einhaltung, der Schutz und die Verwirklichung der Rechte von Personen, die die ungarisch-serbische Grenze überquerten, nicht gewährleistet seien, wodurch die Agentur in Situationen versetzt werden könne, in denen de facto die EU-Grundrechtecharta verletzt werde. Der Grundrechtsbeauftragte stellte im März 2017 fest, dass das Risiko der geteilten Verantwortung der Agentur für die Verletzung von Grundrechten gemäß Artikel 34 der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache sehr hoch bleibt.

(63)  Am 3. Juli 2014 erklärte die Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen, dass die Lage der Asylbewerber und Migranten ohne geregelten Status deutlich verbessert sowie beobachtet werden muss, um zu verhindern, dass es zu Fällen willkürlichen Freiheitsentzugs kommt. In seinem im Anschluss an seine Reise nach Ungarn verfassten Bericht, der am 16. Dezember 2014 veröffentlicht wurde, äußerte der Menschenrechtskommissar des Europarats ähnliche Bedenken im Hinblick auf Inhaftierungen, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen. Vom 21.–27. Oktober 2015 fand eine Reise des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe nach Ungarn statt, und der Ausschuss erklärte in seinem Bericht, dass zahlreiche Ausländer (darunter unbegleitete Minderjährige) vorgebracht haben, dass sie von Polizisten und bewaffnetem Wachpersonal in Hafteinrichtungen für Migranten und Asylbewerber körperlich misshandelt wurden. Am 7. März 2017 äußerte der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Bedenken im Hinblick auf ein neues Gesetz, das im ungarischen Parlament angenommen worden war, in dem die obligatorische Inhaftierung aller Asylsuchenden – auch von Kindern – für die gesamte Dauer des Asylverfahrens vorgesehen ist. Am 8. März 2017 äußerte auch der Menschenrechtskommissar des Europarats seine Bedenken im Hinblick auf dieses neue Gesetz. Am 31. März 2017 forderte der Unterausschuss der Vereinten Nationen zur Verhinderung von Folter Ungarn auf, sofort gegen den übermäßigen Rückgriff auf die Inhaftierung vorzugehen und Alternativen zu prüfen.

(64)  In seinem Urteil vom 5. Juli 2016 in der Rechtssache O.M./Ungarn stellte der EGMR fest, dass es in diesem Fall im Zuge einer an Willkür grenzenden Inhaftierung zu einer Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit gekommen ist. Insbesondere ließen die Behörden keine Sorgfalt walten, als sie die Inhaftierung des Klägers anordneten, ohne dabei zu berücksichtigen, wie es um die Sicherheit bzw. Gefährdung schutzbedürftiger Personen – zum Beispiel LGBT-Personen wie der Kläger – unter anderen inhaftierten Personen bestellt ist, von denen viele aus Ländern stammen, in denen kulturelle oder religiöse Vorurteile gegen solche Personen weit verbreitet sind. Die Durchführung des Urteils steht noch aus.

(65)  Vom 12.–16. Juni 2017 besuchte der Sonderbeauftragte des Generalsekretärs des Europarats für Migration und Flüchtlinge Serbien sowie zwei Transitzonen in Ungarn. In seinem Bericht stellte der Sonderbeauftragte fest, dass das mit Gewalt verbundene Zurückdrängen von Migranten und Flüchtlingen von Ungarn nach Serbien Bedenken im Hinblick auf Artikel 2 (Recht auf Leben) und 3 (Folterverbot) der Europäischen Menschenrechtskonvention aufwirft. Der Sonderbeauftragte stellte außerdem fest, dass die restriktiven Praktiken beim Einlass von Asylsuchenden in die Transitzonen Röszke und Tompa häufig dazu führen, dass Asylsuchende nach illegalen Möglichkeiten zur Überquerung der Grenze suchen und dabei auf Schmuggler und Schleuser zurückgreifen müssen, mit allen Gefahren, die dabei entstehen. Er führte an, dass es den Asylverfahren, die in den Transitzonen durchgeführt werden, an angemessenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Asylsuchenden gegen die Zurückweisung in Länder ermangelt, in denen sie Gefahr laufen, nicht im Einklang mit Artikel 2 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention behandelt zu werden. Der Sonderbeauftragte kam zu dem Schluss, dass die Gesetzgebung und die Praktiken Ungarns mit den Bedingungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in Einklang gebracht werden müssen. Der Sonderbeauftragte sprach mehrere Empfehlungen aus; so forderte er die ungarischen Behörden beispielsweise auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, unter anderem durch die Überprüfung des einschlägigen Rechtsrahmens und die Änderung der einschlägigen Verfahren, um dafür Sorge zu tragen, dass keine Ausländer, die an den Grenzen ankommen oder sich auf dem Hoheitsgebiet Ungarns aufhalten, davon abgeschreckt werden, internationalen Schutz zu beantragen. Vom 5.–7. Juli 2017 besuchte auch eine Delegation des Lanzarote-Ausschusses des Europarats (Ausschuss der Vertragsstaaten des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch) zwei Transitzonen und sprach mehrere Empfehlungen aus, etwa die Forderung, dass alle Personen unter 18 Jahren als Kinder behandelt und nicht aufgrund ihres Alters diskriminiert werden sollten, um dafür zu sorgen, dass alle Kinder in der Zuständigkeit Ungarns vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch geschützt werden, und die Forderung, dass sie systematisch in regulären Jugendschutzeinrichtungen untergebracht werden sollten, damit die sexuelle Ausbeutung und der sexuelle Missbrauch von Kindern durch Erwachsene und Jugendliche in den Transitzonen verhindert werden. Vom 18.–20. Dezember 2017 besuchte eine Delegation der Expertengruppe des Europarats für die Bekämpfung des Menschenhandels (GRETA) Ungarn, und dort unter anderem zwei Transitzonen, und stellte fest, dass eine Transitzone, die tatsächlich ein Ort der Freiheitsberaubung sei, nicht als angemessene und sichere Unterbringung für Opfer des Menschenhandels angesehen werden könne. Sie forderte die ungarischen Stellen auf, einen Rechtsrahmen für die Identifizierung der Opfer von Menschenhandel unter Drittstaatsangehörigen ohne rechtmäßigen Wohnsitz zu erlassen und die Verfahren zur Identifizierung der Opfer von Menschenhandel unter Asylbewerbern und irregulären Migranten zu stärken. Zum 1. Januar 2018 wurden zusätzliche Regelungen eingeführt, die Minderjährige im Allgemeinen und unbegleitete Minderjährige im Besonderen begünstigen; unter anderem wurde ein spezieller Lehrplan für minderjährige Asylsuchende erarbeitet. Die ECRI erwähnte in ihren am 15. Mai 2018 veröffentlichten Schlussfolgerungen zur Umsetzung der Empfehlungen in Bezug auf Ungarn, dass sie zwar anerkenne, dass Ungarn nach dem massiven Zustrom von Migranten und Flüchtlingen immense Herausforderungen bewältigen musste, jedoch angesichts der daraufhin ergriffenen Maßnahmen und der gravierenden Verschlechterung der Lage seit ihrem fünften Bericht entsetzt sei. Die Behörden sollten der Inhaftierung vor allem von Familien mit Kindern und von sämtlichen unbegleiteten Minderjährigen in Transitzonen unverzüglich ein Ende setzen.

(66)  In seinem Urteil vom 14. März 2017 in der Rechtssache Ilias und Ahmed/Ungarn stellte der EGMR fest, dass gegen das Recht der Beschwerdeführer auf Freiheit und Sicherheit verstoßen wurde. Der EGMR stellte außerdem fest, dass im Hinblick auf die Ausweisung der Kläger nach Serbien gegen das Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung sowie im Hinblick auf die Haftbedingungen in der Transitzone Röszke gegen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verstoßen wurde. Der Fall ist gegenwärtig bei der Großen Kammer des EGMR anhängig.

(67)  Am 14. März 2018 wurde Ahmed H., ein auf Zypern lebender Syrer, der im September 2015 versucht hatte, seiner Familie bei der Flucht aus Syrien und dem Überqueren der serbisch-ungarischen Grenze zu helfen, von einem ungarischen Gericht wegen angeblicher „terroristischer Handlungen“ zu sieben Jahren Haft und zehn Jahren Aufenthaltsverbot in Ungarn verurteilt, wodurch die Frage der korrekten Anwendung der Antiterrorgesetze in Ungarn wie auch des Rechts auf ein faires Verfahrens aufgeworfen wurde.

(68)  In seinem Urteil vom 6. September 2017 in den Rechtssachen C-643/15 und C-647/15 wies der Gerichtshof der Europäischen Union die Klagen der Slowakei und Ungarns gegen die vorläufige obligatorische Regelung zur Umsiedlung von Asylbewerbern gemäß dem Beschluss (EU) 2015/1601 des Rates vollständig ab. Ungarn ist diesem Urteil jedoch bislang nicht nachgekommen. Am 7. Dezember 2017 beschloss die Kommission, die Tschechische Republik, Ungarn und Polen wegen Nichteinhaltung ihrer rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Umsiedlung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.

(69)  Am 7. Dezember 2017 beschloss die Kommission, im Hinblick auf die Asylgesetzgebung Ungarns durch Übermittlung einer begründeten Stellungnahme ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land einzuleiten. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass die ungarischen Rechtsvorschriften nicht mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Richtlinien 2013/32/EU[6], 2008/115/EG[7] und 2013/33/EU[8] des Europäischen Parlaments und des Rates sowie mit mehreren Bestimmungen der Charta, im Einklang stehen.

(70)  In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bedenken, dass das im März 2017 verabschiedete ungarische Gesetz, das vorsieht, dass alle Asylbewerber – mit Ausnahme von unbegleiteten Kindern, bei denen festgestellt wurde, dass sie jünger als 14 Jahre sind – für die Dauer ihres Asylverfahrens automatisch in Transitzonen abgeschoben werden können, aufgrund der Möglichkeit einer langwierigen bzw. unbestimmten Zwangsunterbringung, des Fehlens jeglicher rechtlicher Auflagen, die spezifischen Umstände jedes einzelnen Betroffenen umgehend zu prüfen, und des Fehlens von Verfahrensgarantien, um wirksam gegen die Abschiebung in die Transitzonen vorgehen zu können, den einschlägigen Rechten nicht Rechnung trägt. Der Menschenrechtsrat äußerte insbesondere Bedenken im Hinblick auf Berichte, denen zufolge die automatische Abschiebehaft in entsprechenden Einrichtungen in Ungarn ausgiebig zur Anwendung gebracht werde, und zeigte sich besorgt angesichts der Tatsache, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit als allgemeines Mittel zur Abschreckung vom illegalen Grenzübertritt verwendet und nicht als Reaktion auf das im Einzelfall zu bestimmende Risiko eingesetzt wird. Außerdem äußerte der Menschenrechtsrat Bedenken im Hinblick auf die mutmaßlich schlechten Bedingungen in einigen Gewahrsamseinrichtungen. Er zeigte sich besorgt über das Zurückweisungsgesetz, das im Juni 2016 erstmals eingeführt wurde und die kollektive Ausweisung aller Personen, die die Grenze irregulär überqueren und innerhalb einer Entfernung von acht Kilometern von der Grenze auf ungarischem Hoheitsgebiet aufgegriffen werden, durch die Polizei ermöglicht und das in weiterer Folge auf das gesamte ungarische Hoheitsgebiet ausgeweitet wurde, sowie über das Dekret 191/2015, mit dem Serbien zu einem „sicheren Drittstaat“ erklärt wurde, womit Zurückweisungen an der Grenze zwischen Ungarn und Serbien möglich wurden. Der Menschenrechtsrat stellte mit Besorgnis fest, dass die Maßnahme der Zurückweisung Berichten zufolge willkürlich angewandt wird und dass die dieser Maßnahme ausgesetzten Personen nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten haben, Asylanträge zu stellen oder von Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen. Er stellte außerdem mit Besorgnis fest, dass es Berichten zufolge zu kollektiven und gewaltsamen Ausweisungen sowie zu mutmaßlichen Fällen von körperlicher Gewalt, Angriffen durch Polizeihunde und dem Einsatz von Gummigeschossen gekommen sei, was zu schweren Verletzungen und in mindestens einem Fall zu dem Tod eines Asylsuchenden geführt habe. Der Menschenrechtsrat zeigte sich zudem besorgt angesichts von Berichten, wonach die in den Transitzonen durchgeführte Bestimmung des Alters von minderjährigen Asylsuchenden und unbegleiteten Minderjährigen unzulänglich sei, in großem Maße auf der äußerlichen Begutachtung durch Sachverständige beruhe und nicht zutreffend sei und wonach diese Asylsuchenden keinen angemessenen Zugang zu Bildung, sozialen und psychologischen Diensten sowie Rechtsberatung hätten. Gemäß dem neuen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU sollen medizinische Untersuchungen zur Altersbestimmung nur noch in Fällen möglich sein, in denen keine andere Möglichkeit besteht.

Wirtschaftliche und soziale Rechte

(71)  Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für extreme Armut und Menschenrechte und die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf angemessene Unterkunft forderten Ungarn am 15. Februar 2012 und am 11. Dezember 2012 auf, Rechtsvorschriften zu überdenken, durch die den lokalen Behörden die Möglichkeit eröffnet wird, Obdachlosigkeit zu bestrafen, und dem Urteil des Verfassungsgerichts, das Obdachlosigkeit entkriminalisiert hat, nachzukommen. In seinem im Anschluss an seine Reise nach Ungarn verfassten Bericht, der am 16. Dezember 2014 veröffentlicht wurde, äußerte der Menschenrechtskommissar des Europarats seine Bedenken im Hinblick auf Maßnahmen, mit denen das Übernachten im Freien und der Bau von Hütten und Verschlägen verboten würden und die weithin als De-facto-Kriminalisierung der Obdachlosigkeit aufgefasst würden. Der Kommissar forderte die ungarischen Behörden nachdrücklich auf, Berichte über Fälle von Zwangsräumungen, bei denen keine Alternativlösungen angeboten worden seien, und über Fälle, in denen Kinder ihren Familien aufgrund schlechter sozioökonomischer Bedingungen weggenommen worden seien, zu untersuchen. In seinen abschließenden Bemerkungen vom 5. April 2018 äußerte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Bedenken im Hinblick auf die nationalen und kommunalen Rechtsvorschriften, die auf der vierten Änderung des Grundgesetzes beruhten, mit denen festgelegt worden sei, dass das Übernachten im Freien auf vielen öffentlichen Flächen nicht zulässig ist, und die im Grunde einer Bestrafung der Obdachlosigkeit gleichkämen. Am 20. Juni 2018 nahm das ungarische Parlament die siebte Änderung des Grundgesetzes an, mit der verboten wurde, den öffentlichen Raum für den gewöhnlichen Aufenthalt zu nutzen. Am selben Tag bezeichnete die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für das Recht auf angemessenen Wohnraum den Schritt Ungarns, Obdachlosigkeit unter Strafe zu stellen, als grausam und als einen Verstoß gegen die internationalen Menschenrechtsnormen.

(72)  In seinen Schlussfolgerungen für 2017 erklärte der Europäische Ausschuss für soziale Rechte, dass Ungarn die Europäische Sozialcharta nicht einhält, da es für Selbständige und Hausangestellte sowie andere Arten von Arbeitnehmern keine Vorschriften im Bereich Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz gibt, da keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen werden, um die Müttersterblichkeit zu verringern, da die Mindesthöhe der Altersrente und der Beihilfe für Arbeitsuchende unzureichend ist, da die Höchstdauer der Auszahlung der Beihilfe für Arbeitsuchende zu kurz ist und da die Mindesthöhe der Rehabilitationsleistungen und der Leistungen bei Invalidität in bestimmten Fällen unzureichend ist. Der Ausschuss kam außerdem zu dem Schluss, dass Ungarn die Europäische Sozialcharta nicht einhält, da die Höhe der an mittellose Einzelpersonen – also etwa an ältere Personen – ausgezahlten Sozialleistungen unzureichend ist, da für rechtmäßig aufhältige Staatsangehörige aller Vertragsstaaten kein gleichberechtigter Zugang zu Sozialleistungen sichergestellt ist und da nicht festgestellt werden kann, dass es für schutzbedürftige Familien ein ausreichendes Wohnraumangebot gibt. In Bezug auf die Gewerkschaftsrechte erklärte der Ausschuss, dass das Recht der Arbeitnehmer auf bezahlten Urlaub nicht hinreichend garantiert ist, dass keine Maßnahmen zur Förderung tarifvertraglicher Vereinbarungen ergriffen wurden, obwohl der Schutz von Arbeitnehmern durch solche Vereinbarungen in Ungarn ganz offensichtlich gering ist, und dass im öffentlichen Dienst das Streikrecht denjenigen Gewerkschaften vorbehalten ist, die Vertragspartei der mit der Regierung geschlossenen Vereinbarung sind; die Kriterien für die Bestimmung der Beamten, denen das Streikrecht verwehrt werde, seien nicht Gegenstand der Charta; die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes könnten erst bei Zustimmung einer Mehrheit des betroffenen Personals zum Streik aufrufen.

(73)  Seit die Regierung von Viktor Orbán im Dezember 2010 eine Änderung des sogenannten „Streikgesetzes“ verabschiedet hat, sind Streiks in Ungarn praktisch verboten. Die Änderungen bewirken, dass Streiks grundsätzlich in Unternehmen zulässig sind, die durch öffentliche Dienstleistungsverträge mit der staatlichen Verwaltung verbunden sind. Die Änderung gilt nicht für Berufsgruppen, die dieses Recht gar nicht haben, wie Zugführer, Polizeibeamte, ärztliches Personal und Fluglotsen. Das eigentliche Problem ist jedoch der Prozentsatz der Arbeitnehmer, die an der Urabstimmung teilnehmen müssen, damit sie gültig ist, nämlich bis zu 70 %. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Streiks wird dann von einem Arbeitsgericht getroffen, das dem Staat vollständig untergeordnet ist. 2011 wurden neun Anträge auf Streikgenehmigung eingereicht. In sieben Fällen wurden sie ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen; zwei Anträge wurden bearbeitet, doch erwies es sich als unmöglich, eine Entscheidung zu erlassen.

(74)  Der Ausschuss für die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen äußerte sich in seinem am 14. Oktober 2014 veröffentlichten Bericht „Concluding observations on the combined third, fourth and fifth periodic reports of Hungary“ (Abschließende Bemerkungen zum kombinierten dritten, vierten und fünften periodischen Bericht Ungarns) besorgt über die steigende Anzahl von Fällen, in denen Kinder aufgrund schlechter sozioökonomischer Bedingungen von ihren Eltern getrennt würden. Eltern können ihre Kinder aufgrund von Arbeitslosigkeit, mangelndem sozialem Wohnraum oder fehlenden Plätzen in vorübergehenden Wohneinrichtungen verlieren. Laut einer Studie des Europäischen Zentrums für die Rechte der Roma sind Roma-Familien und -Kinder von diesem Vorgehen unverhältnismäßig stark betroffen.

(75)  In ihrer Empfehlung vom 23. Mai 2018 für eine Empfehlung des Rates zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2018 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2018 wies die Kommission darauf hin, dass der Anteil der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen 2016 auf 26,3 % gesunken ist, jedoch weiterhin über dem Unionsdurchschnitt liegt, und dass Kinder der Gefahr der Armut im Allgemeinen stärker ausgesetzt sind als andere Altersgruppen. Die Mindesteinkommensleistungen für Einpersonenhaushalte liegen unter 50 % der Armutsgrenze und gehören damit zu den niedrigsten in der EU. Die Leistungen bei Arbeitslosigkeit erreichen bei Weitem kein angemessenes Niveau: Ihr auf maximal drei Monate begrenzter Gewährungszeitraum ist der kürzeste in der Union und deckt nur etwa ein Viertel der durchschnittlichen Dauer der Arbeitssuche ab. Zudem gehören die ausgezahlten Beträge unionsweit zu den niedrigsten. Die Kommission empfahl, die Angemessenheit und Reichweite der Sozialleistungen und der Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu verbessern.

(76)  Am […] 2018 hat der Rat nach Artikel 7 Absatz 1 EUV Ungarn gehört.

(77)  Aus den angeführten Gründen sollte nach Artikel 7 Absatz 1 EUV festgestellt werden, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte durch Ungarn besteht –

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Es besteht die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn.

Artikel 2

Der Rat empfiehlt Ungarn, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe dieses Beschlusses folgende Maßnahmen zu ergreifen: [...]

Artikel 3

Dieser Beschluss tritt am [...] Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 4

Dieser Beschluss ist an Ungarn gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am

Im Namen des Rates

Der Präsident

  • [1]  Urteil des Gerichtshofs vom 6. November 2012, Kommission/Ungarn, C-286/12, ECLI:EU:C:2012:687.
  • [2]  Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31).
  • [3]  Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23).
  • [4]  Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348 vom 28.11.1992, S. 1).
  • [5]  Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55).
  • [6]  Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60).
  • [7]  Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98).
  • [8]  Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 96).

BEGRÜNDUNG

Das Parlament hat zum ersten Mal seit seiner Gründung beschlossen, einen Bericht zu verfassen, in dem geprüft wird, ob es erforderlich ist, ein Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV einzuleiten. In diesem Rahmen werden die Schritte dargelegt, die zu der Schlussfolgerung geführt haben, dass tatsächlich die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte durch Ungarn besteht. Dies soll auch der Unterstützung von Kollegen dienen, die künftig möglicherweise vor einer ähnlichen Aufgabe stehen.

Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Diskriminierungsfreiheit, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichstellung von Frauen und Männern auszeichnet.

Wenn wir alle diese Werte teilen, sind wir es uns selbst schuldig, sie auch zu schützen, wenn sie gefährdet sind. Es ist die Aufgabe der EU, unsere gemeinsamen Werte durch Inanspruchnahme des Verfahrens nach Artikel 7 EUV zu schützen. Gegenstand dieses Artikels sind sowohl das Unionsrecht als auch Bereiche, die unter die Handlungsautonomie der Mitgliedstaaten fallen.

Dieser Bericht orientiert sich an der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Wahrung und Förderung der Grundwerte der Europäischen Union“ (COM(2003)0606). Darin heißt es:

„Die Anwendbarkeit von Artikel 7 ist nicht auf den Anwendungsbereich des Unionsrechts beschränkt. Das bedeutet, dass die Union nicht nur bei einer Verletzung der gemeinsamen Werte in diesem beschränkten Rahmen, sondern auch dann tätig werden kann, wenn die Verletzung im einem Bereich erfolgt, der unter die Handlungsautonomie eines Mitgliedstaats fällt.“ Weiter heißt es: „Die Interventionsbefugnis der Union gemäß Artikel 7 unterscheidet sich demnach deutlich von der Interventionsbefugnis, die die Union gegenüber den Mitgliedstaaten besitzt, um zu gewährleisten, dass diese die Grundrechte bei der Durchführung des EU-Rechts achten.“

Es steht zu hoffen, dass hiermit der Geltungsbereich dieses Berichts deutlich wird, der ja tatsächlich auch Bedenken im Hinblick auf ungarische Rechtsvorschriften und Verfahren enthält, die weder direkt noch indirekt mit dem Sekundärrecht der EU in Zusammenhang stehen.

Der Bericht bezieht sich auch auf Fälle, die im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission behandelt werden. Diese Fälle sind zwar möglicherweise bereits abgeschlossen, sie sind aber dennoch Teil des vorliegenden Berichts, da sie sich auf die allgemeine Atmosphäre in dem Land auswirken. Einzelne Rechtsvorschriften stehen ihrem Wortlaut zufolge nach Änderungen zwar wieder mit den europäischen Werten im Einklang, doch es sind erhebliche Schäden entstanden. Bereits durchgeführte, dann aber zurückgenommene Maßnahmen bzw. Maßnahmen, die zwar (noch) nicht umgesetzt wurden, aber schon geplant sind, haben zu einem Abschreckungseffekt auf die gesellschaftlichen Freiheiten geführt, der eindeutig Gegenstand der Analyse nach Artikel 7 ist.

2011 gab das Parlament seine erste Entschließung zu den Grundrechten in Ungarn ab (die ein neues Mediengesetz betraf). 2013 wurde über den ausführlichen „Bericht über die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn“ abgestimmt, und das Parlament setzte die Beobachtung der Lage fort. Es wurden wiederholt Maßnahmen vonseiten des Rates und der Kommission gefordert, allerdings ohne Erfolg. Erst 2014 legte die Kommission einen Rahmen zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der EU vor. Es wäre folgerichtig gewesen, auf der Grundlage dieses neuen Mechanismus mit Ungarn einen Dialog über Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen. Da dies nicht geschah, beauftragte das Parlament den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres im Mai 2017 mit der Abfassung des vorliegenden Berichts.

Das Europäische Parlament wird nun tätig, um die Rechtsstaatlichkeit in der EU zu schützen. Im Laufe der Jahre haben das Europäische Parlament und die Europäische Kommission viele der in diesem Bericht dargelegten Bedenken bereits angesprochen, und zwar in unterschiedlicher Weise, im Rahmen unterschiedlicher Maßnahmen und in zahlreichen Gesprächen mit den ungarischen Stellen. Das Europäische Parlament hat zahlreiche Aussprachen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten, Ministern und anderen Regierungsvertretern geführt. Es wurden jedoch keine wesentlichen Änderungen zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn vorgenommen. Die einzige verbliebene Möglichkeit ist daher die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 EUV, und es wird hiermit ein mit Gründen versehener Vorschlag vorgelegt, mit dem der Rat ersucht wird, festzustellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit besteht, und Empfehlungen zur Ergreifung von Maßnahmen an Ungarn zu richten. Es sei daher darauf hingewiesen, dass mit diesem Verfahren der gesamte Rat und nicht der untersuchte Mitgliedstaat selbst angesprochen wird, da von den Mitteln und Möglichkeiten, den Mitgliedstaat anzusprechen, erfolglos Gebrauch gemacht wurde, bevor ein Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 in Angriff genommen wurde.

Die sorgfältige Berücksichtigung aller genannten Aspekte und der Versuch, weitere Aspekte in das Verfahren aufzunehmen, brauchen Zeit. Eine übereilte Abstimmung würde dem Verfahren nicht gerecht.

Das Verfahren umfasst die Veranstaltung von Anhörungen, um den Unionsbürgern die Lage verständlich zu machen, sowie ausführliche Treffen mit den Schattenberichterstattern, zu denen externe Sachverständige internationaler und europäischer Organisationen eingeladen werden, die Konsultation verschiedener Interessenträger, eine Reise in den geprüften Mitgliedstaat und die Aufforderung an weitere parlamentarische Ausschüsse, mitzuwirken und auf der Grundlage ihres Fachwissens Stellungnahmen abzugeben.

Nachdem sie vom Plenum damit beauftragt wurde, nahm die Berichterstatterin eine ausführliche Analyse vor und folgte dabei diesem umfassenden Konzept. In Brüssel, Straßburg und Budapest wurden Vertreter der Kommission, der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, des Menschenrechtskommissars des Europarats, der Venedig‑Kommission, des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs des Europarats für Migration und Flüchtlinge, des Lanzarote-Ausschusses, der ungarischen Regierung und verschiedener nichtstaatlicher Organisationen sowie auch Wissenschaftler angehört. Im Sinne der Transparenz ist dem vorliegenden Bericht eine Liste der Organisationen beigefügt, mit denen im Rahmen der Untersuchungen Treffen stattfanden. Da der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres keine offizielle Delegationsreise unternahm, hat die Berichterstatterin selbst eine Reise unternommen. Was das weitere Vorgehen angeht, wird nachdrücklich empfohlen, eine parlamentarische Delegation in den betreffenden Mitgliedstaat zu entsenden. Es wäre schwierig, den Behörden und Bürgern des geprüften Mitgliedstaats zu erklären, dass das Parlament zu dem Schluss kommt, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der im Vertrag genannten europäischen Werte besteht, ohne dass sich das Parlament die Mühe gemacht hätte, in das Land zu reisen.

Durch die Abfassung von Stellungnahmen durch andere parlamentarische Ausschüsse wird die Reichweite unter den Mitgliedern des Parlaments erhöht, die gemeinsame Verantwortung verdeutlicht und das Verfahren inklusiver gestaltet. Die Berichterstatterin möchte den Ausschüssen, die zu dem endgültigen Bericht beitragen, daher herzlich danken.

Alle Erwägungen stützen sich auf Stellungnahmen von Dritten, wobei es sich in vielen Fällen um Gremien des Europarats, der Vereinten Nationen und der OSZE sowie teilweise um Urteile einzelstaatlicher und internationaler Gerichte handelt. Die Berichterstatterin ist zwar dankbar dafür, dass sie sich auf diese Einrichtungen verlassen konnte, doch veranschaulicht dies die Unzulänglichkeiten der EU in Bezug auf die Untersuchung, Analyse und Veröffentlichungen im Hinblick auf die Lage der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Grundrechte in den Mitgliedstaaten. Daher sei hiermit die vom Parlament geäußerte Forderung an die Kommission wiederholt, umgehend einen EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte einzuführen und zur Anwendung zu bringen.

Institutionelle Strukturen können jedoch niemals erfolgreich sein, wenn es am politischen Willen fehlt. Die Europäische Union ist ein Projekt, das auf gemeinsamen Werten und Solidarität beruht. Die Geschichte Europas ist von Gewalt geprägt und die Rechte des Einzelnen wurden oftmals im Sinne des sogenannten „Gemeinwohls“ mit Füßen getreten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind 73 Jahre vergangen und seit dem Fall der Berliner Mauer 29 Jahre. Beide Ereignisse haben sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt.

Dieses Geschichtsverständnis liegt der Präambel des Vertrags über die Europäische Union zugrunde, der „schöpfend aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben, eingedenk der historischen Bedeutung der Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents und der Notwendigkeit, feste Grundlagen für die Gestalt des zukünftigen Europas zu schaffen,“ und „in Bestätigung ihres Bekenntnisses zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit“ geschlossen wurde.

Verantwortungsvolle Entscheidungsträger berücksichtigen dieses Erbe und handeln entsprechend. Enge Freunde scheuen nicht davor zurück, einander unangenehme Wahrheiten zu sagen.

Auf der Grundlage des dargelegten Verfahrens erachtet es die Berichterstatterin als erforderlich, den Rat aufzufordern, geeignete Maßnahmen vorzulegen, um in Ungarn die inklusive Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Grundrechte wiederherzustellen.

ANLAGE: LISTE DER EINRICHTUNGEN UND PERSONEN, VON DENEN DIE BERICHTERSTATTERIN BEITRÄGE ERHALTEN HAT

Die folgende Liste wurde freiwillig und unter alleiniger Verantwortung der Berichterstatterin erstellt. Die Berichterstatterin erhielt bei der Erstellung des Entwurfs eines Berichts bis zu dessen Annahme im Ausschuss Beiträge von folgenden Einrichtungen bzw. Personen:

Einrichtung und/oder Person

Amnesty International

ANKH

atlatszo.hu

A Város Mindenkié (Vereinigung von und für Obdachlose)

Center for Fundamental Rights

Central European University

Civil Liberties Union for Europe

Europarat, Kabinett des Menschenrechtskommissars

Europarat, Kabinett des Generalsekretärs

Europarat, Sonderbeauftragter des Generalsekretärs für Migration und Flüchtlinge

Europarat, Venedig-Kommission

Europarat, Lanzarote-Ausschuss

Juristische Fakultät der Loránd-Eötvös-Universität

Europäische Kommission

Europäisches Hochschulinstitut, School of Transnational Governance

Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH)

Freedom House

Agentur für Grundrechte

Háttér Társaság (Zivilgesellschaftliche Vereinigung von und für LGBTQI-Personen)

Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter bei der Ständigen Vertretung Ungarns bei der EU

Ungarischer Außenminister

Ungarischer Staatsminister für parlamentarische Angelegenheiten

Ungarische Staatsbedienstete in der Transitzone Röszke

Ungarische Gesellschaft für Freiheitsrechte

Ungarisches Helsinki-Komitee

Idetartozunk Egyesület (Vereinigung ungarischer Roma)

K-monitor

Menedék (Ungarische Vereinigung für Migranten)

Mérték Media Monitor (Zivilgesellschaftliche Vereinigung für die transparente Verwendung öffentlicher Mittel und gegen Korruption)

Universität Middlesex

MigSzol (Ungarische Organisation für Solidarität mit Migranten)

Nationaler Verband ungarischer Journalisten (MÚOSZ)

Népszabadság (Tageszeitung)

Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF)

Open Society European Policy Institute

Political Capital Institute

Universität Princeton

Reporter ohne Grenzen

Büro für Roma-Initiativen am Open Society Institute

Programm „Light bringers“ zugunsten von Roma

Roma Mediátor Hálózat (Netz der Roma-Mediatoren)

Roma Sajtóközpont (Roma-Pressezentrum)

RTL Group

Transparency International

Transgender-Vereinigung „Transvanilla“

Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR)

Universität Pécs

444.hu

MINDERHEITENANSICHT

gemäß Artikel 52a Absatz 4 der Geschäftsordnung

Marek Jurek, Beata Gosiewska, Mylène Troszczynski, Auke Zijlstra, Barbara Kappel

Der Antrag, Artikel 7 des Vertrags gegen Ungarn anzuwenden, zielt direkt darauf ab, die Europäische Union zu spalten und ihre Krise zu verstärken. Auf politische Differenzen sollte mit Dialog und nicht mit Sanktionen reagiert werden. Jedes Verhalten, das diesen Grundsatz nicht berücksichtigt, richtet sich gegen die Zusammenarbeit unserer Staaten.

Vor allem entbehrt dieser Antrag jedoch jeglicher sachlichen Grundlage. Mehrfach werden in ihm demokratische Verfahren direkt angegriffen, zum Beispiel die Verfassungsänderung und die durchgeführten öffentlichen Konsultationen. Ungarn wird in dem Entschließungsantrag die Tatsache zum Vorwurf gemacht, dass sich das Land um die Lösung gesellschaftlicher Probleme wie der Integration der Roma bemüht – Probleme, die in vielen anderen europäischen Ländern ebenfalls auftreten und bei deren Bewältigung Ungarn erfolgreicher als andere ist.

Der Entschließungsantrag lässt völlig unbeachtet, was der Politik der ungarischen Regierung zugrunde liegt, nämlich die Notwendigkeit, die Gesellschaft umzubauen, um die Auswirkungen der fast ein halbes Jahrhundert währenden Dominanz der Sowjetunion und der mit ihr kollaborierenden totalitären Regierungen zu beseitigen. In dem Entschließungsantrag wird nicht etwa behauptet, dass diese Aufgabe in unangemessener oder übertriebener Weise ausgeführt wird, sondern die Notwendigkeit ihrer Ausführung wird einfach nicht zur Kenntnis genommen. Er ist daher Ausdruck einer Geringschätzung der ungarischen Gesellschaft und den ihren demokratischen Beschlüssen zugrundeliegenden Motiven.

Der Bericht beruht nämlich auf der Annahme, dass Ungarn kein Recht darauf hat, Beschlüsse zu fassen, die andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch gefasst haben. Diese Annahme wurde während der Arbeiten an dem Bericht ganz offen zum Ausdruck gebracht („Wir werden die ungarischen Gesetze nicht mit Gesetzen anderer europäischer Länder vergleichen“). Aus den genannten Gründen halten wir diesen Entschließungsantrag und insbesondere das darin geäußerte zentrale Anliegen für außerordentlich schädlich.

STELLUNGNAHME des Haushaltskontrollausschusses (26.4.2018)

für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

zur Lage in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2017)
(2017/2131(INL))

Verfasserin der Stellungnahme: Ingeborg Gräßle

(Initiative gemäß Artikel 45 der Geschäftsordnung)

VORSCHLÄGE

Der Haushaltskontrollausschuss ersucht den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

–  gestützt auf Artikel 325 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf eine Studie des Corruption Research Center Budapest mit dem Titel „Intensity of Competition, Corruption Risks and Price Distortion in the Hungarian Public Procurement – 2009–2016“ (Wettbewerbsintensität, Korruptionsrisiko und Preisverzerrungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Ungarn – 2009–2016),

–  unter Hinweis auf die Analyse der Nutzung und der Auswirkungen der Mittel der Europäischen Union in Ungarn im Programmplanungszeitraum 2007–2013, die vom Amt des ungarischen Ministerpräsidenten in Auftrag gegeben und von dem Unternehmen KPMG Tanácsadó Ltd. und dessen Unterauftragnehmer GKI Gazdaságkutató Corp. durchgeführt wurde,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 17. Mai 2017, vom 10. Juni und 16. Dezember 2015 zur Lage in Ungarn[1], vom 3. Juli 2013 zur Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn[2] und vom 16. Februar 2012 zu den aktuellen politischen Entwicklungen in Ungarn[3],

–  unter Hinweis auf den Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für die Jahre 2006–2016,

–  unter Hinweis auf den Global Competitiveness Index (2017–2018) des Weltwirtschaftsforums,

A.  in der Erwägung, dass die Mittel der Union 1,9 bis 4,4 % des ungarischen BIP und mehr als die Hälfte der öffentlichen Investitionen ausmachen;

B.  in der Erwägung, dass Ungarn im Zeitraum 2007–2013 Mittel aus den Kohäsions- und Strukturfonds in Höhe von 25,3 Mrd. EUR und im Zeitraum 2014–2020 Mittel in Höhe von 25 Mrd. EUR zugewiesen wurden;

C.  in der Erwägung, dass sich die Zahlungen der Union aus den Fonds der Kohäsionspolitik (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), Kohäsionsfonds und Europäischer Sozialfonds (ESF)) an Ungarn im Zeitraum 2004–2017 auf 30,15 Mrd. EUR beliefen; in der Erwägung, dass sich die Finanzkorrektur im Hinblick auf den EFRE, den Kohäsionsfonds und den ESF aufgrund der EU-Audits bisher auf etwa 940 Mio. EUR beläuft und den Betrag von 1 Mrd. EUR übersteigen dürfte;

D.  in der Erwägung, dass sich der finanzielle Beitrag der Union für Begünstigte in Ungarn im Rahmen des Siebten Forschungsrahmenprogramms auf 288,1 Mio. EUR und im Rahmen von Horizont 2020 auf 174,9 Mrd. EUR beläuft;

E.  in der Erwägung, dass Ungarn im Hinblick auf die Mittel der Union unter den Mitgliedstaaten, die der Union seit 2004 beigetreten sind, eines der Länder mit der höchsten Ausschöpfungsquote ist;

F.  in der Erwägung, dass das ungarische BIP im Zeitraum 2004–2016 um 16,1 % gewachsen ist, womit es geringfügig über dem durchschnittlichen Wachstum in der Union und deutlich unter den Wachstumsraten der übrigen Visegrád-Staaten (Polen, Tschechische Republik und Slowakei) liegt;

G.  in der Erwägung, dass Ungarn auf dem Korruptionswahrnehmungsindex seit 2008 19 Punkte verloren hat, womit das Land zu den Mitgliedstaaten mit den schlechtesten Ergebnissen zählt;

H.  in der Erwägung, dass im Rahmen der Worldwide Governance Indicators (Indikatoren für verantwortungsvolle Staatsführung weltweit) für 2016 betont wird, dass Ungarn in den Bereichen Wirksamkeit der Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Eindämmung der Korruption Rückschritte gemacht hat;

I.  in der Erwägung, dass in der Empfehlung des Rates vom 11. Juli 2017 zum nationalen Reformprogramm Ungarns 2017 mit einer Stellungnahme des Rates zum Konvergenzprogramm Ungarns 2017[4] hervorgehoben wurde, dass für mehr Transparenz der öffentlichen Finanzen gesorgt werden muss, dass die Transparenz und der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verbessert werden müssen, indem ein umfassendes und wirksames System für die elektronische Auftragsvergabe eingeführt wird, und dass der Rahmen für die Korruptionsbekämpfung gestärkt werden muss; in der Erwägung, dass den länderspezifischen Empfehlungen zufolge bei der Transparenz der öffentlichen Finanzen begrenzte Fortschritte erzielt wurden, indem das Gesetz über das öffentliche Auftragswesen verabschiedet wurde, doch dass es bei wichtigen Maßnahmen zu Verzögerungen kam, insbesondere im Hinblick auf die elektronische Auftragsvergabe, und in der Erwägung, dass der Wettbewerb und die Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge den Indikatoren zufolge nach wie vor unzureichend sind; in der Erwägung, dass den länderspezifischen Empfehlungen zufolge bei der Verbesserung des Rahmens für die Korruptionsbekämpfung keine Fortschritte erzielt wurden und im nationalen Programm zur Korruptionsbekämpfung keine Veränderungen vorgesehen sind, um es im Hinblick auf die Verhinderung von Korruption und die Verhängung abschreckender Sanktionen wirksamer zu gestalten; in der Erwägung, dass die strafrechtliche Verfolgung von Korruptionsfällen auf höchster Ebene den länderspezifischen Empfehlungen zufolge nach wie vor die Ausnahme ist;

J.  in der Erwägung, dass Ungarn jener Mitgliedstaat der EU ist, zu dem das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) im Zeitraum 2013–2016 mit 57 Untersuchungen die zweitmeisten Untersuchungen durchgeführt hat; in der Erwägung, dass im Zusammenhang mit 80 % der Untersuchungen Empfehlungen für gerichtliche Folgemaßnahmen, Empfehlungen für finanzielle Empfehlungen oder beides ausgesprochen wurden;

K.  in der Erwägung, dass Ungarn im Jahr 2016 jener Mitgliedstaat mit dem höchsten Betrag an angewandten Finanzkorrekturen war, die sich auf insgesamt 211 Mio. EUR beliefen;

L.  in der Erwägung, dass sich die finanziellen Auswirkungen der Untersuchungen des OLAF zu Ungarn in den Bereichen Strukturfonds und Landwirtschaft für den Zeitraum 2013–2016 auf 4,16 % beliefen, was der höchste Wert in der Union ist;

M.  in der Erwägung, dass im Jahr 2016 weniger als 10 % der Informationen, die das OLAF aus Ungarn erreichten, aus öffentlichen Quellen stammten;

N.  in der Erwägung, dass die Maßnahmen der nationalen Justizbehörden Ungarns als Reaktion auf die Empfehlungen des OLAF für den Zeitraum 2009–2016 nur 33 % aller Empfehlungen des OLAF betrafen;

O.  in der Erwägung, dass der Transparenzindex im Hinblick auf die öffentliche Auftragsvergabe in Ungarn im Zeitraum 2015–2016 deutlich unter dem Wert für den Zeitraum 2009–2010 lag; in der Erwägung, dass die von der Union finanzierten Ausschreibungen seit 2011 im Hinblick auf den Transparenzindex Jahr für Jahr deutlich niedrigere Werte aufwiesen als die nicht von der Union finanzierten Ausschreibungen; in der Erwägung, dass eine ausführliche Analyse ergeben hat, dass das Maß an Transparenz 2016 deutlich niedriger war als 2015;

P.  in der Erwägung, dass die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit zwischen 21 Mitgliedstaaten eingerichtet wurde, doch dass sich Ungarn entschied, nicht an ihrer Einrichtung mitzuwirken;

Q.  in der Erwägung, dass der unmittelbare gesellschaftliche Verlust in Ungarn Schätzungen zufolge sehr hoch ist und im Zeitraum 2009–2016 15 bis 24 % des Gesamtauftragswerts erreichte, was mindestens 6,7 Mrd. bis 10,6 Mrd. EUR entspricht;

R.  in der Erwägung, dass eine dynamische Zivilgesellschaft bei der Förderung der Transparenz und Rechenschaftspflicht der Regierung im Hinblick auf ihre Finanzen und ihre Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung eine zentrale Rolle spielen sollte;

1.  vertritt die Ansicht, dass sich das aktuelle Maß an Korruption und die fehlende Transparenz und Rechenschaft bei den öffentlichen Finanzen sowie die nicht förderungsfähigen Ausgaben und die überhöhten Preise für die finanzierten Projekte nachteilig auf die Mittel der Union in Ungarn auswirken; vertritt die Ansicht, dass dies einen Verstoß gegen die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) genannten Werte darstellen könnte und die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 Absatz 1 EUV rechtfertigt;

2.  verweist auf seine Empfehlung vom 13. Dezember 2017 an den Rat und die Kommission im Anschluss an die Untersuchung von Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, in der festgestellt wurde, dass die Überwachung der Korruptionsbekämpfung durch die Kommission im Rahmen des Verfahrens des Europäischen Semesters fortgesetzt wird, die Auffassung vertreten wurde, dass die Korruptionsbekämpfung von anderen wirtschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten überschattet werden könnte, und die Kommission aufgefordert wurde, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Veröffentlichung des Berichts über die Korruptionsbekämpfung wieder aufzunehmen und eine deutlich glaubwürdigere und umfassendere Strategie zur Korruptionsbekämpfung zu verfolgen; weist darauf hin, dass die Korruptionsbekämpfung in den Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit und somit in einen politischen Bereich fällt, in dem das Parlament eines der gesetzgebenden Organe ist und über umfassende Kontrollbefugnisse verfügt;

3.  weist darauf hin, dass es in seiner Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte insbesondere gefordert hat, dass ein jährlicher Bericht über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte („Europäischer Bericht über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte“) mit länderspezifischen Empfehlungen, einschließlich einem besonderen Fokus auf Korruption, vorgelegt wird;

4.  kritisiert Unzulänglichkeiten bei den Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe in Ungarn; stellt mit Besorgnis fest, dass der Anteil der vergebenen Aufträge, für die im Rahmen des öffentlichen Vergabeverfahrens nur ein einziges Angebot abgegeben wurde, in Ungarn im Jahr 2016 mit 36 % – dem zweithöchsten Wert in der Union nach Polen und Kroatien (jeweils 45 %)[5] – nach wie vor sehr hoch ist; ist der Auffassung, dass dies darauf hindeutet, dass bei Ausschreibungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge in Ungarn ein hohes Korruptionsrisiko besteht; erachtet es als erforderlich, dass die Kommission ein wirksames Überwachungsinstrument schafft, mit dem verhindert werden kann, dass Verfahren eingesetzt werden, die im Widerspruch zum Geiste der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates[6] stehen, und ist der Ansicht, dass sie Legislativvorschläge vorlegen muss, um die bisher festgestellten Unzulänglichkeiten zu beheben; fordert Informationen über die Unternehmen, die in Ungarn als einzige Bieter auftreten; fordert eine Untersuchung dazu, ob mit den Ausschreibungen das Ziel verfolgt wird, Aufträge für bestimmte Unternehmen vorzusehen; fordert die ungarische Regierung auf, auf ihrer Website ein vollständiges jährliches Verzeichnis all ihrer Vertragspartner zu veröffentlichen, die Aufträge mit einem Wert von über 15 000 EUR erhalten haben, und fordert, dass in dieser Liste unter anderem Name und Anschrift des Vertragsnehmers, Art und Gegenstand des Vertrags, Vertragsdauer und -wert, das angewendete Verfahren und die zuständige Behörde aufgeführt sind;

5.  bedauert, dass die Wirksamkeit der Regierungsführung in Ungarn seit 1996 zurückgegangen ist[7] und dass Ungarn einer der Mitgliedstaaten der EU mit der geringsten Wirksamkeit der Regierungsführung ist; stellt mit Besorgnis fest, dass alle Regionen Ungarns im Hinblick auf die Regierungsqualität deutlich unter dem EU‑weiten Durchschnitt liegen; stellt fest, dass die geringe Regierungsqualität in Ungarn[8] der wirtschaftlichen Entwicklung im Wege steht und die Wirksamkeit öffentlicher Investitionen mindert;

6.  stellt fest, dass die regionale Innovationsleistung[9] in den Regionen Ungarns nach wie vor nur mäßig ist; stellt fest, dass Ungarn das Ziel der Strategie Europa 2020, 3 % seines BIP in Forschung und Entwicklung (FuE) zu investieren, noch nicht erreicht hat[10]; fordert Ungarn auf, Wachstum und Beschäftigung zu fördern und Mittel der Union in Innovationen zu investieren;

7.  fordert Ungarn auf, die Mittel der Union einzusetzen, um seine Wirtschaft weiter zu modernisieren und seine Unterstützung für KMU auszubauen; betont, dass in Ungarn 30,24 % der finanziellen Beiträge der Union im Rahmen von Horizont 2020 für KMU vorgesehen sind, während die Erfolgsrate unter den Antragstellern, bei denen es sich um KMU handelt, bei 7,26 % und damit unter dem Wert für KMU im Durchschnitt der EU‑28 liegt; weist außerdem darauf hin, dass die Erfolgsrate aller Anträge von 20,3 % (Siebtes Forschungsrahmenprogramm) auf 10,8 % (Horizont 2020) gesunken ist, womit Ungarn im Hinblick auf das Programm Horizont 2020 auf dem 26. Platz liegt;

8.  fordert die Kommission auf, Anreize für eine Beteiligung der Mitgliedstaaten an der EUStA zu schaffen;

9.  betont, dass Ungarn im Hinblick auf die Strukturfonds und die Landwirtschaft im Zeitraum 2013–2016 den höchsten Anteil an finanziellen Empfehlungen vonseiten des OLAF in der gesamten EU aufweist; betont, dass die gesamten finanziellen Auswirkungen der OLAF-Fälle in Ungarn vier Mal höher sind als jene der nationalen Untersuchungen; fordert die Kommission und Ungarn auf, die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um im Hinblick auf die Mittel der Union gegen Betrug vorzugehen;

10.  bedauert, dass die Kommission die Veröffentlichung des Berichts über die Korruptionsbekämpfung ausgesetzt hat; fordert die Kommission nachdrücklich auf, ihre Entscheidung zu ändern und regelmäßig einen derartigen Bericht zu veröffentlichen.

ANGABEN ZUR ANNAHME IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

25.4.2018

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

12

0

2

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Zigmantas Balčytis, Martina Dlabajová, Luke Ming Flanagan, Ingeborg Gräßle, Cătălin Sorin Ivan, Georgi Pirinski, Petri Sarvamaa, Marco Valli, Tomáš Zdechovský

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Richard Ashworth, Péter Niedermüller, Julia Pitera

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

Andrea Bocskor, Tiemo Wölken

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

12

+

ALDE

Martina Dlabajová

GUE/NGL

Luke Ming Flanagan

PPE

Richard Ashworth, Ingeborg Gräßle, Julia Pitera, Petri Sarvamaa, Tomáš Zdechovský

S&D

Zigmantas Balčytis, Cătălin Sorin Ivan, Péter Niedermüller, Georgi Pirinski, Tiemo Wölken

0

-

 

 

2

0

EFDD

Marco Valli

PPE

Andrea Bocskor

Erklärung der benutzten Zeichen:

+  :  dafür

-  :  dagegen

0  :  Enthaltung

  • [1]  Angenommene Texte, P8_TA(2017)0216, ABl. C 407 vom 4.11.2016, S. 46 und ABl. C 399 vom 24.11.2017, S. 127.
  • [2]  ABl. C 75 vom 26.2.2016, S. 52.
  • [3]  ABl. C 249E vom 30.8.2013, S. 27.
  • [4]  ABl. C 261 vom 9.8.2017, S. 71.
  • [5]  Siehe Studie mit dem Titel „Public procurement – Study on administrative capacity in the EU“ (Vergabe öffentlicher Aufträge – Studie über die Verwaltungskapazität der EU), S. 101 ff.
  • [6]  Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65).
  • [7]  Siehe den Siebten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt – Qualität der Governance: Erhebliche Schwankungen in der EU, S. 137.
  • [8]  Siehe den Siebten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt – Karte 6: Europäischer Index zur Regierungsqualität, 2017.
  • [9]  Siehe den Siebten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt – Karte 5: Regionale Innovationsleistung, 2017.
  • [10]  Siehe den Siebten Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt – Karte 6: Europäischer Index zur Regierungsqualität, 2017.

STELLUNGNAHME des Ausschusses für Kultur und Bildung (17.5.2018)

für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

zur „Lage in Ungarn“ (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2017)
(2017/2131(INL))

Verfasserin der Stellungnahme: Petra Kammerevert

(Initiative gemäß Artikel 46 der Geschäftsordnung)

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für Kultur und Bildung ersucht den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

Gesetz zur Änderung des nationalen Hochschulgesetzes

1.  erkennt an, dass es angesichts des Fehlens einheitlicher europäischer Normen oder Modelle im Bereich der Bildung Sache des ungarischen Staates sei, einen angemessenen rechtlichen Rahmen für ausländische Hochschulen auf seinem Staatsgebiet zu schaffen und diesen regelmäßig zu überprüfen und weiter zu verbessern, wie dies auch die Venedig-Kommission in ihren Schlussfolgerungen erklärt hat; weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass die Union nach Artikel 165 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung beitragen muss, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt; betont ferner, dass die von der ungarischen Regierung umgesetzten Gesetze im Bildungsbereich in vollem Umfang mit den Freiheiten und Grundrechten des Binnenmarkts vereinbar sein müssen;

2.  weist darauf hin, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarates im April 2017 in Folge der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des nationalen Hochschulgesetzes in Ungarn eine Stellungnahme der Venedig-Kommission anforderte und dass die Venedig-Kommission in ihren Schlussfolgerungen erklärte, dass die Einführung strengerer Regeln, verbunden mit strengen Fristen und schwerwiegenden Rechtsfolgen für ausländische Universitäten, die bereits seit vielen Jahren in Ungarn ansässig und rechtmäßig tätig sind, aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Grundrechte äußerst problematisch ist;

3.  erkennt an, dass die ungarische Regierung einigen Forderungen aus der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Ungarn vom 17. Mai 2017 nachgekommen ist, insbesondere was die Aussetzung von Fristen im Gesetz zur Änderung des nationalen Hochschulgesetzes sowie die Aufnahme von Gesprächen mit der in den USA für die Central European University zuständigen Behörde anbelangt; bedauert jedoch, dass das bereits im vergangenen Jahr ausgehandelte Kooperationsabkommen zwischen der ungarischen Regierung und der Regierung des Landes, in dem die Central European University ihren Sitz hat, vom ungarischen Ministerpräsident immer noch nicht unterzeichnet wurde; bedauert außerdem, dass die ungarische Regierung das Gesetz zur Änderung des nationalen Hochschulgesetzes nicht zurückgezogen hat;

4.   stellt zudem fest, dass die langfristige Aussetzung von Fristen nicht dazu geeignet ist, Planungssicherheit für die Universitäten, ihre Lehrenden und die Studierenden zu schaffen; begrüßt in diesem Zusammenhang, die Reise von Vertretern der ungarischen Behörden vom 13. April 2018 in den US-Bundesstaat New York, die zum Ziel hatte, ausstehende Bedenken der ungarischen Regierung in Bezug auf die Central European University auszuräumen; bedauert jedoch, dass das Kooperationsabkommen zwischen der ungarischen Regierung und der Regierung des Landes, in dem die Central European University ihren Sitz hat, nach wie vor weder unterzeichnet noch ratifiziert wurde, obwohl die ungarischen Behörden während ihres Besuchs erklärten, die Central European University erfülle nun die Anforderungen der „Lex CEU“; fordert die ungarische Regierung daher auf, sich um den Abschluss des bereits mit dem Bundesstaat New York ausgehandelten Kooperationsabkommens betreffend die Central European University zu bemühen, damit die Universität ihre Tätigkeiten angemessen ausüben kann;

5.  bedauert, dass der Rechtsstreit zwischen der Kommission und der ungarischen Regierung über das Gesetz zur Änderung des nationalen Hochschulgesetzes noch nicht beigelegt werden konnte und die Kommission daher beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage eingereicht hat; weist mit Nachdruck darauf hin, dass Ungarn zwar das Recht auf eigene Gesetze im Bildungsbereich hat, dass diese jedoch nicht den Binnenmarktfreiheiten, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit, sowie dem Recht auf akademische Freiheit, dem Recht auf Bildung und der unternehmerischen Freiheit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind, zuwiderlaufen dürfen;

Segregation von Kindern der Roma

6.  äußert sich besorgt darüber, dass die in vielfältigen Formen auftretende alltägliche Diskriminierung im Allgemeinen und die Segregation von Kindern der Roma im Bereich Bildung im Besonderen in Ungarn und in anderen europäischen Ländern nach wie vor ein strukturelles und tief verwurzeltes Phänomen ist, welches zur sozialen Ausgrenzung der Roma beiträgt und ihre Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft insgesamt verringert; weist darauf hin, dass die Frage der Segregation der Roma Gegenstand zahlreicher Empfehlungen der Kommission ist, und fordert die ungarische Regierung daher auf, diese Empfehlungen umzusetzen und wirksame Maßnahmen durchzuführen;

Medienpolitik

7.  vertritt die Auffassung, dass die Kommission bei ihrer Überprüfung der Mediengesetze von 2010 nicht gründlich genug vorgegangen ist und die in Artikel 2 AEUV niedergelegten Werte nicht berücksichtigt hat; weist darauf hin, dass die Venedig-Kommission im Juni 2015 ihre Einschätzung zu den Mediengesetzen in Ungarn veröffentlicht hat, gemäß der vor allem bestimmte Bereiche geändert werden müssen, wenn die staatlichen Stellen Ungarns nicht nur die Medienfreiheit in diesem Land, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung der Medienfreiheit verbessern wollen;

8.  vertritt die Auffassung, dass die Mediengesetze von 2010 mit ihren unzureichenden Vorschriften in Bezug auf eigentumsrechtliche Verflechtungen zu Verzerrungen und Ungleichgewichten auf dem Medienmarkt geführt hat; hebt hervor, dass es eine starke Konzentration auf dem ungarischen Medienmarkt gegeben hat, dass viele unabhängige Lokalsender verschwunden sind und dass auch die zuvor blühenden Gemeinschafts-Radiosender in Mitleidenschaft gezogen wurden; vertritt die Auffassung, dass es in Bezug auf die Frage, wem bestimmte Medien gehören, mehr Transparenz geben muss, vor allem wenn ein Medienunternehmen öffentliche Mittel erhält;

9.  vertritt die Auffassung, dass der Medienrat (dessen Mitglieder seit 2010 ausschließlich durch die regierende Partei bestimmt werden) zu der Umstrukturierung der Radiolandschaft beigetragen hat, um den derzeitigen Ansprüchen der Politik zu entsprechen; verurteilt aufs Schärfste, dass der Medienrat in keiner Weise für ein Gleichgewicht in den Medien gesorgt hat;

10.  hebt hervor, dass bestimmte Medienunternehmen durch die Ausgaben für staatliche Werbemaßnahmen unverhältnismäßig bevorzugt werden; weist darauf hin, dass die Staatsausgaben 2017 höher waren als je zuvor und dass staatliche Werbung in der Regel in zumeist von Oligarchen kontrollierten Medien geschaltet werden, die der Regierung gegenüber loyal sind;

11.  weist darauf hin, dass das ungarische Parlament im Mai 2017 ein Gesetz verabschiedet hat, mit dem die Werbesteuer von 5,3 % auf 7,5 % angehoben wurde, was zu Bedenken dahingehend geführt hat, dass auf die verbliebenen unabhängigen Medien des Landes Druck ausgeübt werden könnte; äußert sich besorgt darüber, dass Parteienwerbung in öffentlichen und privaten Medien nur dann gestattet ist, wenn sie kostenlos eingestellt wird, was Bedenken dahingehend nach sich gezogen hat, dass der Zugang zu Informationen eingeschränkt werden könnte, da private Medien möglicherweise nicht bereit sein werden, Werbung zu senden, ohne Kosten in Rechnung zu stellen; vertritt die Auffassung, dass Verträge für öffentliche Werbung in gerechter und transparenter Weise mit allen Medien abgeschlossen werden müssen;

12.  hebt hervor, dass alle öffentlichen Radio- und Fernsehsender, die dem sogenannten Treuhandfonds für Mediendienstleistungen und -förderung (MTVA) angehören, die Botschaften der Regierung und insbesondere die gegen Flüchtlinge gerichtete Kampagne sowie die „Stoppt Soros“-Kampagne der Regierung laufend unkritisch wiedergeben; hebt hervor, dass der öffentliche Fernsehsender M1 als rund um die Uhr sendender Nachrichtensender der Regierung mehr Möglichkeiten als zuvor eröffnet, ihre Propaganda und ihre Botschaften zu vermitteln;

13.  weist darauf hin, dass der Treuhandfonds für Mediendienstleistungen und -förderung (MTVA) den Anforderungen an Transparenz nicht genügt, keine öffentlich zugänglichen Informationen bereitstellt, mit deren Hilfe man die Vergabe öffentlicher Mittel verfolgen könnte, und im Gegensatz zu vielen anderen öffentlichen Rundfunksendern in Europa keine Jahresberichte veröffentlicht, und weist zudem darauf hin, dass nicht bekannt ist, wie seine Definition der Gemeinwohlverpflichtung lautet und in welcher Weise er ihr gerecht wird;

14.   weist darauf hin, dass Freiheit und Pluralismus der Medien gemäß Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu den Grundrechten gehören und Bestandteil des Fundaments einer demokratischen Gesellschaft sind; fordert die ungarische Regierung daher auf, Medienfreiheit und -pluralismus zu gewährleisten, da diese wesentliche Werte der Union darstellen;

15.  hebt mit Bezug auf den erst kürzlich von der Economist Intelligence Unit (EIU) veröffentlichten Demokratie-Index 2018 und die von „Reporter ohne Grenzen“ veröffentlichte Rangliste der Pressefreiheit hervor, dass Medienfreiheit und -pluralismus in Ungarn aufgrund weitreichender staatlicher Eingriffe und einer verstärkten staatlichen Kontrolle seit mehreren Jahren Anlass zu ernster Sorge geben; äußert sich in diesem Zusammenhang besorgt über die Schließung und den anschließenden Verkauf von Népszabadság, einer der ältesten und angesehensten Zeitungen Ungarns;

16.  hebt hervor, dass für unabhängige Medien berichtende Journalisten bei ihrer Arbeit oft stark behindert werden, dass Mitarbeiter bestimmter Medienunternehmen regelmäßig daran gehindert werden, das Parlamentsgebäude zu betreten, und dass Journalisten im Parlament nur noch wenig Raum zur Verfügung steht, um Politikern Fragen zu stellen und Interviews mit ihnen durchzuführen; 

17.  ist besorgt darüber, dass, nachdem Ungarns letzte unabhängigen Regionalzeitungen durch regierungsnahe Oligarchen übernommen wurden, die ungarische Regierung ihre Kontrolle über die Medien jüngst ausgeweitet und die Medienkonzentration in Ungarn laut Reporter ohne Grenzen ein beispiellos groteskes Niveau erreicht hat; vertritt die Auffassung, dass es in Bezug auf die Frage, wem bestimmte Medien gehören, mehr Transparenz geben muss, vor allem wenn öffentliche Aufträge an den fraglichen Unternehmer vergeben werden;

18.  äußert sich besorgt darüber, dass die regierungsnahe Nachrichten-Webseite 888.hu kürzlich eine schwarze Liste von Journalisten, die für ausländische Medien arbeiten und als „ausländische Propagandisten von Soros“ bezeichnet werden, veröffentlicht hat und dies dem Prinzip der Medienfreiheit eindeutig zuwiderläuft;

Nichtstaatliche Organisationen

19.   ist zutiefst besorgt über den immer kleiner werdenden Handlungsspielraum für die Organisationen der Zivilgesellschaft in Ungarn; bedauert in diesem Zusammenhang die Versuche der ungarischen Regierung, die nichtstaatlichen Organisationen zu kontrollieren und ihre Möglichkeiten zur Ausübung ihrer legitimen Arbeit einzuschränken, insbesondere im Rahmen der „Lex NGO“ und der „Lex Stoppt Soros“;

20.   weist darauf hin, dass die „Lex NGO“, ein Gesetz über aus dem Ausland finanzierte nichtstaatliche Organisationen, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten Grundrechte, insbesondere das Recht auf Vereinigungsfreiheit, in unangemessener Weise einschränkt, ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Einschränkungen des freien Kapitalverkehrs einführt und Bedenken hinsichtlich der Wahrung des Rechts auf die Achtung des Privatlebens und des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten aufkommen lässt; hebt hervor, dass die Kommission daher gezwungen war, in Bezug auf die „Lex NGO“ Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu erheben; bedauert zutiefst, dass die ungarische Regierung trotz des vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Verfahrens über die „Lex NGO“ im Februar 2018 ein weiteres Gesetz eingeführt hat, das sogenannte „Stoppt Soros“-Gesetz, mit dem das Vereinigungsrecht und die Arbeit nichtstaatlicher Organisationen weiter eingeschränkt werden sollen; bedauert in diesem Zusammenhang die Absicht der ungarischen Regierung, alle von Soros finanziell unterstützten nichtstaatlichen Organisationen zu schließen und nichtstaatliche Organisationen nur dann im Bereich der Migration arbeiten zu lassen, wenn sie zuvor eine staatliche Genehmigung eingeholt haben; äußert sich zutiefst besorgt darüber, dass die vorgeschlagenen Gesetze anderen Mitgliedstaaten der Union als Vorbild dienen könnten und so die wertvolle Arbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen, behindert würde, und weist darauf hin, dass die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte kürzlich auf diese Gefahr hingewiesen hat; weist zudem darauf hin, dass die Regierungspartei ein Netz von staatlich organisierten „nichtstaatlichen Organisationen“ aufgebaut hat, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden und die vor allem die Botschaften der Regierung verbreiten und Demonstrationen zur Unterstützung der Regierung organisieren;

Allgemein

21.  vertritt die Auffassung, dass angesichts der Lage in den Bereichen Hochschulbildung und Bildung von Angehörigen der Roma sowie der Freiheit und des Pluralismus der Medien und der Situation der nichtstaatlichen Organisationen in Ungarn die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) genannten Werte besteht; fordert die Kommission daher nachdrücklich auf, weiterhin alle ihr im Rahmen der Verträge zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen; 22.  vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 7 EUV erforderlich ist, um die gemeinsamen Werte der Union zu wahren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten;

23.  fordert die Kommission auf, das Gesetzgebungsverfahren weiterhin genau zu beobachten und darauf zu achten, inwieweit die Vorschläge gegen Unionsrecht, wie etwa die Grundrechte der EU, verstoßen, und ihre Bewertung unverzüglich und öffentlich zugänglich zu machen;

24.  fordert das BDIMR der OSZE auf, im Rahmen der Aktivitäten der Wahlbeobachtungsmission nach den Ergebnissen der Parlamentswahlen in Ungarn einen Folgeprozess einzuleiten und den Missbrauch der Meinungsfreiheit und den Missbrauch der Verwaltungsressourcen genau zu überwachen;

25.  fordert die Kommission auf, unabhängige Projekte im Bereich Freiheit und den Pluralismus der Medien, wie etwa den Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus (Media Pluralism Monitor), verstärkt finanziell zu unterstützen, die Verletzungen der Freiheit der Medien dokumentieren und bedrohte Journalisten unterstützen.

ANGABEN ZUR ANNAHME IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

16.5.2018

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

13

4

8

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Isabella Adinolfi, Dominique Bilde, Andrea Bocskor, Nikolaos Chountis, Silvia Costa, Damian Drăghici, Jill Evans, María Teresa Giménez Barbat, Giorgos Grammatikakis, Petra Kammerevert, Svetoslav Hristov Malinov, Curzio Maltese, Luigi Morgano, John Procter, Michaela Šojdrová, Helga Trüpel, Sabine Verheyen, Julie Ward, Bogdan Brunon Wenta, Theodoros Zagorakis, Bogdan Andrzej Zdrojewski, Milan Zver, Krystyna Łybacka

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Algirdas Saudargas

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

António Marinho e Pinto

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

13

+

ALDE

María Teresa Giménez Barbat, António Marinho e Pinto

GUE/NGL

Nikolaos Chountis, Curzio Maltese

S&D

Silvia Costa, Damian Drăghici, Giorgos Grammatikakis, Petra Kammerevert, Krystyna Łybacka, Luigi Morgano, Julie Ward

Verts/ALE

Jill Evans, Helga Trüpel

4

-

ENF

Dominique Bilde

PPE

Andrea Bocskor, Michaela Šojdrová, Milan Zver

8

0

ECR

John Procter

EFDD

Isabella Adinolfi

PPE

Svetoslav Hristov Malinov, Algirdas Saudargas, Sabine Verheyen, Bogdan Brunon Wenta, Theodoros Zagorakis, Bogdan Andrzej Zdrojewski

Erklärung der benutzten Zeichen:

+  :  dafür

-  :  dagegen

0  :  Enthaltung

STELLUNGNAHME des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (26.3.2018)

für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

zur Lage in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2017)
(2017/2131(INL))

Verfasserin der Stellungnahme: Maite Pagazaurtundúa Ruiz

(Initiative gemäß Artikel 45 der Geschäftsordnung)

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen ersucht den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

A.  in der Erwägung, dass zu den Werten, auf denen die Europäische Union gründet, die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte zählen, einschließlich der Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören (Artikel 2 EUV), sowie in der Erwägung, dass diese Werte universell und allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind;

B.  in der Erwägung, dass die freie Teilhabe einer voll entwickelten Zivilgesellschaft ein wesentlicher Aspekt eines jeden demokratischen Entscheidungsprozesses ist;

C.  in der Erwägung, dass die Rechtsvorschriften der Union das Ergebnis kollektiver Entscheidungen sind, an denen alle Mitgliedstaaten beteiligt sind;

D.  in der Erwägung, dass jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, gemäß Artikel 9 EUV und Artikel 20 AEUV ein Unionsbürger ist; in der Erwägung, dass die europäische Bürgerschaft zur nationalen Staatsbürgerschaft hinzukommt, sie aber nicht ersetzt;

E.  in der Erwägung, dass der Ausschuss für konstitutionelle Fragen im November 2016 nach Ungarn reiste;

1.  weist mit Nachdruck darauf hin, dass alle Mitgliedstaaten die in Artikel 2 AEUV verankerten Werte teilen und diese hochhalten müssen, da diese Werte die grundlegenden Werte der Europäischen Union sind;

2.  weist darauf hin, dass der Inhalt von Artikel 2 EUV verbindliche und bewährte Grundsätze des Völkerrechts widerspiegelt, die von allen Mitgliedstaaten gebilligt wurden; weist daher mit Nachdruck darauf hin, dass die uneingeschränkte Achtung, der Schutz und die Förderung der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Menschenrechte eine gemeinsame Verantwortung und eine Verpflichtung darstellen, die sich schon allein aufgrund der Zughörigkeit zur internationalen Gemeinschaft ergibt;

3.  weist darauf hin, dass die Kandidatenländer gemäß Artikel 49 EUV nachweisen müssen, dass sie die Kopenhagener Kriterien erfüllen, wenn sie Mitglied der Union werden wollen, und dass die Kommission verpflichtet ist, von ihnen die vollständige Einhaltung dieser Kriterien zu fordern; betont, dass die Mitgliedstaaten, sobald sie Mitglied der Union werden, eine entsprechende Verpflichtung zur Achtung und zur Gewährleistung des Schutzes des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit und ihrer wesentlichen Elemente haben und dass der im Unionsrecht verankerte Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens die Mitgliedstaaten nicht davon entbindet, zu beurteilen, ob andere Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insbesondere die im Unionsrecht anerkannten Grundrechte einhalten;

4.  weist darauf hin, dass die Werte, die in Artikel 2 AEUV verankert sind, durch das Verfahren nach Artikel 7 EUV geschützt sind; ist jedoch der Auffassung, dass die Union mit einem zusätzlichen und strukturierteren Rahmen ausgestattet werden sollte, um die Einhaltung und Förderung der in Artikel 2 EUV niedergelegten Grundsätze zu überwachen und zu bewerten;

5.  bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission, die Sachkenntnis der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte bei der Überwachung der Lage der Grundrechte in der Union umfassend zu nutzen, indem sie eine Überarbeitung der Gründungsverordnung der Agentur vorschlägt, um ihr umfassendere und unabhängigere Befugnisse sowie größere personelle und finanzielle Ressourcen zu gewähren;

6.  erinnert daran, dass die Venedig-Kommission die wesentlichen Merkmale der Rechtsstaatlichkeit wie folgt festgesetzt hat: Rechtmäßigkeitsprinzip, Rechtssicherheit und Verbot von Willkür, Zugang zu Gerichten, Achtung der Menschenrechte, Nichtdiskriminierung und Gleichheit vor dem Gesetz; teilt die Bedenken, die die Venedig-Kommission in ihren Stellungnahmen zu der ungarischen Gesetzgebung seit 2011 geäußert hat, auch in den Stellungnahmen zum Grundgesetz und dessen Änderung; bekräftigt, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme zur vierten und jüngsten Änderung des ungarischen Grundgesetzes vom 17. Juni 2013 zu dem Schluss gekommen ist, dass die getroffenen Maßnahmen eine Bedrohung für die Verfassungsgerichtsbarkeit und die Vorrangigkeit der im ungarischen Grundgesetz enthaltenen Grundprinzipien darstellen; weist darauf hin, dass Ungarn die Venedig-Kommission seit dem Beitritt des Landes zum Europarat im Jahr 1990 anerkennt;

7.  weist darauf hin, dass die Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme zum Gesetz XXV vom 4. April 2017 über die Änderung des nationalen Hochschulgesetzes CCIV aus dem Jahr 2011 erklärt hat, dass ein solches Gesetz unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechtsgrundsätze und -garantien für ausländische Universitäten, die bereits in Ungarn niedergelassen sind und dort seit vielen Jahren rechtmäßig tätig sind, äußerst problematisch erscheint; erinnert ferner daran, dass die Europäische Kommission beschlossen hat, Ungarn vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil ihr nationales Hochschulgesetz in der am 4. April 2017 geänderten Fassung die Tätigkeit von Universitäten in der Union und in Drittländern unverhältnismäßig stark einschränkt und es notwendig ist, das Gesetz mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen;

8.  bringt erneut seine tiefe Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen in Ungarn zum Ausdruck, zumal diese die die Rechtsstaatlichkeit gefährden und die Anwendung der in Artikel 2 EUV genannten Grundsätze beeinträchtigen, unter anderem die Grundsätze in Zusammenhang mit der Funktionsweise des Verfassungssystems, der Unabhängigkeit der Justiz und anderer Organe und der systematischen Aufhebung des Systems der gegenseitigen Kontrolle, der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit, der akademischen Freiheit, der Menschenrechte der Migranten, der Asylsuchenden und Geflüchteten, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, dem Recht auf Gleichbehandlung, den sozialen Rechten, der Verteidigung der Organisationen der Zivilgesellschaft, den Rechten der Menschen, die einer Minderheit angehören, einschließlich Roma, Juden und schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen;

9.  stellt fest, dass der Begriff der Staatsbürgerschaft selbst einen klaren politischen Willen zur Achtung der Gleichstellung des Einzelnen beinhaltet; betont, dass die Werte und Grundsätze, auf denen die Union beruht, einen Rahmen definieren, mit dem sich jeder europäische Bürger identifizieren kann, unabhängig von den politischen oder kulturellen Unterschieden, die mit der nationalen Identität verbunden sind; ist besorgt darüber, dass ungarische Beamte öffentlich nationalistische Ideen äußern, die auf ausschließlichen Identitäten beruhen;

10.  weist darauf hin, dass die Venedig-Kommission feststellte, dass die Einschränkung der Rolle des ungarischen Verfassungsgerichtshofes die Gefahr birgt, dass dies sich negativ auf die Gewaltenteilung, den Schutz der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit auswirkt; ist insbesondere besorgt über die Wiedereinführung von Bestimmungen auf Verfassungsebene, die in den Anwendungsbereich des allgemeinen Rechts fallen sollten und sich bereits als verfassungswidrig herausgestellt haben, mit dem Ziel, eine Überarbeitung der Verfassung zu vermeiden; empfiehlt, die Funktionsweise und die Befugnisse des Nationalen Justizverwaltungsrates zu überprüfen, um sicherzustellen, dass er seiner Rolle als unabhängiges Organ der gerichtlichen Selbstverwaltung Ungarns gerecht werden kann, und fordert, dass die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs vollständig wiederhergestellt wird;

11.  ist besorgt über den schrumpfenden Handlungsspielraum für Organisationen der Zivilgesellschaft und die Versuche, die nichtstaatlichen Organisationen zu kontrollieren und ihre Möglichkeiten zur Ausübung ihrer legitimen Arbeit einzuschränken, wie die Verabschiedung des so genannten Gesetzespakets „Stop Soros“; erinnert daran, dass die Venedig-Kommission in ihrer am 17. Juni 2017 gebilligten „Stellungnahme zum Gesetzentwurf über die Transparenz von Organisationen, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten“ erklärt hat, dass ein solches Gesetz eine unverhältnismäßige und unnötige Beeinträchtigung der Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, des Rechts auf Privatsphäre und des Diskriminierungsverbots zur Folge hätte;

12.  bedauert zutiefst die antagonistische und irreführende Rhetorik, die manchmal von den ungarischen Institutionen verwendet wird, wenn sie sich auf die Europäische Union beziehen, sowie die bewusste Entscheidung der Behörden, Rechtsvorschriften zu erlassen, die direkt gegen die Werte der Union verstoßen; verweist auf die in Artikel 3 Absätze 1 und 2 EUV genannten Ziele, zu deren Verwirklichung Ungarn sich mit dem Beitritt zur Union im Jahr 2004 bereit erklärt hat; erinnert daran, dass der Beitritt zur Europäischen Union ein freiwilliger Akt auf der Grundlage der nationalen Souveränität mit einem breiten Konsens des gesamten ungarischen politischen Spektrums war;

13.  weist mit Nachdruck darauf hin, dass das Vertragsverletzungsverfahren seine Grenzen bei der Behandlung systematischer Verstöße gegen die Werte der Union gezeigt hat, da es sich hauptsächlich auf technische Fragen konzentriert, die es den Regierungen ermöglichen, formelle Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen, während die Gesetze, die gegen das Unionsrecht verstoßen, in Kraft bleiben; ist der Auffassung, dass die Kommission im Falle eines Verstoßes gegen den in Artikel 4 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit kein rechtliches Hindernis hat, das sie daran hindert, auf Vertragsverletzungsverfahren aufzubauen, um ein Muster zu ermitteln, das einem Verstoß gegen Artikel 2 EUV gleichkommt;

14.  ist der Auffassung, dass die Kommission, wenn eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch einen Mitgliedstaat festgestellt wurde, alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen sollte, um die Grundwerte, auf denen die Union beruht, zu verteidigen, einschließlich der Aktivierung von Artikel 7 EUV; verweist darauf, dass es die Kommission in seiner Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte[1] aufgefordert hat, bis September 2017 einen Vorschlag für den Abschluss eines EU-Paktes für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte vorzulegen; bedauert, dass dieser Vorschlag noch nicht vorgelegt wurde und weist mit Nachdruck darauf hin, dass es dringend notwendig ist, einen effizienten Mechanismus zur Wahrung der Grundwerte der Union einzurichten, da ein Widerspruch zwischen den Verpflichtungen, die den Kandidatenländern im Rahmen der Kopenhagener Kriterien obliegen, und der Anwendung dieser Kriterien durch die Mitgliedstaaten nach ihrem Beitritt zur Union besteht; betont, dass eine angemessene Reaktion auf die Verletzung der Grundwerte der Union eine Kombination aus angemessenen Rechtsinstrumenten und politischem Willen erfordert;

15.  vertritt die Auffassung, dass angesichts der aktuellen Situation in Ungarn die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte besteht und daher das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV eingeleitet werden muss;

ANGABEN ZUR ANNAHME IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

21.3.2018

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

15

4

5

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Gerolf Annemans, Michał Boni, Mercedes Bresso, Elmar Brok, Fabio Massimo Castaldo, Pascal Durand, Esteban González Pons, Danuta Maria Hübner, Alain Lamassoure, Jo Leinen, Morten Messerschmidt, Maite Pagazaurtundúa Ruiz, Markus Pieper, Paulo Rangel, Helmut Scholz, György Schöpflin, Pedro Silva Pereira, Barbara Spinelli, Claudia Țapardel, Kazimierz Michał Ujazdowski

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Max Andersson, Pervenche Berès, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Jérôme Lavrilleux, Cristian Dan Preda, Jasenko Selimovic, Rainer Wieland

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

15

+

ALDE

Maite Pagazaurtundúa Ruiz, Jasenko Selimovic

EFDD

Fabio Massimo Castaldo

GUE/NGL

Helmut Scholz, Barbara Spinelli

PPE

Michał Boni, Danuta Maria Hübner

S&D

Pervenche Berès, Mercedes Bresso, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Jo Leinen, Pedro Silva Pereira, Claudia Țapardel

VERTS/ALE

Max Andersson, Pascal Durand

4

-

ECR

Morten Messerschmidt, Kazimierz Michał Ujazdowski

ENF

Gerolf Annemans

PPE

György Schöpflin

5

0

PPE

Elmar Brok, Esteban González Pons, Alain Lamassoure, Markus Pieper, Paulo Rangel

STELLUNGNAHME des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (17.5.2018)

für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

zur Lage in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Mai 2017)
(2017/2131(INL))

Verfasserin der Stellungnahme: Maria Noichl

(Initiative gemäß Artikel 45 der Geschäftsordnung)

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter ersucht den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

–  – unter Hinweis auf den Bericht der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen vom 27. Mai 2016 über die Diskriminierung von Frauen qua Gesetz und in der Praxis[1],

–  unter Hinweis auf die mit Gründen versehenen Stellungnahmen der Kommission vom 27. April 2017 zu den Vorschriften der EU über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Beschäftigung und Beruf (Gleichbehandlungsrichtlinie, Richtlinie 2006/54/EG) und zur Mutterschutzrichtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) des Rates),

A.  in der Erwägung, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern gemäß Artikel 8 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein Grundprinzip der Union ist und daher auch allen Mitgliedstaaten ein zentrales Anliegen sein muss;

B.  in der Erwägung, dass zwei der Werte, auf die sich die Europäische Union gründet, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter und der Rechte von Personen, die einer Minderheit angehören, sind, und in der Erwägung, dass diese Werte universell und allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind (Artikel 2 EUV);

C.  in der Erwägung, dass Ungarn im europäischen Vergleich mit 50,8 Punkten den vorletzten Rang im Gleichstellungsindex 2017 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen belegt und außerdem gegenüber 2010 1,6 Punkte eingebüßt hat;

D.  in der Erwägung, dass es durchaus legitim ist, zu erwarten, dass nichtstaatliche Organisationen in transparenter Weise über ihre Finanzen Aufschluss geben;

E.  in der Erwägung, dass Ungarn von mehreren internationalen Menschenrechtsorganisationen für seinen Angriff auf die Menschenrechte und die Einschränkungen, denen das Funktionieren seiner Zivilgesellschaft unterworfen ist und von denen auch Frauenrechtsorganisationen betroffen sind, auf das Schärfste kritisiert wurde; in der Erwägung, dass Frauenrechtsorganisationen, die den Opfern geschlechtsbezogener und häuslicher Gewalt einzigartige Dienste bieten, durch die unten beschriebenen restriktiven Vorschriften und Maßnahmen erheblich beeinträchtigt werden und Gefahr laufen, von Steuervergünstigungen und sonstigen Vorteilen ausgeschlossen zu werden;

F.  in der Erwägung, dass Ungarn eines der zehn führenden Herkunftsländer von Opfern des Menschenhandels in der Europäischen Union ist;

G.  in der Erwägung, dass Ungarn zwar über ein leistungsfähiges nationales Gesundheitssystem und eine umfassende staatliche Krankenversicherung verfügt, die Kosten für moderne Verhütungsmittel entgegen den Empfehlungen unterschiedlicher Vertragsüberwachungsorgane der Vereinten Nationen jedoch zur Gänze vom Einzelnen zu tragen sind, da die Kosten für Verhütungsmittel im ungarischen Gesundheitssystem grundsätzlich nicht erstattet werden, was eine Hürde für die moderne Familienplanung darstellt, und in der Erwägung, dass Ungarn einer der wenigen Mitgliedstaaten ist, in denen Notfallverhütungsmittel bzw. die Pille danach nur gegen ärztliche Verschreibung erhältlich sind, obwohl dies im Widerspruch zur Empfehlung der Kommission aus dem Jahr 2015 steht, wonach Notfallverhütungsmittel rezeptfrei erhältlich sein sollten; in der Erwägung, dass Migrantinnen ohne Papiere keinen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben, bei denen es sich nicht um Notfalleingriffe handelt, und pränatale Fürsorge daher nicht in Anspruch nehmen können; in der Erwägung, dass der Ausschuss der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) die Regierung aufgefordert hat, dafür Sorge zu tragen, dass der Zugang von Frauen zu sicheren Abtreibungen nicht an ein verpflichtendes Beratungsgespräch oder eine medizinisch ungerechtfertigte Wartezeit gebunden ist, und in der Erwägung, dass diese Voraussetzungen trotz der Einwände des Ausschusses noch immer Gültigkeit haben und medizinische Abtreibungen nach wie vor nicht zugelassen sind, wodurch Frauen der Zugang zu diesen Gesundheitsleistungen erschwert wird und die Betroffenen an den Pranger gestellt werden;

H.  in der Erwägung, dass der Begriff „Familie“ in der ungarischen Verfassung als „Ehe und Beziehungen zwischen Partnern mit Kind“ verstanden wird und es sich dabei um ein nicht mehr zeitgemäßes und auf überkommenen Vorstellungen beruhendes Verständnis von Familie handelt; in der Erwägung, dass die gleichgeschlechtliche Ehe verboten ist; in der Erwägung, dass im Rahmen der von der Agentur für Grundrechte durchgeführten Erhebung unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen im Jahr 2014 beinahe 70 % der Befragten angegeben haben, bestimmte Örtlichkeiten zu meiden, aus Angst, aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung oder ihrer Geschlechtsidentität schikaniert oder angegriffen zu werden;

I.  in der Erwägung, dass von den 47 Mitgliedern des Europarates 30 inzwischen das Übereinkommen von Istanbul ratifiziert haben und weitere 15 Mitglieder, darunter Ungarn, das Übereinkommen zwar unterzeichnet, jedoch bislang noch nicht ratifiziert haben; in der Erwägung, dass die Ratifizierung in Ungarn seit Februar 2017 nicht vorangekommen ist; in der Erwägung, dass 2013 zwar ein Gesetz erlassen wurde, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt, sich dessen Umsetzung jedoch als problematisch erwiesen hat, nicht zuletzt deshalb, weil sexuelle Gewalt nicht unter den Begriff der häuslichen Gewalt fällt; in der Erwägung, dass Ungarn weder eine ganzheitliche Strategie noch einen ganzheitlichen Aktionsplan für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat; in der Erwägung, dass die jüngste Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ergeben hat, dass Belege dafür vorliegen, dass geschlechtsbezogene Gewalt weit verbreitet ist, zumal nach Daten des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen aus dem Jahr 2015 in Ungarn 27,7 % aller Frauen ab einem Alter von 15 Jahren körperliche bzw. sexuelle Gewalt am eigenen Leib erfahren haben, jährlich mindestens 50 Frauen von einem Verwandten oder dem eigenen Partner ermordet werden und Hunderttausende Frauen in ihren Familien regelmäßig missbraucht werden; in der Erwägung, dass Frauenrechtsorganisationen davon ausgehen, dass in 95 % aller Fälle von Gewalt der Täter ein Mann und das Opfer eine Frau oder ein Mädchen ist; in der Erwägung, dass das feindliche Umfeld in Polizeidienststellen und Gerichten viele Frauen davon abhält, Missbrauchsfälle zu melden; in der Erwägung, dass es die Strafverfolgungsbeamten und die Justiz kaum zuwege bringen, Missbrauchstäter aufzuspüren und strafrechtlich zu verfolgen, was dazu führt, dass sich Gewaltopfer noch mehr in Schweigen hüllen und das Misstrauen gegenüber den Behörden größer wird; in der Erwägung, dass die Täter- und die Opferrolle von den Behörden und Teilen der Gesellschaft systematisch umgekehrt werden;

J.  in der Erwägung, dass der CEDAW Ungarn in seinen abschließenden Bemerkungen im Jahr 2013 u. a. aufgefordert hat, seine Familien- und Gleichstellungspolitik dahin gehend zu überprüfen, dass erstere Frauen nicht daran hindert, ihr Recht auf Nichtdiskriminierung und Gleichstellung uneingeschränkt wahrzunehmen, und dafür Sorge zu tragen, dass Opfer intersektioneller Diskriminierung Zugang zu angemessenen Rechtsmitteln haben, und im Hinblick auf geltendes Recht und Gesetzesvorschläge systematisch geschlechterdifferenzierte Folgenabschätzungen durchzuführen sowie darüber zu wachen, dass die Umsetzung des neuen Rechtsrahmens keinem Rückschritt gleichkommt; in der Erwägung, dass diese Empfehlungen bislang von keiner Regierung hinreichend umgesetzt wurden; in der Erwägung, dass noch keine Pläne für die Umsetzung dieser Empfehlungen vorliegen;

K.  in der Erwägung, dass negative Geschlechterstereotype und Vorstellungen über die Rolle der Frau in der Gesellschaft in Ungarn weit verbreitet sind und dass dazu auch die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gehört; in der Erwägung, dass die ungarische Regierung in Gleichstellungsfragen rückschrittlich ist und durch die durchgängige Berücksichtigung der Bedürfnisse von Familien – anstelle der Gleichstellung von Frauen und Männern – erreichen will, dass die Bevölkerung wächst, und in der Erwägung, dass sie die Begriffe „soziales Geschlecht“ und „Gleichstellung“ falsch auslegt und missbräuchlich verwendet;

L.  in der Erwägung, dass in Ungarn weit mehr Frauen erwerbstätig sind als dies noch 2010 der Fall war;

1.  nimmt zur Kenntnis, dass in den vergangenen Jahren Bemühungen um eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben unternommen wurden; verweist erneut auf den im April 2017 von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige[2] und legt der Regierung Ungarns nahe, zu der raschen Annahme dieses Vorschlags beizutragen;

2.  begrüßt, dass in Kindertagesstätten 2016 im Vergleich zu 2010 rund 23 % mehr Plätze zur Verfügung standen und Ungarn 2017 ein neues und flexibleres Kindertagesstättensystem einführte, das den Gegebenheiten vor Ort besser Rechnung trägt und Frauen bei ihrer Rückkehr auf den Arbeitsmarkt unterstützt;

3.  bedauert jedoch, dass Ungarn die Barcelona-Ziele der Union noch nicht erreicht hat, und fordert die ungarische Regierung auf, diesen Vorrang einzuräumen und ihre Familienpolitik auf die Bedürfnisse der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft abzustimmen;

4.  bedauert, dass die Politik zur Gleichstellung der Geschlechter neu ausgerichtet und auf familienpolitische Belange eingegrenzt wurde, und verweist erneut auf die Ziele und die Zielvorgaben der nationale Strategie zur Förderung der gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Männern (2010–2021), die Ungarn noch nicht umgesetzt hat; weist darauf hin, dass der öffentliche Diskurs in Ungarn durch ein falsches Verständnis des Begriffs „soziales Geschlecht“ geprägt ist, und bedauert, dass die Begriffe „soziales Geschlecht“ und „Gleichstellung“ in dieser Hinsicht absichtlich falsch ausgelegt werden; hebt hervor, dass es Ziel der Gleichstellungspolitik sein muss, in allen Sphären der Gesellschaft dafür Sorge zu tragen, dass niemand aus Gründen des Geschlechts diskriminiert wird, die Rechte aller Menschen gewahrt werden und Frauen und Männern in gleichem Maße an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben können; fordert daher, dass die durchgängige Berücksichtigung der Gleichstellung von Frauen und Männern wieder als ein Instrument der Analyse und der Politikgestaltung begriffen wird und dass die nationale Strategie umgesetzt und diesen Zielen dabei in allen Bereichen Rechnung getragen wird; fordert die ungarische Regierung auf, die Empfehlungen des CEDAW aus dem Jahr 2013 unverzüglich umzusetzen und ihre ins Stocken geratene nationale Strategie auszuarbeiten und auf dem neuesten Stand zu halten oder sie durch eine neue Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter zu ersetzen, die konkrete Fristen, ein verantwortungsvolles Handeln der Akteure, Finanzmittel und Überwachungsmechanismen für ihre tatsächliche Umsetzung vorsieht, und dazu fortlaufend Frauenrechtsorganisationen anzuhören;

5.  bedauert die enge Fassung des Begriffs „Familie“, durch die nichteheliche Lebenspartner und gleichgeschlechtliche Paare diskriminiert werden; erinnert Ungarn daran, dass es verboten ist, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung zu diskriminieren;

6.  hebt hervor, dass es wichtig es ist, die Stellung der Frau und insbesondere ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu stärken, da dies eine Voraussetzung für ein familienfreundliches Umfeld ist;

7.  bedauert, dass in politischen Führungspositionen nur sehr wenige Frauen anzutreffen sind und bislang lediglich 10 % der Mitglieder des ungarischen Parlaments Frauen waren, womit dieser Wert so niedrig ist wie in keinem anderen Land der EU; bedauert ferner, dass in der ungarischen Regierung nicht ein einziges Ministeramt mit einer Frau besetzt ist; hebt hervor, dass es für die Funktionsfähigkeit der Demokratie unerlässlich ist, dass Frauen in gleichem Maße wie Männer an der politischen Entscheidungsfindung mitwirken; erinnert an die Empfehlung des CEDAW und der OSZE, eine gesetzliche Quotenregelung für nationale Wahlen einzuführen; hebt hervor, dass Parteien bei der Förderung der Chancengleichheit und eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Geschlechtern mit gutem Beispiel vorangehen und wirksame gesetzliche Maßnahmen einführen sollten, mit denen die Teilhabe von Frauen an dem politischen Leben und der politischen Entscheidungsfindung gestärkt wird; weist darauf hin, dass eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben und eine zwischen den Eltern geteilte Verantwortung wichtige Voraussetzungen dafür sind, dass Frauen in allen Sphären der politischen Entscheidungsfindung stärker vertreten sind;

8.  weist darauf hin, dass derzeit 61,2 % aller Frauen erwerbstätig sind und der größte Anstieg bei der Beschäftigung von Frauen in der Gruppe der Frauen mit Kindern unter sechs Jahren zu verzeichnen ist, was auf die begrüßenswerten Maßnahmen zurückzuführen ist, die die ungarische Regierung seit 2010 ergriffen hat, darunter das zusätzliche Kinderbetreuungsgeld und das neue Kindertagesstättensystem, um Familien und Frauen mit Kindern unter die Arme zu greifen;

9.  begrüßt, dass die ungarische Regierung seit 2010 eine Reihe sozialpolitischer, sozial inklusiver und familien-, gesundheits- und bildungspolitischer Maßnahmen angenommen hat, die sich u. a. an die Angehörigen der Roma richten, darunter das Programm für Roma für die Gesundheit von Mutter und Kind, die Ausbildung von Angehörigen der Roma zu Gesundheitsinspektoren und Gesundheitsbeauftragten und Programme für die frühkindliche Entwicklung; fordert die ungarische Regierung auf, diese Strategien und Maßnahmen auch weiterhin umzusetzen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Nachweis über die Folgen zu erbringen, die diese Maßnahmen für Frauen haben, die der Volksgruppe der Roma angehören;

10.  nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass der Handlungsspielraum für die Organisationen der Zivilgesellschaft immer kleiner wird und Bemühungen unternommen werden, nichtstaatliche Organisationen zu kontrollieren, indem ihre Möglichkeiten zur Ausübung legitimer Tätigkeiten eingeschränkt werden; ist beunruhigt über die Folgen, die das von Ungarn verabschiedete Gesetz über die Transparenz von Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, für Organisationen der Zivilgesellschaft haben wird, die Mittel aus der Union, dem EWR und den Drittländern beziehen; ist ebenfalls beunruhigt über die Einführung des Gesetzespakets „Stoppt Soros“; hebt hervor, dass sich diese Entwicklungen nachteilig auf die Arbeitsweise nichtstaatlicher Organisationen auswirken, darunter viele Organisationen, die die Rechte von Frauen und lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen, von Menschen mit Behinderungen, ethnischen und religiösen Minderheiten, von Migranten, Flüchtlingen, Asylsuchenden und weiteren schutzbedürftigen Gruppen verfechten und für den Schutz der grundlegenden Menschenrechte, das Funktionieren der Gesellschaft und den gesellschaftlichen Fortschritt unerlässlich sind, da sie Dienstleistungen erbringen, unter Fachkräften und in der Bevölkerung ein Bewusstsein schaffen, Kapazitäten aufbauen und für gesetzliche und politische Veränderungen hin zu einer umfassenderen Gleichstellung der Geschlechter eintreten und solche auch herbeiführen; ist beunruhigt über die Stimmung in der Gesellschaft, die von der Politik der vergangenen Jahre geschürt wurde, und verurteilt das Misstrauen und die Feindseligkeit, die vielen Verfechtern von Frauenrechten und Wissenschaftlern aufgrund ihres Einsatzes und Engagements entgegenschlägt; fordert die ungarische Regierung nachdrücklich auf, die Demokratie und die Menschenrechte zu fördern und zu verbessern und die Gesetze aufzuheben, durch die Organisationen, die Gelder aus dem Ausland beziehen, an den Pranger gestellt werden; legt der Regierung nahe, sich stattdessen bei der Planung und Umsetzung gesetzlicher und politischer Maßnahmen auf dem Gebiet der Gleichstellung der Geschlechter und der Frauenrechte das Fachwissen und die Erfahrung von Frauenrechtsorganisationen zunutze zu machen und die hierzu eingerichteten beratenden Foren in angemessener Weise in Anspruch zu nehmen;

11.  schlägt vor, einen Europäischen Demokratiefonds ins Leben zu rufen, mit dem die Zivilgesellschaft und die nichstaatlichen Organisationen im Bereich Demokratie und Menschenrechte verstärkt unterstützt werden sollen und der von der Kommission verwaltet werden soll, um Akteure der Zivilgesellschaft wie Mädchen- und Frauenrechtsorganisationen zu stärken;

12.  bedauert, dass die Entwicklungen in Ungarn in den vergangenen Jahren zu einer dramatischen Verschlechterung der Lage der Rechtsstaatlichkeit geführt haben, die indes Voraussetzung dafür ist, dass die Rechte von Frauen und weiblichen Angehörigen von Minderheiten wie Roma-Frauen, Migrantinnen und lesbischen, bi- und transsexuellen Frauen frei von Diskriminierung hinreichend gewährleistet werden können;

13.  nimmt die feindliche Haltung gegenüber Migranten und Flüchtlingen in Ungarn mit Besorgnis zur Kenntnis; verurteilt die von Staatsbediensteten und Vertretern der Regierung betriebene Hetze; fordert die ungarische Regierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschenrechte von Migranten und Flüchtlingen gestärkt werden;

14.  weist erneut darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen in Ungarn, wie auch in allen anderen Mitgliedstaaten, einen anhaltenden strukturellen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt; fordert die Regierung Ungarns auf, das Übereinkommen von Istanbul ohne Vorbehalte ehestmöglich zu ratifizieren und sich zu verpflichten, die Bestimmungen aus dem Übereinkommen in innerstaatliches Recht umzusetzen, da dies ein wichtiger Schritt dahin wäre, sich von der kulturellen Norm häuslicher Gewalt zu lösen und Frauen und Mädchen, die Opfer von Gewalt geworden sind, zu schützen; verurteilt, dass häusliche Gewalt erst im Wiederholungsfall strafrechtlich verfolgt wird; fordert, dass Einrichtungen, die Informationen, Rat und Hilfe bieten, auch künftig finanzielle Unterstützung erhalten, da dies ein Weg ist, um Frauen in wirksamer Weise Schutz und Sicherheit zu bieten; fordert die Kommission auf, ihren Dialog mit der ungarischen Regierung in Zusammenarbeit mit dem Europarat fortzuführen, ihre Bedenken zu äußern und im Einklang mit den allgemeinen Bemerkungen des Europäischen Kommissars für Menschenrechte insbesondere irreführende Auslegungen des Übereinkommens von Istanbul zu klären, die die Begriffsbestimmungen von Geschlecht und geschlechtsspezifischer Gewalt in Artikel 3 Buchstaben c und d betreffen und einer umfassenden Herangehensweise an das Übereinkommen derzeit im Wege stehen;

15.  fordert die ungarische Regierung auf, das Strafrecht dahin gehend zu ändern, dass unter den Begriff der häuslichen Gewalt die körperliche Misshandlung in all ihren Formen fällt, wozu auch körperliche Gewalt, Körperverletzung und Übergriffe, sexuelle Gewalt, Stalking und Belästigung, Einschüchterung durch Androhung von körperlicher Gewalt, Körperverletzung und Übergriffen, „coercive control“ – psychische und wirtschaftliche Gewalt, die als Teil eines systematischen kontrollierenden Verhaltens auftritt, das sich in Einschüchterung, Isolation, Demütigung und Enteignung äußert – und körperliche Übergriffe gehören; fordert die ungarische Regierung ferner auf, das Kontaktverbotsgesetz in einer Weise zu ändern, dass alle Opfer häuslicher Gewalt erfasst und geschützt werden, wozu auch die Opfer gehören, die weder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Täter sind noch Kinder mit ihm haben oder als Familienangehörige gelten (z. B. Intimpartner), und das Kontaktverbot so lange wie nötig aufrechtzuerhalten; fordert die ungarische Regierung zuletzt auf, durch eine Änderung des Verfahrensrechts dafür Sorge zu tragen, dass häusliche Gewalt ein Straftatbestand ist und staatsanwaltschaftlich verfolgt und unter Strafe gestellt wird;

16.  empfiehlt nachdrücklich, Strafverfolgungsbeamte und Mitglieder der Justiz in Zusammenarbeit mit Opferschutzverbänden und im Einklang mit internationalen Menschenrechtsnormen in bewährten Verfahren für Fälle häuslicher Gewalt zu schulen; empfiehlt darüber hinaus dringend, geeignete Schulungen anzubieten und die Bedeutung der Fachkräfte im Gesundheitswesen für die Prävention und die Bewältigung häuslicher Gewalt gebührend zu berücksichtigen und zu diesem Zweck die Kapazitäten der Fachkräfte im Gesundheitswesen zu erhöhen;

17.  würdigt die Bemühungen rund um die Gesetze zur Bekämpfung des Menschenhandels und legt der Regierung nahe, die Datenerhebung auch weiterhin zu verbessern, den Opfern des Menschenhandels bessere Unterstützung zu bieten und die Nachfrage zu drosseln, indem sie es unter Strafe stellt, bezahlte Dienstleistungen, auch sexueller Art, in Anspruch zu nehmen, die von Opfern des Menschenhandels erbracht werden;

18.  betont, wie wichtig das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung und in diesem Zusammenhang die Achtung ihrer sexuellen und reproduktiven Rechte sind, einschließlich des Zugangs zu einer umgehenden Gesundheitsversorgung im Zuge von Abtreibungen, der Gewährleistung eines einfachen Zugangs zu Notfallverhütungsmitteln und der Achtung der Patientenrechte auf eine sichere und gewaltfreie Geburt, bei der die Frau im Vordergrund steht; fordert die Regierung Ungarns nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass Verhütungsmethoden zu erschwinglichen Preisen zugänglich sind, indem die Kosten für moderne Verhütungsmethoden entweder zur Gänze oder zum Teil von der staatlichen Krankenversicherung übernommen werden, und den Zugang zu Notfallverhütungsmitteln zu verbessern, indem die Verschreibungspflicht aufgehoben wird; fordert die Regierung Ungarns auf, Hürden beim Zugang zu sicheren Abtreibungen abzubauen, der etwa durch eine voreingenommene Beratung und eine vorgeschriebene Wartezeit sowie dadurch behindert wird, dass medizinische Abtreibungen nicht zugelassen sind;

19.  verurteilt in diesem Zusammenhang aufs Schärfste, dass Minderheiten und insbesondere Frauen, die der Volksgruppe der Roma angehören, in Bereichen wie dem Zugang zur Gesundheitsversorgung misshandelt und diskriminiert werden; weist darauf hin, dass die bekannt gewordenen Fälle von Zwangssterilisation eine nicht hinzunehmende Verletzung der Menschenrechte der betroffenen Frauen darstellen; verurteilt die besonders gefährlichen Restriktionen, die für Migrantinnen ohne Papiere gelten, die vom Zugang zu Gesundheitsleistungen, bei denen es sich nicht um Notfalleingriffe handelt, ausgeschlossen sind;

20.  stellt fest, dass im Rahmen der Programme zur Förderung der Bildung und der Beschäftigung von Roma-Frauen in den Sozial-, Kinderfürsorge-, Jugendschutz- und Bildungseinrichtungen Sozialbetreuer, Krankenpfleger und Sozialberater ausgebildet und kirchliche Einrichtungen und Stiftungen sowie staatliche Stellen bei der Anstellung von Roma-Frauen unterstützt werden; fordert die ungarische Regierung auf, Informationen sowie Zahlen, Daten und Fakten über die konkreten Auswirkungen dieser Programme vorzulegen;

21.  begrüßt die Einsetzung der Präsidialkommission zu Frauen in der Forschung innerhalb der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, durch die der Anteil der Frauen bei den Professuren und Doktoratsstellen der Ungarischen Akademie der Wissenschaften erhöht und das Interesse von Mädchen an einer Ausbildung im naturwissenschaftlichen Bereich gesteigert werden soll;

22.  verurteilt die Angriffe auf die freie Lehre und Forschung, insbesondere auf das Fach Geschlechterstudien, das darauf abstellt, Machtverhältnisse, Diskriminierung und Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft zu analysieren und Lösungen für Ungleichheiten zu finden, und das in das Visier von Verleumdungskampagnen geraten ist; fordert, dass der demokratische Grundsatz der Freiheit der Bildung vollständig wiederhergestellt und gewahrt wird;

23.  hebt die Bedeutung einer Erziehung und Bildung hervor, die frei von Vorurteilen und Stereotypen ist; fordert, dass dem bei der Erarbeitung eines neuen nationalen Lehrplans Rechnung getragen wird, sodass die Schüler in Zukunft tatsächlich eine Bildung erhalten, die weder Stereotype bedient noch der Herabwürdigung von Frauen und Mädchen, aber auch von Männern und Jungen, Vorschub leistet;

24.  nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass die in den vergangenen Jahren umgesetzten Maßnahmen und die zu beobachtende Rhetorik und Symbolsprache ein Frauenbild hervorgebracht haben, das in der Gesellschaft inzwischen weit verbreitet ist und Frauen auf ihre Rolle als Mütter reduziert, der einzigen Rolle, in der ihnen Anerkennung gezollt wird; weist darauf hin, dass dadurch sowohl Frauen als auch Männer in ihren Entwicklungs- und Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt und Frauen überdies ihrer Rechte beraubt werden;

25.  hebt hervor, dass es sich bei den Rechten der Frau und der Gleichberechtigung um gemeinsame europäische Grundwerte handelt; bedauert, dass Ungarn diesen Werten zunehmend den Rücken kehrt und sich dadurch selbst in die Isolation stürzt;

26.  vertritt die Auffassung, dass in Anbetracht der gegenwärtigen Lage in Ungarn die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte besteht und daher das Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 EUV eingeleitet werden muss.

ANGABEN ZUR ANNAHME IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

15.5.2018

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

18

5

3

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Beatriz Becerra Basterrechea, Malin Björk, Vilija Blinkevičiūtė, Anna Maria Corazza Bildt, Iratxe García Pérez, Arne Gericke, Anna Hedh, Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Florent Marcellesi, Angelika Mlinar, Krisztina Morvai, Maria Noichl, Marijana Petir, Pina Picierno, Elissavet Vozemberg-Vrionidi, Anna Záborská, Maria Gabriela Zoană

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Mylène Troszczynski, Julie Ward

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

José Blanco López, Benedek Jávor, Merja Kyllönen, Ulrike Müller, Julia Reda, Barbara Spinelli

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

18

+

ALDE

Beatriz Becerra Basterrechea, Angelika Mlinar, Ulrike Müller

GUE/NGL

Malin Björk, Merja Kyllönen, Barbara Spinelli

PPE

Anna Maria Corazza Bildt

S&D

José Blanco López, Vilija Blinkevičiūtė, Iratxe García Pérez, Anna Hedh, Maria Noichl, Pina Picierno, Julie Ward, Maria Gabriela Zoană

VERTS/ALE

Benedek Jávor, Florent Marcellesi, Julia Reda

5

-

ECR

Arne Gericke

ENF

Mylène Troszczynski

NI

Krisztina Morvai

PPE

Marijana Petir, Anna Záborská

3

0

PPE

Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Agnieszka Kozłowska-Rajewicz, Elissavet Vozemberg-Vrionidi

Erklärung der benutzten Zeichen:

+  :  dafür

-  :  dagegen

0  :  Enthaltung

  • [1]  http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=20027&LangID=E
  • [2]  COM(2017)0253.

ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

25.6.2018

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

37

19

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Asim Ademov, Jan Philipp Albrecht, Gerard Batten, Malin Björk, Michał Boni, Daniel Dalton, Frank Engel, Kinga Gál, Ana Gomes, Brice Hortefeux, Sophia in ‘t Veld, Dietmar Köster, Cécile Kashetu Kyenge, Roberta Metsola, Claude Moraes, Judith Sargentini, Birgit Sippel, Sergei Stanishev, Marie-Christine Vergiat, Udo Voigt, Josef Weidenholzer, Kristina Winberg, Tomáš Zdechovský, Auke Zijlstra

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Carlos Coelho, Gérard Deprez, Maria Grapini, Lívia Járóka, Marek Jurek, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Jean Lambert, Jeroen Lenaers, Andrejs Mamikins, Angelika Mlinar, Christine Revault d’Allonnes Bonnefoy, Barbara Spinelli, Jaromír Štětina, Axel Voss

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

John Stuart Agnew, Goffredo Maria Bettini, Andrea Bocskor, Norbert Erdős, Beata Gosiewska, György Hölvényi, Agnes Jongerius, Barbara Kappel, Arndt Kohn, Ádám Kósa, Julia Pitera, Evelyn Regner, Dominique Riquet, Bart Staes, Lola Sánchez Caldentey, Mylène Troszczynski, Lieve Wierinck, Marco Zullo

NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

37

+

ALDE

Gérard Deprez, Sophia in 't Veld, Angelika Mlinar, Dominique Riquet, Lieve Wierinck

EFDD

Marco Zullo

GUE/NGL

Malin Björk, Lola Sánchez Caldentey, Barbara Spinelli, Marie-Christine Vergiat

PPE

Michał Boni, Carlos Coelho, Frank Engel, Jeroen Lenaers, Roberta Metsola, Julia Pitera, Jaromír Štětina, Axel Voss

S&D

Goffredo Maria Bettini, Ana Gomes, Maria Grapini, Agnes Jongerius, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Arndt Kohn, Dietmar Köster, Cécile Kashetu Kyenge, Andrejs Mamikins, Claude Moraes, Evelyn Regner, Christine Revault d'Allonnes Bonnefoy, Birgit Sippel, Sergei Stanishev, Josef Weidenholzer

VERTS/ALE

Jan Philipp Albrecht, Jean Lambert, Judith Sargentini, Bart Staes

19

-

ECR

Daniel Dalton, Beata Gosiewska, Marek Jurek

EFDD

John Stuart Agnew, Gerard Batten, Kristina Winberg

ENF

Barbara Kappel, Mylène Troszczynski, Auke Zijlstra

NI

Udo Voigt

PPE

Asim Ademov, Andrea Bocskor, Norbert Erdős, Kinga Gál, György Hölvényi, Brice Hortefeux, Lívia Járóka, Ádám Kósa, Tomáš Zdechovský

0

0

 

 

Erklärung der benutzten Zeichen:

+  :  dafür

-  :  dagegen

0  :  Enthaltung

Letzte Aktualisierung: 3. September 2018
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