Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. September 2010 zu der Umsetzung und Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2009/2140(INI))
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 81 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(1) (nachfolgend „die Brüssel-I-Verordnung“ oder „die Verordnung“),
– in Kenntnis des Berichts der Kommission über die Anwendung dieser Verordnung (KOM(2009)0174),
– unter Hinweis auf das Grünbuch der Kommission vom 21. April 2009 über die Überprüfung der Brüssel-I-Verordnung (KOM(2009)0175),
– unter Hinweis auf den Heidelberg-Bericht (JLS/2004/C4/03) über die Anwendung der Brüssel-I-Verordnung in den Mitgliedstaaten und die Antworten auf das Grünbuch der Kommission,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2009 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger – Stockholm-Programm(2), insbesondere die Abschnitte „Stärkung des Zugangs zur Ziviljustiz für Bürger und Unternehmen“ und „Entwicklung einer europäischen Rechtskultur“,
– unter Hinweis auf den Beitritt der Union zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, der am 3. April 2007 erfolgte,
– unter Hinweis auf das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005, das am 1. April 2009 im Namen der Union unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere die Rechtssache Gambazzi/DaimlerChrysler Canada(3), das Lugano-Gutachten(4), sowie die Rechtssachen West Tankers(5), Gasser/MISAT(6), Owusu/Jackson(7), Shevill(8), Owens Bank/Bracco(9), Denilauer(10), St. Paul Dairy Industries(11) und Van Uden(12);
– unter Hinweis auf das Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(13), die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen(14), die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens(15), die Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen(16), die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen(17) und die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000(18),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)(19),
– in Kenntnis der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 16. Dezember 2009,
– gestützt auf Artikel 48 und Artikel 119 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A7-0219/2010),
A. in der Erwägung, dass die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 und ihr Vorläufer, das Brüsseler Übereinkommen, zu den erfolgreichsten Rechtsakten der EU gehören; in der Erwägung, dass sie die Grundlagen für einen Europäischen Rechtsraum gelegt und den Bürgern und Unternehmen gute Dienste geleistet hat, indem sie durch einheitliche europäische Vorschriften – die durch eine umfangreiche Rechtsprechung ergänzt werden – die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit von Entscheidungen erhöhte und Parallelverfahren vermied, und dass sie als Referenz und Hilfsmittel für andere Rechtsinstrumente herangezogen wird,
B. in der Erwägung, dass sie dessen ungeachtet nach einer Reihe von Entscheidungen des Gerichtshofs in die Kritik geriet und modernisiert werden muss,
C. in der Erwägung, dass die Abschaffung des Exequaturverfahrens – das Hauptziel der Kommission – den freien Verkehr von Gerichtsentscheidungen voranbringen und einen Meilenstein in der Entwicklung eines Europäischen Justizraums darstellen würde,
D. in der Erwägung dass das Exequatur selten verweigert wird: bei nur 1 bis 5 % der Anträge wird ein Rechtsbehelf eingelegt und diese Rechtsbehelfe sind selten erfolgreich; in der Erwägung, dass sich der zeitliche und finanzielle Aufwand, mit dem die Erlangung einer Anerkennung eines ausländischen Urteils verbunden ist, im Binnenmarkt schwer rechtfertigen lässt und dies besonders lästig sein kann, wenn ein Kläger in mehreren Ländern die Vollstreckung in Vermögenswerte eines Vollstreckungsschuldners beantragen will,
E. in der Erwägung, dass bei mehreren Rechtsinstrumenten der EU kein Exequaturverfahren vorgeschrieben ist, so beim europäischen Vollstreckungstitel, beim europäischen Zahlungsbefehl, beim europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen und bei der Verordnung zu Unterhaltssachen(20),
F. in der Erwägung, dass bei der Abschaffung des Exequaturverfahrens vorgesehen werden sollte, dass eine Gerichtsentscheidung, die nach der Verordnung anerkannt und vollstreckt werden kann und die in dem Mitgliedstaat, in dem sie erlassen wurde, vollstreckbar ist, in der gesamten EU vollstreckt werden kann, und dass dies mit einem außerordentlichen Verfahren verknüpft werden sollte, das dem Vollstreckungsschuldner ein angemessenes Recht auf Anrufung der Gerichte des Vollstreckungsstaats gewährt, falls dieser unter Berufung auf einen in der Verordnung aufgeführten Grund gegen die Vollstreckung vorgehen will; in der Erwägung, dass gewährleistet werden muss, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die vor Ablauf der Frist für die Beantragung einer Überprüfung ergriffen werden, keine irreversiblen Folgen haben,
G. in der Erwägung, dass die in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vorgesehenen Mindestgarantien beibehalten werden müssen,
H. in der Erwägung, dass die Beamten und Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsmitgliedstaat imstande sein müssen, zu erkennen, dass es sich bei der zu vollstreckenden Urkunde um eine authentische rechtskräftige Entscheidung eines nationalen Gerichts handelt,
I. in der Erwägung, dass die Schiedsgerichtsbarkeit bereits im New Yorker Übereinkommen von 1958 und im Genfer Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1961, denen alle Mitgliedstaaten angehören, zufrieden stellend geregelt ist, und dass die Nichtanwendbarkeit der Verordnung auf die Schiedsgerichtsbarkeit beibehalten werden muss,
J. in der Erwägung, dass Übereinkommen von New York Mindestnormen vorschreibt und die Vertragsstaaten in ihrem Recht günstigere Bestimmungen in Bezug auf die Zuständigkeit von Schiedsgerichten und Schiedssprüche vorsehen können,
K. in der Erwägung, dass eine Regelung, die den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem das Schiedsgericht seinen Sitz hat, eine ausschließliche Zuständigkeit einräumt, zu erheblichen Störungen führen könnte,
L. in der Erwägung, dass die vorgeschlagene Schaffung einer ausschließlichen Zuständigkeit der Zivilgerichte eines Mitgliedstaats für Verfahren, die ein Schiedsgerichtsverfahren unterstützen, zu einer intensiven Debatte geführt hat, was darauf schließen lässt, dass die Mitgliedstaaten in dieser Frage noch keine Einigung erzielt haben, und dass es im Hinblick auf den weltweiten Wettbewerb auf diesem Gebiet kontraproduktiv wäre, sie unter Zugzwang zu setzen,
M. in der Erwägung, dass die verschiedenen nationalen verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zum Schutz der Schiedsgerichtsbarkeit (wie etwa Prozessführungsverbote [„anti-suit injunctions“], soweit diese mit dem freien Personenverkehr und den Grundrechten vereinbar sind, Feststellung der Wirksamkeit einer Schiedsklausel, Schadensersatz bei Verstoß gegen eine Schiedsklausel, negative Auswirkungen des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz usw.) weiterhin zur Verfügung stehen müssen und die Wirkung solcher Verfahren und die anschließenden Gerichtsentscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten dem Recht der betreffenden Mitgliedstaaten überlassen bleiben müssen, wie es vor der West-Tankers-Entscheidung der Fall war,
N. in der Erwägung, dass die Parteiautonomie von entscheidender Bedeutung ist und die Anwendung der Rechtshängigkeitsvorschrift, wie sie vom Gerichtshof (z.B. in der Rechtssache Gasser) bestätigt wurde, die Möglichkeit bietet, Gerichtsstandsklauseln durch missbräuchliche „Torpedoklagen“ zu unterlaufen,
O. in der Erwägung, dass Dritte (zum Beispiel in einem Frachtbrief) an eine Gerichtsstandsvereinbarung gebunden sein können, der sie nicht ausdrücklich zugestimmt haben, was sie in ihrem Zugang zu den Gerichten beeinträchtigen und offensichtlich benachteiligen kann, und dass deswegen die Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen in einer besonderen Bestimmung der Verordnung behandelt werden sollte,
P. in der Erwägung, dass im Grünbuch angeregt wird, dass viele der Probleme, die bei der Anwendung der Verordnung aufgetreten sind, durch eine verbesserte Kommunikation zwischen den Gerichten abgemildert werden könnten; in der Erwägung, dass es praktisch unmöglich wäre, in einer Vorschrift des Internationalen Privatrechts eine bessere Kommunikation zwischen Richtern vorzusehen, dass eine solche aber im Rahmen der entstehenden europäischen Justizkultur durch Schulungen und Rückgriff auf Netzwerke (Netzwerk der europäischen Richterausbildungseinrichtungen, Europäisches Netz der Räte für das Justizwesen, Netz der Präsidenten der obersten Gerichtshöfe der EU, Europäisches Justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen) gefördert werden kann,
Q. in der Erwägung, dass im Hinblick auf Persönlichkeitsrechte die Wahl des günstigsten Gerichtsstands („forum shopping“) eingeschränkt werden muss, indem hervorgehoben wird, dass die Gerichte eine Zuständigkeit nur dann bejahen sollten, wenn eine hinreichende, substanzielle oder bedeutende Verbindung zu dem Land der Klageerhebung besteht, da dies dazu beitragen würde, einen besseren Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen zu erzielen, insbesondere dem Recht auf Meinungsfreiheit, dem Recht auf Schutz des guten Rufes und dem Recht auf Privatsphäre; in der Erwägung, dass auf die Frage des anwendbaren Rechts in einer legislativen Initiative zur Rom-II-Verordnung speziell eingegangen werden wird; in der Erwägung, dass in der geänderten Verordnung dennoch einige Vorgaben für nationale Gerichte gemacht werden sollten,
R. in der Erwägung, dass im Hinblick auf einstweilige Maßnahmen die Denilauer-Entscheidung dahingehend geklärt werden sollte, dass in einem Ex-parte-Verfahren ergangene Maßnahmen nur dann auf der Grundlage der Verordnung anerkannt und vollstreckt werden können, wenn der Beklagte die Möglichkeit hatte, sich gegen diese Maßnahmen zur Wehr zu setzen,
S. in der Erwägung, dass nicht klar ist, in welchem Umfang Sicherungsmaßnahmen, die auf die Erlangung von Informationen und Beweismitteln gerichtet sind, vom Anwendungsbereich des Artikels 31 der Verordnung ausgenommen sind,
Umfassendes Konzept für das Internationale Privatrecht
1. ruft die Kommission dazu auf, das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen Verordnungen über die Zuständigkeit, Vollstreckung und das anwendbare Recht zu überprüfen; ist der Auffassung, dass das allgemeine Ziel darin bestehen sollte, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der einheitlich strukturiert und leicht zugänglich ist; meint, dass zu diesem Zweck die Terminologie in sämtlichen Sachbereichen sowie alle Konzepte und Anforderungen an ähnliche Vorschriften in sämtlichen Sachbereichen vereinheitlicht und harmonisiert werden sollten (z.B. Rechtshängigkeit, Zuständigkeitsklauseln usw.) und letztlich eine umfassende Kodifizierung des Internationalen Privatrechts angestrebt werden könnte;
Abschaffung des Exequaturverfahrens
2. fordert zwar die Abschaffung des vorgeschriebenen Exequaturverfahrens, ist jedoch der Auffassung, dass dies durch geeignete Garantien ausgeglichen werden muss, um die Rechte der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, zu wahren; ist daher der Auffassung, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat ein außerordentliches Verfahren zur Verfügung gestellt werden muss; ist der Auffassung, dass die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, die Möglichkeit haben sollte, ein solches Verfahren auf Antrag bei dem in Anhang III der Verordnung aufgeführten Gericht einzuleiten; ist der Auffassung, dass für einen Antrag gemäß diesem außerordentlichen Verfahren folgende Gründe vorliegen sollten: (a) die Anerkennung würde der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen; (b) dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte; (c) die Entscheidung ist mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist, und (d) die Entscheidung ist mit einer früheren Entscheidung unvereinbar, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien und mit demselben Streitgegenstand ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird; ist ferner der Auffassung, dass es möglich sein sollte, sogar noch vor der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen bei einem Richter einen Antrag zu stellen, und dass dieser Richter, falls er entscheidet, dass der Antrag begründet ist, die Sache an das in Anhang III der Verordnung aufgeführte Gericht verweisen sollte, damit dieses auf Grundlage der oben aufgeführten Gründe eine Prüfung vornehmen kann; spricht sich dafür aus, im einleitenden Teil einen Erwägungsgrund einzufügen, aus dem hervorgeht, dass ein nationales Gericht einen missbräuchlichen oder unangemessenen Antrag unter anderem in der Kostenentscheidung ahnden kann;
3. fordert die Kommission auf, eine öffentliche Aussprache über die Frage der öffentlichen Ordnung im Zusammenhang mit Instrumenten des Internationalen Privatrechts durchzuführen;
4. ist der Auffassung, dass es für das unter Ziffer 2 genannte außerordentliche Verfahren einen harmonisierten Zeitrahmen geben muss, um zu gewährleisten, dass es so schnell wie möglich durchgeführt wird und die Vollstreckungsmaßnahmen, die bis zum Ablauf der Frist für die Beantragung des außerordentlichen Verfahrens bzw. bis zum Abschluss des außerordentlichen Verfahren ergriffen werden können, keine irreversiblen Folgen haben; gibt insbesondere zu bedenken, dass eine ausländische Entscheidung nur dann vollstreckt werden darf, wenn sie dem Vollstreckungsschuldner ordnungsgemäß zugestellt worden ist;
5. ist nicht nur der Auffassung, dass es als prozedurales Hilfsmittel zur Sicherstellung der Anerkennung ein Erfordernis einer Authentizitätsbescheinigung geben muss, sondern auch, dass es für diese Bescheinigung ein Musterformular geben sollte; ist daher der Auffassung, dass die Bescheinigung in Anhang V angepasst werden sollte, wobei die Notwendigkeit einer Übersetzung möglichst vermieden werden sollte;
6. ist der Auffassung, dass die Übersetzung der zu vollstreckenden Entscheidung aus Kostengründen auf den endgültigen Titel (Urteilsformel und Zusammenfassung der Gründe) beschränkt werden könnte, und dass eine vollständige Übersetzung verlangt werden sollte, wenn ein außerordentliches Verfahren beantragt wird;
Öffentliche Urkunden
7. ist der Ansicht, dass öffentliche Urkunden nicht unmittelbar – d.h. ohne die Möglichkeit, sie vor den Justizbehörden im Vollstreckungsstaat anzufechten, – vollstreckbar sein sollten und dass das einzuführende außerordentliche Verfahren nicht auf Fälle beschränkt werden sollte, in denen die Vollstreckung aus der Urkunde offensichtlich der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaats widerspricht, da Umstände vorstellbar sind, in denen eine öffentliche Urkunde mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, und die Gültigkeit einer öffentlichen Urkunde (im Unterschied zu ihrer Echtheit) sogar noch während der Vollstreckung wegen Irrtums oder Täuschung vor den Gerichten des Ursprungsstaats angefochten werden kann;
Anwendungsbereich der Verordnung
8. ist der Auffassung, dass Unterhaltssachen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sein sollten, erinnert jedoch daran, dass es letztendlich ein umfassendes Regelwerk geben sollte, das alle Rechtsgebiete abdeckt;
9. spricht sich entschieden dagegen aus, die Ausnahme der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich (auch nur teilweise) abzuschaffen;
10. ist der Auffassung, dass aus Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung klar hervorgehen sollte, dass nicht nur die Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist, sondern auch die Verfahren vor staatlichen Gerichten, bei denen es in der Hauptsache oder im Rahmen einer Neben- oder Vorabfrage um die Wirksamkeit oder den Umfang einer Schiedsgerichtszuständigkeit geht; ist ferner der Ansicht, dass in Artikel 31 ein Absatz hinzugefügt werden sollte, der regelt, dass eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat im Rahmen seiner Entscheidungsfindung über die Wirksamkeit oder den Umfang einer Schiedsklausel zu befinden hatte und dabei gegen schiedsrechtliche Bestimmungen des Vollstreckungsmitgliedstaats verstoßen hat; dies gilt nicht, wenn die fragliche Entscheidung auch bei Anwendung der schiedsrechtlichen Bestimmungen des Vollstreckungsmitgliedstaats zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte;
11. ist der Auffassung, dass dies ebenfalls in einem Erwägungsgrund klargestellt werden sollte;
Gerichtsstand
12. spricht sich im Hinblick auf eine Lösung des Problems der Torpedoklagen dafür aus, das in der Gerichtsstandsvereinbarung bezeichnete Gericht von seiner Pflicht zu entbinden, das Verfahren gemäß der Rechtshängigkeitsvorschrift auszusetzen; ist der Auffassung, dass dies mit der Verpflichtung verknüpft werden sollte, dass Kompetenzkonflikte vom gewählten Gericht mit gebotener Eile vorab entschieden werden müssen, und dass in einem Erwägungsgrund bekräftigt werden sollte, dass die Parteiautonomie von größter Bedeutung ist;
13. ist der Auffassung, dass die Verordnung eine neue Bestimmung enthalten sollte, die sich mit der Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen befasst; ist der Ansicht, dass eine solche Bestimmung regeln könnte, dass eine am Vertrag nicht beteiligte Person nur unter folgenden Voraussetzungen an eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung gebunden ist: (a) die Vereinbarung wird in einem schriftlichen Dokument oder durch elektronische Aufzeichnung festgehalten; (b) die Person wird rechtzeitig und in geeigneter Weise darüber informiert, wo die Klage eingereicht werden muss; (c) bei Verträgen über die Beförderung von Waren ist der vereinbarte Gerichtsstand (i) der Sitz des Beförderers; (ii) der nach dem Frachtvertrag vereinbarte Übernahmeort; (iii) der nach dem Frachtvertrag vereinbarte Ablieferungsort oder (iv) der Hafen, in dem die Güter erstmals auf ein Schiff geladen werden oder der Hafen, in dem die Güter zuletzt von einem Schiff gelöscht werden; ist der Auffassung, dass geregelt werden sollte, dass in allen anderen Fällen der Dritte bei einem in sonstiger Weise nach der Verordnung zuständigen Gericht Klage erheben kann, wenn ein Festhalten an dem vereinbarten Gerichtsstand die Partei grob benachteiligen würde;
Forum non conveniens
14. weist darauf hin, dass sich Probleme der Art, wie sie in der Rechtssache Owusu gegen Jackson aufgeworfen wurden, vermeiden lassen und schlägt daher eine Lösung vor, die sich an Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 orientiert und darin besteht, dass es einem sachlich zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats gestattet wird, das Verfahren auszusetzen, wenn seines Erachtens ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates oder eines Drittlandes den Fall oder einen bestimmten Teil des Falls besser beurteilen kann, sodass die Parteien einen Antrag vor diesem Gericht stellen können oder das angerufene Gericht den Fall mit Zustimmung der Parteien an dieses Gericht verweisen kann; begrüßt die entsprechende Regelung im Vorschlag für eine Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen(21);
Funktionsweise der Verordnung im internationalen Rechtssystem
15. ist einerseits der Auffassung, dass die Frage, ob den Bestimmungen der Verordnung eine reflexive Wirkung eingeräumt werden sollte, nicht genügend untersucht worden ist, und dass es zu früh wäre, diesen Schritt ohne umfangreiche Studien, Konsultationen und politische Debatten, in denen das Parlament eine führende Rolle spielen sollte, zu unternehmen, und fordert die Kommission auf, diesen Prozess einzuleiten; ist andererseits der Ansicht, dass es sich angesichts der Existenz zahlreicher bilateraler Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten und angesichts der Fragen der Gegenseitigkeit und Höflichkeit in internationalen Beziehungen um ein globales Problem handelt, das parallel dazu im Rahmen der Haager Konferenz durch Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein weltweites Gerichtsstandsübereinkommen gelöst werden sollte; fordert die Kommission auf, sich nach Kräften darum zu bemühen, dieses Projekt – den Heiligen Gral des Internationalen Privatrechts – zu neuem Leben zu erwecken; fordert die Kommission mit Nachdruck auf, zu prüfen, inwieweit das Übereinkommen von Lugano (2007)(22) als Vorbild und Inspiration für ein solches internationales Gerichtsstandsübereinkommen dienen könnte;
16. ist der Auffassung, dass die gemeinschaftlichen Vorschriften über die ausschließliche Zuständigkeit in Bezug auf dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen auf Klagen ausgedehnt werden könnten, die in einem Drittstaat erhoben werden;
17. spricht sich dafür aus, die Verordnung dergestalt zu ändern, dass ausschließlichen Gerichtstandsvereinbarungen zu Gunsten von Gerichten in Drittstaaten eine reflexive Wirkung eingeräumt wird;
18. ist der Auffassung, dass die Frage einer Vorschrift, die sich über die Entscheidung in der Rechtssache Owens Bank/Bracco hinwegsetzt, Gegenstand einer gesonderten Überprüfung sein sollte;
Definition des Wohnsitzes natürlicher und juristischer Personen
19. ist der Auffassung, dass eine (letztendlich auf alle EU-Rechtsinstrumente anwendbare) autonome EU-Definition des Wohnsitzes natürlicher Personen wünschenswert wäre, vor allem um Situationen zu vermeiden, in denen Personen mehr als einen Wohnsitz haben;
20. spricht sich gegen eine einheitliche Definition des Sitzes von Gesellschaften in der Brüssel-I-Verordnung aus, da eine Definition mit derart weit reichenden Folgen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines europäischen Gesellschaftsrechts erörtert und beschlossen werden sollte;
Zinsen
21. ist der Meinung, dass die Verordnung eine Vorschrift enthalten sollte, mit der ausgeschlossen wird, dass ein Vollstreckungsgericht den automatisch zu beachtenden Zinssatzbestimmungen des Gerichts des Ursprungsstaates keine Wirksamkeit verleiht und statt dessen im Rahmen des außerordentlichen Verfahrens den eigenen nationalen Zinssatz erst vom Tag der Erteilung des Vollstreckungstitels an anwendet;
Industrielles Eigentum
22. vertritt im Hinblick auf eine Lösung des Problems der Torpedoklagen die Auffassung, dass, wenn das zuerst angerufene Gericht offenkundig unzuständig ist, das später angerufene Gericht von seiner Pflicht entbunden werden sollte, das Verfahren gemäß der Rechtshängigkeitsvorschrift auszusetzen; spricht sich jedoch dagegen aus, negative Feststellungsklagen von der Regel der früheren Rechtshängigkeit völlig auszunehmen, da mit solchen Klagen ein legitimer wirtschaftlicher Zweck verfolgt werden kann; ist jedoch der Auffassung, dass Zuständigkeitsfragen am besten im Zusammenhang mit den Vorschlägen zur Schaffung einer einheitlichen Patentgerichtsbarkeit gelöst werden könnten;
23. ist der Auffassung, dass die terminologischen Abweichungen zwischen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I)(23) und der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 behoben werden sollten, indem in Artikel 15 der Brüssel-I-Verordnung die Definition des „Unternehmers“ aus Artikel 6 Absatz 1 der Rom-I-Verordnung eingefügt wird und indem die Formulierung in Artikel 15 Absatz 3 der Brüssel-I-Verordnung „Reiseverträge, die für einen Pauschalpreis kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen vorsehen“ durch einen Verweis auf die Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG(24) ersetzt wird, wie es in Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe b der Rom-I-Verordnung der Fall ist;
Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge
24. fordert die Kommission auf, im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu prüfen, ob für Arbeitnehmer, die ihre Arbeit nicht in einem einzigen Mitgliedstaat erbringen (wie z.B. Fernfahrer, Flugbegleiter) eine Lösung gefunden kann, die größere Rechtssicherheit und einen angemessenen Schutz der schwächeren Partei ermöglicht;
Persönlichkeitsrechte
25. ist der Ansicht, dass der in der Shevill-Entscheidung aufgestellte Grundsatz relativiert werden muss; ist jedoch der Auffassung, dass die in bestimmten Ländern bei Gerichten zu beobachtende Tendenz, eine örtliche Zuständigkeit auch dann zu bejahen, wenn der Fall keine enge Verbindung zum Land der Klageerhebung aufweist, abgemildert werden kann, indem ein Erwägungsgrund eingefügt wird, der klarstellt, dass sich grundsätzlich nur die Gerichte des Landes für zuständig erklären sollten, zu dem der Fall eine hinreichende, substanzielle oder bedeutende Verbindung aufweist; ist der Auffassung, dass dies dazu beitragen würde, einen besseren Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen zu erzielen;
Vorläufige Maßnahmen
26. ist der Auffassung, dass zwecks Gewährleistung eines besseren Zugangs zur Justiz der Begriff einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen auch Verfügungen erfassen sollte, die auf die Erlangung von Auskünften und Beweismitteln gerichtet sind;
27. ist der Ansicht, dass die Verordnung die Zuständigkeit für solche Maßnahmen den Gerichten des Mitgliedstaats übertragen sollte, in dem die verlangten Auskünfte oder Beweismittel belegen sind, und zwar zusätzlich zur Zuständigkeit der Gerichte, die in der Hauptsache zuständig sind;
28. ist der Auffassung, dass die Formulierung „einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind“ unter Bezugnahme auf den in der der St. Paul Dairy Entscheidung verwendeten Wortlaut in einem Erwägungsgrund definiert werden sollte;
29. ist der Auffassung, dass die in der Van-Uden-Entscheidung vorgenommene Unterscheidung zwischen Fällen, in denen das die Maßnahme erlassende Gericht in der Hauptsache zuständig ist, und Fällen, in denen das Gericht nicht in der Hauptsache zuständig ist, dadurch ersetzt werden sollte, dass geprüft wird, ob die Maßnahmen zur Unterstützung eines Verfahrens beantragt werden, das in dem betreffenden Mitgliedstaat oder einem Drittstaat durchgeführt wird oder werden soll (in diesem Fall sollten die in Artikel 31 aufgeführten Beschränkungen nicht zur Anwendung kommen), oder zur Unterstützung eines Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat (in diesem Fall sollten die in Artikel 31 aufgeführten Beschränkungen zur Anwendung kommen);
30. weist mit Nachdruck darauf hin, dass ein Erwägungsgrund eingefügt werden sollte, um die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der in der Van Uden Entscheidung verlangten „realen Verknüpfung“ zu der gebietsbezogenen Zuständigkeit des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts zu überwinden; in dem Erwägungsgrund sollte klargestellt werden, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten, wenn sie über den Erlass, die Verlängerung, die Änderung oder die Aufhebung einer einstweiligen Maßnahme entscheiden, die zur Unterstützung eines Verfahrens in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde, alle Umstände berücksichtigen sollten; zu diesen gehören unter anderem: (i) Erklärungen des Hauptsachegerichts des Mitgliedstaats in Bezug auf die betreffende Maßnahme oder ähnliche Maßnahmen, (ii) Bestehen einer realen Verknüpfung zwischen der beantragten Maßnahme und dem Gebiet des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, und (iii) mögliche Auswirkungen der Maßnahme auf Verfahren, die in einem anderen Mitgliedstaat anhängig sind oder noch eingeleitet werden;
31. lehnt den Vorschlag der Kommission ab, dem Hauptsachegericht die Möglichkeit einzuräumen, einstweilige Maßnahmen, die von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassen wurden, aufzuheben, abzuändern oder anzupassen, da dies nicht mit dem in der Verordnung verankerten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens vereinbar wäre; ist zudem der Auffassung, dass es nicht klar ist, auf welcher Grundlage ein Gericht eine in einem anderen Staat ergangene Gerichtsentscheidung überprüfen könnte und welches Recht es dabei anzuwenden hätte, und dass dies in der Praxis zu echten Problemen führen könnte, zum Beispiel im Hinblick auf die Kosten;
Kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren
32. hebt hervor, dass bei den künftigen Arbeiten der Kommission zu kollektiven Rechtsschutzverfahren eventuell Bestimmungen über eine besondere Zuständigkeit für kollektive Klagen vorzusehen sind;
Sonstige Fragen
33. vertritt die Auffassung, dass es angesichts der besonderen Schwierigkeiten des Internationalen Privatrechts, der Bedeutung des EU-Kollisionsrechts für Unternehmen, Bürger und internationale Prozessbeteiligte sowie der Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung an der Zeit ist, im Gerichtshof eine spezielle Kammer einzurichten, die über Vorabentscheidungsersuchen auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts entscheidet;
o o o
34. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6).