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Verfahren : 2011/2714(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0370/2011

Aussprachen :

PV 09/06/2011 - 12.3
CRE 09/06/2011 - 12.3

Abstimmungen :

PV 09/06/2011 - 13.3

Angenommene Texte :

P7_TA(2011)0272

Angenommene Texte
PDF 126kWORD 40k
Donnerstag, 9. Juni 2011 - Straßburg
Ukraine: Julija Tymoschenko und andere Mitglieder der vormaligen Regierung
P7_TA(2011)0272RC-B7-0370/2011

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 9. Juni 2011 zur Ukraine und zu den Fällen Julija Tymoschenko und anderer Mitglieder der ehemaligen Regierung

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Ukraine und insbesondere auf seine Entschließung vom 25. November 2010(1),

–   unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der Europäischen Union und der Ukraine, das am 1. März 1998 in Kraft getreten ist, und auf die laufenden Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen (AA), das das PKA ablösen soll,

–   unter Hinweis auf die Assoziierungsagenda EU-Ukraine, die den Aktionsplan ersetzt und die vom Kooperationsrat EU-Ukraine im Juni 2009 angenommen wurde,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Die Europäische Nachbarschaftspolitik – eine Bestandsaufnahme“ (KOM(2010)0207) vom 12. Mai 2010 und auf den Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik vom 25. Mai 2011,

–   unter Hinweis auf die Erklärung seines Präsidenten zur Festnahme von Julija Tymoschenko vom 24. Mai 2011,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der Hohen Vertreterin der EU, Catherine Ashton, zum Fall Julija Tymoschenko vom 26. Mai 2011,

–  unter Hinweis auf die Erklärung von Kommissionsmitglied Štefan Füle vom 24. März 2011 im Anschluss an sein Treffen mit Julija Tymoschenko,

–  unter Hinweis auf das Gesetz über die Verhinderung und Bekämpfung der Korruption, das am 7. April 2011 von der Werchowna Rada angenommen wurde und am 1. Juli 2011 in Kraft tritt,

–  gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass sich die EU für eine stabile und demokratische Ukraine ausspricht, die die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft, der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und des Schutzes der Minderheiten achtet und die Grundrechte garantiert, in der Erwägung, dass die innenpolitische Stabilität, die Konzentration auf interne Reformen und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine – was faire, unparteiische und unabhängige Gerichtsverfahren einschließt – die Voraussetzungen für den weiteren Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine darstellen, und in der Erwägung, dass die Östliche Partnerschaft all diese Grundsätze umfasst,

B.  in der Erwägung, dass in der Ukraine bislang weder eine umfassende Justizreform noch Maßnahmen zur Durchsetzung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit in strafrechtlichen Ermittlungen und bei der Strafverfolgung umgesetzt wurden, wozu auch der Grundsatz fairer, unparteiischer und unabhängiger Gerichtsverfahren zählt,

C.  in der Erwägung, dass Korruption und Amtsmissbrauch in der Ukraine nach wie vor weit verbreitet sind und eine unmissverständliche Reaktion der Behörden erfordern, indem die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, und in der Erwägung, dass die Strafverfolgung und Ermittlungen unparteiisch und unabhängig sein müssen und nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden dürfen,

D.  in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine am 24. Mai 2011 die Ermittlungen gegen die frühere Ministerpräsidentin der Ukraine Julija Tymoschenko abgeschlossen und sie unter anderem wegen Amtsmissbrauchs in Zusammenhang mit dem Abschluss von Erdgasverträgen mit der Russischen Föderation im Jahre 2009 angeklagt hat,

E.  in der Erwägung, dass am 21. Februar 2011 zwei Strafverfahren gegen Julija Tymoschenko in einem Verfahren verbunden wurden, in dem sie beschuldigt wird, Gelder aus dem Verkauf von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls veruntreut und 67 Millionen ukrainische Hrywnja (knapp 6 Millionen Euro) unterschlagen zu haben, indem dieser Betrag aus dem Staatshaushalt der Ukraine im Rahmen einer Staatsgarantie gegenüber der Regierung Österreichs für den Kauf und die Einfuhr von 1 000 Fahrzeugen des Typs Opel Combo bereitgestellt wurde, die während ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin angeblich für medizinische Einsätze in ländlichen Gebieten eingesetzt werden sollten,

F.  in der Erwägung, dass Julija Tymoschenko, seitdem am 15. Dezember 2010 Ermittlungen gegen sie eingeleitet wurden, 44-mal verhört wurde, dass gegen sie ein Inlands- und Auslandsreiseverbot verhängt wurde, das seit fast sechs Monaten besteht, dass sie von den ukrainischen Behörden vier Mal an Reisen innerhalb der Ukraine sowie im Februar und im Juni an Reisen nach Brüssel gehindert wurde und dass sie am 25. Mai 2011 vorgeladen und vor ihrer Freilassung mehrere Stunden lang befragt wurde,

G.  in der Erwägung, dass sich zwölf frühere hochrangige Mitglieder der Regierung Tymoschenko in Untersuchungshaft befinden, darunter der frühere Innenminister Jurij Luzenko, eines der leitenden Mitglieder der Partei „Block Unsere Ukraine – Nationale Selbstverteidigung“, der wegen Amtsmissbrauchs und der Unterschlagung von Geldern angeklagt ist und am 26. Dezember 2010 wegen der angeblich mangelnden Bereitschaft zur Kooperation mit der Staatsanwaltschaft verhaftet wurde, und der frühere Erste Stellvertretende Justizminister Jewhen Kornijtschuk, der am 22. Dezember 2010 verhaftet wurde und wegen Gesetzesverstößen im Zusammenhang mit Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge für Dienstleistungen der Rechtsberatung angeklagt ist,

H.  in der Erwägung, dass Jurij Luzenko nach der Eröffnung des Gerichtsverfahrens gegen ihn am 23. Mai 2011 nicht aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, obwohl Untersuchungshaft wegen angeblich mangelnder Kooperationsbereitschaft im Rahmen der Ermittlungen in seinem Fall eine äußerst unverhältnismäßige Maßnahme ist,

I.  in der Erwägung, dass in einem Vorbericht des dänischen Helsinki-Ausschusses für Menschenrechte über die Gerichtsverfahren gegen Jurij Luzenko und Jewhen Kornijtschuk schwerwiegende Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention aufgeführt sind,

J.  in der Erwägung, dass ein Strafverfahren gegen den ehemaligen Wirtschaftsminister Bohdan Danylyschyn eingeleitet wurde, der aus der Ukraine geflohen ist und dem in der Tschechischen Republik politisches Asyl gewährt wurde, und in der Erwägung, dass der ehemalige Umweltminister Heorhij Filiptschuk und der ehemalige geschäftsführende Verteidigungsminister Walerij Iwaschtschenko ebenfalls beschuldigt werden, Straftaten begangen zu haben,

K.  in der Erwägung, dass der frühere Präsident des Parlaments der Krim Anatolij Hryzenko (Partei der Regionen) am 24. Januar 2011 festgenommen und wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit dem illegalen Verkauf von 4 800 Hektar Land angeklagt wurde, und in der Erwägung, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, in dem es um Grundstücksbetrug im Zusammenhang mit dem Grundstück einer Ferienanlage in Jalta geht,

L.  in der Erwägung, dass die Generalstaatsanwaltschaft auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen den ehemaligen Präsidenten der Ukraine Leonid Kutschma eingeleitet hat,

M.  in der Erwägung, dass die Verfassung der Ukraine für Entscheidungen der ukrainischen Regierung die kollektive Verantwortung vorsieht,

N.  in der Erwägung, dass die EU nach wie vor betont, dass die Rechtsstaatlichkeit geachtet werden muss, wozu auch faire, unparteiische und unabhängige Gerichtsverfahren gehören, und dass der Eindruck vermieden werden muss, dass Maßnahmen der Justiz selektiv eingesetzt werden, und in der Erwägung, dass die EU diese Grundsätze in einem Land, das engere vertragliche Beziehungen auf der Grundlage einer politischen Assoziierung anstrebt, als besonders wichtig erachtet,

1.  betont, wie wichtig es ist, in Ermittlungen, bei der Strafverfolgung und in Gerichtsverfahren für größtmögliche Transparenz zu sorgen, und warnt vor jeglichem Missbrauch des Strafrechts als Instrument zur Erreichung politischer Ziele;

2.  äußert sich besorgt über die Zunahme der selektiven Strafverfolgung von Angehörigen der politischen Opposition in der Ukraine und über die Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen, insbesondere in den Fällen von Julija Tymoschenko und dem ehemaligen Innenminister Jurij Luzenko, und stellt fest, dass dieser sich seit dem 26. Dezember 2010 in Untersuchungshaft befindet; unterstützt Nina Karpatschowa, die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, die den Generalstaatsanwalt der Ukraine ersucht hat, die Anwendung von Präventivmaßnahmen zu prüfen, die keine Inhaftierung einschließen;

3.  weist die ukrainischen Behörden darauf hin, dass es nach dem Grundsatz der kollektiven Verantwortung für Entscheidungen der Regierung nicht zulässig ist, einzelne Regierungsmitglieder wegen im Kollegium getroffener Entscheidungen strafrechtlich zu verfolgen;

4.  betont, dass prominente führende Politiker der Ukraine durch die laufenden Ermittlungen gegen sie nicht daran gehindert werden sollten, aktiv am politischen Leben des Landes teilzunehmen, sich mit Wählerinnen und Wählern zu treffen und zu internationalen Treffen zu reisen; fordert deshalb die ukrainischen Behörden auf, das Inlands- und Auslandsreiseverbot gegen Julija Tymoschenko und andere zentrale Persönlichkeiten aus der Politik aufzuheben;

5.  betont, dass die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die Korruption nicht nur von entscheidender Bedeutung sind, wenn es um den Abschluss des Assoziierungsabkommens und die Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine im Allgemeinen geht, sondern auch im Hinblick auf die Festigung der Demokratie in der Ukraine;

6.  fordert die Kommission auf, die Justizreform in der Ukraine durch eine bessere Nutzung des EU-Programms für den Kapazitätsaufbau zu unterstützen und die Einrichtung einer Hochrangigen Beratenden Gruppe der EU für die Ukraine zu prüfen, um dem Land bei seinen Bemühungen um eine Angleichung an das EU-Recht, auch im Bereich Justiz, zu helfen;

7.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem EAD, den Mitgliedstaaten, dem Staatspräsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine sowie den Parlamentarischen Versammlungen des Europarats und der OSZE zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2010)0444.

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