Index 
 Zurück 
 Vor 
 Vollständiger Text 
Verfahren : 2012/2505(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadien in Bezug auf das Dokument :

Eingereichte Texte :

RC-B7-0052/2012

Aussprachen :

Abstimmungen :

PV 16/02/2012 - 8.6
Erklärungen zur Abstimmung
Erklärungen zur Abstimmung

Angenommene Texte :

P7_TA(2012)0054

Angenommene Texte
PDF 130kWORD 45k
Donnerstag, 16. Februar 2012 - Straßburg
Lage in Russland
P7_TA(2012)0054RC-B7-0052/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012 zu der bevorstehenden Präsidentschaftswahl in Russland (2012/2505(RSP))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation, das 1997 in Kraft getreten ist und dessen Gültigkeit solange verlängert wird, bis es durch ein neues Abkommen ersetzt wird,

–  unter Hinweis auf die laufenden Verhandlungen über ein neues Abkommen, mit dem ein neuer umfassender Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und Russland geschaffen werden soll, sowie auf die 2010 in Gang gesetzte „Partnerschaft für Modernisierung“,

–  unter Hinweis auf seine Entschließungen zu Russland, insbesondere seine Entschließungen vom 14. Dezember 2011 zu dem bevorstehenden Gipfeltreffen EU-Russland am 15. Dezember 2011 und dem Ergebnis der Duma-Wahl vom 4. Dezember 2011(1) und vom 7. Juli 2011 zu den Vorbereitungen auf die Wahlen zur russischen Staatsduma im Dezember 2011(2),

–  unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission des BDIMR der OSZE vom 12. Januar 2012 über die Wahl zur Staatsduma vom 4. Dezember 2011,

–   unter Hinweis auf den Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vom 23. Januar 2012 über die Parlamentswahl in Russland und auf die Erklärung der im Anschluss an die Wahl nach Russland entsandten Delegation vom 21. Januar 2012,

–  unter Hinweis auf die Konsultationen zwischen der EU und Russland zu Menschenrechtsfragen und insbesondere die letzte Tagung, die in diesem Rahmen am 29. November 2011 stattgefunden hat,

–   unter Hinweis auf die am 6. Dezember 2011 von der Hohen Vertreterin der Union, Catherine Ashton, abgegebene Erklärung zur Wahl zur Duma in der Russischen Föderation, ihre am 14. Dezember 2011 in Straßburg gehaltene Rede zum Gipfeltreffen EU-Russland und ihre Rede vom 1. Februar 2012 zur politischen Lage in Russland,

–   unter Hinweis auf die am 15. Dezember 2011 im Anschluss an das Gipfeltreffen EU-Russland abgegebene Erklärung des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy,

–  gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass eine verstärkte Zusammenarbeit und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen der EU und Russland von grundlegender Bedeutung für Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in Europa sind; in der Erwägung, dass eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und Russland nur auf der Grundlage gemeinsamer Werte aufgebaut werden kann;

B.  in der Erwägung, dass in Bezug auf die Achtung und den Schutz der Menschenrechte sowie die Achtung gemeinsam vereinbarter demokratischer Grundsätze, Wahlbestimmungen und -verfahren weiterhin Besorgnis über die Entwicklungen in der Russischen Förderation besteht; in der Erwägung, dass die Russische Föderation Vollmitglied des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist und sich damit den Grundsätzen der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte verpflichtet hat;

C.  in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 12. April 2011 Kritik an den schwerfälligen Registrierungsverfahren für politische Parteien in Russland geäußert hat, die nicht den Wahlstandards des Europarates und der OSZE entsprechen; in der Erwägung, dass der politische Wettbewerb und der Pluralismus in Russland durch die Einschränkung der Registrierung von politischen Parteien und Kandidaten beeinträchtigt werden;

D.  in der Erwägung, dass die allgemeinen Wahlvorschriften trotz der unlängst ergriffenen begrenzten Maßnahmen zur Verbesserung des Wahlrechts immer noch übermäßig komplex sind und dass die Opposition durch die uneinheitliche Anwendung der Vorschriften diskriminiert wird;

E.  in der Erwägung, dass Präsident Medwedew in einer Rede vor der Duma am 22. Dezember 2011 einige Änderungen des politischen Systems angekündigt hat, zu denen die Einrichtung eines neuen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Fernsehens, vereinfachte Verfahren für Parteien und Präsidentschaftskandidaten, die Wiedereinführung der Direktwahl der Gouverneure der Föderationssubjekte und Untersuchungen in Fällen von Wahlbetrug gehörten;

F.  in der Erwägung, dass bei der Wahl zur Duma vom 4. Dezember 2011 gemäß dem Abschlussbericht der Wahlbeobachtungsmission des BDIMR der OSZE die Standards freier und fairer Wahlen missachtet wurden und die Wahl durch identische Positionen des Staates und der Regierungspartei sowie die fehlende Unabhängigkeit der Wahlbehörde, die Parteilichkeit der Medien und das staatliche Eingreifen auf verschiedenen Ebenen gekennzeichnet war; in der Erwägung, dass dem Bericht zufolge bei der Wahl zur Duma zahlreiche Verfahrensfehler und offensichtliche Manipulationen begangen wurden und ernstzunehmende Hinweise auf mit gefälschten Wahlzetteln gefüllte Wahlurnen vorliegen;

G.  in Erwägung des Schlussberichts der inländischen Wahlbeobachtungsorganisation Golos, in dem es heißt, dass die Wahl weder frei noch fair verlaufen sei und weder der russischen Wahlgesetzgebung noch internationalen Wahlstandards entsprochen habe und dass grundlegende Wahlprinzipien – Wettbewerb gleichberechtigter Konkurrenten, Neutralität der Behörden, Unabhängigkeit der Wahlausschüsse, Abstimmung in Übereinstimmung mit den Gesetzen, korrekte Auszählung der Stimmen – verletzt worden seien;

H.  in der Erwägung, dass die Bevölkerung Russlands nach der Wahl zur Duma vom 4. Dezember 2011 mit zahlreichen Massendemonstrationen ihren Wunsch nach mehr Demokratie, freien und fairen Wahlen und einer umfassenden Reform des Wahlsystems bekundet hat, insbesondere die Demonstranten, die ein weißes Band trugen;

I.  in der Erwägung, dass der politische Pluralismus eine der Säulen der Demokratie und der modernen Gesellschaft sowie eine der Grundlagen politischer Legitimität ist; in der Erwägung, dass bei den Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahl ein freies und faires Verfahren mit gleichen Chancen für alle Kandidaten garantiert sein muss; in der Erwägung, dass aufgrund der Registrierungsverfahren erneut bestimmte Kandidaten von der Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen wurden;

J.  in der Erwägung, dass sich die Beziehungen zwischen der EU und Russland in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt haben, was eine tiefgreifende und umfassende Verflechtung herbeigeführt hat, die in Zukunft zweifelsohne noch enger werden wird; in der Erwägung, dass der Abschluss eines Abkommens über eine strategische Partnerschaft zwischen der EU und der Russischen Föderation weiterhin von größter Bedeutung für den Ausbau und die Intensivierung der Zusammenarbeit beider Seiten ist;

K.  in der Erwägung, dass Russland den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zweimal daran gehindert hat, eine Resolution zur Krise in Syrien zu verabschieden, in der eine Unterstützung des Plans der Arabischen Liga gefordert wurde, der auch von der EU unterstützt wird;

1.  nimmt die Berichte des BDIMR der OSZE und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Wahl zur Duma zur Kenntnis, in denen festgestellt wurde, dass die Wahl zur Duma die von der OSZE festgelegten Wahlstandards nicht erfüllte und von identischen Positionen des Staates und der Regierungspartei, Verfahrensfehlern, offensichtlichen Manipulationen und der fehlenden Unabhängigkeit der Wahlbehörde gekennzeichnet war;

2.  erklärt sich besorgt darüber, dass das Wahlergebnis (die Zusammensetzung der Duma) keine Verbesserungen in Bezug auf die Aufgaben und den Einfluss der Duma im politischen System Russlands mit sich bringen wird;

3.  fordert seine Delegation im Ausschuss für parlamentarische Kooperation EU-Russland auf, die Themen Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit gegenüber den russischen Gesprächspartnern ständig zur Sprache zu bringen; fordert darüber hinaus eine Überprüfung der Tätigkeiten des Ausschusses für parlamentarische Kooperation EU-Russland und die Intensivierung des Dialogs mit der außerparlamentarischen Opposition und der Zivilgesellschaft;

4.  nimmt zur Kenntnis, dass unlängst Forderungen nach einer Annullierung der Wahl zur Staatsduma geäußert wurden, und fordert die staatlichen Organe Russlands auf, allen Berichten über Betrug und Einschüchterung weiterhin umfassend und transparent nachzugehen, damit die Verantwortlichen bestraft werden können und die Abstimmung dort, wo Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, wiederholt werden kann; betont, dass das Wahlgesetz Russlands Einsprüche und Korrekturen vorsieht; weist jedoch darauf hin, dass der Zentrale Wahlausschuss Beschwerden weder transparent noch effizient und zügig bearbeitet hat; bedauert, dass fast 3 000 Beschwerden gegen Fälle von Befugnisüberschreitungen im Zusammenhang mit den Wahlen, Wahlbetrug und Wahlrechtsverstößen in einzelnen Wahlkreisen von den zuständigen Gerichten zurückgewiesen wurden und einige noch anhängig sind;

5.  nimmt zur Kenntnis, dass Präsident Medwedew umfassende Änderungen des politischen Systems angekündigt hat, die auch die dringend benötigte Vereinfachung der Vorschriften für die Registrierung politischer Parteien einschließen; fordert darüber hinaus konkrete Zusagen, die Probleme im Zusammenhang mit der Medien-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit anzugehen; bekräftigt die Bereitschaft der EU zur Zusammenarbeit mit Russland, so auch im Rahmen der Partnerschaft für Modernisierung, um die Achtung der Grund- und Menschenrechte und die Leistungsfähigkeit eines unabhängigen rechtsstaatlichen Systems in Russland zu verbessern;

6.  fordert die Regierung Russlands auf, eine Reihe von Legislativvorschlägen gemäß den Empfehlungen der OSZE vorzulegen, die darauf abzielen, ein wirklich demokratisches politisches System aufzubauen, darunter auch Reformen, mit denen die Vorschriften für die Registrierung von politischen Parteien und Präsidentschaftskandidaten vereinfacht werden und mit denen die restriktive Anwendung der Vorschriften unterbunden wird, damit so schnell wie möglich für wirklich freie und faire Wahlen gesorgt ist;

7.  betont, dass in den friedlichen Demonstrationen in Russland der Wunsch der Bevölkerung Russlands nach freien und fairen Wahlen zum Ausdruck kommt; fordert die staatlichen Organe Russlands auf, die aktuellen Massenversammlungen zum Anlass zu nehmen, um die notwendigen Reformen für mehr Demokratie, politische Teilhabe und Rechtsstaatlichkeit einzuleiten, wozu auch die Reform des Wahlgesetzes gemäß den Standards des Europarats und der OSZE zählt; fordert die staatlichen Organe Russlands auf, diese Standards auch in der Praxis einzuhalten, um im März eine freie und demokratische Präsidentschaftswahl mit gleichen Chancen für alle Kandidaten zu gewährleisten;

8.  verurteilt das harte Vorgehen der Polizei bei friedlichen Demonstrationen gegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl und gegen Wahlbetrug, über das internationale Beobachter berichtet haben und das durch Videoaufnahmen einfacher Bürger belegt ist; fordert die staatlichen Organe Russlands auf, die Versammlungsfreiheit und die Meinungsfreiheit im Einklang mit der Verfassung der Russischen Föderation in vollem Umfang zu achten;

9.  weist erneut darauf hin, dass die Einschränkungen des politischen Pluralismus im Vorfeld der Wahl zur Duma zu den größten Mängeln dieser Wahl zählten; erklärt sich besorgt über den Ausschluss von Kandidaten der Opposition von der Präsidentschaftswahl am 4. März 2012, wodurch der politische Wettbewerb und der Pluralismus weiter untergraben werden;

10.  fordert die staatlichen Organe Russlands auf, mit der Opposition in einen Dialog zu treten, und bedauert die Entscheidung, Oppositionsführer Grigori Jawlinski nicht als Kandidat für die Präsidentschaftswahl zuzulassen, wodurch auch verhindert wird, dass seine Partei Beobachter stellt;

11.  fordert die OSZE, den Europarat und die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, den Untersuchungen der Unregelmäßigkeiten weiter nachzugehen und die Vorbereitungen der Präsidentschaftswahl und die Durchsetzung der Wahlvorschriften genau zu überwachen, womit sich die staatlichen Organe Russlands bereits einverstanden erklärt haben;

12.  stellt fest, dass zur Überwachung der Präsidentschaftswahl in Russland etwa 600 internationale Beobachter erwartet werden (vom BDIMR der OSZE, von der Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, von der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und von der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten); betont, dass internationale und nationale Wahlbeobachter landesweit eingesetzt werden sollten, damit eine gründliche Überwachung des Wahlgangs gemäß den Standards des BDIMR der OSZE sichergestellt ist; fordert die staatlichen Organe Russlands auf, Einmischungen und Behinderungen, wie sie im Zusammenhang mit der Wahl zur Duma gemeldet wurden, zu unterlassen;

13.  fordert den Untersuchungsausschuss erneut auf, vorbehaltlos umfassende und gründliche Ermittlungen zum Tod von Sergei Magnizki durchzuführen, rasch konkrete Schlussfolgerungen vorzulegen und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen; fordert, dass der Rat, falls die staatlichen Organe Russlands weiterhin untätig bleiben, Maßnahmen wie ein EU-weites Reiseverbot und das Einfrieren der Vermögenswerte derjenigen in Betracht zieht, die der Folter und des Todes von Sergei Magnizki bzw. der Vertuschung des Falls für schuldig befunden wurden;

14.  erklärt sich zutiefst besorgt darüber, dass die Rechtsvorschriften zur Bekämpfung des Extremismus missbräuchlich angewendet wurden, unter anderem bei der unrechtmäßigen Anwendung von Strafgesetzen gegen Organisationen der Zivilgesellschaft, wie Memorial, und religiöse Minderheiten, wie die Zeugen Jehovas und Falun Dafa, und bei dem unzulässigen Verbot ihrer Materialien wegen des Vorwurfs des Extremismus;

15.  verurteilt die Annahme eines Gesetzes gegen Propaganda über die sexuelle Orientierung durch die gesetzgebende Versammlung der Stadt Sankt Petersburg auf das Schärfste; verurteilt in gleicher Weise ähnliche Gesetze, die in den Gebieten Rjasan, Archangelsk und Kostroma angenommen wurden; fordert alle staatlichen Organe Russlands auf, im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte die Freiheit der Meinungsäußerung in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität nicht mehr zu beschränken; fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin auf, deutlich zu machen, dass sich die Europäische Union gegen diese Gesetze ausspricht;

16.  fordert Russland nachdrücklich auf, sich dem internationalen Konsens anzuschließen und dem Sicherheitsrat zu ermöglichen, auf der Grundlage der Vorschläge der Arabischen Liga tätig zu werden, um die Krise in Syrien zu bewältigen; betont, dass Russland als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen seiner Verantwortung für den internationalen Frieden und die Sicherheit in vollem Umfang gerecht werden muss; fordert Russland auf, unverzüglich sämtliche Verkäufe von Waffen und militärischem Gerät an die syrische Regierung einzustellen;

17.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.

(1) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0575.
(2) Angenommene Texte, P7_TA(2011)0335.

Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen