BERICHT über die Verbesserung des Rechts und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Adoption von Minderjährigen

22. November 1996

Ausschuß für Recht und Bürgerrechte
Berichterstatter: Herr Carlo Casini

In der Sitzung vom 15. Februar 1995 gab der Präsident des Europäischen Parlaments bekannt, daß er den gemäß Artikel 45 der Geschäftsordnung von den Abgeordneten Colli Comelli und Danesin im Namen der Fraktion Forza Europa eingereichten Entschließungsantrag zur Verbesserung des Adoptionsgesetzes an den Ausschuß für Recht und Bürgerrechte als federführenden Ausschuß überwiesen hatte.

Der Ausschuß für Recht und Bürgerrechte beschloß in seiner Sitzung vom 23. März 1995, einen Bericht auszuarbeiten, und ersuchte mit Schreiben vom 24. März 1995 um diesbezügliche Genehmigung. In der Sitzung vom 13. Juni 1995 gab der Präsident des Europäischen Parlaments bekannt, daß die Konferenz der Präsidenten den Ausschuß ermächtigt hatte, einen Bericht über dieses Thema auszuarbeiten (und daß der Ausschuß für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten und der Ausschuß für Kultur, Jugend, Bildung und Medien als mitberatende Ausschüsse benannt worden waren).

Der Ausschuß für Recht und Bürgerrechte benannte in seiner Sitzung vom 23. März 1995 Herrn Carlo Casini als Berichterstatter.

Er prüfte den Berichtsentwurf in seinen Sitzungen vom 27. November 1995, 1. und 2. Oktober 1996, 28. Oktober 1996 und 19. November 1996.

In der letztgenannten Sitzung nahm er den Entschließungsantrag mit 10 Stimmen und 7 Enthaltungen an.

An der Abstimmung beteiligten sich: die Abgeordneten Casini, C., Vorsitzender und Berichterstatter; Rothley, erster stellvertretender Vorsitzender; Palacio Vallelersundi, zweite stellvertretende Vorsitzende; Barzanti, dritter stellvertretender Vorsitzender; Ahlqvist, Añoveros Trias de Bes, Berger, Colombo Svevo (in Vertretung d. Abg. Janssen van Raay), Fabre-Aubrespy, Falconer, Ferri, Gebhardt, Gröner (in Vertretung d. Abg. Cot), Lehne, Oddy, Schlechter, Sierra González und Zimmermann.

Die Stellungnahmen des Ausschusses für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten sowie des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung und Medien sind diesem Bericht beigefügt.

Der Bericht wurde am 22. November 1996 eingereicht.

Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen wird im Entwurf der Tagesordnung für die Tagung angegeben, auf der der Bericht geprüft wird.

A. ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Entschließung zur Verbesserung des Rechts und der Zusammenarbeit

zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Adoption von Minderjährigen

Das Europäische Parlament,

- in Kenntnis des von den Abgeordneten Colli Comelli und Danesin im Namen der Fraktion Forza Europa eingereichten Entschließungsantrags zur Verbesserung des Adoptionsgesetzes (B4-0568/94),

- gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

- in Kenntnis der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte,

- unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte der Kinder vom 20. November 1989,

- unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel K.1 Punkt

6 und K.3 bezüglich der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres sowie auf Artikel

220 des EG-Vertrags,

- unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950,

- unter Hinweis auf die Entschließung vom 16. März 1989 zur künstlichen "In-vivo-" und "Invitro"-Befruchtung[1],

- unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Problemen der Kinder in der Europäischen Gemeinschaft vom 13. Dezember 1991[2],

- unter Hinweis auf die Europäische Konvention des Europarats vom 24. April 1967 zur Adoption von Kindern,

- unter Hinweis auf das Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption,

- unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten und des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung und Medien (Dok. A4-0392/96),

A. in der Erwägung, daß das grundlegende Ziel der Adoption das Wohl des zu adoptierenden Kindes und der Schutz seiner Rechte sein muß,

B. unter Hinweis darauf, daß im übergeordneten Interesse des adoptierten Kindes vorzugsweise eine aus Vater und Mutter bestehende Familie ausgewählt werden sollte, und daß hierzu eine zufriedenstellende Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen, Nichtregierungs-

organisationen und adoptionswilligen Personen erforderlich ist,

C. in der Erwägung, daß der Minderjährige so weit wie möglich das Recht haben sollte, von den leiblichen Eltern aufgezogen zu werden, daß er aber in den Fällen, in denen die Eltern vorübergehend nicht dazu in der Lage sind, Personen anvertraut werden sollte, die seine Würde und seine Rechte schützen können, wobei die Einweisung in ein Heim vermieden werden sollte, und in der Erwägung, daß im Falle einer von den zuständigen Behörden festgestellten tatsächlichen "Verlassenheit" der Minderjährige adoptiert werden kann, wodurch seine Bindungen zur Herkunftsfamilie abgebrochen werden,

D. in dem Bewußtsein, daß durch die Adoption aus dem "verlassenen" Kind das Kind der Adoptiveltern wird,

E. in der Erwägung, daß in allen Staaten der Union ein starker Geburtenrückgang und gleichzeitig eine wachsende Adoptionsnachfrage zu verzeichnen ist, die nur in geringem Maße erfüllt werden kann, was die Zunahme internationaler Adoptionen erklärt,

F. in der Erwägung, daß das Rechtsinstitut der Adoption heute, vor allem im Bereich der internationalen Adoption, Gefahr läuft, mißbraucht zu werden, so daß eine Wiederbesinnung auf seine Bedeutung als Instrument, mit dem verlassenen Kindern ein Zuhause gegeben werden soll, über alle trennenden Grenzen hinweg notwendig ist, und daß die Kontrolle mittels strengerer Verfahren durchgeführt werden muß, vorausgesetzt, daß dadurch in der Praxis die Adoption nicht unmöglich gemacht wird;

G. in dem Bewußtsein, daß die internationale Adoption nur dann durchgeführt werden sollte, wenn es auch durch die Gewährung finanzieller und sozialer Hilfen nicht möglich ist, das Kind in seiner Herkunftsfamilie oder zumindest in einer Pflegefamilie seines Landes zu belassen, daß aber - sollte die "Verlassenheit" tatsächlich festgestellt worden sein - die internationale Adoption auch mit flankierenden Maßnahmen gefördert werden muß, durch die die Verfahren im Ausland einerseits transparent werden und andererseits unnötige Schwierigkeiten für die Adoptionsbewerber vermieden werden,

H. unter Hinweis darauf, daß es folglich bei der internationalen Adoption unerläßlich ist, den derzeitigen privatrechtlichen Rahmen zu überwinden und für die Verfahren im Ausland die obligatorische Vermittlung von gemeinnützigen zugelassenen Organisationen unter staatlicher Kontrolle vorzusehen,

I. in Kenntnis der Tatsache, daß auch weitere Institute, wie die vorübergehende nationale und internationale Vormund- oder Pflegschaft in Notsituationen, wie zum Beispiel bei Kriegen oder Naturkatastrophen und bei minderjährigen Asylbewerbern, zu Hilfe genommen werden können,

J. unter Hinweis darauf, daß es erforderlich ist, den rechtlichen Status des Adoptierten zu schaffen, durch den auf der Grundlage eines Systems zwischenstaatlicher Zusammenarbeit die gegenseitige Anerkennung der in den Mitgliedstaaten zustandegekommenen Adoptionen sichergestellt werden muß,

1. ist der Ansicht, daß jede legislative oder administrative Maßnahme zur Erleichterung der Adoption immer im Zusammenhang stehen sollte mit einer starken Politik wirtschaftlicher und sozialer Hilfen für die in Schwierigkeiten befindlichen Familien und von direkten Stützungsmaßnahmen zur Verhinderung der Vernachlässigung der Minderjährigen und ihrer Einweisung in ein Heim;

2. fordert die Mitgliedstaaten auf, auch Einzelpersonen und Lebensgemeinschaften das Recht auf Adoption zu gewähren;

3. fordert die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, auf, umgehend das Haager Übereinkommen aus dem Jahre 1993 zu ratifizieren und so die Gegensätze zwischen den Rechtsordnungen zu beseitigen, in denen auf dem Gebiet der Adoption eine Zuständigkeit der Justiz festgeschrieben ist, und denen, die dagegen eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden vorsehen;

4. fordert die Kommission und den Rat auf, bei den Drittländern, aus denen die in den Ländern der Union adoptierten Kinder kommen, mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß sie die Haager Konvention so rasch wie möglich ratifizieren;

5. ist der Ansicht, daß der in einigen nationalen Rechtsordnungen vorgesehene vertragliche Charakter der Adoption mit gerichtlicher Kontrolle erst während der Phase der Anerkennung zu einigen Problemen ethischer und rechtlicher Natur zusätzlich zum Kontakt zwischen den leiblichen Eltern und den Adoptiveltern führen kann;

6. hebt erneut das Prinzip hervor, daß sowohl die nationale als auch die internationale Adoption nur vorgenommen werden kann, nachdem die zuständigen staatlichen Behörden zugesichert haben, daß alle - gegebenenfalls erforderlichen - Zustimmungen der Personen, Institutionen oder Inhaber der elterlichen Sorge frei und schriftlich geleistet worden sind, und erklärt haben, daß der Minderjährige adoptiert werden kann;

7. fordert die Mitgliedstaaten auf, Instrumente zu schaffen, um die zu einer nationalen oder internationalen Adoption bereiten Paare vorzubereiten, zu unterstützen und zu begleiten;

8. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Altersspanne zu harmonisieren, in der Adoptionswillige das Recht besitzen, eine Adoption zu beantragen;

9. fordert, daß in Anbetracht der Schwierigkeiten bei der internationalen Adoption die Mitgliedstaaten die Eignung erst feststellen, wenn nachgewiesen ist, daß die adoptionswilligen Eltern spezifische Voraussetzungen erfüllen;

10. fordert die Mitgliedstaaten auf, nur staatliche Organisationen oder vom Staat anerkannte und zugelassene absolut vertrauenswürdige und gemeinnützige Organisationen in Adoptions-

verfahren mit der Vermittlung zu betrauen;

11. bedauert in Anbetracht der Bestrebungen der Union und der Herausforderungen, vor denen sie steht, die unzureichenden Fortschritte in Kapitel VI des Vertrages in den Bereichen Justiz und Inneres;

12. fordert den Europarat auf, seine Tätigkeit im rechtlichen und sozialen Bereich im Zusammenhang mit der Familienpolitik generell und der Adoption im besonderen fortzusetzen, und zwar in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, um vor allem mit den Staaten Mittelund Osteuropas (aus denen viele Adoptivkinder kommen) seine Rolle als Koordinierungsstelle zwischen den Ländern zu schaffen, die auf dem Weg zur Demokratie sind, und den Staaten mit europäischen Rechtsgrundsätzen;

13. fordert den Rat und die Europäische Kommission auf, bei der Zusammenarbeit mit den assoziierten Staaten ihre Tätigkeiten in rechtlichen und sozialen Bereich, die im Zusammenhang mit Adoptionsfragen stehen, unter Beachtung der international gültigen Normen zu vertiefen;

14. fordert die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf, konkrete Vorschläge für geeignete Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit im Bereich des Inneren vorzulegen, die auch auf die Verhinderung der Vernachlässigung und darauf gerichtet sind, daß das Kind soweit wie möglich in seiner Herkunftsfamilie oder, je nach Situation, in einer Adoptiv- oder Pflegefamilie seines Landes bleiben kann;

15. hält es für unabdingbar, daß der Rat unverzüglich "gemeinsame Maßnahmen" auf der Grundlage von Artikel K 3 Absatz 2, Buchstabe b) des VEU beschließt, um

- eine Visumpolitik einzuführen, durch die verhindert werden soll, daß die Kinder nicht Gegenstand illegaler Praktiken werden, die von internationalen Adoptionsnetzen unter dem Deckmantel des freien Personenverkehrs in der Europäischen Union eingeführt werden,

- den Handel mit Kindern zu verhindern und zu bekämpfen,

- ein Programm zur Förderung von Initiativen auf dem Gebiet Ausbildung und Austausch für Personen einzuführen, die für die Bekämpfung von Kindesentführung- und -handel zuständig sind,

- der Europol-Drogenstelle auch Zuständigkeit für die Bekämpfung von Kindesentführungund -handel zu übertragen;

16. fordert die zuständigen Behörden der Gemeinschaft auf, spezifische Projekte für die Durchführung von Vorbeuge- und Schutzprogrammen für verlassene Kinder und zur Kontrolle der für die internationale Adoption erforderlichen Vermittler durch den Herkunftsstaat einzubeziehen;

17. fordert, daß die europäische Dimension in den Rahmen der internationalen Adoption einbezogen wird, um einerseits das Treffen der von den Mitgliedstaaten bestimmten zentralen Behörden zu formalisieren und andererseits geeignete Instrumente für die Beschlußfassung und Verwaltung einzuführen und insbesondere eine internationale Anlaufstelle in Form einer Datenbank und eines Zentrums zur Forschung und Bewertung im Dienste der Tätigkeiten im Adoptionsbereich zu schaffen;

18. fordert die Mitgliedstaaten auf, das Konzept der Adoption als Instrument im Dienste der Rechte des Kindes und nicht der Erwachsenen bekanntzumachen und dadurch zu zeigen, daß sie auch in den Fällen, in denen die Eltern sich weigern oder unüberwindliche Schwierigkeiten dabei haben, ihr Kind in einem angemessenen familiären Umfeld aufwachsen zu lassen, den sozialen Zweck erfüllt, Kindern ein Zuhause zu geben;

19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der UNICEF, der Beratenden Versammlung des Europarates, dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

  • [1] ABl. C 96 vom 17.04.1989, S. 171
  • [2] ABl. C 13 vom 20.01.1992, S. 534

B. BEGRÜNDUNG

I. EINLEITUNG

Der rechtliche Ansatz der Adoption hat im Laufe der Geschichte starke Wandlungen erfahren. Der vorliegende Bericht befaßt sich ausschließlich mit der Adoption von Minderjährigen aus dem Blickwinkel des Europäischen Parlaments, die Menschenrechte und insbesondere die Rechte des Kindes auf jede erdenkliche Art und Weise zu fördern. Somit ist zu unterscheiden zwischen der Adoption nach der römischen Rechtstradition, die sich auch auf die Erwachsenen bezog und deren Regelung von dem Ziel bestimmt war, demjenigen zu einem Kind zu verhelfen, der keines hatte, und erbrechtliche Ansprüche zu übertragen, und der modernen Adoption von Minderjährigen, die dem Ziel dient, Kindern eine Familie zu geben, die keine haben. Der vorliegende Bericht behandelt nur die zweite Form der Adoption, deren Wandlungen sowohl kulturell bedingt als auch auf die Veränderung der Gegebenheiten zurückzuführen sind.

Durch all diese Veränderungen gelangt die Adoption an den Scheideweg zur modernen Gesellschaft, in der unsere Konzeption von den Menschenrechten, der Familie, den Beziehungen zwischen Staat, Individuum und grundlegenden Sozialstrukturen auf dem Prüfstand stehen. Selbst die Definition des Kindes wird hier einbezogen. Auch die Internationalisierung der Probleme, die Beziehungen zwischen reichen und armen Ländern, die gesteigerte Mobilität und die demographische Entwicklung haben praktischen Einfluß auf die Adoption. Desgleichen können die Techniken der künstlichen Fortpflanzung entweder als Alternativen zur Adoption oder in ihren extremsten Formen (Uterus-Vermietung, Ersatzmutterschaft, Angebot, "überzählige" oder "überflüssige" Embryonen auszutragen) als eine Adoption im weiteren Sinne erscheinen.

In diesem Bereich werden die unterschiedlichen Rechtssysteme ganz besonders deutlich. Er berührt das internationale Privatrecht und die Freizügigkeit der Personen. Diesbezüglich wird darüber hinaus die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafrecht von der Union als eine Frage von gemeinsamem Interesse betrachtet (Artikel K1), die die Verabschiedung gemeinsamer, vom Rat auf Initiative der Kommission oder eines Mitgliedstaates beschlossener Maßnahmen rechtfertigen kann. Das Interesse des Europäischen Parlaments an diesem Thema ist somit begründet.

II. DIE ADOPTION: KULTURELLES UND POLITISCHES PROBLEM

A. Das Recht des Minderjährigen auf eine Familie

In erster Linie ist hier auf die kulturelle Kehrtwende hinzuweisen, die sich vollzogen hat: die Adoption eines Minderjährigen darf nicht länger ein Mittel sein, um demjenigen zu einem Kind zu verhelfen, der keines hat, sondern muß im Gegenteil ein Instrument darstellen, um demjenigen zu Eltern zu verhelfen, der keine hat. Diese Konzeption wird mittlerweile allgemein anerkannt, in der Praxis jedoch nicht mit der letzten rechtlichen und kulturellen Konsequenz angewandt. Ferner muß diese Konzeption mit der anderen oft wiederholten Forderung verknüpft werden: daß nämlich der Minderjährige als Rechtssubjekt anerkannt werden muß, eine juristisch ungenaue Ausdrucksweise (da in den modernen Rechtsordnungen die Anerkennung jedes menschlichen Wesens als Rechtsobjekt außer Frage steht), die aber brauchbar ist zur Beurteilung der praktischen Verhaltensweisen. Im Grunde geht es darum, folgendes nicht aus den Augen zu verlieren: die Interessen der Kinder, nicht die der Erwachsenen müssen verwirklicht werden.

Die Erfahrung zeigt, daß die Familie, gekennzeichnet durch Stabilität, Exklusivität, die gleichzeitige Präsenz des männlichen Parts (der Vater) und des weiblichen Parts (die Mutter), eine für die Persönlichkeitsbildung quasi unerläßliche Funktion erfüllt. Zwar trifft es zu, daß dieses Familienmodell nicht immer zu den besten Erziehungsergebnissen führt, doch bietet es sicherlich das höchstmögliche Maß an Garantien. Das moderne Denken und die politische Debatte tendiert immer stärker dahin, die Existenz anderer Familienmodelle anzuerkennen, wobei man so weit geht, einen Rechtsstatus auch für homosexuelle Paare zu fordern. Diese Diskussion können wir jedoch beiseite lassen, wenn wir beschließen, uns vom Interesse des Minderjährigen leiten zu lassen. Selbstverständlich muß der Staat jene Lösungen fördern, die für ihn die besten sind und ihm die meisten Garantien bieten. Sein Recht auf Familie muß deshalb verstanden werden als das Recht, in einem familiären Kontext zu leben, der gekennzeichnet ist durch die führende Rolle eines Vaters und einer Mutter, die durch eine Liebesbeziehung dauerhaft miteinander verbunden sind. Aus dem gleichen Grund müßte der Volladoption durch ein verheiratetes Paar (weil hier die Stabilitätsgarantie größer ist) der Vorzug gegeben werden vor der Adoption durch ein Paar, das lediglich zusammenlebt, oder der Adoption durch eine alleinstehende Person. Mit Blick auf das Interesse des Kindes ist ausgeschlossen, daß eine derartige Entscheidung eine Diskriminierung impliziert. Diese läge nur dann vor, wenn Ziel der Adoption der Schutz der Interessen der Erwachsenen und nicht der der Kinder wäre. Aus dem gleichen Grund muß die altertümliche Lösung verworfen werden, mit der als Voraussetzung für eine Adoption die Kinderlosigkeit galt. Die Erfahrung mit Geschwistern ist ein Faktor der Persönlichkeitsbildung. Es läßt sich die Hypothese aufstellen, daß einer Familie mit Kindern, die ein weiteres adoptiert, der Vorzug zu geben ist vor einem kinderlosen Paar, das in der Adoption die Lösung eines es selbst betreffenden Problems sucht. Mit dem gleichen Argument muß gefordert werden, daß mehrere verlassene Geschwister vorzugsweise von der gleichen Familie zu adoptieren sind. Es war von "vorzugsweise" die Rede: natürlich kann es Ausnahmesituationen geben, in denen z.B. die Adoption durch eine alleinstehende Person die einzig mögliche Lösung ist, die - ihrerseits - dem vorzuziehen ist, daß eine Situation des Verlassenseins weiter andauert oder das Kind in ein Heim eingewiesen wird.

Selbstverständlich ist es nicht unsere Absicht, den Wunsch nach einem Kind abzuwerten. Wir möchten lediglich jene Lösungen begünstigen, die den Belangen des Kindes am besten entsprechen, wobei wir ja gerade versuchen, sie mit dem Wunsch nach einem Kind in Einklang zu bringen. Das Recht des Minderjährigen auf eine Familie ist zunächst das Recht auf eine natürliche Familie, d.h. das Recht, aufgenommen zu werden, anerkannt zu werden und von denen, die es gezeugt haben, geliebt zu werden. Man spricht immer häufiger vom Recht auf Identität jedes menschlichen Wesens, was die Unantastbarkeit des genetischen Erbes und die Kenntnis der eigenen Herkunft impliziert. Ein Aspekt dieses Rechts auf Identität betrifft das Interesse des Kindes daran, daß die biologische Vaterschaft und Mutterschaft mit der sozialen, gefühlsmäßigen und juristischen Vaterschaft und Mutterschaft zusammenfallen. Die Identität eines jeden von uns ist auch mit unserer Herkunft verknüpft, und Ungewißheit und Verwirrung in diesem Punkt können in einer negativen Ungewißheit in bezug auf die psychologische Identität des Kindes niederschlagen. Deshalb ist das Verlassenwerden von den natürlichen Eltern niemals etwas Gutes. Die Adoption von Minderjährigen muß deshalb konsequent als ein hochwirksames Mittel zur Wiedergutmachung eines sonst unvermeidbaren Übels betrachtet werden. Dies bringt einige wichtige Konsequenzen mit sich:

1. Eine die Adoption bejahende Politik müßte stets einhergehen mit einer sehr intensiven Politik zur Unterstützung der Familien, um so weit wie möglich zu vermeiden, daß Kinder freigegeben werden;

2. keinesfalls zulässig ist der Kinderhandel zum Zweck der Adoption, nicht nur, weil dies gegen die Menschenwürde verstößt, sondern weil es auch in unerträglicher Weise dazu führt, daß verstärkt Kinder von Eltern, die im Elend leben, freigegeben werden;

3. die traditionelle Auffassung, die Angelegenheit vertraglich zu regeln, wie sie in der römischen Rechtstradition anzutreffen ist, müßte aufgegeben werden. Die natürlichen Eltern können ihr Kind nicht "veräußern". Die Voraussetzung für die Adoptionsfähigkeit eines Minderjährigen ist nicht die Zustimmung der Eltern, sondern der unüberwindbare Zustand des Verlassenseins. Die Zustimmung der Eltern muß berücksichtigt werden und ist sogar wünschenswert, aber lediglich als Beweis für den Zustand sowie als bewußtes und deutliches Instrument der Zusammenarbeit der Eltern mit der Gesellschaft mit dem Ziel, das Wohl des Kindes auf bestmögliche Art und Weise zu verwirklichen;

4. Armut ist niemals ein ausreichender Grund, um Eltern einen Minderjährigen zu entziehen. Armut erfordert indes wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen für die Familie;

5. die Familie, auf der der Minderjährige Anspruch hat, ist nicht nur biologischer Art. Sie impliziert vor allem eine Gemeinschaft der Gefühle und eine unerläßliche Fähigkeit zur Erziehung. Wo diese Merkmale völlig fehlen, besteht die Familie nur zum Schein. Das heißt, es kann ein moralisches Verlassen bestehen, das mitunter gefährlicher ist als das materialle Verlassen und ein Eingreifen des Staates zur Ermöglichung der Adoption rechtfertigt;

6. der Vorrang der Familie gegenüber dem Staat legt in jedem Fall eine große Umsicht bei der Erklärung zur Adoptionsfähigkeit der Kinder nahe, wobei entsprechend den Umständen der Versuch zu unternehmen ist, die natürlichen Familien auch durch Formen der zeitlich begrenzten Überlassung der Kinder an andere Familien.

B. Bevölkerungsrückgang: Auswirkungen auf die internationale Adoption

Der Wunsch der Erwachsenen, ein Kind zu haben, ist deshalb nicht zu betrachten als ein Recht, sondern als ein höchst positives natürliches Instrument, um auf bestmögliche Art und Weise die Probleme eines verlassenen Minderjährigen zu lösen. In diesem Zusammenhang sind Überlegungen zu einem weiteren tiefgreifenden Wandel anzustellen.

Früher waren adoptierbare Kinder zahlreicher als die Familien, die sie aufnehmen wollten. Heute hat sich in allen Staaten der Union die Situation ins Gegenteil verkehrt: Es gibt viele Adoptionsgesuche, aber wenig adoptierfähige Kinder. Zu Unrecht wird immer wieder behauptet, die Kinderheime seien voll. In der Regel ist dies in den Ländern der Union nicht der Fall, wo in den Heimen leider die nicht gewollten Kinder zurückbleiben (weil normalerweise kleine und gesunde Kinder gewünscht werden oder jene, die von den leiblichen Eltern nicht völlig verlassen worden sind. Natürlich ist der Mangel an adoptierfähigen Kindern an sich keine schlechte Sache: Er kann ausgelegt werden als die Konsequenz eines größeren Verantwortungsbewußtseins unserer Generation und eine stärkere Abneigung dagegen, Kinder zu verlassen. Festzustellen ist lediglich eine Tatsache, die Konsequenzen verlangt: In allen Ländern der Union hat man den Eindruck einer besonderen Schwerfälligkeit und Langwierigkeit der Verfahren. In Wirklichkeit führt die geringe Zahl der Kinder dazu, daß die Mehrheit der Adoptionsfähigen den natürlichen Familien entzogen wird, was unweigerlich und zu Recht einen umfassenden Rechtsschutz impliziert. Die wichtigste Konsequenz ist jedoch der starke Anstieg der internationalen Adoption, von der in einigen Unionsländern mittler-

weile mehr Kinder betroffen sind, als von der Adoption inländischer Kinder. Die Gefahr, daß das Rechtsinstitut der Adoption degeneriert, wenn Kinder im Ausland, vor allem in Entwicklungsländern, gesucht werden, ist sehr groß. Die Organe der europäischen Staaten haben nämlich nicht die Möglichkeit, die Verfahren im Ausland, wo die diffuse Armut in bestimmten Schichten der Bevölkerung dem Kinderhandel Vorschub leistet, zu kontrollieren. Andererseits sei darauf hingewiesen, daß das Paar, das sich zu Adoptionszwecken auf gemeinschaftsexternes Gebiet begibt, auf enorme Schwierigkeiten stößt: Unkenntnis der Sprache und der Verfahren, finanzielle Probleme, Unterbrechung der Arbeit. Andererseits müssen auch den gemeinschaftsexternen Kindern dieselben Bedingungen zugesichert werden, wie den Kindern innerhalb der Union: Sie sind keine Kinder zweiter Wahl. Ferner ist zu bedenken, daß die Verpflanzung eines Minderjährigen in eine Familie mit einer Kultur und einer Tradition, die sich völlig von der des gewohnten Umfeldes unterscheidet, ernsthafte Schwierigkeiten für die Adoptierenden und für die Adoptierten heraufbeschwören kann. Darüber hinaus ist eine unannehmbare Konkurrenz zwischen Staaten, Agenturen und Privatpersonen verschiedener Länder festzustellen, die sämtlich daran interessiert sind, in ihr Land ausländische Kinder zu verbringen, um den Wunsch einheimischer Ehepaare zu befriedigen. Schließlich sei auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich aus dem Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Rechtsordnungen ergeben. Andererseits darf auch die internationale Adoption nicht erschwert werden, sondern sie muß als Instrument der weltweiten Solidarität in jenen extremen Fällen unterstützt werden, in denen es nicht möglich ist, Kinder auf andere Weise im Rahmen des Landes und der Kultur, in dem sie geboren sind, aufzunehmen. Aus diesen Überlegungen ergeben sich verschiedene Schlußfolgerungen:

1. Vor einem Rückgriff auf die internationale Adoption ist zu überprüfen, ob das Problem des Verlassenseins von Kindern fremder Länder in dem betreffenden Land gelöst werden kann durch familienpolitische Maßnahmen und durch die Anwendung der örtlichen Adoption;

2. es ist eine Harmonisierung der europäischen Rechtsvorschriften anzustreben, wobei zunächst die internationalen Übereinkommen zu ratifizieren und in vollem Umfang anzuwenden sind;

3. zu vermeiden ist ein System der privaten vertraglichen Regelung, vorzusehen wäre hingegegen die obligatorische Einbeziehung von Agenturen oder Istitutionen unter öffentlicher Kontrolle;

4. diese Agenturen oder Institute dürften keinen Erwerbszweck verfolgen, und die Adoptionsbewerber dürften nur zur Erstattung der Kosten nach zuvor festgelegten einheitlichen Tarifen verpflichtet werden;

5. besondere Aufmerksamkeit müßte der Vorbereitung der Ehepaare gewidmet werden, die die internationale Adoption wünschen und deren Eignung nach spezifischen Kriterien zu beurteilen wäre. Die Paare müßten auch nach der erfolgten Überlassung des Kindes unterstützt und betreut werden;

6. in ihrer Entwicklungshilfepolitik müßte die Europäische Union spezifische Vorhaben zur Unterstützung der Kinder und über Hilfs- und Garantieleistungen für die internationalen Adoptionen vorsehen. Es ist wünschenswert, daß die Vermittlungsagenturen auch Maßnahmen zur Unterstützung der Familien und Kinder im Ausland unabhängig von Adoptionsabsichten durchführen;

7. die Begleitung der Paare, die sich ins Ausland begeben, müßte von den nationalen und gemeinschaftlichen Organen geregelt werden, um alle Verfahren transparenter und weniger schwerfällig zu gestalten.

Schließlich müssen wir uns die Frage stellen, ob es wirklich zutrifft, daß die Verringerung der Zahl der adoptionsfähigen Kinder auf dem Gebiet der Union das Ergebnis eines größeren Verantwortungsbewußtseins und einer geringeren Zahl von verlassenen Kindern ist. Das Verlassen der herkömmlichen Art gibt es noch immer mit großen Gefahren für das Leben der Neugeborenen, die ausgesetzt werden. Es ist absolut unannehmbar, daß dies in einer modernen Zivilisation und angesichts einer derart großen Zahl von adoptionsbereiten Familien geschieht. Ein Gesetz, das es der Mutter ermöglicht, ihr Kind bei der Geburt nicht anzuerkennen (mit der Möglichkeit des Widerrufs innerhalb einer bestimmten Frist), muß der Bevölkerung zur Kenntnis gebracht werden. Ferner könnten rasche und wirksame Instrumente eingeführt werden, wie die Einrichtung von speziellen Telefonnummern, die es den Müttern, die ihre Schwangerschaft nicht bekanntgeben und ihr Kind nicht bei sich behalten wollen, zu ermöglichen, sich beraten zu lassen und andere Alternativen als die Kindestötung und das Aussetzen des Kindes auf der Straße zu haben. In der modernen Kultur ist es zwar nur schwer verständlich, daß eine Mutter die Geburt eines Kindes nicht bekanntgeben will, aber es ist ein Phänomen, das - wenngleich nur am Rande - auftritt, und hier muß eine humane Antwort gefunden werden.

Um kohärent zu sein, muß bei dieser Antwort auch das Thema der in unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Form in fast allen Ländern der Union verbreiteten und legalisierten freiwilligen Schwangerschaftsunterbrechung angeschnitten werden. Die mitunter scharfen Polemiken und Gegensätze in der Frage der gesetzlichen Regelung dürfen nicht verhindern, daß eine gemeinsame Überzeugung, die im übrigen auch in einigen Gesetzestexten verankert ist, in den Hintergrund tritt: Nämlich, daß die Unterbrechung der Schwangerschaft in den Zeiträumen, in denen sie gesetzlich zulässig ist, eine ultima ratio sein muß, nachdem sämtliche Alternativen, die die Annahme des werdenden Lebens ermöglichen, geprüft worden sind. In diesem Zusammenhang ist die Adoption sicherlich eine mögliche Alternative. Es geht sicherlich nicht darum, das Kind im Mutterleib adoptionsfähig zu machen, weil dies mit der Verantwortung der Mutter und ihrem Recht, das Kind bei sich zu behalten, nicht vereinbar wäre. Vielmehr geht es darum, eine Adoptionskultur zu verbreiten, indem im Bildungsbereich und über die Medien die Existenz einer möglichen Alternative für die Schwangerschaftsunterbrechung verdeutlicht wird.

Schließlich sei betont, daß die geringe Erfolgsrate der In-vitro-Befruchtungsmethoden, ihr invasiver Charakter für den Körper der Frau, die ernsthaften ethischen Probleme, die sich insbesondere in bezug auf die unvermeidbare Verschwendung und Selektion menschlicher Embryonen stellen, ihre hohen wirtschaftlichen Kosten eine aufmerksamere und eingehendere Befassung mit dem Thema Adoption erfordert, die stärker gefördert werden müßte und deren Regeln als analoges Kriterium zur Regelung der künstlichen Befruchtung dienen sollten.

II. ADOPTION: RECHTLICHE ASPEKTE

Die Rechtsunsicherheit, die bedauerlicherweise mit sehr vielen Aspekten der Regelung der internationalen Adoption verbunden ist, veranlaßt uns, zunächst den rechtlichen Rahmen für den Schutz des Kindes und insbesondere den Schutz, den die Familie und die öffentlichen Behörden dem Kind schulden, zu präzisieren und in einem zweiten Abschnitt die Leitprinzipien der internationalen Adoption aufzuzeigen. Schließlich sollte diese Problematik in den Gemeinschaftskontext gestellt werden, wobei die Perspektiven zur Verabschiedung gemeinsamer Maßnahmen durch Initiativen auf der Grundlage von Titel VI des Unionsvertrags aufgezeigt werden sollen.

A) Zum rechtlichen Rahmen für den Schutz des Kindes

Das Europäische Parlament muß in dem Bestreben, daß die Kinder, die international außerhalb ihres Heimatlandes leben, die besondere Aufmerksamkeit erhalten, die ihre besonders heikle Situation gebietet, dazu beitragen, daß die internationale Adoption in ihrer ganzen rechtlichen Tragweite gesehen wird.

Jedes Kind, das Bürger der Europäischen Union ist, muß in den Genuß aller Rechte kommen, die im Vertrag über die Europäische Union im Einklang mit den in den nationalen Gesetzen und den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts festgelegten Modalitäten verankert sind.

Jedes unterhaltspflichtige Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates muß unabhängig von seiner Herkunft in den Genuß sämtlicher Vorteile kommen, die die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften seiner Familie gewähren.

Kinder aus Drittländern, deren Eltern sich legal in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, müssen in den Genuß der gleichen Rechte kommen wie die Kinder, die europäische Bürger sind, und Gleichbehandlung mit den Inländern des Staates der Union, in dem sie ansässig sind, genießen.

Kein Kind darf auf dem Gebiet der Union aus Gründen der Staatsangehörigkeit, der Abstammung, der Volkszugehörigkeit, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der sozialen Herkunft, der Religion, des Gesundheitszustandes oder wegen einer dieser Erwägungen seine Eltern betreffend diskriminiert werden.

Angesichts der besorgniserregenden Fehlentwicklung, ein Kind zu jedem und gleich welchem Preis zu wollen, muß die internationale Gemeinschaft und die Europäische Union im besonderen eine wirksame Antwort finden, um die Adoption von ausländischen Kindern auf eine solche moralische Grundlage zu stellen.

Die nach vierzehnjährigen Verhandlungen am 29. Mai 1993 erfolgte Verabschiedung des Haager Übereinkommens zum Schutz der Kinder und zur Zusmamenarbeit im Bereich der internationalen Adoption ist ein wichtiger Beitrag. Dieses Rechtsinstrument, dessen Ratifizierung im Gange ist - in der Europäischen Union hat nur Spanien es bereits ratifiziert - ergänzt, ohne sie abzulösen, die bilateralen Rechtsinstrumente in den Mitgliedstaaten der Union, wobei gemäß dem Vertrag in dieser Materie selbstverständlich das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung kommt.

Das Haager Übereinkommen stellt für den Bereich der Adoption ein ehrgeiziges multilaterales Rechtsinstrument dar, das einen verstärkten Schutz der Kinder gewährleistet. Gegenwärtig geht es darum, seine Wirksamkeit zu sichern, indem insbesondere die möglichst umfassende Ratifizierung vorangetrieben wird, um möglichst viele Kinder des Planeten zu schützen. Diese universelle Dimension des Rechtsinstruments kann in der Tat eine Antwort auf die weltweite Dimension der Adoption darstellen, wodurch die regionalen Instrumente, die für geographisch und kulturell nahe beieinander liegende Länder konzipiert worden waren (das Europäische Übereinkommen vom 24. April 1967 oder die Interamerikanische Übereinkunft von La Paz vom 29. Mai 1984) obsolet geworden sind.

Der Anwendungsbereich des Haager Übereinkommens ist sehr umfassend. Gemäß Artikel 2 kommt es verbindlich zur Anwendung, sobald eine Adoption damit verbunden ist, daß ein Kind unter 18 Jahren zwischen zwei Vertragsstaaten den Ort wechselt. Sämtliche Formen der Adoption werden insoweit erfaßt, als sie ein Eltern-Kind-Verhältnis begründen, so daß die "Leafala" des islamischen Rechts ausgeschlossen ist.

Das Haager Übereinkommen hat ohne den Anspruch auf Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts zur Adoption in erster Linie zum Ziel, die einschlägige Zusammenarbeit zu fördern, so daß es in erster Linie ein Kooperationsabkommen darstellt. Dieses pragmatische Übereinkomen gibt denn auch der Zusammenarbeit zwisvchen den Staaten bei der Harmonisierung der Verfahren und der Lösungen für Gesetzeskonflikte den Vorzug. Das Übereinkommen befaßt sich nicht direkt mit Adoptionsbeschluß, sondern konzentriert sich auf die der Adoption vor- und nachgeschalteten Phasen.

Denn es ist der Kinderhandel und eine unklare rechtliche Situation, die langfristig den höheren Belangen des Kindes ernsthaft schaden. Deshalb erscheint es notwendig, daß der Akzent tatsächlich auf die Phase gelegt wird, wo die Gefahr des Kinderhandels am größten ist, d.h. auf die rechtliche Situation des verlassenen Kindes, das Verfahren, das zur Einweisung des Kindes in ein Heim oder zur Unterbringung bei seinen künftigen Adoptiveltern führt sowie die internationale Tragweite des Adoptionsbeschlusses, dies alles mit dem Ziel, die Rechtssicherheit und eine bestimmte Kohärenz in bezug auf den Status des Adoptierten zu gewährleisten.

B) Die Leitprinzipien der internationalen Adoption

Vier Leitprinzipien bilden die Philosophie jeder internationalen Adoption. Diese Grundsätze gehen zurück auf die UN-Konvention vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes.

Das höhere Interesse des Kindes muß internationale verankert werden, und mit dem wiederholten Hinweis auf die Formel soll mit Nachdruck verdeutlicht werden, daß zunächst und in erster Linie die Belange des Kindes ermittelt und zufriedengestellt werden müssen. Es geht darum, dem Kind zu einer Familie und nicht, der Familie zu einem Kind zu verhelfen.

Das Subsidiaritätsprinzip wird erstmalig in Artikel 21 b der UNO-Konvention bekräftigt. Wir finden es wieder im Unionsvertrag. Die internationale Adoption kann nur in Ermangelung einer nationalen Lösung in Betracht gezogen werden, d.h. wenn im Herkunftsland des Kindes eine Unterbringung in einer Familie, das heißt eine "geeignete Familie", nicht gefunden werden kann.

Im Haager Übereinkommen wird dieser Grundsatz feierlich verankert, und die Verantwortung für die Kontrolle hierüber wird ausschließlich den Behörden des Herkunftsstaates übertragen. Diese sind in der Tat am besten in der Lage, diese Verantwortung wahrzunehmen.

Die obligatorische Inanspruchnahme von genehmigten Vermittlungsstellen bildet eine internationale Garantie der Adoption. Die ganze Konzeption der internationalen Adoption muß darauf abzielen, die Personen, die ein ausländisches Kind adoptieren möchten, zu verpflichten, genehmigte und klar identifizierte Vermittler einzuschalten. Eine Adoption auf individueller Basis wird eindeutig abge-

lehnt. Gemäß Artikel 14 des Haager Übereinkommens müssen sich Adoptionswillige "an die zentrale Behörde des Staates wenden, in dem sie ihren ständigen Wohnsitz haben".

Es handelt sich hierbei um eine wichtige Option, auf die hingewiesen werden sollte. Diese von den Verfassern des Haager Übereinkommens beschlossene Orientierung muß gebilligt werden, da sie tatsächlich eine der notwendigen Voraussetzungen für die Regelung der internationalen Adoption darstellt.

Die gleiche Blickrichtung war ausschlaggebend für das Verbot von direkten Kontakten zwischen den Adoptionswilligen, dem Kind und seiner biologischen Familie oder deren Vertreter, solange die erforderlichen Genehmigungen nicht erteilt worden sind.

C) Die Adoption im Kontext der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und innere Angelegenheiten

Zunächst sei festgestellt, daß die Adoption als solche eine Materie ist, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Allerdings weichen die nationalen Rechtsvorschriften der einzelnen Staaten zuweilen manchmal voneinander ab, was Probleme verursachen kann. Andererseits kann der freie Personenverkehr für Kinder auf diese Weise beeinträchtigt werden; ferner haben wir auf die Bedeutung des Problems des Kinderhandels im Rahmen der Adoption hingewiesen, wobei alle diese Elemente im übrigen keineswegs erschöpfend sind.

In den letzten Jahren hat sich ein Problembewußtsein herausgebildet, so daß die Notwendigkeit einer europäischen und internationalen Zusammenarbeit insbesondere in bezug auf die zivil- und strafrechtlichen Aspekte betont wurde. Die jüngsten Arbeiten des Rates im Rahmen von Titel VI des Vertrages über die Europäische Union verdeutlichen dies.

So wurde auf dem Rat der Justiz- und Innenminister vom 25. und 26. September 1995 beschlossen, die Frage des Sorgerechts in den Anwendungsbereich des Übereinkommens über die richterliche Zuständigkeit und die Durchführung der Beschlüsse im Eherecht[1] einzubeziehen. In der gleichen Sitzung nahm der Rat Schlußfolgerungen zum Thema Terrorismus und sonstigen Formen der Schwerkriminalität an, wobei er sich für eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit im Bereich des Informationsaustauschs und eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften aussprach, um die Verwirklichung dieses Zieles zu erleichtern.

In den Schlußfolgerungen des spanischen Vorsitzes (Madrid 15. und 16. Dezember 1995) äußerte der Europäische Rat den Wunsch, daß sich die Arbeiten im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit insbesondere auf die Amtshilfe im Strafrecht sowie auf die Ausweitung des Brüsseler Übereinkommens und die Weiterleitung von Zivilrechtsakten konzentrieren sollten.

Am 27. September 1996 erklärte die Präsidentschaft des Rates "Telekommunikation", es müßten konkrete Maßnahmen zum Schutz der Minderjährigen vor einer widerrechtlichen Verwendung von Internet getroffen werden.

All diese Initiativen zeigen, daß ein Bewußtsein für die Notwendigkeit von Maßnahmen auf europäischer Ebene besteht, die einerseits auf die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität gegenüber Minderjährigen gerichtet sind und andererseits die justitielle Zusammenarbeit (in Strafund Zivilangelegenheiten) stärken. Im Bereich der internationalen Adoption geht es in erster Linie darum, die Entführung von Kindern, den Verkauf von Kindern bzw. den Kinderhandel zu verhüten und zu bekämpfen. Darüber hinaus ist aber auch sicherzustellen, daß bei den Adoptionen in der Praxis das höherstehende Interesse des Kindes sowie dessen Grundrechte beachtet werden. Diesbezüglich sieht der Unionsvertrag die folgenden Bereiche als "Fragen von gemeinsamem Interesse" vor:

- die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen;

- die justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen;

- die polizeiliche Zusammenarbeit zur Verhütung und Bekämpfung bestimmter Formen der internationalen Kriminalität

(siehe Artikel K 1 Absätze 6, 7 und 9). Zu diesem Zweck sieht der Vertrag insbesondere vor die Verabschiedung "gemeinsamer Maßnahmen ..., soweit sich die Ziele der Union wegen des Umfangs oder der Wirkungen der geplanten Maßnahme durch gemeinsames Vorgehen besser verwirklichen lassen als durch Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten" (Artikel K 3 Absatz 2, Unterabsatz b)). Wir werden im folgenden diese beiden Bereiche untersuchen.

1. Justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen

Obwohl die vorliegenden Daten nur auf Schätzungen beruhen, gibt es bestimmte rechtswidrige Formen der Adoption. Dann trägt sie ähnliche Züge wie ein Kinderhandel, der mit größter Entschlossenheit bekämpft werden muß. Deshalb wäre eine Strategie der Union im strafrechtlichen Bereich erforderlich, um diese für das Kind schädlichen internationalen Praktiken auszumerzen.

Dies gilt umso mehr, als die Definition der Straftaten möglicherweise von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden ausfällt. Wenn Verbrechensnetze außerhalb der Union angesiedelt sind, kann es auch vorkommen, daß der Täter außerhalb der Reichweite der richterlichen Gewalt des Staates ist, in dem das Verbrechen stattgefunden hat. Da das Strafrecht nur innerhalb der nationalen Grenzen zur Anwendung kommen kann und deshalb die kriminellen Aktivitäten im Zusammenhang mit Entführung und Kinderhandel möglicherweise unbestraft bleiben, ist es unabdingbar, daß einerseits die Mitgliedstaaten diese Art von Verbrechen nach ihrem Strafrecht gleicherweise bestrafen und andererseits die Zusammenarbeit in Strafsachen und in Polizeiangelegenheiten zwischen den Mitgliedstaaten der Union verstärkt und mit den Drittstaaten, aus denen die meisten der international adoptierten Kinder stammen, in die Wege geleitet wird.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß auf der Tagung am 26. und 27. September des Jahres in Dublin die Justiz- und Innenminister eine politische Vereinbarung getroffen haben, durch die die polizeiliche Zusammenarbeit im Rahmen von EUROPOL gegen Pädophilie und Kinder- und Frauenhandel intensiviert werden soll.

Jetzt kommt es darauf an, daß der Rat die bereits eingeleiteten Arbeiten zu Ende führt und insbesondere:

- unverzüglich eine gemeinsame Maßnahme auf der Grundlage von Artikel K 3 Absatz 2 Unterabsatz b) des VEU verabschiedet, um in aller Schärfe den Kinderhandel zu bekämpfen, nicht nur, wenn er mit den schlimmsten Fällen des sexuellen Mißbrauchs verknüpft ist, sondern auch, wenn er auf die Adoption eines Kindes in einem anderen Land ausgerichtet ist. Der Kinderhandel müßte auch als ein "Verbrechen" eingestuft werden, das nach den Strafrechtsbestimmungen sämtlicher Mitgliedstaaten strafbar ist. Jeder Mitgliedstaat müßte darüber hinaus die (strafrechtliche oder zivilrechtliche) Verantwort-

lichkeit der beteiligten juristischen Personen (unbeschadet der Verantwortlichkeit der ebenfalls beteiligten natürlichen Personen) vorsehen sowie die gegen sie gerichtete Anwendung der Richtlinie 91/305 vom 10. Juni 1991 zur Geldwäsche. Ferner müßte jeder Mitgliedstaat dafür Sorge tragen, daß auf nationaler und/oder regionaler Ebene eine spezifische Verwaltungsstruktur geschaffen wird, die zuständig ist für die Bekämpfung des Kinderhandels, und eng zusammenarbeitet mit den zuständigen nationalen Polizei- und Einwanderungsbehörden sowie den Sozialversicherungsträgern, sowie mit den vergleich-

baren Strukturen in den anderen Mitgliedstaaten. Letztere müssen die Stellen der übrigen Mitgliedstaaten über die ihnen zur Kenntnis gebrachten Fälle von vermißten Kindern informieren;

- unverzüglich eine "gemeinsame Maßnahme" auf der Grundlage von Artikel K 3 Absatz 2 Unterabsatz b) verabschiedet, die ein Programm zur Entwicklung koordinierter Initiativen zur Bekämpfung des Kinderhandels und für die Fälle von vermißten Minderjähren vorsieht. Nach dem Muster des Grotius-Programms wäre dieses Programm insbesondere ausgerichtet auf die Ausbildung, auf Austauschprogramme und Praktika sowie die Weitergabe von Informationen. Das Programm würde sich wenden an Richter, Staatsanwälte, Polizeidienststellen, Beamte, Dienststellen, die zuständig sind für die Einwanderung und die Grenzkontrollen, für das Sozialrecht und das Steuerrecht, sowie öffentlich-rechtliche oder private Einrichtungen, die für Kinder zuständig sind;

- eine "gemeinsame Maßnahme" auf der Grundlage von Artikel K 3 Absatz 2 Unterabsatz b) verabschiedet, die die Zuständigkeit des Referats "Drogen" von EUROPOL auch für Fälle der Kindesentführung und des Kinderhandels vorsieht.

Das Europäische Parlament müßte zu diesen gemeinsamen Maßnahmen gehört werden, und seine Standpunkte müßten gemäß Artikel K 6 Absatz 3 VEU "gebührend berücksichtigt werden".

Dise gemeinsamen Maßnahmen müssen selbstverständlich einhergehen mit einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit mit den Drittländern, aus denen die Kinder stammen. Hier muß das Europäische Parlament auf der geeigneten politischen Ebene darauf hinwirken, daß die Mitgliedstaaten das bereits zitierte Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 unterzeichnen und ratifizieren.

2. Die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen

Die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen sollte unbeschadet der von den Mitgliedstaaten getroffenen Regelungsmaßnahmen die Ausübung der Persönlichkeitsrechte durch eine bessere Zusammenarbeit im Bereich der Adoption erleichtern. Es könnte sich insbesondere um die Übermittlung und Anerkennung von Gerichtsakten und außergerichtlichen Akten einerseits und um den systematischen Austausch von Informationen zwischen den für Fragen der Familie und der Adoption zuständigen Verwaltungsbehörden andererseits handeln.

Es geht darum, sämtliche Angleichungen der Rechtsvorschriften und Praktiken zu fördern, um nicht gerechtfertigte Hemnisse im Bereich des Zivilrechts, des Zivilverfahrens und der Verwaltungspraktiken zu beseitigen. Allzu häufig stehen diese Hindernisse einem gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Zugang von Personen zu Justiz und Verwaltungsbehörden entgegen.

In diesem Zusammenhang sind die folgenden Initiativen zu unterstützen, die der Rat in den beiden kommenden Jahren zu treffen gedenkt:

- Entwurf eines Übereinkommens zur Übermittlung von Justiz- und justizexternen Akten in Zivil- und Handelssachen;

- Entwurf eines Übereinkommens "Brüssel II" (Eherecht und Sorgerecht);

- Durchführung der gemeinsamen Maßnahme zur Einführung von Verbindungsrichtern und Prüfung der Möglichkeit der Einsetzung eines Netzes von Kontaktrichtern.

Es wäre wünschenswert, daß die Arbeiten im Rat zu einem raschen Abschluß kommen.

Die Bemühungen der Mitgliedstaaten müssen sich auf die folgenden Punkte konzentrieren:

- Transparenz der Adoptionsverfahren;

- Reduzierung der Adoptionsfristen;

- Gleichwertigkeit/Anerkennung der administrativen und richterlichen Beschlüsse;

- die Einrichtung eines Expertenregisters (Netze von Sachverständigen, die einen Ehrenkodex für Adoptionsfragen aufstellen können).

  • [1] Dieses Übereinkommen - das noch nicht verabschiedet ist, zielt darauf ab, das Konzept des Brüsseler Übereinkommens über die richterliche Zuständigkeit und die Durchführung von Beschlüssen auf eherechtliche Fragen auszudehnen.

Anlage I

Entschließungsantrag

eingereicht gemäß Artikel 45 der Geschäftsordnung von den Abgeordneten Colli Comelli und Danesin im Namen der Fraktion Forza Europa zur Verbesserung des Adoptionsgesetzes (B40568/94)

Das Europäische Parlament,

A. mit der Feststellung, daß in einigen Ländern der Europäischen Union der Weg zur Adoption von Minderjährigen aufgrund unüberwindbarer bürokratischer Hindernisse außerordentlich schwierig, ja sogar entmutigend ist,

B. in der Erwägung, daß in der Europäischen Union Hunderttausende von Kindern auf eine Adoption warten und aufgrund dieser Situation ohne die nötige Zuneigung und häufig isoliert in Einrichtungen leben müssen, die nicht immer eine angemessene Lebensqualität garantieren können,

C. in Anbetracht der Tatsache, daß die Lage außerhalb der Europäischen Union wesentlich schlimmer, häufig geradezu dramatisch ist,

1. fordert, daß sich die Europäische Union gezielt dafür einsetzt, daß diesen vielen Kindern Chancengleichheit und ein menschenwürdiges Leben garantiert werden und daß jeder Familie ihr Hauptziel, nämlich die Erziehung von Kindern, ermöglicht wird;

2. fordert die Kommission und den Rat auf, Vorschriften auszuarbeiten, die die bürokratischen Verfahren zur Adoption von Minderjährigen vereinfachen;

3. weist nachdrücklich darauf hin, daß mit größter Vorsicht (sowohl in moralischer als auch in psychologischer Hinsicht) geprüft werden muß, ob nicht das Adoptionsverfahren auf besonders geeignete Alleinstehende ausgedehnt werden kann.

STELLUNGNAHME

(Artikel 147 der Geschäftsordnung)

für den Ausschuß für Recht und Bürgerrechte

zur Verbesserung der Adoptionsgesetzgebung (B4-0568/94)

Ausschuß für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten

Verfasserin der Stellungnahme: Frau Viviane Reding

VERFAHREN

In seiner Sitzung vom 29. September 1995 benannte der Ausschuß für bürgerliche Freiheiten und innere Angelegenheiten Frau Viviane REDING als Verfasserin der Stellungnahme.

In seinen Sitzungen vom 31. Oktober und 11. November 1996 prüfte der Ausschuß den Entwurf einer Stellungnahme.

In der letztgenannten Sitzung nahm er die Schlußfolgerungen einstimmig an.

An der Abstimmung beteiligten sich die Abgeordneten Marinho, Vorsitzender; Colombo Svevo, stellvertretende Vorsitzende; Reding, Verfasserin der Stellungnahme; D'Ancona, Berger (in Vertretung d. Abg. Crawley), Caccavale, Camisón Asensio (in Vertretung d. Abg. D'Andrea), Cederschiöld, Chanterie (in Vertretung d. Abg. Stewart-Clark), De Esteban Martín, Deprez, Elliott, Haarder, Lambrias (in Vertretung d. Abg. Posselt), Lehne, Lööw, Oostalnder (in Vertretung d. Abg. Linzer), Nassauer, Pailler, Pradier, Terrón i Cusí und Zimmermann.

I - EINLEITUNG

Die Adoption diente anfang der Sicherstellung der Übertragung von Vermögen und war ursprünglich keine Form der Annahme an Kindes Statt. Sie war vielmehr ein Vertrag, der geschlossen wurde zwischen dem Adoptierenden und dem Adoptierten, wobei dieser Vertrag nur gegenüber erwachsenen Personen eingegangen werden konnte. Der Begriff der Adoption hat sich glücklicherweise weiterentwickelt, und heutzutage erkennt die Gesellschaft an, daß das Kind zur harmonischen Entfaltung seiner Persönlichkeit im Rahmen einer Familie, in einem Klima von Geborgenheit, Liebe und Verständnis aufwachsen muß. So hat die Adoption heute als wesentliches Ziel, den familienlosen Minderjährigen, eine Familie zu geben zum Wohl des Kindes und in Anerkennung der grundlegenden Rechte, die ihm vom internationalen Recht zuerkannt werden.

II - DIE ADOPTION - EIN GESELLSCHAFTSPROBLEM

Aufgrund ihrer affektiven, psychologischen, moralischen und erzieherischen Inhalte und ihrer Bedeutung für die Öffentlichkeit ist die Adoption eines der gesellschaftlichen Probleme.

Jährlich sind in der Union zwischen 30.000 und 35.000 Volladoptionen zu verzeichnen, was mathematisch gesehen im Vergleich zu den 3,5 Millionen Geburten im selben Zeitraum wenig ins Gewicht fällt und nur ein Verhältnis von 1 zu 100 darstellt. Diesen 35.000 Adoptionen stehen allerdings viermal so viele Adoptionsanträge gegenüber. Diese Situation ist bedingt durch

- die Unterschiedlichkeit der rechtlichen Regelung der Adoption zwischen einzelnen Mitgliedstaaten,

- die rigiden Regelungen sowie die Komplexität der erforderlichen Schritte,

- den Umstand, daß das Kind "seltener" und "kostbarer" geworden ist und das Angebot niedriger als die Nachfrage ist.

Der Rückgang der Zahl der zur Adoption zur Verfügung stehenden Kinder in der Union ist eine Folge der Fortschritte bei Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch, der vermehrten Berufstätigkeit der Frauen, der Rückläufigkeit der Eheschließungen, der Zunahme der Zweitehen, die das Mutterschaftsalter hinauszögern, und des Umstands, daß die Eltern selbst unter den schwierigsten Bedingungen sich nicht von ihren Kindern trennen wollen.

Die beschriebene Situation führt zu einer Zunahme der Adoptionen von außerhalb, die wieder andere Probleme mit sich bringen. Die Adoption von Kindern aus Entwicklungsländern stellt seit einigen Jahren ein weltweites Phänomen dar, das zahlreiche administrative und rechtliche Probleme aufwirft wegen der großen räumlichen Entfernung und den unterschiedlichen Kulturen (im juristischen Sinne) und vor allem wegen der zunehmenden Zahl illegaler Adoptionspraktiken, die häufig mit Kindesentführung und Kinderhandel verbunden sind.

Jährlich sind etwa 25.000 internationale Adoptionen zu verzeichnen. Allerdings darf nicht vergessen werden, daß es über 200 Millionen ausgesetzte oder elternlose Kinder in der Welt gibt, die eine Familie brauchen.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für ganz wesentlich, daß der Schutz des Kindes, seiner Rechte und seiner Belange gestärkt wird, insbesondere im Zusammenhang mit der Adoption und im Rahmen des Binnenmarktes, der die Öffnung der Grenzen mit sich bringt, und angesichts der steigenden Zahl von internationalen Adoptionen, die eine neue Geißel begünstigen: den Handel mit Kindern.

III - ADOPTION: RECHTSINSTRUMENTE

Die Bedeutung der Frage ist von den internationalen Institutionen durchaus nicht unbeachtet geblieben. So spricht das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 19. November 1989 Probleme an wie die Adoption und den Kinderhandel, und zwar in seinen Artikeln 20, 34 und 35. Der Europarat hat am 24. April 1967 das Europäische Übereinkommen Nr. 58 über die Kinderadoption angenommen. Die Organisation amerikanischer Staaten hat 1984 das Übereinkommen über die rechtlichen Konflikte bei der Adoption von Minderjährigen verabschiedet. Das Übereinkommen über den Schutz der Kinder und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, das am 29. Mai 1993 auf der 17. Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht angenommen wurde, ist allerdings mit Sicherheit das vollständigste juristische Instrument auf diesem Gebiet. Der Text von Den Haag geht von dem übergeordneten Grundsatz aus, daß es dem Wohl des Kindes entspricht, in seiner leiblichen Familie oder zumindest im Ursprungsland zu verbleiben. Er räumt allerdings ein, daß im Notfall die Internationale Adoption den Vorteil bieten kann, dem Kind eine beständige Familie zu geben. Daher ist sein wesentliches Ziel, eine solche Adoption möglich zu machen durch die Einrichtung eines Kooperationssystem zwischen den Unterzeichnerstaaten. Das Übereinkommen sieht im wesentlichen vor, daß die Unterzeichnerstaaten jeweils eine zentrale Behörde benennen, die damit betraut wird, je nach Fall die zu adoptierenden Kinder oder die Adoptiveltern auszuwählen und mit den entsprechenden Behörden im anderen Land zusammenzuarbeiten, um das Adoptionsverfahren durchzuführen. Dieses System beruht auf einer Reihe gemeinsamer Prinzipien wie beispielsweise das Wohl des Kindes, die freie Einwilligung und das Ausschließen jeglicher Art von Gegenleistung der betroffenen Personen und das Verbot ungerechtfertigter Profile bei der Adoption.

Auf Gemeinschaftsebene wurde die Problematik der Adoption vom Europäischen Parlament wiederholt aufgegriffen in verschiedenen Entschließungsanträgen und parlamentarischen Anfragen und durch den Wirtschafts- und Sozialausschuß, der am 1. Juli 1992 dazu eine Stellungnahme abgegeben hat. Von der Kommission und vom Rat wurden keinerlei Schritte unternommen, da diese Institutionen sich für dieses Thema nicht für zuständig betrachten. Der Vertrag über die Europäische Union sieht in der Tat keine ausdrückliche Zuständigkeit im Bereich der Kindesadoption vor. Allerdings drängt sich eine Aktion auf Unionsebene in diesem Bereich auf, namentlich was den Kampf gegen den Kinderhandel angeht. Gemäß Artikel 220 des EG-Vertrags sowie im Geiste von Titel VI des EU-Vertrags, der auf die Schaffung eines europäischen Rechtsraums abzielt, wäre eine Annäherung der Rechtsvorschriften der 15 Mitgliedstaaten über die Adoption wünschenswert, insbesondere eine Angleichung der bestehenden Verfahren, sowie die Festlegung einer präventiven Strategie im Bereich des Kampfs gegen das organisierte internationale Verbrechen, das den Kinderhandel zwecks Adoption in der Hand hat. Vor diesem Hintergrund könnte eine Aktion der Union auf dem Gebiet der Adoption sich auf Artikel F stützen, der die Einhaltung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte von 1950 festschreibt (und folglich aller Übereinkommen, die auf diese gründend verabschiedet wurden und werden, namentlich die über die Kindesadoption von 1967), sowie auf Artikel K.1 Absatz 6 über die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Der Rat könnte somit eine gemeinsame Aktion beschließen auf der Grundlage von Artikel K.3, die auf die Annäherung der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften abzielt. Es besteht also ein Verhältnis der Komplementarität zwischen den Bestimmungen des ersten Pfeilers und denen des dritten Pfeilers.

Ferner wird die Regierungskonferenz von 1996 die Möglichkeit zu prüfen haben, Bestimmungen betreffend die Rechte des Kindes und der Familie in einen künftigen überarbeiteten Vertrag aufzunehmen.

IV - ADOPTION: VERBESSERUNG DER VERFAHREN

Es bestehen nicht gerade sehr große Unterschiede zwischen den Verfahren der verschiedenen Mitgliedstaaten, die zur Adoption führen. Einige wesentliche Unterschiede gibt es allerdings doch, und es wäre wünschenswert, eine Annäherung der Verfahren zu erreichen, die sie einfacher, sicherer und gerechter macht.

In erster Linie muß das Wohl des Kindes bei allen Rechtsvorschriften, Verfahren und Mitteln im Zusammenhang mit der Adoption die Grundlage bilden.

Es ist festzustellen, daß beim Adoptionsverfahren mehrere Instanzen betroffen sind: gerichtliche Instanzen, regionale oder auch lokale Behörden, spezialisierte Agenturen. Es wäre, wie dies im übrigen die Konvention von Den Haag in ihrem Artikel 6 vorsieht, wünschenswert, daß jeder Mitgliedstaat einen nationalen Organismus für die Koordinierung der Adoption (NOKA) einsetzt, bei dem die Unterlagen der auf dem Staatsgebiet wohnhaften zur Adoption zugelassenen Kinder zentral erfaßt werden wie auch die Adoptionen von im Ausland geborenen Kindern, bei dem die Genehmigungsanträge registriert werden und der das Vorgehen der verschiedenen betroffenen Dienststellen koordiniert.

Nur die zuständigen öffentlichen Behörden, insbesondere der NOKA und die spezialisierten privaten Organismen mit entsprechender staatlicher Zulassung, können im Adoptionsverfahren tätig werden. Mit Blick auf die Verbesserung der Verfahren zur Adoption und im Rahmen der im einheitlichen Binnenmarkt bestehenden Freizügigkeit ist es wünschenswert, daß die Mitgliedstaaten der oben-

genannten Konvention von Den Haag beitreten, was ein erster Schritt zur Konzertierung zwischen den Mitgliedstaaten der Union in dieser Angelegenheit wäre. In Anbetracht der Tatsache, daß diese Staaten im wesentlichen "Einfuhrstaaten" von zu adoptierenden Kindern sind, ist es von grundlegender Bedeutung, daß die Staaten Asiens und Lateinamerikas sich auch dieser Konvention anschließen, die im übrigen die Anerkennung der nach ihren Bestimmungen vorgenommenen Adoptionen in den Unterzeichnerstaaten gewährleistet.

V - WELTWEITER HANDEL MIT KINDERN ZU ADOPTIONSZWECKEN

Der illegale Handel mit Kindern zu Adoptionszwecken ist keine neue Erscheinung. Er geht zurück bis in die 50er Jahre, wenn er auch damals nur in kleinerem Umfang bestand.

Heute ist dieser Handel weltumspannend und umfaßt insbesondere eine Reihe Länder Asiens, Lateinamerikas und Osteuropas einerseits und die Länder Nordamerikas und Westeuropas andererseits.

Es bestehen mehrere Methoden des Kinderhandels: der Verkauf, die Einwilligung aufgrund von Betrug oder Zwang und die Entführung von Kindern. Diese Methoden können in Kombination auftreten (beispielsweise kann Druck auf die Eltern ausgeübt werden, damit sie ihr Kind verkaufen); außerdem kann es in bestimmten Fällen schwierig sein zu sagen, ob ein Kind entführt wurde oder ob die leiblichen Eltern ihre Einwilligung gegeben haben.

Hinsichtlich der Organisation des Handels ist es oft so, daß die Kinderhändler weitreichenden Netzen angehören. In manchen Ländern arbeiten Juristen und Notare, Sozialarbeiter (bisweilen sogar die von den Gerichten benannten) Krankenhäuser, Ärzte, Kinderheime - die in einigen Fällen zu echten "Baby Farms" geworden sind - und sonstige Personen zusammen, um Kinder für den Handel zur Verfügung zu stellen und nutzen dabei die verzweifelte Lage von Eltern, insbesondere von Frauen, die sich in einer Situation des Elends befinden, aus.

Damit der Handel gelingen kann, muß das Kind das Ursprungsland auf legale oder mindestens scheinbar legale Weise verlassen.

Es gibt mehrere Arten, wie die wahre Situation eines Kindes verheimlicht werden kann, z.B.

- die als "Eltern" ausgegebenen Kunden können erklären, daß ein Kind ihr Kind ist, und können eine falsche Geburtsurkunde ausstellen lassen, in der ihre "Elternschaft" bescheinigt wird;

- eine falsche Mutter kann ein Kind als ihres erkennen und unmittelbar eine Erklärung abgeben, daß sie das Kind aufgibt, was den Weg für eine Adoption durch Kunden im Ausland freimacht;

- der als "Vater" ausgegebene Kunde erkennt das Kind als seins an, und das Kind wird später von der Adoptivmutter adoptiert.

Da bei den internationalen Adoptionen oft finanzielle Interessen im Spiel sind, müssen die Agenturen, die diese Adoptionen organisieren, einer Überwachung unterstehen. Um eventuellen mißbräuchlichen Praktiken vorzubeugen, müßten die in den einschlägigen internationalen Konventionen, insbesondere in der Haager Konvention festgelegten Garantien eingehalten werden. Die Zuordnung der Adoptivfamilien sollte von den Behörden oder den zuständigen zugelassenen Organismen und unter Wahrung von Garantien, die den bei den nationalen Adoptionen geltenden Garantien entsprechen, vorgenommen werden.

Schließlich liegt auf der Hand, daß in Anbetracht des Fehlens eines Systems zur Unterbindung dieses Handels auf internationaler Ebene die Union mit operationellen Instrumenten ausgestattet sein sollte, damit diese Lücke geschlossen werden kann. Es könnte daher ins Auge gefaßt werden (beispielsweise im Rahmen einer gemeinamen Aktion), die Aufgaben von Europol auch auf die Bekämpfung des Kinderhandels auszuweiten, und zwar im Rahmen der Zuständigkeit von Europol auf dem Gebiet des Menschenhandels.

VI - SCHLUSSFOLGERUNGEN

Der Ausschuß für bürgerliche Freiheiten und innere Angelegenheiten ersucht den Ausschuß für Recht und Bürgerrechte, der federführend befaßt ist, folgende Schlußfolgerungen in seinen Bericht einzubeziehen:

1. Das Wohl des Kindes muß immer Grundlage der Rechtsvorschriften, Verfahren und Mittel im Zusammenhang mit der Adoption sein. Die Adoption ist das Mittel, denen, die keine Familie haben, eine Familie zu geben.

2. Die Mitgliedstaaten sollten unverzüglich die Konvention zum Schutz der Kinder und über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, die am 29. Mai 1993 von der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht verabschiedet wurde, ratifizieren.

3. Die Kommission und der Rat sollten bei den Drittländern, aus denen die in den Ländern der Union adoptierten Kinder kommen, mit Nachdruck darauf hinwirken, daß sie die Haager Konvention so rasch wie möglich ratifizieren.

4. Die Regierungskonferenz von 1996 muß die Möglichkeit prüfen, in einen künftigen revidierten Vertrag Bestimmungen über die Rechte des Kindes und der Familie aufzunehmen.

5. Um dem internationalen Kinderhandel vorzubeugen, sollten die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften verfügen,

- daß jede juristische Person, sei sie öffentlichen oder privaten Rechts, die Kinder zur Adoption vermittelt, von der nationalen Vormundschaftsbehörde die Zulassung hierfür beantragen muß. Adoptionen außerhalb des offiziellen Weges dürfen nicht mehr zugelassen werden.

- daß für adoptierende Eltern die Staatsangehörigkeit eines Landes der Union die im Land des ständigen Wohnsitzes geltenden Gesetze angewandt werden. Die Adoption wird dann von den übrigen Mitgliedstaaten anerkannt.

- daß vor jeder Volladoption der offizielle Beweis für die legale Freigabe zur Adoption des zu adoptierenden Kindes vorgelegt werden muß.

- daß Rechtsvorschriften eingeführt werden, die es ermöglichen, die eigenen Bürger, die Handel zu Adoptionszwecken - auch im Ausland - betreiben, direkt gerichtlich zu verfolgen.

6. Der Rat und die Kommission sollten die Möglichkeit prüfen, einen gemeinschaftlichen Verhaltenskodex für die Adoption aufzustellen, um so eine bessere Koordinierung der verschiedenen die Adoption betreffenden Rechtsvorschriften zu ermöglichen.

7. Die Einschleusung von Kindern muß bekämpft werden auf der Grundlage eines einheitlichen Ansatzes in der Union; das Informationssystem im Rahmen des Schengener Abkommens könnte in diesem Fall zur Anwendung gelangen.

8. Die Union muß die Möglichkeit ins Auge fassen, die Aufgaben von Europol auch auf die kriminellen Verbindungen auszuweiten, die den Kinderhandel zu Adoptionszwecken in der Hand haben, und zwar im Rahmen der Zutändigkeiten von Europol auf dem Gebiet des Menschenhandels.

9. Fordert die Mitgliedstaaten auf, daß die Kinder, die von Unionsbürgern adoptiert werden und von außerhalb der Union kommen, die Möglichkeit haben, die Staatsbürgerschaft dieses Landes zu erwerben.

STELLUNGNAHME

(Artikel 147 der Geschäftsordnung)

für den Ausschuß für Recht und Bürgerrechte zur Verbesserung des Adoptionsrechts

zur Verbesserung des Adoptionsrechts

Ausschuß für Kultur, Jugend, Bildung und Medien

Verfasserin: Frau Luisa Todini

VERFAHREN

In seiner Sitzung vom 5. September 1995 benannte der Ausschuß für Kultur, Jugend, Bildung und Medien Frau Luisa Todini als Verfasserin der Stellungnahme.

Der Ausschuß prüfte den Entwurf einer Stellungnahme in seinen Sitzungen vom 24. Oktober und 24. November 1995.

In der letztgenannten Sitzung nahm er die darin enthaltenen Schlußfolgerungen einstimmig an.

An der Abstimmung beteiligten sich: die Abgeordneten Dillen, amtierender Vorsitzender; Ahlquist, Aparicio Sanchez, Arroni, Azzolini (in Vertretung d. Abg. Todini), Barzanti (in Vertretung d. Abg. Augias), Berend (in Vertretung d. Abg. Banotti), de Coene, Holm (in Vertretung d. Abg. Ripa di Meana), Leperre-Verrier, Mouskouri, Pack, Ryynanen und Seillier.

VORBEMERKUNG

Die Adoption von Minderjährigen wirft in allen Mitgliedstaaten eine Reihe von rechtlichen, administrativen, ethischen und kulturellen Fragen auf.

Unsere nationalen Gesellschaften gründen sich auf ethische und kulturelle Werte und Prinzipien, die vor allem im Bereich der Familie voneinander abweichen. Dennoch gibt es Aspekte, die alle Mitgliedstaaten der Union betreffen und Gegenstand von Erfahrungs- und Informationsaustausch sowie Seminaren und Konferenzen waren, die von der Kommission anläßlich des Europäischen Jahres der Familie durchgeführt wurden.

Zur Lösung von Problemen auf der Ebene des internationalen Privatrechts wurde 1965 in Den Haag ein Übereinkommen über die Adoption von Kindern unterzeichnet: dieser Vertrag ist von allen Mitgliedstaaten der Union mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs ratifiziert worden.

Die Anwendung des Haager Übereinkommens und der Rechtsvorschriften über die Rechte des Kindes - und damit der Adoption - fallen im wesentlichen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

Dennoch hat sich vielfach das Problem einer juristischen Intervention der Gemeinschaft gestellt; dieser Aspekt sollte vom Europäischen Parlament aufmerksam geprüft werden.

Zunächst einmal muß hervorgehoben werden, daß sich in vielen Mitgliedstaaten die nationalen Rechtsvorschriften fortentwickelt haben von dem Prinzip

"die Adoption von Minderjährigen durch Familien ohne Kinder muß erleichtert werden"

hin zu dem Prinzip

"die Adoption von Minderjährigen muß erleichtert werden, um Kindern ohne Familie eine Familie zu geben".

Diese Entwicklung hat unter anderem ermöglicht, bei der Festlegung der Adoptionsvoraussetzungen, die geknüpft sind an das Alter, die wirtschaftliche und soziale Situation und das Milieu der Adoptionseltern, den Rechten und dem Wohl des Kindes Vorrang einzuräumen.

In mehreren Mitgliedstaaten trägt das Adoptionsrecht - das den Interessen des Kindes Vorrang einräumt - auch der Existenz von Eltern, Familien und unverheirateten Paaren Rechnung.

Die Verbesserung des Adoptionsrechts wirft unterschiedliche Fragestellungen auf, je nachdem, ob es sich um minderjährige Staatsangehörige eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats handelt bzw. um Staatsangehörige eines Entwicklungslandes.

Für Tausende von Waisen oder Kindern ohne Familie aus der Dritten Welt besteht die einzige Chance, ihrer Verlassenheit zu entkommen, darin, von einer Familie in einem Industrieland aufgenommen zu werden.

In vielen unserer Länder gewinnt die Adoption in Form von "Patenschaften" immer mehr Bedeutung, da diese die Möglichkeit bieten, die schlimmsten Probleme der Kinder in den armen Ländern zu bewältigen, ohne sie ihrem sozialen und kulturellen Herkunftsmilieu zu entreißen.

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Entwicklungsländern sowie eine entsprechende "Nachfrage" der Industrieländer führen manchmal zur Entstehung von Märkten für den "Export" von Kindern aus den armen in die reichen Länder, wie jüngst in Paraguay aufgedeckt.

Der Schutz der Rechte von Minderjährigen bei einer Adoption muß außerdem die Verantwortung der Eltern, die Rolle des Staates und der Gesellschaft insgesamt sowie Maßnahmen zur Verhütung von Verbrechen an und des Mißbrauchs von Minderjährigen - einschließlich der sexuellen Ausbeutung - umfassen.

Damit dieser Schutz auch wirksam ist, darf er nicht nur Gesundheit und Sicherheit betreffen, sondern muß sich auch auf die Bildung und Ausbildung der betroffenen Minderjährigen und Volljährigen erstrecken.

Menschliche Probleme, die das Verhältnis von Adoptionsfamilien gegenüber den leiblichen Familien betreffen, sollten vom Adoptionsrecht ebenfalls berücksichtigt werden. Schließlich gilt es, über das Verhältnis zwischen der kulturellen Prägung der adoptierten Kinder und dem entsprechenden Umfeld der Aufnahmefamilie nachzudenken.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Auf der Grundlage dieser Überlegungen ersucht der Ausschuß für Kultur, Jugend, Bildung und Medien den Ausschuß für Recht und Bürgerrechte, folgende Schlußfolgerungen in seinen Bericht aufzunehmen:

A. ist der Auffassung, daß der Erfahrungs- und Informationsaustausch auf dem Gebiet der Adoption gefördert werden sollte, auch wenn das Adoptionsrecht hauptsächlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt;

B. hebt hervor, daß es zweckmäßig wäre, wenn dieser auf Initiative der Kommission und des Parlaments eingeleitete Austausch einhergehen würde mit der unionsweiten Konsultation aller Verbände und Organisationen, die sich mit Fragen der Rechte des Kindes und der Adoption von Minderjährigen befassen;

C. ist der Auffassung, daß es diese Konsultation den nationalen und Unionsbehörden erlauben sollte, die Existenz gemeinsamer Prinzipien festzustellen, wie z.B. des Grundsatzes "die Adoption muß erleichtert werden, um Kindern ohne Familie eine Familie zu geben";

D. weist darauf hin, daß eines der fundamentalen Elemente der europäischen Gesellschaft ihr multi-ethnischer und multikultureller Charakter ist und daß dies auf dem Gebiet der Adoption und des Schutzes von Minderjährigen berücksichtigt werden sollte, um das Ideal der gegenseitigen Achtung und Toleranz zu fördern, das für die europäische Denk- und Lebensweise charakteristisch ist, aber leider noch lückenhaft und unvollkommen;

E. ist der Auffassung, daß der Schutz der Familie, insbesondere aber von Minderjährigen, im Zuge der Revison des Maastrichter Vertrags als eine der Aufgaben der Union festgeschrieben werden sollte, um eine ausdrückliche und rechtsverbindliche Anerkennung dieser Rechte auf Unionsebene zu ermöglichen, obgleich die Ausarbeitung der diesbezüglichen praktischen Durchführungsbestimmungen unter das Subsidiaritätsprinzip fällt;

F. fordert den Rat auf, die Möglichkeit zu prüfen, in den Vertrag über die Europäische Union einen Artikel aufzunehmen, der den Minderjährigen gewidmet ist, und eine europäische Beobachtungsstelle für Kinder einzurichten, um für eine bessere Koordination der spezifischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich zu sorgen;

G. fordert Rat und Kommission auf, sorgfältig zu prüfen, ob eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine bessere Koordinierung ihrer Adoptionsgesetzgebung gerichtet werden sollte;

H. ist der Auffassung, daß der Schutz von Minderjährigen vor Verbrechen und Mißbrauch in den nationalen Rechtsvorschriften verstärkt werden sollte und der Rückgriff auf die Instrumente des dritten Pfeilers des Vertrags über die Europäische Union auch zur Bekämpfung von Formen der organisierten Kriminalität gegen Minderjährige vorgesehen werden sollte.