BERICHT über die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Entwurf zum Bericht über die soziale Eingliederung
(KOM(2001) 565 – C5‑0109/2002 – 2002/2051(COS))
30. April 2002
Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
Berichterstatterin: Ilda Figueiredo
GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2001 übermittelte die Kommission dem Europäischen Parlament ihre Mitteilung an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Entwurf zum Bericht über die soziale Eingliederung (KOM(2001) 565 – 2002/2051(COS)).
In der Sitzung vom 11. März 2002 gab der Präsident des Europäischen Parlaments bekannt, dass er diese Mitteilung an den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten als federführenden Ausschuss sowie an den Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport und den Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit als mitberatende Ausschüsse überwiesen hat (C5‑0109/2002).
Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten hatte in seiner Sitzung vom 23. Oktober 2001 Ilda Figueiredo als Berichterstatterin benannt.
Der Ausschuss prüfte die Mitteilung der Kommission und den Berichtsentwurf in seinen Sitzungen vom 3. Dezember 2001, 21.–22. Januar, 18. Februar und 22.–23. April 2002.
In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuss den Entschließungsantrag mit 20 Stimmen bei 13 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen an.
Bei der Abstimmung waren anwesend: Theodorus J.J. Bouwman, Vorsitzender; Marie-Hélène Gillig, Winfried Menrad und Marie-Thérèse Hermange, stellvertretende Vorsitzende; Ilda Figueiredo, Berichterstatterin; Jan Andersson, Elspeth Attwooll, María Antonia Avilés Perea (in Vertretung von Raffaele Lombardo), Regina Bastos, Philip Bushill-Matthews, Alejandro Cercas, Luigi Cocilovo, Jillian Evans, Carlo Fatuzzo, Anne-Karin Glase, Richard Howitt (in Vertretung von Elisa Maria Damião), Stephen Hughes, Anne Elisabet Jensen (in Vertretung von Marco Formentini), Karin Jöns, Sylvia-Yvonne Kaufmann (in Vertretung von Sylviane H. Ainardi gemäß Artikel 153 Absatz 2 der Geschäftsordnung), Dieter-Lebrecht Koch (in Vertretung von Miet Smet), Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Jean Lambert, Elizabeth Lynne, Thomas Mann, Mario Mantovani, Claude Moraes, Manuel Pérez Álvarez, Bartho Pronk, Lennart Sacrédeus, Herman Schmid, Helle Thorning-Schmidt, Ieke van den Burg, Anne E.M. Van Lancker, Barbara Weiler und Sabine Zissener (in Vertretung von Mario Clemente Mastella).
Die Stellungnahmen des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport und des Ausschusses für die Rechte der Frau und Chancengleichheit sind diesem Bericht beigefügt.
Der Bericht wurde am 30. April 2002 eingereicht.
Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen wird im Entwurf der Tagesordnung für die Tagung angegeben, auf der der Bericht geprüft wird.
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Entwurf zum Bericht über die soziale Eingliederung (KOM(2001) 565 – C5‑0109/2002 – 2002/2051(COS))
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission (KOM(2001) 565 – C5‑0109/2002)[1],
– unter Hinweis auf den gemeinsamen Bericht des Rates und der Kommission über die soziale Eingliederung (15223/2001[2]),
– gestützt auf Artikel 47 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport und des Ausschusses für die Rechte der Frau und Chancengleichheit (A5‑0158/2002),
– unter Hinweis auf die anlässlich der Vierten UN-Weltkonferenz über Frauen (Peking 1995) angenommene Aktionsplattform und u.a. die sog. Peking plus Fünf-Empfehlungen, die anlässlich der Sondertagung der UN-Vollversammlung (New York, Juni 2000) angenommen wurden,
A. in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten auf den Europäischen Ratstagungen von Lissabon, Nizza und Stockholm verpflichteten, die nachhältige Entwicklung und hochwertige Arbeitsplätze zu fördern, um das Armutsrisiko und die soziale Ausgrenzung abzubauen sowie den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Europäischen Union zu stärken, indem eine neue offene Koordinierungsmethode für die Zusammenarbeit eingeführt wird, um die Wirkung der Maßnahmen zur sozialen Eingliederung in Bereichen wie sozialer Schutz, Beschäftigung, Ausbildung, Gesundheit, Wohnungswesen und Bildung zu erhöhen,
B. in der Erwägung, dass beim Rat von Nizza gemeinsame Ziele bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung festgelegt wurden, die von den Mitgliedstaaten ab 2001 im Rahmen der zweijährigen nationalen Aktionspläne gegen Armut und soziale Ausgrenzung konkret umgesetzt werden sollen, und dass die Europäische Sozialagenda die Doppelfunktion der Sozialpolitik anerkennt, nämlich als produktiver Faktor und als Schlüsselinstrument, um die Ungleichheiten abzubauen, sowie die Integration und den sozialen Zusammenhalt zu fördern,
C. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten ebenfalls hervorgehoben haben, wie wichtig es ist, die Gleichstellung von Männern und Frauen in alle Maßnahmen, die diesen Zielen dienen, einzubeziehen,
D. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament und der Rat im September 2001 zu einer Vereinbarung über das Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung gelangten, das bereits in Kraft ist und das die jährliche Veranstaltung eines Runden Tisches über soziale Ausgrenzung vorsieht,
E. in der Erwägung, dass die Ausarbeitung des ersten gemeinsamen Berichts über die soziale Eingliederung genau so positiv zu bewerten ist wie die Festlegung einer Gruppe gemeinsamer Indikatoren, das Beharren auf der Notwendigkeit, das statistische Instrumentarium zu erweitern, und die vom Rat an die Kommission ergangene Aufforderung, die Beitrittsländer schrittweise in diesen Prozess einzubinden,
F. in der Erwägung, dass die Stellungnahmen verschiedener Teilnehmer, namentlich der Vertreter von NRO, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Europäischen Gewerkschaftsbundes und der nationalen Parlamente, darauf abzielen, einen positiven Beitrag zu leisten, damit die Schlussfolgerungen die Vorbereitung der zweiten Welle von nationalen Eingliederungsplänen beeinflussen können,
G. in der Erwägung, dass im Rahmen der nationalen Aktionspläne Armut in ihrer elementarsten und direktesten Form, die mit Armut aufgrund von Geldmangel gleichgesetzt werden könnte, häufig die Folge anderer Formen von Benachteiligung oder Instabilität in Bereichen wie Beschäftigung, Bildung und Ausbildung, Kultur und Zugang zu Dienstleistungen ist oder auf Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Alter, körperlicher Verfassung, Nationalität oder Muttersprache zurückzuführen ist, so dass es erforderlich ist, sich mit Armut und sozialer Ausgrenzung unter einem multidimensionalen Gesichtspunkt zu befassen,
H. in der Erwägung, dass die Grenzen für relative wirtschaftliche Armut innerhalb der Union stark variieren,
I. in der Erwägung, dass selbst in den letzten Jahren, in denen die Europäische Union einen durchschnittlichen Anstieg des BIP von 2,5% verzeichnet hat, Armut und soziale Ausgrenzung auf hohem Niveau bestehen blieben, wobei von der Definition einer Einkommensschwelle (60% des medianen nationalen Einkommens) ausgegangen wird, unterhalb deren das Risiko der Verarmung besteht, wobei 18% der EU-Bevölkerung 1997 in Haushalten mit einem Einkommen unterhalb dieses Grenzwertes lebten,
J. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten mit den am besten entwickelten Sozialsystemen und den höchsten Pro-Kopf Sozialausgaben oft am erfolgreichsten dabei sind, grundlegende Bedürfnisse abzudecken und die Anzahl der von Armut bedrohten Personen unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt zu halten,
K. in der Erwägung, dass trotz der komplexen Analyse der Verbindung zwischen öffentlichen Ausgaben und sozialem Schutz auf der einen und dem Armutsrisiko auf der anderen Seite 41% der Bevölkerung der Europäischen Union ohne die Sozialleistungen, insbesondere die Altersrenten, vom Armutsrisiko bedroht würden und dass dieser Anteil immer noch 26% betragen würde, wenn wir die Altersrenten miteinbeziehen, jedoch andere Sozialleistungen nicht als Einkommen anrechnen würden,
L. in der Erwägung, dass die derzeitigen und künftigen demographischen Entwicklungen eine Anpassung der Systeme des Sozialschutzes erfordern, wobei jedoch die Grundprinzipien, auf denen sie basieren, insbesondere das Prinzip der sozialen Solidarität, nicht infrage gestellt werden dürfen,
M. in der Erwägung, dass die Erhöhung der Beteiligungsquote, insbesondere von Frauen und älteren Arbeitnehmern, einen wichtigen Faktor für die Gewährleistung der Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Zukunft darstellt, und dass durch Ausbau der Einrichtungen für Kinderbetreuung und ‑versorgung und Modernisierung der Arbeitsorganisation ein wesentlicher Beitrag zur Verwirklichung dieses Ziels geleistet werden kann,
N. in der Erwägung, dass die strukturellen Veränderungen, die in der Europäischen Union stattfinden, und diejenigen, die erwartet werden - insbesondere die Umwandlung des Arbeitsmarkts, Deregulierung, insbesondere im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, schnelles Wachstum bei neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und demographische Veränderungen sowie zunehmende ethnische Vielfalt aufgrund von Einwanderung und verstärkter Mobilität innerhalb der Europäischen Union –, dazu führen könnten, dass die schwächsten Schichten der Bevölkerung gefährdet werden und dass neue Risiken im Hinblick auf Diskriminierung, soziale Ausgrenzung und das Wiederaufleben von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entstehen; jedoch in der Erwägung, dass strukturelle Veränderungen nicht nur Risiken heraufbeschwören können, sondern in einigen Fällen auch – wenn die richtigen Maßnahmen ergriffen werden – zu neuen Möglichkeiten für eine soziale Integration führen können,
O. in der Erwägung, dass in dem Entwurf zum Bericht anerkannt wird, dass für das Mainstreaming der Frage der Armut und der sozialen Ausgrenzung in andere Politikbereiche als nur den Sozialschutz und die soziale Unterstützung zusätzliche Bemühungen erforderlich sind,
P. in der Erwägung, dass der Aspekt der Gleichberechtigung in den meisten nationalen Aktionsplänen eine untergeordnete Rolle spielt,
Q. in der Erwägung, dass es besonders gefährdete und von der Armut stärker betroffene Gruppen gibt, insbesondere diejenigen, die mit besonderen Schwierigkeiten bei der Teilnahme am wirtschaftlichen und sozialen Leben konfrontiert sind, wie Behinderte und hilfsbedürftige ältere Personen, und dass die nationalen Pläne ein Bündel von Risikofaktoren benennen, die dazu beitragen, die vielschichtige Bedeutung des Problems zu unterstreichen, obwohl seine Intensität von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat ganz unterschiedlich ist und diese Faktoren in manchen Fällen nicht nur Ursachen, sondern auch Folgen sind, wobei es darauf ankommt, den Teufelskreis der dauernden Armut oder der generationenübergreifenden Armut und der sozialen Ausgrenzung aufzubrechen,
R. in der Erwägung, dass die Wirtschaftspolitik sowie die Geld- und Kreditpolitik (Wettbewerbspolitik, Agrar- und Fischereipolitik, die Kriterien des Stabilitätspaktes usw.) zusammen mit der Sozialpolitik ein kohärentes Dreieck bilden müssen, wobei jede Politik unter Berücksichtigung ihrer Auswirkungen im sozialen Bereich zu beurteilen ist,
S. in der Erwägung, dass behinderte Menschen eine stark von sozialer Ausgrenzung bedrohte Bevölkerungsgruppe darstellen, dass aber die nationalen Aktionspläne keine exakten Daten oder Indikatoren über die Lage behinderter Menschen enthalten,
T. in der Erwägung, dass die Überrepräsentierung von Frauen unter der armen Bevölkerung in erster Linie durch den Mangel an wirtschaftlicher Unabhängigkeit der Frauen aufgrund der ungleichen Verteilung bezahlter Arbeit und unbezahlter Hausarbeit und von Betreuungsaufgaben zwischen Männern und Frauen verursacht wird,
U. in der Erwägung, dass folgende Risiken besonders erwähnt werden: langfristige Abhängigkeit von niedrigen/unzureichenden Einkommen, Langzeitarbeitslosigkeit, unqualifizierte Beschäftigung und fehlende Berufserfahrung, niedriges Ausbildungsniveau und Analphabetentum, Aufwachsen in einer sozial schwachen Familie, Behinderung, schlechter Gesundheitszustand, unzureichende Wohnverhältnisse und Wohnungslosigkeit, Leben in mehrfach benachteiligten Gebieten, Einwanderung, Rassismus und Diskriminierung,
V. in der Erwägung, dass acht große Herausforderungen als solche genannt werden:
- –Schaffung eines integrativen Arbeitsmarktes und Förderung der Beschäftigung als Recht und Möglichkeit für alle,
- –Garantie eines ausreichenden Einkommens und angemessener Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben,
- –Beseitigung von Bildungsnachteilen,
- –Erhalt der Familiensolidarität und Schutz der Rechte von Kindern,
- –gute Wohnmöglichkeiten für alle,
- –gleicher Zugang zu Qualitätsdienstleistungen (Gesundheit, Verkehr, Sozialwesen, Pflege, Kultur, Freizeiteinrichtungen, Rechtsdienste),
- –Verbesserung von Dienstleistungen,
- –Sanierung von mehrfach benachteiligten Gebieten,
W. in der Erwägung, dass ein kostenloses, öffentliches Bildungssystem eine Grundvoraussetzung für den unbeschränkten Zugang zur Bildung ist,
1. bekräftigt erneut, dass die Förderung einer hohen Beschäftigungsquote und eines guten sozialen Schutzes, die Verbesserung des Lebensstandards und der Lebensqualität und der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt für die Europäische Union vorrangig sein müssen und von grundlegender Bedeutung sind, um Armut und soziale Ausgrenzung einzudämmen; betont, dass die effektive Möglichkeit zu arbeiten, die Arbeit, das beste Integrationsmittel und die beste Maßnahme zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung darstellt; ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten die Umverteilung von Ressourcen und Chancen in der Gesellschaft erheblich verbessern müssen, so dass die soziale Eingliederung, die Teilhabe aller und die Ausübung ihrer Grundrechte gewährleistet sind;
2. betont, dass die gemeinsame Herausforderung, der sich die Gemeinschaftspolitik und die einzelnen Regierungen gegenübersehen, darin besteht, zu garantieren, dass die Hauptmechanismen, die Chancen und Ressourcen umverteilen – der Arbeitsmarkt, Steuersysteme, die Systeme des sozialen Schutzes, der Bildung, der Ausbildung, des Wohnungswesens, der Gesundheit und anderer Dienste – vor dem Hintergrund des Strukturwandels universell genug werden, um den Bedürfnissen der Menschen einschließlich der älteren Menschen, Behinderten, Arbeitslosen, Einwanderer usw., die am meisten den Risiken von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind, insbesondere der Kinder in Regionen und Bevölkerungsgruppen, in denen die Armut endemisch ist und eine multidisziplinäre Antwort erfordert, sowie der schwächsten und am meisten gefährdeten Gruppen im Allgemeinen Rechnung zu tragen und ihnen die Ausübung ihrer Grundrechte zu ermöglichen;
3. hält es für wesentlich, dass der öffentliche Auftrag der Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung in den Bereichen Bildung und Kultur, einschließlich der lebensbegleitenden Bildung, des Erlernens von Fremdsprachen, der Nutzung der neuen Technologien, der Projekte zum Erlernen des kritischen Umgangs mit Bildern oder Kunst, für alle und insbesondere für benachteiligte Gruppen stets gewährleistet ist;
4. fordert die Mitgliedstaaten auf, einen sich über mindestens zwölf Jahre erstreckenden frei zugänglichen und kostenlosen Pflichtunterricht für alle Kinder zu fördern; jungen Menschen sollen durch das öffentliche Bildungssystem nicht nur grundlegende Kompetenzen, darunter digitale Fertigkeiten, sondern auch ein grundlegendes Verständnis der Gesellschaft vermittelt werden sollen, sodass sie bewusst am sozialen Fortschritt teilnehmen können;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, erfolgreiche Pilotprojekte zur Bekämpfung des Analphabetentums und zur Gewährleistung der Beherrschung der Muttersprache sowie des Erlernens von Fremdsprachen zu verstärken und in großem Umfang auszudehnen;
6. ersucht die Kommission, angesichts der hohen Zahl von jugendlichen Arbeitslosen unter den Schulabgängern ohne Bildungsabschluss die Institution des zweiten Bildungswegs auszubauen;
7. schlägt angesichts der Tatsache, dass die überwältigende Mehrheit der Wanderarbeitnehmer funktionell Analphabeten in der Hauptsprache des Aufnahmelandes sind, den Mitgliedstaaten vor, besondere Unterrichtsprogramme für die Wanderarbeitnehmer zu erstellen;
8. betont die Bedeutung der Modernisierung der Systeme der sozialen Sicherheit, um sie in die Lage zu versetzen, mit herkömmlichen und neuen Risiken der Armut und sozialen Ausgrenzung fertig zu werden, sowie die Notwendigkeit der Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen, u.a. in Form von Sozialleistungen, für alleinstehende Mütter, die ihre Verdienstmöglichkeiten und ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erheblich verbessern;
9. betont die Bedeutung der acht größten Herausforderungen, die im gemeinsamen Bericht über die nationalen Pläne genannt werden, und verlangt einen gründlicheren Informations‑, Konsultations- und Partizipationsprozess bei der Ausarbeitung, Begleitung und Bewertung dieser Pläne auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene, wobei neben den nationalen, regionalen und lokalen Institutionen sowie den NRO Wirtschafts- und Sozialpartner sowie die Vertretungen der ausgegrenzten und von diesem Risiko bedrohten Menschen einbezogen werden; weist mit Nachdruck darauf hin, dass auch die nationalen und regionalen Parlamente der Mitgliedstaaten an der Ausarbeitung, der Überwachung und der Bewertung der nationalen Pläne für die soziale Eingliederung beteiligt werden müssen;
10. begrüßt die Annahme eines Pakets von 18 Indikatoren durch den Rat „Beschäftigung und soziale Angelegenheiten“ vom 3. Dezember 2001, die das Einkommen, den Zugang zum Arbeitsmarkt, die Gesundheit und die Bildung betreffen; ersucht die Mitgliedstaaten um zusätzliche Bemühungen mit dem Ziel, dass auch in anderen Politikbereichen wie dem Wohnungswesen Indikatoren entwickelt werden können; ersucht den Rat und die Kommission, in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament diese Vorschläge weiter zu konkretisieren;
11. ist der Auffassung, dass die neue offene Koordinierungsmethode noch offener sein sollte für die Beteiligung der lokalen und regionalen Behörden und der Sozialpartner sowie auch für die Organisation einer umfassenden öffentlichen Debatte auf nationaler Ebene, um einen echten Informationsaustausch über die bewährten Verfahren in diesem Bereich zu ermöglichen;
12. ersucht die Kommission, im Synthesebericht für den Frühjahrsgipfel im Jahr 2003 und bei der Festlegung der strukturellen Indikatoren den sozialen Zusammenhalt besser zu berücksichtigen; ersucht die Kommission und den Rat, zur Vorbereitung des nächsten Frühjahrsgipfels im Jahr 2003 einen Bericht über die Armut in der Union und den Beitrittsländern auszuarbeiten;
13. fordert die Kommission und den Rat auf, mit dem europäischen Parlament eine interinstitutionelle Vereinbarung über die offene Koordinierungsmethode auszuhandeln, um das Parlament vollständig in das Verfahren der offenen Koordinierung zu integrieren;
14. betont erneut die Notwendigkeit einer integrierten und mehrdimensionalen strategischen Vorgehensweise auf der Grundlage der in Nizza festgelegten Ziele, um zu gewährleisten, dass es beim Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung einen Mehrwert gibt, mit eindeutigen Prioritäten, spezifischen Zielen und Zielgruppen, angemessenen Politiken und Maßnahmen, die von den entsprechenden Werten und Haushaltsmitteln gestützt werden;
15. betont die Bedeutung der Umsetzung des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, vor allem die jährliche Veranstaltung eines Runden Tisches über die soziale Ausgrenzung, sowie seine Unterstützung der Förderung des Austausches bewährter Verfahren und innovativer Ansätze sowie des Ausbaus des statistischen Instrumentariums und der vernetzten Funktionsweise der nationalen Beobachtungsstellen;
16. fordert die Mitgliedstaaten ungeachtet ihrer nationalen politischen und administrativen Struktur auf, zu gewährleisten, dass die Politiken möglichst bürgernah umgesetzt werden und dass die Zuständigkeitsbereiche auf den verschiedenen Zuständigkeitsebenen klar abgegrenzt werden;
17. unterstreicht, dass engagierte politische Aktionen zur Verbesserung der sozialen Integration auf einem den betroffenen Bürgern möglichst nahen Niveau definiert und durchgeführt werden müssen;
18. fordert die Mitgliedstaaten auf, Mechanismen zur Bewertung der Auswirkungen allgemeiner Politiken für Armut und soziale Ausgrenzung zu entwickeln;
19. fordert verstärkte Aufmerksamkeit für den Strukturwandel, der bereits stattfindet oder zu erwarten ist, einschließlich des Beitritts der Bewerberländer, in denen gegebenenfalls aufgrund der Neustrukturierung der Industrie und des Übergangs zu einem für eine Wettbewerbswirtschaft typischen Gesellschaftssystem neue Formen der Armut entstehen werden, denen man mit Maßnahmen begegnen muss, die sich vor allem an die Langzeitarbeitslosen, die Frührentner und die Nichterwerbstätigen richten, für die keine Chance der Eingliederung in den Arbeitsmarkt besteht;
20. unterstreicht, dass die nationalen Aktionspläne einen präventive Dimension enthalten müssen, die einen weitsichtigen Ansatz bei der gemeinsamen Durchführung und Koordinierung der verschiedenen politischen Maßnahmen gewährleistet;
21. ist der Auffassung, dass die Festlegung von eInclusion-Strategien durch die Mitgliedstaaten für die Ausschöpfung des Potenzials der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als Schlüsselelement für den Zugang zu einer qualifizierteren Beschäftigung und sich an spezielle Gruppen richtende neue Dienstleistungen mit Blick auf die Nutzung der wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten der IKT von wesentlicher Bedeutung ist;
22. betont, dass die Strategie zur Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung die Situation der Frauen und Kinder besonders berücksichtigen sollte und in erster Linie auf die Förderung eines höheren Lebensstandards für gefährdete Gruppen konzentriert sein sollte, die am stärksten von der Armut betroffen sind und für die das Risiko der sozialen Ausgrenzung am größten ist, und zwar unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen; fordert ferner die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, zu gewährleisten, dass die Verbreitung von Beispielen bewährter Praktiken durch Elemente und Bewertungen in diesem Zusammenhang begleitet wird, um den Dialog zwischen den Akteuren der verschiedenen Länder und die spürbare Verbesserung der Praktiken zu erleichtern;
23. ersucht die Kommission, eine detaillierte Studie über das Ausmaß der wirtschaftlichen Unabhängigkeit oder Selbständigkeit von Frauen, besonders solcher mit Familienpflichten, in der Europäischen Union in die Wege zu leiten, und zwar unter Berücksichtigung der verschiedenen Arten von Haushalten, in denen Frauen leben, und der aufeinander folgenden Abschnitte ihres Lebens;
24. ersucht die Kommission, die geschlechterorientierte Trennung der Arbeit als unabhängigen Schlüsselfaktor in ihren analytischen Rahmen für das politische Programm der sozialen Eingliederung aufzunehmen und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen, besonders solcher mit Familienpflichten, in ihre Hauptziele einzubeziehen;
25. fordert die Mitgliedstaaten auf, nicht nur eine geschlechterorientierte Perspektive in ihre Politiken und Programme aufzunehmen und ihre Daten nach Geschlechtszugehörigkeit aufzuschlüsseln, sondern auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen als Priorität ihres politischen Konzepts der sozialen Eingliederung zu fördern und über die diesbezüglichen Fortschritte Bericht zu erstatten;
26. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben in der Weise zu fördern, dass Frauen die Möglichkeit erhalten, ausreichende Einkommen zu erzielen, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und die eigenständige soziale Sicherheit gewährleisten;
27. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auch soziale Infrastrukturmaßnahmen zu fördern, z.B. in Bezug auf Kinderbetreuung, ehrenamtliche Arbeit, öffentlicher Verkehr auf dem Land, um Frauen die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben zu erleichtern;
28. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und den Schutz ihrer reproduktiven und sexuellen Rechte in ihre Politikstrategien für die soziale Eingliederung einzubeziehen, da dies grundlegende Faktoren zur Unterstützung der Eigenständigkeit und des „Empowerment“ von Frauen sind;
29. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in unsicheren und atypischen Beschäftigungsverhältnissen zu fördern;
30. unterstreicht, dass es sehr wichtig iss, dass die Kandidatenländer möglichst bald an der Strategie für die soziale Integration beteiligt werden und ihre eigenen nationalen Aktionspläne zur Förderung der sozialen Integration ausarbeiten können;
31. ersucht um besondere Aufmerksamkeit für die Gruppe von Risikofaktoren, die die nationalen Pläne benennen und die dazu beitragen, die vielschichtige Bedeutung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu unterstreichen, die sich nicht auf die Frage des Zugangs zum Arbeitsmarkt beschränkt, sondern auch die Bildung, das Gesundheitswesen und die Beteiligung an Beschlussfassungsgremien betrifft;
32. fordert die Mitgliedstaaten auf, in ihren nationalen Aktionsplänen globale Konzepte zu verankern, eindeutige Prioritäten zu setzen, die Aufteilung der Zuständigkeiten auf die nationalen, regionalen und lokalen Behörden eindeutig festzulegen und langfristige quantitative Ziele zu definieren;
33. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Indikatoren für die Beurteilung von Änderungen im Alltag derjenigen Personen jeder gesellschaftlichen Schicht und Altersgruppe zu entwickeln, die in Armut leben, ferner Indikatoren, auf denen die dynamische Analyse der Prozesse aufzubauen ist, die Menschen in die Armut treiben oder es ihnen ermöglichen, der Armut zu entkommen, so dass die Möglichkeit geschaffen wird, nicht nur Tendenzen bei der sozialen Situation in den verschiedenen Mitgliedsländern der EU und allmählich auch in den Beitrittsländern zu beobachten, sondern auch vor Tendenzen bei der sozialen Situation, insbesondere im Hinblick auf Armut und soziale Ausgrenzung zu warnen und diese zu überwachen; dringt ferner darauf, dass geschlechterrelevante Indikatoren der Armut entwickelt und umgesetzt werden, d.h. nicht nur zur Ermittlung der Haushaltseinkommen, sondern auch zur angemessenen Berücksichtigung der individuellen Einkommen der verschiedenen Mitglieder eines Haushalts;
34. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die etwaigen Auswirkungen der Wirtschaftspolitik sowie der Geld- und Kreditpolitik einschließlich des Stabilitätspakts im sozialen Bereich (Beschäftigung, Armut und soziale Ausgrenzung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit usw.) unter dem Aspekt zu prüfen, inwieweit sie den auf den aufeinander folgenden Europäischen Räten festgelegten sozialpolitischen Zielen entsprechen, und bekräftigt, dass es ungeachtet der Bedeutung der Strukturfonds für die Kohäsionspolitik notwendig ist, bei allen Entscheidungen über die verschiedenen gemeinschaftlichen Politiken die Notwendigkeit eines stärkeren wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts zu berücksichtigen;
35. fordert den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten auf, dem Rat bis Ende 2002 gemeinsame Indikatoren zu unterbreiten, die die verschiedenen Formen und Dimensionen der sozialen Ausgrenzung widerspiegeln, wie Qualität und Zugang zum Gesundheitswesen, Ausbildung, Wohnungswesen und geschlechtsspezifische Dimension;
36. fordert die Kommission auf, bei der Erstellung des gemeinsamen Jahresberichts über die soziale Eingliederung die Bewertung der Effizienz und des Ergebnisses der bereits in den Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Armut vorhandenen Politiken einzubeziehen;
37. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
BEGRÜNDUNG
I. – Vorgeschichte
Auf den Europäischen Ratstagungen von Lissabon (März 2000), Nizza (Dezember 2000) und Stockholm (Juli 2001) verpflichteten sich die Mitgliedstaaten, die nachhaltige Entwicklung und hochwertige Arbeitsplätze zu fördern, um einen Beitrag zur Eindämmung des Risikos von Armut und sozialer Ausgrenzung zu leisten sowie den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Europäischen Union in der Zeit von 2001 bis 2010 zu stärken.
Als Grundlage der neuen offenen Koordinierungsmethode, die die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit ermutigt, um die Wirkung von Maßnahmen zur sozialen Eingliederung auf eine Reihe von Politikfeldern, wie sozialer Schutz, Beschäftigung, Gesundheit, Wohnung und Bildung, zu verbessern, legte der Rat von Nizza folgende gemeinsame Ziele bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung fest:
- Förderung der Teilnahme am Erwerbsleben und des Zugangs aller zu Ressourcen, Rechten, Gütern und Dienstleistungen für ein Leben in Würde,
- Vermeidung der Risiken der Ausgrenzung,
- Maßnahmen zugunsten der am stärksten gefährdeten Gruppen,
- Mobilisierung aller betroffenen Akteure.
Vereinbart wurde auch, dass diese Ziele von den Mitgliedstaaten ab 2001 im Rahmen der zweijährigen nationalen Aktionspläne gegen Armut und soziale Ausgrenzung umzusetzen sind, wobei besonders hervorgehoben wurde, wie wichtig es ist, die Gleichstellung von Männern und Frauen in alle Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, einzubeziehen.
Ebenfalls angenommen wurde die Europäische Sozialagenda, die die Doppelfunktion der Sozialpolitik anerkennt, einmal als produktiver Faktor und dann als Schlüsselinstrument zum Abbau von Ungleichheit und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts, der, wie das Parlament bekräftigt hat, so rasch wie möglich verwirklicht werden soll.
Im September 2001 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat erreicht über das Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, das die jährliche Veranstaltung eines Runden Tisches über soziale Ausgrenzung vorsieht. Dieser Runde Tisch wird in enger Zusammenarbeit mit der Ratspräsidentschaft organisiert und in Absprache mit allen Beteiligten vorbereitet: u.a. die Sozialpartner, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen mit Erfahrungen in diesem Bereich und Vertreter des Europäischen Parlaments, des Rates, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen.
Gemäß diesem Gemeinschaftsprogramm legt die Kommission in ihrem jährlichen Synthesebericht für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates Rechenschaft ab. Zu diesem Bericht nimmt das Parlament hinsichtlich des allgemeinen Zusammenhangs der politischen Maßnahmen mit dem sozialen Zusammenhalt, einschließlich zu den im Rahmen des genannten Programms erreichten Fortschritte, rechtzeitig Stellung.
Ebenso wichtig war der Beschluss des Rates von Laeken in Bezug auf die Veranstaltung eines Sozialgipfels vor jeder Frühjahrstagung des Europäischen Rates, die Festlegung einer Gruppe gemeinsamer Indikatoren, das Beharren auf der Notwendigkeit, das statistische Instrumentarium auszubauen, und die Aufforderung an die Kommission, die Beitrittsländer schrittweise in diesen Prozess einzubinden.
II – Gemeinsamer Bericht über die soziale Eingliederung
Der gemeinsame Bericht über die soziale Eingliederung, dem der Vorschlag zugrunde liegt, den die Kommission im Oktober 2001 zur Analyse der fünfzehn nationalen Eingliederungspläne der Mitgliedstaaten unterbreitet hat, dient dazu, bewährte Verfahren und innovative Ansätze von gemeinsamem Interesse bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zu ermitteln.
In dem Bericht bestätigt die Kommission, dass sich der Begriff „Armut“ und der Ausdruck „soziale Ausgrenzung“ auf Situationen beziehen, in denen die Menschen an einer vollen Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und bürgerlichen Leben gehindert werden und/oder deren Zugang zu Einkommen und anderen Ressourcen (persönlich, familiär, sozial und kulturell) so unzureichend ist, dass sie von der Teilhabe an einem Lebensstandard und an einer Lebensqualität ausgeschlossen sind, die in der Gesellschaft, in der sie leben, als akzeptabel angesehen wird. In solchen Situationen sind die Menschen häufig an der uneingeschränkten Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert.
Die große Unterschiedlichkeit der sozialpolitischen Systeme der Mitgliedstaaten führte zu verschiedenen Vorgehensweisen in den nationalen Plänen. Festzustellen ist, dass die monetäre Armut - obwohl mit unterschiedlichen Größenordnungen - häufig mit anderen Formen des Mangels oder der Unsicherheit in den Bereichen Beschäftigung, Wohnung, Gesundheit, Bildung, Kultur, Zugang zu Dienstleistungen einhergeht und sich im Allgemeinen auf eine mehrdimensionale Definition von Armut und sozialer Ausgrenzung bezieht.
In einer Überblicksanalyse der Entwicklung stellt man fest, dass selbst in den letzten Jahren, in denen die Europäische Union eine durchschnittliche Wachstumsrate des BIP von 2,5% verzeichnet hat, Armut und soziale Ausgrenzung auf hohem Niveau fortbestanden. Auf der Grundlage einer Einkommensschwelle (60% des medianen nationalen Einkommens[1]), unterhalb deren das Risiko der Verarmung besteht, lebten im Jahr 1997 ungefähr 18% der EU-Bevölkerung in Haushalten mit einem Einkommen unterhalb dieses Wertes, ein Prozentsatz, der im wesentlichen mit dem von 1995 übereinstimmt, wozu erschwerend hinzukommt, dass dieser Schwellenwert zwischen 12.060 € in Luxemburg und nur 2.870 € in Portugal schwankt. Dies bedeutet, dass die Armut mehr als 60 Millionen Menschen betraf, von denen die Hälfte drei aufeinanderfolgende Jahre (1995‑1997) unterhalb dieser Schwelle lebte, eine Situation, die in einigen Mitgliedstaaten besonders gravierend ist.
Trotz der komplexen Analyse des Zusammenhangs zwischen öffentlichen Ausgaben, sozialem Schutz und Armutsrisiko ist festzustellen, dass die niedrigsten Armutsquoten in Dänemark (8%), Finnland (9%), Luxemburg und Schweden (12%), Österreich und in den Niederlanden (13%) und Deutschland (14%) zu verzeichnen sind, Länder mit den höchsten Pro-Kopf-Sozialusgaben, die deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegen. Dagegen sind die höchsten Armutsquoten die von Portugal (23%), des Vereinigten Königreichs und Griechenlands (22%), Irlands (20%), Spaniens und Italiens (19%), in denen die Pro-Kopf-Sozialausgaben im Allgemeinen unter dem Durchschnitt liegen.
Ohne die Sozialleistungen, vor allem Altersrenten, wären 41% der Bevölkerung der Europäischen Union von Armut betroffen. Dieser Prozentsatz würde immer noch 26% betragen, wenn man die Altersrenten mitberechnet, jedoch die Einkünfte aus anderen Sozialleistungen ausschließen würde.
Neue Gefahren der Diskriminierung, sozialer Ausgrenzung und einer Zunahme von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden durch die zur Zeit in der Europäischen Union stattfindenden oder noch zu erwartenden strukturellen Veränderungen hervorgerufen, von denen besonders folgende hervorzuheben sind: der Wandel auf dem Arbeitsmarkt, die Gefahren durch neue Liberalisierungsschritte, insbesondere im Sektor der öffentlichen Dienstleistungen, die sehr rasche Entwicklung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, der demographische Wandel, Änderungen in der Familienstruktur und bei der Rolle von Männern und Frauen, und die wachsende ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt, die durch große internationale Migrationsströme und die gestiegene Mobilität in der Europäischen Union verursacht wird.
Es gibt besonders gefährdete und von der Armut stärker betroffenere Gruppen, insbesondere Arbeitslose, Menschen, die in im Niedergang befindlichen Industriegebieten und in bestimmten ländlichen Gebieten wohnen, Alleinstehende im städtischen Umfeld, insbesondere ältere Frauen, Alleinerziehende (vor allem Frauen), kinderreiche Familien, Einwanderer, Flüchtlinge, Alkoholiker und Drogenabhängige, wobei Kinder, Behinderte und Jugendliche, bei denen die Arbeitslosigkeit 16% erreicht, d.h. fast das Doppelte des Gemeinschaftsdurchschnitts, besondere Aufmerksamkeit verdienen.
In den nationalen Plänen wird eine Gruppe von Risikofaktoren benannt, die dazu beitragen, die vielschichtige Bedeutung des Problems zu unterstreichen, zumal die Menschen – Erwachsene und Kinder – durch die Kombination dieser Risiken in Situationen von Armut und sozialer Ausgrenzung geraten, obwohl sich deren Ausmaß von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat erheblich unterscheidet und sie in einigen Fällen nicht nur Ursachen, sondern auch Folgen sind, wobei es wichtig ist, den Teufelskreis der ständigen Armut und der sozialen Ausgrenzung aufzubrechen.
Besonders erwähnt werden folgende Risiken: langfristige Abhängigkeit von niedrigen/ unzureichenden Einkommen, Langzeitarbeitslosigkeit, unqualifizierte Beschäftigung und fehlende Berufserfahrung, niedriges Ausbildungsniveau und Analphabetentum, Aufwachsen in einer sozial schwachen Familie, Behinderung, schlechter Gesundheitszustand, unzureichende Wohnverhältnisse und Wohnungslosigkeit, Leben in mehrfach benachteiligten Gebieten, Einwanderung, Rassismus und Diskriminierung.
Bei der Analyse des Inhalts des Berichts, der in den nationalen Plänen enthaltenen Vorschlägen, der angewendeten Methodik, der befolgten Verfahren und der tatsächlich realisierbaren oder bereits durchgeführten Maßnahmen auf der Grundlage der in Nizza festgelegten vier Ziele wurde versucht, die Stellungnahmen von möglichst vielen Akteuren in Erfahrung zu bringen.
So hörte der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten Vertreter von NRO, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Europäischen Gewerkschaftsbundes an und veranstaltete eine Aussprache mit Vertretern der nationalen Parlamente. Es wurden Stellungnahmen verschiedener Organisationen eingeholt, darunter: FEANTSA (Europäischer Verband Nationaler Vereinigungen, die mit Obdachlosen arbeiten), Europäische Frauenlobby, EAPN (Europäisches Netz der Vereinigung zur Bekämpfung der Armut)[2], EFREP, Quart Monde und Euronet, um zu ermöglichen, dass die Schlussfolgerungen die Vorbereitung der zweiten Welle von Plänen beeinflussen.
Besonders beunruhigend wirkten die Alarmmeldungen einiger nationaler Abgeordnete betreffend Vorschläge, die in ihren Ländern in Vorbereitung sind und die darauf abzielen, den Standard des derzeit bestehenden sozialen Schutzes abzubauen, sowie die unzureichenden Regierungsinformationen, den fehlenden Dialog und die mangelnde Beteiligung verschiedener Institutionen und Organisationen, die arme oder von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohte Menschen einbeziehen, und die geringe finanzielle Absicherung der von den Mitgliedstaaten in den jeweiligen Plänen vorgeschlagenen Maßnahmen.
Ferner wurde die gemeinsame Herausforderung betont, denen sich die Politikstrategien der Gemeinschaft und der einzelnen Regierungen gegenübersehen, um zu gewährleisten, dass die wichtigsten Mechanismen zur Umverteilung von Chancen und Ressourcen – Arbeitsmarkt, Steuersystem, Systeme für Sozialversicherung, Bildung, Wohnen, Gesundheit und andere Dienste – im Kontext des Strukturwandels universell genug werden, um die Bedürfnisse der Menschen – seien es Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder – zu erfüllen, die am stärksten von Armutsrisiken und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, damit sie ihre Grundrechte wahrnehmen können.
Der Bewältigung der acht größten Herausforderungen in dem gemeinsamen Bericht über die nationalen Pläne wurde besondere Bedeutung beigemessen:
- Schaffung eines integrativen Arbeitsmarktes und Förderung der Beschäftigung als Recht und Möglichkeit für alle,
- Garantie eines ausreichenden Einkommens und angemessener Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben,
- Beseitigung von Bildungsnachteilen,
- Erhalt der Familiensolidarität und Schutz der Rechte von Kindern,
- gute Wohnmöglichkeiten für alle,
- gleicher Zugang zu Qualitätsdienstleistungen (Gesundheit, Verkehr, Sozialwesen, Pflege, Kultur, Freizeiteinrichtungen, Rechtsdienste),
- Verbesserung von Dienstleistungen,
- Sanierung von mehrfach benachteiligten Gebieten.
Erneut bekräftigt wurde die Notwendigkeit eines integrierten und mehrdimensionalen strategischen Ansatzes, der sich auf die in Nizza festgelegten Ziele stützt, um zu gewährleisten, dass es einen Mehrwert bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gibt, was unabhängig von besonderen Gegebenheiten in jedem Mitgliedstaat beinhalten muss, dass bei der Ausarbeitung der nationalen Pläne eindeutigen Prioritäten, der Festlegung von spezifischen Zielen und Zielgruppen und der Entwicklung angemessener Politikstrategien besonderes Augenmerk gewidmet wird und dass die erforderlichen Maßnahmen, für die ausreichende Haushaltsmittel bereitgestellt werden, durchgeführt werden.
Zu guter Letzt wurde der Umsetzung des Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung trotz seiner bekannten Unzulänglichkeiten besondere Bedeutung beigemessen, namentlich der jährlichen Veranstaltung eines Runden Tisches über die soziale Ausgrenzung, der Unterstützung des Austausches bewährter Verfahren und innovativer Ansätze sowie der Ausweitung des statistischen Instrumentariums, so dass die ständige Beobachtung der gesamten europäischen Strategie zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung gewährleistet ist.
ENTWURF EINER STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR KULTUR, JUGEND, BILDUNG, MEDIEN UND SPORT
18.April 2002
für den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Entwurf zum Bericht über die soziale Eingliederung
(KOM(2001) 565 – C5‑0109/2002 – 2002/2051 (COS))
Verfasser der Stellungnahme: Konstantinos Alyssandrakis
VERFAHREN
In seiner Sitzung vom 12. Dezember 2001 benannte der Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport Konstantinos Alyssandrakis als Verfasser der Stellungnahme.
Der Ausschuss prüfte den Entwurf einer Stellungnahme in seinen Sitzungen vom 25. März und 17. April 2002.
In der letztgenannten Sitzung nahm er die nachstehenden Schlussfolgerungen einstimmig an.
Bei der Abstimmung waren anwesend: Michel Rocard, Vorsitzender; Vasco Graça Moura, Mario Mauro, Theresa Zabell, stellvertretende Vorsitzende; Konstantinos Alyssandrakis, Verfasser der Stellungnahme; Alexandros Alavanos, Ole Andreasen (in Vertretung von Marieke Sanders-ten Holte), Pedro Aparicio Sánchez, Christopher J.P. Beazley, Giuseppe Brienza (in Vertretung von Francis Decourrière), Christine de Veyrac (in Vertretung von Marielle de Sarnez), Geneviève Fraisse, Maria Martens, Pietro-Paolo Mennea, Domenico Mennitti, Juan Ojeda Sanz, Barbara O'Toole, Christa Prets, Giorgio Ruffolo, Gianni Vattimo, Stavros Xarchakos, Sabine Zissener, Myrsini Zorba (in Vertretung von Lissy Gröner).
KURZE BEGRÜNDUNG
Die Mitteilung der Kommission ist ein politisches Dokument über Armut und soziale Ausgrenzung. Dieser Entwurf zum gemeinsamen Bericht fügt sich in die auf den Gipfeln von Lissabon, Stockholm und Nizza ausgearbeitete Strategie ein und wurde während der belgischen Präsidentschaft vom Rat angenommen. Sie zielt insbesondere darauf ab, durch Maßnahmen auf Gemeinschafts-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene in den Bereichen Beschäftigung, Wohnung, Gesundheit, Bildung, Kultur, usw. zur Stärkung der Strategie des sozialen Zusammenhalts von 2001 bis 2010 beizutragen. In der Mitteilung wird die alarmierende Tatsache hervorgehoben, dass trotz eines Anstiegs des BIP der Gemeinschaft um 2,5% in den letzten Jahren bei der Verringerung der Armut und sozialen Ausgrenzung keine Fortschritte zu verzeichnen waren und mehr als 60 Millionen Menschen von Armut betroffen sind.
Eine derartige Strategie bedarf im Allgemeinen weder eines großen Verwaltungsaufwands noch vieler Worte. Sie muss auf folgenden Grundlagen erarbeitet werden:
- *einer eingehenden und gründlichen Analyse der Gründe der sozialen Ausgrenzung,
- *konkreten Maßnahmen, die so weit wie möglich die Ursachen der Ausgrenzung beseitigen,
- *einer aktiven Beteiligung der Gesellschaftsgruppen und beteiligten Akteure, der gesellschaftlichen Gruppierungen und der gesamten Gesellschaft,
- *einem interdisziplinären und multidisziplinären Ansatz,
- *einer innovativen Zusammenarbeit auf Ebene der nationalen, regionalen und lokalen Verwaltungen.
Es ist dabei von wesentlicher Bedeutung, dass eine langfristige Strategie vorgesehen wird, die auf der Grundlage gemeinsamer und von allen geteilter Kriterien bedeutende und nachhaltige Auswirkungen entfalten kann. Pilotmaßnahmen und der Austausch bewährter Verfahren sind nützliche, aber unzureichende Instrumente. Der derzeitige Prozess, der zu langsam ist und nicht mit der derzeitigen sozialen Entwicklung Schritt hält, muss durch eine verstärkte Mobilisierung der gesellschaftlichen Gruppierungen vorangetrieben werden.
Was nun unmittelbarer unseren Ausschuss anbelangt, so liegt auf der Hand, dass der Bildung als Mittel zur Integration und sozialen Eingliederung sehr große Bedeutung zukommt und außerdem auch die kulturellen Aspekte im weiteren Sinne eine wichtige Rolle spielen können, um der sozialen Ausgrenzung vorzubeugen. Es ist wichtig, dass den jungen Menschen durch die Bildung nicht nur grundlegende Kompetenzen, sondern auch ein umfassendes Verständnis der Natur und der Gesellschaft vermittelt werden, sodass sie bewusst am sozialen Fortschritt teilnehmen können. Auch sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass Bildung allein nicht ausreicht, um die soziale Eingliederung zu gewährleisten, sofern sie nicht mit Maßnahmen einhergeht, die allen eine feste Vollzeitbeschäftigung gewährleistet.
Dennoch ist es auch in den Bereichen Kultur und Bildung wichtig, einen breiten Konsens in Bezug auf die Festlegung der Ziele zu finden, die dem tatsächlichen Bedarf der Beteiligten entsprechen müssen und nicht nur dem Gebot der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit gehorchen dürfen. In diesem Sinne muss der öffentliche Auftrag der Bildung und Kultur gewährleistet und verstärkt werden. Insbesondere ist ein staatliches und kostenloses System eines sich über mindestens zwölf Jahre erstreckenden allgemeinbildenden Pflichtunterrichts, der allen Kindern zugänglich ist, in Verbindung mit einem kostenlosen Hochschulsystem unerlässlich.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Der Ausschuss für Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport ersucht den federführenden Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, folgende Punkte in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. in der Erwägung, dass die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung auf der Grundlage einer gründlichen und eingehenden Analyse ihrer Ursachen erfolgen muss,
2. in der Erwägung, dass die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung die Verwirklichung konkreter Maßnahmen erfordert, die alle Bereiche berühren, in denen eine solche Ausgrenzung festgestellt wird oder vorkommen kann;
3. in der Erwägung, dass Kultur und Sport eine wichtige Rolle bei der sozialen Eingliederung spielen,
4. in der Erwägung, dass ein kostenloses, öffentliches Bildungssystem eine Grundvoraussetzung für den unbeschränkten Zugang zur Bildung ist,
5. in der Erwägung, dass im Rahmen der spezifischen Maßnahmen zur Bekämpfung und Prävention der sozialen Ausgrenzung der direkte Erfahrungsaustausch gefördert werden müsste, da er dazu beitragen kann, den strukturellen Wandel in der heutigen Gesellschaft zu beleuchten und besser zu verstehen,
6. hält es für wesentlich, dass der öffentliche Auftrag der Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung in den Bereichen Bildung und Kultur, einschließlich der lebensbegleitenden Bildung, des Erlernens von Fremdsprachen, der Nutzung der neuen Technologien, der Projekte zum Erlernen des kritischen Umgangs mit Bildern oder Kunst, für alle und insbesondere für benachteiligte Gruppen stets gewährleistet ist;
7. fordert die Mitgliedstaaten auf, einen sich über mindestens zwölf Jahre erstreckenden frei zugänglichen und kostenlosen Pflichtunterricht für alle Kinder zu fördern; jungen Menschen sollen durch das öffentliche Bildungssystem nicht nur grundlegende Kompetenzen, darunter digitale Fertigkeiten, sondern auch ein grundlegendes Verständnis der Gesellschaft vermittelt werden sollen, sodass sie bewusst am sozialen Fortschritt teilnehmen können;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, im Bildungswesen auch dem Sport mit all seinen Facetten die erforderliche Aufmerksamkeit zu widmen, weil er ein wirksames Mittel darstellt, um zur Förderung der sozialen Eingliederung beizutragen;
9. ist der Auffassung, dass die Schaffung einer breiten Basis für die Beteiligung der gesellschaftlichen Gruppierungen und der an der allgemeinen Strategie zur Bekämpfung der Ausgrenzung beteiligten Akteure bei der Durchführung der konkreten Maßnahmen mit der Einführung flexibler Steuerungssysteme und wirksamer demokratischer Kontrollinstrumente einhergehen kann;
10. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, erfolgreiche Pilotprojekte zur Bekämpfung des Analphabetentums und zur Gewährleistung der Beherrschung der Muttersprache sowie des Erlernens von Fremdsprachen zu verstärken und in großem Umfang auszudehnen;
11. ersucht die Kommission, angesichts der hohen Zahl von jugendlichen Arbeitslosen unter den Schulabgängern ohne Bildungsabschluss die Institution des zweiten Bildungswegs auszubauen;
12. schlägt angesichts der Tatsache, dass die überwältigende Mehrheit der Wanderarbeitnehmer funktionell Analphabeten in der Hauptsprache des Aufnahmelandes sind, den Mitgliedstaaten vor, besondere Unterrichtsprogramme für die Wanderarbeitnehmer zu erstellen;
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STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR DIE RECHTE DER FRAU UND CHANCENGLEICHHEIT
11.März 2002
für den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
zu der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Entwurf eines gemeinsamen Berichts über die soziale Eingliederung
KOM(2001) 565 – C5-0109/2002 – 2005/2051(COS)
Verfasserin der Stellungnahme: Joke Swiebel
VERFAHREN
In seiner Sitzung vom 22. Januar 2002 benannte der Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit Joke Swiebel als Verfasserin der Stellungnahme.
Der Ausschuss prüfte den Entwurf einer Stellungnahme in seinen Sitzungen vom 25. und 26. Februar 2002.
In der letztgenannten Sitzung nahm er die nachstehenden Schlussfolgerungen einstimmig an.
Bei der Abstimmung waren anwesend: Anna Karamanou, Vorsitzende; Jillian Evans, stellvertretende Vorsitzende; Joke Swiebel, Verfasserin der Stellungnahme; María Antonia Avilés Perea, Regina Bastos, Lone Dybkjær, Fiorella Ghilardotti, Lissy Gröner, Heidi Anneli Hautala, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Maria Martens, Amalia Sartori, Miet Smet, Patsy Sörensen, Helena Torres Marques, Feleknas Uca und Ilda Figueiredo.
KURZE BEGRÜNDUNG
Die Kommission ist zu diesem ersten umfassenden politischen Dokument über Armut und soziale Ausgrenzung zu beglückwünschen. Sie hebt zu Recht die Schlüsselrolle der Beteiligung am Arbeitsprozess als Hauptstrategie zur Überwindung von Armut und Ausgrenzung hervor.
Dieses politische Konzept ist von besonderer Bedeutung für Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt im Durchschnitt eher unterrepräsentiert sind und diskriminiert werden. In dem Bericht wird ferner die Doppelrolle der Sozialpolitik hervorgehoben, die nicht nur den sozialen Zusammenhalt fördert, sondern auch einen produktiven Aspekt besitzt. Die Verbesserung der Produktivität und der Einkommensmöglichkeiten benachteiligter Gruppen fördert ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Dies hat günstige Auswirkungen für die Staatshaushalte und fördert Wohlstand und Wirtschaftswachstum.
Die Kommission hat einen lobenswerten Versuch unternommen, eine Geschlechterperspektive in diesen Bericht einzubeziehen. Man könnte jedoch fragen, ob dieser Versuch wirklich gut durchdacht ist und die in diesem Bereich vorhandenen gesammelten Resultate und Erkenntnisse widerspiegelt.
Im Einklang mit der Europäischen Beschäftigungsstrategie beinhalten die im vorliegenden Bericht aufgeführten Ziele Beschäftigung für alle Männer und Frauen und Förderung der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben. In diesem Bericht wird jedoch nicht erwähnt, dass die ungleichmäßige Aufteilung bezahlter Arbeit und unbezahlter Hausarbeit und von Betreuungsaufgaben zwischen Frauen und Männern der Schlüsselfaktor für die Überrepräsentierung der Frauen bei den in Armut lebenden Personen ist. Armut bei Frauen steht in direktem Zusammenhang mit ihrem Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Unabhängigkeit. Wirtschaftliche Autonomie für Frauen sollte durch bezahlte Beschäftigung gefördert werden, die ihnen und ihren Angehörigen ein ausreichendes Einkommen verschafft. Die entsprechende Kapazitätsbildung bei Frauen ist daher ein entscheidender Faktor für die Beseitigung der Armut.
Hierbei handelt es sich nicht um eine theoretische Spitzfindigkeit als Selbstzweck. Das hier angegebene Vorgehen[1] hat folgende logische Auswirkungen.
Zum Ersten sollte die Aufteilung der Rollen und Aufgaben in der Gesellschaft auf die Geschlechter in die Liste der wichtigsten Mechanismen aufgenommen werden, durch die Möglichkeiten und Ressourcen verteilt werden. Eine geschlechterbezogene Analyse der Verteilungseffekte des Arbeitsmarkts, des Steuersystems, der sozialen Sicherheit, der Bildung, des Wohnungswesens usw. für die Armut ist erforderlich, doch zuallererst sollte das „geschlechterbezogene System“[2] selbst (als entweder vom Staat aufrecht erhalten oder in Frage gestellt) als entscheidendste Ursache der Armut bei Frauen untersucht werden.
Zum Zweiten sind die in diesem Zusammenhang verwendeten Indikatoren für die Armut – wenn man sie unter geschlechterbezogenem Aspekt betrachtet – irrelevant oder unzutreffend. Bei der „relativen Armutsrate“, die als Anteil der Menschen definiert wird, die in Haushalten mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 60% des nationalen Medianwertes leben, bleibt die Aufteilung von Ressourcen und Befugnissen innerhalb der Familie unberücksichtigt. Als logische Folge dieses unzutreffenden Ansatzes erscheint die allgemeine geschlechterbezogene Kluft bei der Armut gering.[3]. Daher richtet sich die gesamte politische Aufmerksamkeit auf die geschlechterbezogene Kluft bei der Armut, die im Rahmen dieses Ansatzes sichtbar wird, d.h. die relative Armutsrate für ältere allein lebende Frauen und allein erziehende Mütter. Auf diese Gruppen ausgerichtete Maßnahmen könnten sozial gerechtfertigt sein, bewirken jedoch nichts weiter als ein Schließen der Stalltür, nachdem das Pferd durchgegangen ist. Der wirkliche Grund für die relativ hohe Armut bei allein erziehenden Müttern und älteren Frauen ist ihr Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Unabhängigkeit in früheren Lebensabschnitten, insbesondere während der Ehe.
Zum Dritten bietet die Strategie der Förderung der Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und der Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben nur die halbe Antwort bei der Bekämpfung der Armut bei Frauen. Frauen sollten aufgrund ihrer Beteiligung am Arbeitsmarkt ausreichende Einkommen erzielen, die ihre Unabhängigkeit und Kapazitätsbildung unterstützen. Politische Pakete, in deren Rahmen die Teilzeitarbeit und Urlaubsregelungen zu stark hervorgehoben werden, könnten sich nachteilig für die Aufrechterhaltung der Verdienstmöglichkeiten von Frauen während ihres ganzen Lebens auswirken. „Die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben“ sollte so verstanden werden, dass sowohl Männer als auch Frauen ihre jeweiligen bezahlten Tätigkeiten sowie Hausarbeit und Betreuungsaufgaben individuell kombinieren könnten. Dies würde verhindern, dass ein Partner ein unverzichtbares „Instrument“ für die Karriere des anderen wird, und zwar mit allen wohlbekannten Folgen für die wirtschaftliche Unabhängigkeit des anderen.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Der Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit ersucht den federführenden Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, folgende Punkte in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
A. unter Hinweis auf die anlässlich der Vierten UN-Weltkonferenz über Frauen (Peking 1995) angenommene Aktionsplattform und u.a. die sog. Peking plus Fünf-Empfehlungen, die anlässlich der Sondertagung der UN-Vollversammlung (New York, Juni 2000) angenommen wurden,
B. in der Erwägung, dass die Überrepräsentierung von Frauen unter der armen Bevölkerung in erster Linie durch den Mangel an wirtschaftlicher Unabhängigkeit der Frauen aufgrund der ungleichen Verteilung bezahlter Arbeit und unbezahlter Hausarbeit und von Betreuungsaufgaben zwischen Männern und Frauen verursacht wird,
1. ersucht die Kommission, eine detaillierte Studie über das Ausmaß der wirtschaftlichen Unabhängigkeit oder Selbständigkeit von Frauen, besonders solcher mit Familienpflichten, in der Europäischen Union in die Wege zu leiten, und zwar unter Berücksichtigung der verschiedenen Arten von Haushalten, in denen Frauen leben, und der aufeinander folgenden Abschnitte ihres Lebens;
2. ersucht die Kommission, die geschlechterorientierte Trennung der Arbeit als unabhängigen Schlüsselfaktor in ihren analytischen Rahmen für das politische Programm der sozialen Eingliederung aufzunehmen und die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen, besonders solcher mit Familienpflichten, in ihre Hauptziele einzubeziehen;
3. fordert die Mitgliedstaaten auf, nicht nur eine geschlechterorientierte Perspektive in ihre Politiken und Programme aufzunehmen und ihre Daten nach Geschlechtszugehörigkeit aufzuschlüsseln, sondern auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen als Priorität ihres politischen Konzepts der sozialen Eingliederung zu fördern und über die diesbezüglichen Fortschritte Bericht zu erstatten;
4. dringt bei der Kommission und den Mitgliedstaaten darauf, geschlechterbezogene Indikatoren der Armut zu entwickeln und umzusetzen, d.h. nicht nur Haushaltseinkommen zu ermitteln, sondern auch die individuellen Einkommen der verschiedenen Mitglieder eines Haushalts gebührend zu berücksichtigen;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben in der Weise zu fördern, dass Frauen die Möglichkeit erhalten, ausreichende Einkommen zu erzielen, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und die eigenständige soziale Sicherheit gewährleisten;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, auch soziale Infrastrukturmaßnahmen zu fördern, z.B. in Bezug auf Kinderbetreuung, ehrenamtliche Arbeit, öffentlicher Verkehr auf dem Land, um Frauen die Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben zu erleichtern;
7. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und den Schutz ihrer reproduktiven und sexuellen Rechte in ihre Politikstrategien für die soziale Eingliederung einzubeziehen, da dies grundlegende Faktoren zur Unterstützung der Eigenständigkeit und des „Empowerment“ von Frauen sind;
8. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Gleichbehandlung von Arbeitnehmern in unsicheren und atypischen Beschäftigungsverhältnissen zu fördern;
9. fordert die Mitgliedstaaten auf, Rentensysteme auf der Grundlage individueller Ansprüche zu fördern und Maßnahmen für allein erziehende Mütter, u.a. in Form von Sozialleistungen, zu entwickeln und umzusetzen, die ihre Verdienstmöglichkeiten verbessern und ihre Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt fördern.
- [1] Auf der Grundlage der Aktionsplattform von Peking (1995), der Peking plus Fünf-Übersicht (2000), der Berichte der Weltbank “Engendering Delevelopment” (2000) usw.
- [2] Die ungleichen Anteile von Männern und Frauen am Bereich der bezahlten und unbezahlten Arbeit und die Ideologien und Vorstellungen, auf denen diese Ungleichheit basiert.
- [3] Die Kommission scheint sich darüber klar zu sein, dass es hier eine Fußangel gibt (siehe Fußnote 3 auf Seite 12 (englische Fassung)), zieht jedoch nicht die logische Schlussfolgerung. Ihre Verfasserin der Stellungnahme würde empfehlen, den geschlechterbezogenen Entwicklungsindex (GDI) einzusehen, der von der UNDP ausgearbeitet wurde. Siehe: Human Development Report (New York, 1995).