BERICHT über die Partnerschaft zwischen der EU und der Karibik zur Förderung von Wachstum, Stabilität und Entwicklung

15.6.2006 - (2006/2123(INI))

Entwicklungsausschuss
Berichterstatterin: Gabriele Zimmer

Verfahren : 2006/2123(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0211/2006
Eingereichte Texte :
A6-0211/2006
Aussprachen :
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zur Partnerschaft zwischen der EU und der Karibik zur Förderung von Wachstum, Stabilität und Entwicklung

(2006/2123(INI))

Das Europäische Parlament,

 in Kenntnis der Kommissionsmitteilung an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss mit dem Titel „Eine Partnerschaft zwischen der EU und der Karibik zur Förderung von Wachstum, Stabilität und Entwicklung“, (KOM(2006)0086), (nachstehend „Kommissionsmitteilung“)

 in Kenntnis des Evaluationsberichts zur regionalen Strategie der Kommission für die Karibik, Bände 1 und 2 vom April 2005,

 in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ vom 10. April 2006 und der darin vorgenommenen Bekräftigung des Gemeinsamen Standpunktes zu Kuba vom 2. Dezember 1996,

 unter Hinweis auf die Gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union mit dem Titel „Der Europäische Konsens“[1],

 in Kenntnis der Erklärung von Wien des Dritten europäisch-lateinamerikanisch-karibischen Civil Society Forums vom 1. April 2006,

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. März 2006 zu den Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) auf die Entwicklung[2],

 gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

 in Kenntnis des Berichts des Entwicklungsausschusses (A6-0211/2006),

A. in der Erwägung, dass manche der karibischen Staaten bis 2020 den Status von entwickelten Ländern erreicht haben werden, anderen jedoch ein Absinken von der Gruppe der Länder mittleren Einkommens in die Kategorie der Länder mit niedrigem Einkommen droht,

B.  in der Erwägung, dass diese kleinen Inselstaaten von Natur aus anfällig für Naturkatastrophen und andere exogene Schocks sind,

C.  in der Erwägung, dass ein Dialog zwischen der Kommission und Vertretern des CARIFORUM[3] über die Kommissionsmitteilung stattgefunden hat, als diese sich noch im Entwurfsstadium befand,

D. in der Erwägung, dass die selbst bestimmte Schaffung des gemeinsamen karibischen Marktes und Wirtschaftsraums (CSME) ein wichtiges Instrument der regionalen Integration darstellt,

E.  in der Erwägung, dass die CARIFORUM-Staaten die WPA-Verhandlungen mit einer klaren entwicklungspolitischen Dimension begleitet haben wollen, um in der Lage zu sein, wachsende Armut und Ungleichheiten zu bekämpfen, soziale Kohäsion zu fördern und die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) umzusetzen,

F.  unter Hinweis auf die Tatsache, dass über 60% der Bevölkerung der Region unter 30 Jahre alt sind und abgesehen von Kuba in den Staaten der Karibik der Zugang zu Bildung für alle ein ungelöstes Problem darstellt,

G. in der Erwägung, dass die belgische Regierung den kritischen Dialog und die Entwicklungskooperation mit der kubanischen Regierung positiv bewertet hat,

H. in der Erwägung, dass die Programmierungsphase für die Mittel des Zehnten Europäischen Entwicklungsfonds begonnen hat und diese Mittel künftig schneller, effizienter und besser auf die Bedürfnisse der Länder der Region zugeschnitten zur Auszahlung kommen sollten,

1.  lobt die Einbindung der CARIFORUM-Gruppe in die Diskussion des Entwurfs der Kommissionsmitteilung und begrüßt die Berücksichtigung der meisten von den Staaten der Region vorgetragenen Sorgen in der Mitteilung;

2.  begrüßt, dass die Kommission ihrer Strategie das Ethos von Gleichheit, Partnerschaft und Besitz voranstellt;

3.  hält die faktische Marginalisierung des Europäischen Parlaments durch einen Zeitplan, der seine Beteiligung an der Formulierung der Kooperationsstrategie für die Karibik ausschloss, für einen höchst bedauerlichen Bruch mit der einvernehmlichen Vorgehensweise der drei Europäischen Institutionen, die sich sowohl in der Formulierung der Afrika-Strategie als auch im Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik der Europäischen Union bewährt hatte;

4.  bedauert, dass die Kommission den Empfehlungen aus ihrem Evaluationsbericht nicht entsprechend Rechnung trägt;

5.  stimmt der Analyse der Kommission zu, dass die Kooperation beider Regionen bislang nicht von einem adäquaten politischen Dialog begleitet wurde; hält die Praxis, einmal in zwei Jahren ein einstündiges Treffen zwischen der EU-Troika und den CARIFORUM-Regierungschefs abzuhalten, für unzureichend und begrüßt das Vorhaben, einem solchen Dialog künftig auf allen Ebenen das notwendige Zeitbudget einzuräumen;

6.  begrüßt die geplante Einbindung der zu der Region gehörenden französischen Übersee-Departements (Guadeloupe, Französisch-Guyana und Martinique) und der karibischen überseeischen Länder und Gebiete (ÜLG) in den künftigen politischen Dialog; unterstützt dabei jedoch die Auffassung der karibischen Staaten, dass die Modalitäten dieser Einbeziehung erst noch mit jenen Staaten verhandelt werden müssen, die im Rahmen des Cotonou-Abkommens[4] die Vereinbarung zur Methodologie des politischen Dialogs unterzeichnet haben;

7.  teilt die Haltung der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP), dass die Definition separater EU-Politiken für die drei AKP-Regionen keinesfalls zur Unterminierung der Gesamtbeziehung zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten führen darf; begrüßt das durch die Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik (LAK-Staaten) geschaffene zusätzliche Forum des politischen Dialogs, besteht jedoch auf dem Primat der im Cotonou-Abkommen getroffenen Vereinbarungen;

8.  begrüßt die in der Kommissionsmitteilung geäußerte Absicht, glaubwürdige Institutionen zu stärken und gute Regierungsführung sowie Transparenz in den Bereichen Finanzen, Steuern und Justiz in den karibischen Staaten zu fördern; fordert alle karibischen Staaten auf, die UN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität bzw. gegen Korruption zu ratifizieren;

9.  pflichtet der Kommission bei, der Förderung des neu geschaffenen CSME Priorität einzuräumen; bekräftigt erneut seine Ansicht, dass die WPA-Verhandlungsführung zentral von Entwicklungszielen bestimmt sein muss und der junge karibische Binnenmarkt einer angemessenen handelsbezogenen Unterstützung und des Kapazitätsaufbaus bedarf und dass die Liberalisierung des Handels vernünftig gestaffelt sein muss;

10. fordert die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass die WPA so strukturiert sind, dass den regionalen Realitäten und Sachzwängen Rechnung getragen wird, erforderlichenfalls mit der Möglichkeit des Rückgriffs auf eine variable Geometrie; fordert, dass alle im Rahmen der WPA-Verhandlungen übernommenen Verpflichtungen sorgfältig zeitlich abgestimmt werden mit der Gewährung der WPA-bezogenen Entwicklungsunterstützung, die auf die wichtigsten Anliegen der betroffenen Regierungen, darunter die wirtschaftliche Umstrukturierung zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Steueranpassungen und Maßnahmen zur Erleichterung des Handels, zielgerichtet ist;

11. verweist erneut auf die hohe Bedeutung der Zolleinkünfte für die Haushalte und Investitionsmöglichkeiten eines Teils der karibischen Staaten und folgert daraus, dass diese steuerlich derzeit nicht ausgleichbaren Einkunftsverluste nicht ohne adäquate Kompensation herbeigeführt werden sollten; betont jedoch, dass die Ausweitung des Handels zwischen den karibischen Staaten und den Entwicklungsländern im Allgemeinen dazu beitragen könnte, Verluste bei den Zolleinkünften auszugleichen und stabilere Einkommensquellen zu sichern;

12. stimmt der Kommission zu, dass die kleinen offenen Volkswirtschaften der Region besonders anfällig für globale Marktkräfte sind; gibt jedoch zu bedenken, dass eine allmähliche Handelsliberalisierung mit angemessenen Schutzmechanismen und ausreichend Zeit für Anpassungen die Entwicklung fördert und deshalb ein Mittel zur Bekämpfung der Armut sein kann;

13. vertritt die Auffassung, dass bei handelsbezogenen Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau Sachzwänge auf der Angebotsseite in Angriff genommen werden müssen, u.a. durch Förderung der Verarbeitung von Grunderzeugnissen und Produktionsdiversifizierung, Förderung von Konsultationen kleiner und mittlerer Unternehmen und ihrer Unterstützung, Beseitigung von bürokratischen Investitionsbarrieren und somit Förderung der Wirtschaftsentwicklung in der Region;

14. fordert die Kommission nachdrücklich auf, Empfehlung 7 ihres Evaluationsberichts umzusetzen, die Prinzipien des Small Island Developing States Network der Vereinten Nationen zu berücksichtigen; ersucht die Kommission, die zu den Auswirkungen der Handelsliberalisierung und Globalisierung auf die nachhaltige Entwicklung solcher Staaten durchgeführte Studie zu veröffentlichen;

15. hält die Kompensations- und Adaptionsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Änderungen auf dem Zucker- und Bananenmarkt für unterfinanziert und befürchtet unter Verweis auf die jüngsten Demonstrationen in der Region eine starke Gefährdung des Kooperationszieles des sozialen Zusammenhalts;

16. fordert die Kommission auf, Programme zur Förderung der landwirtschaftlichen Konversion zu entwickeln, die unter sozialpolitischen, Ernährung sichernden, energiepolitischen und umweltpolitischen Aspekten den Erhalt und die Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen in bislang konventionell und nicht wettbewerbsfähig bewirtschafteten Betrieben ermöglichen;

17. fordert ein stärkeres Gewicht der sozialen, kulturellen und umweltrelevanten Folgen in der Kooperationsstrategie und den Aufbau einer systematischen Folgenabschätzung und Evaluation auf der Basis der Indikatoren der Millenniumsentwicklungsziele;

18. begrüßt, dass wichtige Umweltschutzaufgaben in die Entwicklungszusammenarbeit mit der karibischen Region einbezogen wurden, und fordert, dass die Nutzung regenerativer Energiequellen sowie die Energieeffizienz massiv finanziell gefördert werden, um ruinöse Folgen des Preisanstiegs für Erdöl zu vermeiden und den Klimawandel aufzuhalten;

19. teilt die Sorgen der Kommission, dass es in Folge des globalen Klimawandels zu noch häufigeren und stärkeren Wetterkatastrophen in der Region kommt, und unterstützt das Ziel eines verbesserten Naturkatastrophenmanagements, ist aber befremdet darüber, dass die 2005 geschaffene EU-AKP-Naturkatastrophenfazilität überhaupt nicht erwähnt wird; fordert die Kommission auf, die dauernde und langfristige Einrichtung einer solchen Fazilität zu unterstützen; fordert die Kommission auf, den Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments sowie den Ausschuss für soziale Angelegenheiten und Umwelt der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU regelmäßig über den Verlauf dieses Prozesses zu informieren; verweist auf die Verletzbarkeit der Volkswirtschaften der Karibik-Staaten durch Naturkatastrophen und begrüßt die Ankündigung der Kommission, für Wiederaufbauhilfe neue und schnellere Auszahlungsmodalitäten anzuwenden, die eine vorverpflichtete Finanzierung vorsehen;

20. kritisiert, dass sich die Strategie für die Karibik viel zu wenig mit der Bewältigung des Problems der Jugendarbeitslosigkeit und der wachsenden Frustration unter Jugendlichen beschäftigt; ist besorgt, dass sich diese Situation durch die bevorstehende Krise der karibischen Landwirtschaft noch verschärfen wird;

21. betont, welche Schlüsselrolle dem Ausbau eines nachhaltigen Tourismus für die Wirtschaftsentwicklung zukommt, und empfiehlt, den dafür erforderlichen Infrastrukturaufbau (Straßen, Häfen, Flughäfen usw.) langfristig finanziell zu unterstützen; vermisst bei der Kommission jedoch die Einsicht, dass zu dieser Nachhaltigkeit auch regional und lokal verankertes Eigentum an Tourismusobjekten gehört und dieses gefördert werden muss, um das Abfließen der erzielten Gewinne zu verringern, die Bevölkerung vor Ort nicht in ein reines Dienstbotenverhältnis zu zwingen und zu verhindern, dass es irgendwann zu einer Denaturierung der Landschaft kommt;

22. begrüßt das Angebot der Kommission, die Tür für einen politischen Dialog mit Kuba offen zu halten; kritisiert jedoch die enge Begrenzung eines solchen Dialogs auf der Basis des Gemeinsamen Standpunktes von 1996;

23. weist darauf hin, dass ein erfolgreiches Einwirken der Europäischen Union auf die USA für ein Ende der Embargopolitik erhebliche ökonomische Potenziale für die gesamte Region erschließen könnte; fordert im Sinne einer an den politischen, sozialen, individuellen und ökonomischen Menschenrechten ausgerichteten Politik nachdrücklich die Aufnahme eines kritischen Dialoges mit der kubanischen Regierung;

24. betont die Wichtigkeit der Abstimmung von Entwicklungsvorhaben auch mit außereuropäischen Akteuren in der Region, insbesondere auch Kanada, China, Brasilien und Venezuela, und bedauert in diesem Zusammenhang, dass die Darstellung des Engagements anderer Akteure durch die Kommission eher von Misstrauen geprägt ist;

25. unterstreicht die Heterogenität der Region und empfiehlt eine stärkere Differenzierung in der Kooperationsstrategie; fordert die Kommission vor diesem Hintergrund auf, für jeden karibischen Staat u.a. anhand der Frage, inwieweit Transparenz, starke und unabhängige Institutionen und verantwortungsvolle Regierungsführung gegeben sind, einzeln zu prüfen, ob eine Konzentration auf Budgethilfe die geeignete Methode zum Erreichen der Entwicklungsziele darstellt;

26. verweist ausdrücklich auf die besondere Notlage Haitis und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ein Sonderprogramm für Haiti zu entwickeln, das über die allgemeine Kooperation mit der Karibik hinausgeht und zusätzliche Mittel erfordern wird; begrüßt den allgemein zufrieden stellenden Ablauf der im Februar und April 2006 in Haiti abgehaltenen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen;

27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten sowie den Regierungen und Parlamenten der karibischen Staaten zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 46 vom 24.2.2006, S. 1.
  • [2]  Angenommene Texte, P6_TA(2006)0113.
  • [3]  Das Karibik-Forum der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP-Staaten).
  • [4]  Das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnete Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, ABl. L 317 vom 15.12.2000, S. 3.

BEGRÜNDUNG

Zur zukünftigen Kooperation zwischen der Europäischen Union und der karibischen Region kann sich der Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments zu seinem großen Bedauern erst äußern, nachdem die Kommission ihre Planung veröffentlicht und der Rat am 10. April 2006 seine Schlussfolgerungen gezogen hat. Dieser faktische Ausschluss des Parlaments von der Erarbeitung der Planung bricht mit dem Stil der produktiven Kooperation der Institutionen, der sich in jüngerer Zeit etwa in der Erarbeitung der Strategie für Afrika oder dem Europäischen Konsensus für Entwicklung zu etablieren schien und ist daher zu rügen. Das Parlament kann nun nur Absatz 22 der Schlussfolgerungen des Rates wörtlich nehmen und seine Stellungnahme als ersten Beitrag auf die Einladung des Rates an alle Parteien für einen effektiven Follow-up dieser Schlussfolgerung sehen. Nicht umsonst wird schon in naher Zukunft die Parlamentarische Versammlung von Abgeordneten des Parlaments der Europäischen Union und der Parlamente der AKP-Staaten in der karibischen Region tagen und Gelegenheit zur Beratung einer wirksamen gemeinsamen parlamentarischen Kontrolle der Umsetzung und Effizienz der beschlossenen Kooperationsmaßnahmen finden.

Im Vorfeld des EU-LAC Treffens im Mai 2006 in Wien veröffentlicht, präsentiert der Vorschlag der Kommission wichtige Eckdaten für die übergeordneten Kooperationsziele zwischen der Europäischen Union und der karibischem Region. Einen Ethos von Gleichheit, Partnerschaft und Eignerschaft der zukünftigen Kooperation zwischen diesen beiden Regionen voranzustellen, kann nur die Unterstützung des Europäischen Parlaments finden.

Die Ausformulierung der Strategie vermittelt jedoch mitunter den Eindruck, dass die EU darunter eher die Förderung einer Kopie des europäischen Binnenmarktsmodells und des Aufbruchs in die Dienstleistungsgesellschaft auch in anderen Teilen der Welt versteht. Den karibischen Staaten ist aber besonders daran gelegen, die langjährigen Integrationserfahrungen der EU positiv für ihre eigene Entwicklungs- und Integrations­strategie nutzbar zu machen und dabei nicht einfach die Rolle eines nachholenden Partners zu übernehmen. "Die Förderung eines Wirtschaftswachstums, das sich auf das Humankapital und den Wissensbestand eines Landes stützt, trägt auch dazu bei, die soziale Mobilität für diejenigen zu erhöhen, die von den negativen Folgen der Strukturreformen und des wirtschaftlichen Übergangs betroffen sind." Ist das für die gesamte karibische Region eine realistische Zielsetzung? Sollen Landarbeiter aus der Zuckererzeugung, die in Folge der Reform des europäischen Zuckermarktes ihren Job verlieren, zu Programmierern umgeschult werden?

Es erscheint auch äußerst fraglich, ob die im April 2005 veröffentlichte offizielle Evaluation der regionalen Strategie für die Karibik hinreichend berücksichtigt wurde. Insbesondere die Aspekte Evaluation, Indikatorendefinition und Datenerhebung als nötige Maßnahmen für eine echte Erfolgskontrolle von Investitionen tauchen im Strategiepapier der Kommission erneut kaum auf.

Der von der Kommission vorgestellte Ansatz enthält jedoch in der Mehrzahl richtige Thesen, die in diesem Bericht sinnvoll ergänzt werden sollen.

Heterogenität der Region

Der Ansatz der Kommission und des Rates, CARICOM und CARIFORUM als "zentrale Integrationsachse" bzw. Gremium für die Zusammenarbeit zu begreifen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere die beabsichtigte Ausrichtung der Kooperation an den nationalen und regionalen Entwicklungsstrategien.

Sicherlich ist es auch richtig, gemeinsame Zielsetzungen der Region hervorzuheben und zu fördern.

Die Kooperationsplanung muss jedoch unzulänglich bleiben, wenn sie nicht auch die Unterschiede in den Bedürfnissen, eigenen Entwicklungszielen und Ausgangspositionen akzeptiert und berücksichtigt. Dies gilt nicht nur für den Rahmen der Entwicklungskooperation, sondern auch für die Verhandlungen für ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen. Errechnete Durchschnittswerte für die gesamte Region sollten nicht die realen Unterschiede zwischen Haiti und den Bahamas kaschieren.

Insbesondere für die benachteiligten Länder der Region müssen besondere und zusätzliche Anstrengungen definiert werden, um die Wirksamkeit des Gesamtrahmens nicht zu gefährden. Haiti benötigt eine komplett eigenständige Konzeption.

Verwiesen sei hier ausdrücklich auf Empfehlung 7 des Evaluationsberichts, die Prinzipien des UN Small Island Developing States Network zu berücksichtigen und eine Studie durchführen zu lassen, welche Auswirkungen Handelsliberalisierung und Globalisierung auf die nachhaltige Entwicklung solcher Staaten haben.

Historische Dimension der Partnerschaft

Im Bericht der Kommission heißt es wörtlich:

"Die EU und die Karibik haben traditionell ein enges Verhältnis, das sich vor allem auf ein Erbe der Geschichte, gemeinsame Werte, Wirtschafts- und Handelskooperation und ein beachtliches Handelsvolumen stützt. Die Kolonisierung der Karibik vor allem durch Großbritannien, Frankreich, Spanien und die Niederlande reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück."

So eine euphemistische Schilderung der Kolonialgeschichte möchte man 2006 eigentlich nicht mehr in einem Dokument der Europäischen Kommission lesen müssen.

Richtig wäre die Erwähnung, dass bis heute keine Entschädigung für eine Geschichte der Versklavung, der Verschleppung, der Ausrottung indigener Bevölkerung und der den Aufstieg Europas begründenden Plünderung der Ressourcen der Region geleistet wurde. Wichtig wäre auch die Erwähnung, dass gerade in der Phase der Entkolonialisierung die Sicherung der Lieferung von Zucker, Bananen und Rum nach Europa gestützt durch steuerfinanzierte Präferenzsysteme erst zu jenen Monokulturen und Abhängigkeiten geführt hat, die heute Bemühungen um eine Diversifizierung der Wirtschaftslandschaft der Region so wichtig machen.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund sollte sich die Europäische Union verpflichtet fühlen, in erheblich gesteigertem Masse Konversionshilfen für landwirtschaftliche Betriebe zu leisten, insbesondere unter Einbeziehung von Strategien zur Ernährungssicherheit und zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energieressourcen.

CSME

Die selbst bestimmte Schaffung des gemeinsamen karibischen Markts und Wirtschaftsraums (CSME) durch den Großteil der CARICOM Staaten als Element der regionalen Integration ist sehr zu begrüßen, ebenso wie das Vorhaben der Europäischen Union, den Auf- und Ausbau dieses Raumes zu unterstützen. Mit dem CSME steht der karibischen Region nun ein Instrument zur Verfügung, das den intraregionalen Handel fördern wird.

Gerade vor diesem Hintergrund sollte die EU bei den WPA Verhandlungen dringend darauf achten, den neu geschaffenen Wirtschaftsraum nicht durch zu große externe Liberalisierungsbelastungen zu gefährden, geschweige denn die Eignerschaft an dieser Schaffung durch Fremdbestimmungsklauseln zur Investitionssicherheit in Frage zu stellen.

Die von der Kommission getroffene Aussage, erst der WPA-Prozess würde für die karibische Integration einen auf Regeln basierenden Rahmen liefern, ignoriert das bereits geschaffene Regelwerk im CSME und wirkt in diesem Kontext arrogant.

Andere Akteure in der Region

Die in Anhang II präsentierte und sehr verkürzte Bewertung der Aktivitäten und Interessen anderer Akteure in der karibischen Region wirkt durchgängig eher von Misstrauen geprägt, denn von der Suche nach möglichen Synergien und der Schaffung von Kohärenz. Die Einsicht, wie wichtig beides in der Abstimmung der Hilfen der Europäischen Union und ihrer eigenen Mitgliedstaaten ist, verliert jedoch auch in Bezug auf außereuropäische Akteure wie Brasilien, China, Kanada oder Venezuela nicht an Wahrheit. Unter Federführung von CARICOM/CARIFORUM und unter Einbeziehung der ACS sollte ein Forum zur Koordinierung des Engagements dieser verschiedenen Akteure mit jenem der EU und ihren Mitgliedstaaten geschaffen werden.

Kuba

Mit dem bloßen Bezug auf den inzwischen 10 Jahre alten Standpunkt der EU bezüglich ihres Verhältnisses zu Kuba verpassen Kommission und Rat eine Gelegenheit. Weder werden die früheren bilateralen Kooperationserfahrungen der Mitgliedstaaten Frankreich und Spanien evaluiert, noch die aktuellen Erfahrungen der belgischen Regierung, noch die Bedeutung kubanischer Entwicklungskooperation mit anderen Ländern der Region und darüber hinaus gewürdigt. Der Wunsch sämtlicher karibischer Partnerstaaten nach Beendigung des für die Entwicklung der gesamten Region schädlichen US-Embargos gegen Kuba wird nicht aufgegriffen.

Die Kommission unterlässt es, jene besonders erfolgreichen Konzepte der kubanischen Entwicklungskooperation zu analysieren und aus ihnen zu lernen, die beispielsweise auf dem Gebiet der medizinischen Versorgung, Kuba zu einem stetig wachsenden Ansehen bei seinen Nachbarn und darüber hinaus verhelfen.

Die EU, die für die Entwicklung der Beziehungen zu Kuba eine eigene Verantwortung trägt, droht hier, den Wandel des politischen Klimas in der Region zu verschlafen und eine Gelegenheit zu versäumen, in einen Dialog zu treten, in dem auch kontroverse Themen wie die Ausübung politischer Individualrechte, die Informationsfreiheit und die Todesstrafe konstruktiv angesprochen werden könnten.

Die von der Kommission beschriebene "offene Tür" für einen politischen Dialog ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, jedoch nicht ausreichend, da sie sich strikt auf die Gemeinsame Position von 1996 bezieht und damit eigentlich nur noch Maßnahmen der humanitären Hilfe ermöglicht. Die Rückkehr zu Zusammenarbeit und Dialog stellt aus dieser Perspektive die bessere Option dar. Als Beispiel könnte Kanada gelten, das schon lange seine Kuba-Politik nach den Prinzipien des konstruktiven Engagements ausrichtet.

Umwelt

Die Aufnahme der Kooperation bei wichtigen Aufgaben des Umweltschutzes in die Entwicklungszusammenarbeit ist uneingeschränkt zu begrüßen.

Hinzugefügt werden sollte allerdings der Erkenntnisstand, dass in Folge des globalen Klimawandels die Häufigkeit und Stärke von Wetterkatastrophen in der Region sogar noch steigen werden. Die EU sollte sich daher aufgefordert sehen, nicht nur einer betroffenen Region immer wieder beim Wiederaufbau zu helfen, sondern verstärkt ihren eigenen Emissionsbeitrag reduzieren. Zudem ist ein Technologietransfer notwendig, der erfolgreiche regionale Entwicklung in der Karibik nicht gleichzeitig zu entsprechend erhöhter Emissionsbelastung des Weltklimas werden lässt.

Im Dokument der Kommission fehlt zudem der Aspekt der besonderen und besonders gearteten Gefährdung der Inselstaaten der karibischen Partnerregion durch ein Ansteigen des Meeresspiegels.

Jugend

Das Vorhaben der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, im Nachgang zu dem Gipfeltreffen EU-LAK "der Schaffung eines Europa, Lateinamerika und die Karibik umfassenden gemeinsamen Raums der Hochschulbildung Priorität" einzuräumen, ist ein wichtiger und Erfolg versprechender Ansatz.

Er wird jedoch nur einen begrenzten Teil der karibischen Jugend erreichen. Da 60 Prozent der Bevölkerung der Region unter 30 Jahren alt sind, sollte die gesamte Entwicklungskooperation erheblich stärker auf diese Generation ausgerichtet werden und die große Zahl junger Menschen als Chance begreifen. Frustration aus anhaltender Armut und Perspektivlosigkeit können den sozialen Zusammenhalt andernfalls gefährden. Die Masse dieser Jugendlichen zu Universitätsabschlüssen zu führen ist in absehbarer Zeit nicht möglich. Es ist daher dringend notwendig, bei wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien auch die Schaffung von Erwerbs- und Einstiegsmöglichkeiten für geringer Qualifizierte zu schaffen.

Jugendarbeitslosigkeit wird jedoch leider in der Strategie der Kommission nicht thematisiert.

Nachhaltiger Tourismus

Die Kommission stellt zu Recht fest, dass die landschaftliche Schönheit der Region zu ihren größten Schätzen gehört und der Ausbau von nachhaltigem Tourismus eine echte Option darstellt. Diese Nachhaltigkeit kann sich jedoch nicht nur auf die Umwelt beziehen. Eine Tourismusbranche, in der nur große externe Investoren und Hotelketten die Hotels bauen und bewirtschaften und den Profit auch wieder außer Landes transportieren, kann nicht als nachhaltig bezeichnet werden. Sie degradiert die einheimische Bevölkerung zu einer Dienstbotengesellschaft.

Förderungen durch die Europäische Investitionsbank und andere Strukturen müssen daher weit stärker auf den Aufbau einer inländischen Gastronomie- und Tourismusbranche abzielen.

VERFAHREN

Titel

Partnerschaft zwischen der EU und der Karibik zur Förderung von Wachstum, Stabilität und Entwicklung

Verfahrensnummer

2006/2123(INI)

Federführender Ausschuss
  Datum der Bekanntgabe der Genehmigung im Plenum

DEVE
15.6.2006

Mitberatende(r) Ausschuss/Ausschüsse
  Datum der Bekanntgabe im Plenum

INTA
15.6.2006

 

 

 

 

Nicht abgegebene Stellungnahme(n)
  Datum des Beschlusses

INTA
18.4.2006

 

 

 

 

Verstärkte Zusammenarbeit
  Datum der Bekanntgabe im Plenum

 

 

 

 

 

Berichterstatter
  Datum der Benennung

Gabriele Zimmer
21.3.2006

 

Ersetzte(r) Berichterstatter(in/innen)

 

 

Prüfung im Ausschuss

29.5.2006

 

 

 

 

Datum der Annahme

30.5.2006

Ergebnis der Schlussabstimmung

+

-

0

25

1

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Margrete Auken, Margrietus van den Berg, Danutė Budreikaitė, Marie-Arlette Carlotti, Thierry Cornillet, Michael Gahler, Hélène Goudin, Glenys Kinnock, Gay Mitchell, Luisa Morgantini, José Javier Pomés Ruiz, Horst Posdorf, Pierre Schapira, Frithjof Schmidt, Jürgen Schröder, Feleknas Uca, Mauro Zani

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellvertreter(in/innen)

Milan Gaľa, Ana Maria Gomes, Alain Hutchinson, Linda McAvan, Manolis Mavrommatis, Godelieve Quisthoudt-Rowohl, Zbigniew Zaleski, Gabriele Zimmer

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

María Isabel Salinas García

Datum der Einreichung

15.6.2006

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