BERICHT über den Schutz des natürlichen, architektonischen und kulturellen Erbes Europas in den ländlichen Gebieten und den Inselregionen

20.7.2006 - (2006/2050(INI))

Ausschuss für Kultur und Bildung
Berichterstatter: Nikolaos Sifunakis

Verfahren : 2006/2050(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0260/2006
Eingereichte Texte :
A6-0260/2006
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zum Schutz des natürlichen, architektonischen und kulturellen Erbes Europas in den ländlichen Gebieten und den Inselregionen

(2006/2050(INI))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf Artikel 151 des EG-Vertrags,

–   unter Hinweis auf das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 3. Oktober 1985 zum Schutz des architektonischen Erbes Europas (Granada),

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 16. Januar 1992 zum Schutz des archäologischen Erbes (Valletta),

–   unter Hinweis auf das Landschaftsübereinkommen des Europarats vom 20. Oktober 2000 (Florenz),

–   unter Hinweis auf die Rahmenkonvention des Europarats vom 27. Oktober 2005 über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (Faro),

–   unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 13. Mai 1974 zum Schutz des europäischen kulturellen Erbes[1], vom 14. September 1982 zur Erhaltung des europäischen architektonischen und archäologischen Erbes[2], vom 28. Oktober 1988 zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes der Gemeinschaft[3], vom 12. Februar 1993 zur Erhaltung des architektonischen Erbes und zum Schutz der Kulturgüter[4] und vom 16. Januar 2001 zur Umsetzung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt in den Staaten der Europäischen Union[5],

–   unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 508/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Februar 2000 über das Programm „Kultur 2000“[6],

–   unter Hinweis auf den am 25. Oktober 2005 in erster Lesung festgelegten Standpunkt des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die Annahme des Beschlusses Nr. …/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Programm Kultur (2007-2013)[7],

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Kultur und Bildung (A6‑0260/2006),

A. in der Erwägung, dass das Kulturerbe ein Schlüsselelement der Identität und der historischen Entwicklung der Völker Europas bildet,

B.  in der Erwägung, dass das „Kulturerbe“ sowohl materielle als auch immaterielle Elemente umfasst, die sich inhaltlich ständig erweitern, da jede Generation schöpferisch tätig ist und so auf ihre eigene Art und Weise zur Kultur beiträgt,

C. in der Erwägung, dass das Kulturerbe sowohl das architektonische als auch das natürliche Erbe umfasst, das in Zeit und Raum durch die traditionelle Lebensweise des Menschen geprägt wurde,

D. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union der Förderung und Wahrung der kulturellen Vielfalt und der Lebensqualität sowie dem Schutz der Umwelt verschrieben hat,

E.  in der Erwägung, dass die Erhaltung des umfangreichen kulturellen Erbes die Grundlage für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung bildet und somit den Umweltschutz, die Beschäftigung und die europäische Integration fördert,

F.  in Anbetracht der besonderen Bedeutung des Kulturerbes im ländlichen Raum, auf den 90 % des europäischen Territoriums entfallen und der von Landflucht, Bevölkerungsrückgang und wirtschaftlichem Niedergang betroffen ist,

G. in der Erwägung, dass die Inselregionen Europas, und insbesondere die kleinen Inseln, ihren Charakter weitgehend unverfälscht erhalten haben und dass ihr wichtiges kulturelles Erbe in besonderer Weise unterstützt, geschützt und gefördert werden muss,

H. in der Erwägung, dass über die Denkmalarchitektur hinaus auch andere kulturell wertvolle Werke erhalten und in die Entwicklung einbezogen werden müssen, mit dem Ziel der Ausgestaltung und Ermöglichung angemessener Lebensbedingungen für die heutige Bevölkerung der EU,

I.   in der Erwägung, dass das Kulturerbe Europas in seiner Gesamtheit, unabhängig von seiner europäischen, nationalen oder lokalen Dimension, von grundlegender Bedeutung für die europäischen Bürger ist,

1.  ersucht den Rat, den Beitrag des Kulturerbes zur Integration Europas im Hinblick auf die europäische Identität und europäische Bürgerschaft, die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung, den interkulturellen Dialog und die kulturelle Vielfalt ausdrücklich anzuerkennen;

2.  ersucht die Kommission, bei der Ausarbeitung ihrer Legislativvorschläge die Horizontalklausel zur Kultur in Artikel 151 Absatz 4 des EG-Vertrags wirksam umzusetzen, indem sie eingehend die Auswirkungen der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften auf die Kultur und das Kulturerbe prüft, damit Maßnahmen, die dem Kulturerbe förderlich sind, in alle Unionspolitiken einbezogen werden;

3.  ist der Auffassung, dass das kulturelle Erbe als unteilbares Ganzes begriffen werden muss, das die Ergreifung gemeinsamer Schutzmaßnahmen gebietet;

4.  betont, dass die nachhaltige Entwicklung ein umfassendes Konzept für das kulturelle, natürliche und architektonische Umfeld, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum, voraussetzt, betont jedoch, dass die Dimension des europäischen Kulturerbes im ländlichen Raum besondere Aufmerksamkeit verdient;

5.  betont ferner, dass besonderes Augenmerk zu richten ist auf den Schutz und die Förderung des natürlichen und architektonischen Kulturerbes in den Inselregionen Europas;

6.  ist der Auffassung, dass die Interventionsmaßnahmen im ländlichen Raum und in den Inselregionen den folgenden Grundsätzen Rechnung tragen müssen:

     –   nachhaltiges Gleichgewicht zwischen Bevölkerung und Umwelt,

     –   integrierte Betrachtungsweise des traditionellen ländlichen Raumes,

–   Beteiligung der lokalen Bevölkerung an Ausarbeitung und Umsetzung politischer Maßnahmen und Berücksichtigung der Standpunkte der Bevölkerung bei der zentralen Planung,

–   ständiger Dialog mit sozialen, privaten und Freiwilligenorganisationen, die aktiv an der Wahrung des Kulturerbes beteiligt sind;

7.  ermuntert die Europäische Union, die Mitgliedstaaten, die örtlichen Behörden und die im Kulturbereich tätigen Nichtregierungsorganisationen, Initiativen zur Erhaltung und Valorisierung des europäischen Kulturerbes zu ergreifen und auch die Öffentlichkeit für die Bedeutung des Kulturerbes zu sensibilisieren - und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltung, Restaurierung und Valorisierung kleiner traditioneller Siedlungen;

8.  ist der Auffassung, dass zur Förderung insbesondere dieses Sektors unter gebührender Beachtung des Subsidiaritätsprinzips folgende Punkte zu berücksichtigen sind:

     –   systematische Untersuchung des Kulturerbes im ländlichen Raum,

–   Ausarbeitung eines geeigneten Rechtsrahmens für den Schutz dieses Kulturerbes, einschließlich der Schaffung von Anreizen für die Erhaltung traditioneller Gebäude und Siedlungen sowie der Ergreifung von Maßnahmen, die sicherstellen, dass neue Bauprojekte mit nahe gelegenen historischen Bauten und der örtlichen Architektur in Einklang stehen,

     –   finanzielle Unterstützung für die Restaurierung lokaler Denkmäler und die           Beibehaltung traditioneller landwirtschaftlicher Arbeitsweisen,

–    Gewährleistung von Restaurierungsmaßnahmen in traditionellen Siedlungen im Rahmen eines Gesamtkonzepts und mit dem Ziel, die ursprünglichen architektonischen Formen wieder herzustellen, einschließlich der angemessenen Verwendung moderner Materialien und moderner Stützstrukturen in einer Art und Weise, die den Charakter der historischen Bauten wahrt,

–    Erhaltung des örtlichen Know-hows und traditioneller Berufsbilder;

9.  fordert die Mitgliedstaaten und die lokalen Behörden auf, wo notwendig, entsprechende Anreize für den völligen oder partiellen Abriss oder Umbau von Gebäuden zu schaffen, die insbesondere mit dem architektonischen Gesamtbild der Siedlung oder der Region, in der sie errichtet wurden, aber auch mit der natürlichen Umwelt nicht in Einklang stehen oder diese verschandeln;

10. ersucht die Mitgliedstaaten, in Zusammenarbeit mit der Kommission den Schutz und die Erhaltung ihres Kulturerbes über die Strukturfonds und die bestehenden Gemeinschaftsinitiativen LEADER+, URABN II, INTERREG III, die im kommenden Haushaltszeitraum (2007-2013) in die neuen Finanzinstrumente der Kohäsionspolitik und der gemeinsamen Agrarpolitik einbezogen werden, zu fördern;

11. fordert die Mitgliedstaaten auf, zu berücksichtigen, dass die Politik finanzieller Anreize mit den Akteuren der zentralen und lokalen Verwaltung und anderen Stellen und Einrichtungen auf lokaler Ebene (ohne zu vergessen, dass der Hauptteil des klassifizierten Erbes religiösen Ursprungs ist) koordiniert werden muss, und zwar stets in dem Bemühen, die ökologische und kulturelle Qualität der betreffenden Stätten zu erhalten und zu fördern;

12. ermuntert die Mitgliedstaaten, die Entwicklung des alternativen nachhaltigen Tourismus zu fördern und zu unterstützen, indem sie kleinen traditionellen Siedlungen durch Zuschüsse aus gemeinschaftlichen Finanzinstrumenten wie dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Europäischen Agrarfonds für ländliche Entwicklung, dem Europäischen Fischereifonds u.a., Vorrang einräumen;

13. fordert die Kommission auf, im Rahmen bereits existierender Programme wie beispielsweise des Programms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation entsprechende Initiativen zu fördern, die handwerkliche, kunsthandwerkliche und andere Berufszweige unterstützen, insbesondere, wenn deren Fortbestand gefährdet ist oder wenn sie für die Erhaltung und angemessene Restaurierung von Denkmälern des Kulturerbes unersetzlich sind;

14. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Ausbildungsmaßnahmen für Personen zu fördern, die in den Bereichen Raumnutzung und -management, Architektur, Restaurierung und Reparatur von Gebäuden sowie in anderen einschlägigen Berufssparten tätig sind, um so die Besonderheiten des Kulturerbes zu erhalten und es gleichzeitig an moderne Ansprüche anzupassen; fordert ferner die Ergreifung von Maßnahmen zur Ausbildung von Handwerkern und Lieferanten traditioneller Baustoffe und die Anwendung von Methoden, die die fortgesetzte Verwendung dieser traditionellen Baustoffe garantieren;

15. fordert die Kommission auf, im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013) alle Bemühungen zu unterstützen, die sich auf die Entwicklung neuer Instrumente, Techniken und Verfahren zur Erhaltung des Kulturerbes beziehen;

16. ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass aus Gemeinschaftsmitteln keine Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich zur Zerstörung wichtiger Bestandteile des Kulturerbes führen;

17. fordert die Kommission auf, im Rahmen bestehender Gemeinschaftsprogramme Maßnahmen zu verabschieden, die besseren Zugang ermöglichen, Anreize für Kleinunternehmen bieten, traditionelle Handwerke und lokale Sitten und Gebräuche fördern und sich dabei auf eine breit angelegte Werbekampagne für die im Landesinneren der Mitgliedstaaten gelegenen Dörfer und Stätten stützen, um entscheidend zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft beizutragen und um die Landflucht zu stoppen;

18. fordert die Kommission auf, internationale Kongresse und Sitzungen einzuberufen, um Erfahrungen zu schildern und auszutauschen;

19. ersucht die Kommission, insbesondere im Rahmen der mehrjährigen Kooperationspläne des Programms Kultur (2007-2013), Netzwerken, denen Partner aus verschiedenen Mitgliedstaaten angehören, die Möglichkeit zur Durchführung mehrjähriger Projekte zu geben, die der Förderung vollständig wieder aufgebauter traditioneller Siedlungen, gegebenenfalls mit weniger als 1000 Einwohnern, dienen;

20. ist der Auffassung, dass im Rahmen derartiger Projekte kulturelle Maßnahmen vorgesehen werden könnten, die darauf ausgerichtet sind, das kulturelle Erbe dieser Siedlungen zu fördern, mit dem übergeordneten Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den traditionellen Siedlungen in Europa zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre lokalen kulturellen Besonderheiten ebenso wie ihre europäische Dimension zu entfalten;

21. wünscht sich, dass in Zukunft eine Maßnahme zugunsten kleiner traditioneller Siedlungen ergriffen wird – nach dem Beispiel der Initiative für die europäischen Kulturhauptstädte;

22. ist der Auffassung, dass der von „Europa Nostra“ verliehene „Preis der Europäischen Union für kulturelles Erbe“ eine wichtige Maßnahme darstellt, die auch in Zukunft fortgeführt werden muss; ist der Ansicht, dass im Rahmen dieses Preises und eines breiteren Kontextes eine neue Preiskategorie für den besten vollständigen Wiederaufbau einer traditionellen Siedlung eingeführt werden sollte, um Siedlungen, die ihr charakteristisches, architektonisches Kulturerbe ganz oder teilweise erhalten haben, Anreize zu ihrer weiteren Förderung zu geben;

23. begrüßt den jüngsten Vorschlag im Rahmen des Rats betreffend die Erstellung einer Inventarliste des europäischen Kulturerbes und fordert die Kommission auf, diese Initiative zu unterstützen; ist ferner der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang vor allem dem lokalen Kulturerbe in ländlichen Gebieten und Inselregionen besondere Bedeutung beigemessen werden sollte, vor allem auch unter Berücksichtigung der nicht materiellen Elemente des Kulturerbes; ist der Auffassung, dass Kandidatenländer ebenfalls aufgefordert werden sollten, sich an dieser Initiative zu beteiligen;

24. ersucht den Rat und die Kommission, ein „Europäisches Jahr für Kulturerbe“ auszurufen, um die europäischen Bürger für die Bedeutung zu sensibilisieren, die der Förderung ihres kulturellen Erbes zukommt, und die geeigneten Maßnahmen vorzuschlagen;

25. ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, mit dem Europarat zusammenzuarbeiten, damit bei den Europäischen Tagen des Kulturerbes (Journées européennes du patrimoine) die Förderung der traditionellen Siedlungen und des kulturellen Erbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen stärker in den Mittelpunkt gerückt wird, um den europäischen Bürgern den Wert der lokalen und regionalen Identitäten bewusst zu machen, die sich unter anderem in den zum architektonischen Kulturerbe gehörenden Gebäuden und Denkmälern widerspiegeln;

26. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 62 vom 30.5.1974, S. 5.
  • [2]  ABl. C 267 vom 11.10.1982, S. 25.
  • [3]  ABl. C 309 vom 5.12.1988, S. 423.
  • [4]  ABl. C 72 vom 15.3.1993, S. 160.
  • [5]  ABl. C 262 vom 18.9.2001, S. 48.
  • [6]  ABl. L 63 vom 10.3.2000, S. 1.
  • [7]  An diesem Tag angenommene Texte, P6_TA(2005)0397.

BEGRÜNDUNG

1. Für eine Gesamtstrategie der Europäischen Union für das Kulturerbe

Die Europäische Union wird das Ziel einer gemeinsamen europäischen Identität nur erreichen, wenn die Bürger zu der Überzeugung gelangen, dass sie eine gemeinsame Kultur teilen. Deshalb ist es notwendig, dass die Unionspolitik der Anerkennung des gemeinsamen natürlichen und architektonischen Kulturerbes und dessen Erhaltung für die künftigen Generationen als Bestandteil der gemeinsamen Vergangenheit und Quelle der Inspiration für die Zukunft Vorrang einräumt.

Die Erhaltung und Valorisierung des Kulturerbes muss als integrierender Bestandteil der allgemeinen Ziele der Union, wie sie in Artikel 2 des EG-Vertrags verankert sind, betrachtet werden.

Ferner muss die Union ein Gesamtkonzept für das kulturelle Erbe entwickeln, indem in alle Politikbereiche Maßnahmen zur Erhaltung dieses Erbes einbezogen werden.

Artikel 151 Absatz 4 des EG-Vertrags bestimmt Folgendes: „Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen“ und verleiht damit der Kultur eine horizontale Funktion, die alle Unionspolitiken durchdringt. Dies ist von Bedeutung insbesondere für das Kulturerbe, das seinem Wesen nach in der Agrar-, der Regional- und der Umweltpolitik ebenso wie in den Forschungs-, Bildungs- und sonstigen EU-Politiken berücksichtigt werden muss.

Diese Horizontalklausel des Vertrags ist das Schlüsselelement für den wirksamen Beitrag der institutionellen Organe der Union zur Erhaltung des Kulturerbes.

Unter diesem Gesichtspunkt muss bei der Ausarbeitung von Legislativvorschlägen der Kommission von der zuständigen Generaldirektion Bildung und Kultur der Kommission größere Sorgfalt auf die Abschätzung der Folgen der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften für die Kultur und das Kulturerbe gelegt werden, damit die horizontale Dimension der Kultur in den Unionspolitiken korrekter umgesetzt wird.

2. Anerkennung des Kulturerbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen

Ziel des Berichts ist es, auf die Besonderheit und die Bedeutung des natürlichen und architektonischen Kulturerbes Europas hinzuweisen, indem insbesondere die vielfältigen Nutzeffekte für die Gesellschaft, die Umwelt, die Wirtschaft und die europäische Integration berücksichtigt werden.

Der Bericht will insbesondere das Augenmerk auf jene Dimension des Kulturerbes richten, die weniger bekannt ist und deshalb stärkeren Schutz benötigt, und zwar auf das europäische Kulturerbe im ländlichen Raum und in den Inselregionen, unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltung kleiner traditioneller Siedlungen.

Auf die ländlichen Regionen entfallen etwa 90 % des erweiterten Europas und sie stellen ein wertvolles Reservoir an wildlebenden Tieren und Pflanzen und kulturellen Ressourcen dar. Dennoch spiegeln viele politische Maßnahmen, die den ländlichen Raum betreffen, die Besonderheiten und die Bedürfnisse dieses Raumes nicht in ausreichender Form wider. Das rasche Anwachsen der Städte hat neben den wirtschaftlichen Folgen auch Auswirkungen auf die Umwelt, auf die gesellschaftliche und kulturelle Dynamik sowie auf das kulturelle Erbe des ländlichen Raumes, das einen wichtigen Bestandteil der kollektiven europäischen Erinnerung und eine Quelle der Kreativität darstellt.

Gegenwärtig besteht die Tendenz, Maßnahmen auf jene Bereiche zu konzentrieren, in denen sich das Kulturerbe als am interessantesten erweist: auf die schönsten Denkmäler, die am besten erhaltenen alten Städte, die bedeutenden historischen und archäologischen Stätten. Im vorliegenden Bericht wird betont, dass einerseits der Schutz dieser Stätten weitergeführt werden muss, dass es andererseits aber auch darauf ankommt, die gleiche Aufmerksamkeit auf die Entwicklung von Politiken für das ländliche Umfeld und die Inselregionen Europas, und hier insbesondere die kleinen traditionellen Siedlungen, zu richten.

Insbesondere sei betont, dass dieses bedeutende Kulturerbe kontinuierlich beeinträchtigt wird durch die gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen, die modernen landwirtschaftlichen Betriebsmethoden, die zügellose wirtschaftliche Ausbeutung, die maßlose Ausdehnung der Wohnbebauung und die menschliche Gleichgültigkeit.

Deshalb muss die Bedeutung von Flora und Fauna ins Bewusstsein gerufen und die Notwendigkeit einer langfristigen Pflege des Kulturerbes im ländlichen Raum zum Nutzen der Lebensqualität aller europäischen Bürger anerkannt werden.

Eine wirksame Politik in diesem Bereich muss auf den folgenden Grundsätzen beruhen:

a) nachhaltiges Gleichgewicht zwischen Bevölkerung und Umwelt,

b) umfassendes Handlungskonzept für den traditionellen ländlichen Raum unter Abkehr von streng sektoralen Politiken und in Absprache mit den zentralen Behörden und der lokalen Bevölkerung,

c) Beteiligung der lokalen Bevölkerung an Gestaltung und Durchführung politischer Maßnahmen sowie Ausgleich zwischen den Standpunkten der Bevölkerung und den zentralen Planungen.

3. Schutz und Förderung des Kulturerbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen

Der Bericht enthält konkrete Vorschläge dahingehend, dass die Kommission, die Mitgliedstaaten, die lokalen Behörden sowie die im Kulturbereich tätigen Nichtregierungsorganisationen spezifische Maßnahmen zur Erhaltung und Valorisierung des natürlichen und architektonischen Kulturerbes Europas ergreifen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung des ländlichen Raums, der Inseln und der kleinen traditionellen Siedlungen.

Im Bericht werden u.a. die folgenden Maßnahmen vorgeschlagen:

- systematische Erfassung des Kulturerbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen,

- Ausarbeitung eines geeigneten Rechtsrahmens zum Schutz dieses Kulturerbes,

- finanzielle Unterstützung für Restaurierungsmaßnahmen bei örtlichen Denkmälern und für die Fortführung traditioneller landwirtschaftlicher Methoden,

- integrierte Restaurierungsmaßnahmen in traditionellen Siedlungen mit dem Ziel, deren ursprüngliche architektonische Form wiederherzustellen und spätere Eingriffe, die nicht mit diesem Ziel zu vereinbaren sind, zu korrigieren,

- Ausbildung von Fachkräften, die mit der Nutzung und Pflege des Raums, der Architektur, der Restauration und damit zusammenhängenden Tätigkeiten befasst sind, damit sie erkennen, auf welche Art und Weise die Besonderheiten des Erbes erhalten und gleichzeitig an die heutigen Bedürfnisse angepasst werden können,

- Ausbildung und Förderung von Handwerkern und Materiallieferanten sowie die Anwendung von Methoden zur Wiederverwendung dieser Materialien.

4. Maßnahmen auf Unionsebene

Da die Gemeinschaftsprogramme im Bereich Kultur finanziell nur unzureichend ausgestattet sind, müssen zusätzliche Mittel für die Erhaltung des Kulturerbes im Rahmen anderer Gemeinschaftsinstrumente beantragt werden.

Die Dimension des Kulturerbes muss deshalb verstärkt und vollständig in die Politiken und Finanzinstrumente der Europäischen Union, wie z.B. die gemeinsame Agrarpolitik, die Forschungs- und die Kulturpolitik usw., einbezogen werden.

a) Gemeinsame Agrarpolitik

Die ländliche Entwicklung ist zum zweiten Pfeiler der neuen gemeinsamen Agrarpolitik der Gemeinschaft geworden. Die Verbesserung der Umwelt, der Landschaft und der Lebensqualität im ländlichen Raum ist in den Beschluss des Rates über die Leitlinien der Gemeinschaft für die ländliche Entwicklung im Zeitraum 2007-2013 einbezogen worden.

Die Gemeinschaftsinitiative LEADER+, die im kommenden Finanzzeitraum (2007-2013) in den Europäischen Agrarfonds für die ländliche Entwicklung einbezogen werden wird, hat einen wichtigen Beitrag zur Förderung des kulturellen und architektonischen Erbes im ländlichen Raum geleistet.

Auch die Entwicklung des ländlichen Tourismus, die eines der Ziele des Europäischen Agrarfonds für die ländliche Entwicklung darstellt, kann zum Schutz und zur Förderung des Kulturerbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen beitragen.

Nach Auffassung des Berichterstatters sollten die Mitgliedstaaten in Zukunft besseren Gebrauch von den Finanzmitteln im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik machen.

b. Kohäsionspolitik

Eine herausragende Rolle für die Erhaltung und Förderung des Kulturerbes spielen auch die Strukturfonds zusammen mit den bestehenden Gemeinschaftsinitiativen URBAN II und INTERREG III, die im kommenden Finanzzeitraum (2007-2013) in die neuen Finanzinstrumente der Kohäsionspolitik einbezogen werden.

Dennoch sei betont, dass der Einsatz der Strukturfonds für die Unterstützung von Vorhaben zugunsten des Kulturerbes von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich ist. Länder wie Griechenland und Portugal haben im Rahmen der Gemeinschaftlichen Förderkonzepte operationelle Programme speziell für den Kulturbereich gestartet, während andere Länder ein derartiges Interesse nicht unter Beweis gestellt haben.

Deshalb wird es als zweckmäßig erachtet, die Mitgliedstaaten zur Verwendung der Strukturfonds zugunsten ihres Kulturerbes zu ermuntern.

c) Das Programm „Kultur“ (2007-2013)

Das Programm „Kultur 2000“ hat bislang in großem Umfang Maßnahmen zur Erhaltung des Kulturerbes unterstützt. Das Programm verfügt allerdings über begrenzte Möglichkeiten und Finanzmittel und kann darüber hinaus keine Vorhaben zur Restaurierung von Gebäuden oder Denkmälern bezuschussen.

Deshalb ist es angebracht, nach neuen Möglichkeiten im Rahmen des neuen Programms „Kultur“ (2007-2013) zu suchen.

Da im Rahmen der mehrjährigen Kooperationsvorhaben des Programms „Kultur“ für Netzwerke von Partnern aus verschiedenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit besteht, mehrjährige Projekte vorzulegen, könnte die Möglichkeit geprüft werden, ein Netzwerk z.B. von fünf oder mehreren Dörfern (traditionelle vollständig restaurierte Dörfer mit weniger als 1000 Einwohnern) einzurichten.

In diesem Fall könnte die Durchführung kultureller Maßnahmen zur Förderung des Kulturerbes dieser Siedlungen vorgesehen werden, wobei das oberste Ziel darin bestünde, die Zusammenarbeit zwischen den traditionellen Siedlungen in Europa zu verstärken und die Möglichkeit zur Förderung ihrer lokalen kulturellen Besonderheiten und ihrer europäischen Dimension zu schaffen.

5. Maßnahmen im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Europarat

Der Europarat spielt mit seinen zahlreichen Tätigkeiten, von denen viele in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union erfolgen, eine wichtige Rolle bei der Erhaltung des europäischen Kulturerbes.

Als Beispiel sei die Einrichtung der Europäischen Tage des Kulturerbes (Journées européennes du patrimoine) genannt, an denen Denkmäler und Stätten, die während des Jahres normalerweise geschlossen bleiben, für die Öffentlichkeit zugänglich sind. In diesem Zusammenhang könnte der Aspekt verstärkt werden, der auf die Förderung der traditionellen Siedlungen und des architektonischen Erbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen abzielt, um auf diese Weise bei den europäischen Bürgern das Bewusstsein für den Wert der lokalen Denkmäler zu verstärken.

Der Europarat hat zahlreiche Übereinkommen zum Schutz des kulturellen, archäologischen und architektonischen Erbes Europas verabschiedet, und die Europäische Union und die Mitgliedstaaten müssen diese wichtigen Errungenschaften des Europarats berücksichtigen und ihre Zusammenarbeit gemäß Artikel 151 Absatz 3 des EG-Vertrags vertiefen.

6. Andere Maßnahmen

Das Kulturerbe Europas kann schließlich auch mit anderen spezifischen Maßnahmen gefördert werden wie zum Beispiel:

a) Einrichtung eines Europäischen Jahres für Kulturerbe mit dem Ziel, die europäischen Bürger durch Förderung geeigneter Maßnahmen für die Bedeutung des europäischen Kulturerbes zu sensibilisieren,

b) im Rahmen des „Preises der Europäischen Union für Kulturerbe“, der von EUROPA NOSTRA verliehen wird, könnte eine neue Preiskategorie für die beste Gesamtrestaurierung einer traditionellen Siedlung eingeführt werden. Ein derartiger Preis könnte für Siedlungen, die ihre traditionellen Siedlungsmerkmale ganz oder teilweise erhalten haben, einen wichtigen Anreiz darstellen, Anstrengungen zu deren Förderung zu unternehmen.

VERFAHREN

Titel

Schutz des natürlichen, architektonischen und kulturellen Erbes Europas in den ländlichen Gebieten und den Inselregionen

Verfahrensnummer

2006/2050 (INI)

Rechtsgrundlage

Artikel 45

Federführender Ausschuss
  Datum der Bekanntgabe der Genehmigung im Plenum

CULT
16.3.2006

Mitberatende(r) Ausschuss/Ausschüsse
  Datum der Bekanntgabe im Plenum

REGI
16.3.2006

 

 

 

 

Nicht abgegebene Stellungnahme(n)
  Datum des Beschlusses

REGI
20.4.2006

 

 

 

 

Verstärkte Zusammenarbeit
  Datum der Bekanntgabe im Plenum

 

 

 

 

 

Berichterstatter(in/innen)
  Datum der Benennung

Nikolaos Sifunakis
3.10.2005

 

Ersetzte(r) Berichterstatter(in/innen)

 

 

Prüfung im Ausschuss

20.3.2006

29.5.2006

13.7.2006

 

 

Datum der Annahme

13.7.2006

Ergebnis der Schlussabstimmung

+ :

- :

0 :

26

 

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Maria Badia I Cutchet, Ivo Belet, Guy Bono, Marie-Hélène Descamps, Jolanta Dičkutė, Věra Flasarová, Hanna Foltyn-Kubicka, Milan Gaľa, Claire Gibault, Vasco Graça Moura, Lissy Gröner, Luis Herrero-Tejedor, Ruth Hieronymi, Manolis Mavrommatis, Marianne Mikko, Ljudmila Novak, Doris Pack, Zdzisław Zbigniew Podkański, Christa Prets, Pál Schmitt, Nikolaos Sifunakis, Hannu Takkula, Helga Trüpel, Henri Weber, Thomas Wise, Tomáš Zatloukal

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellvertreter(in/innen)

Erna Hennicot-Schoepges, Nina Škottová

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Datum der Einreichung

20.7.2006

 

Anmerkungen (Angaben nur in einer Sprache verfügbar)

Es waren 2 stellvertretende Mitglieder der PPE-Fraktion anwesend, aber es wurde nur 1 Stimme bei der Schlussabstimmung berücksichtigt.