BERICHT über Gender Mainstreaming in der Arbeit der Ausschüsse

22.12.2006 - (2005/2149(INI))

Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
Berichterstatterin: Anna Záborská
PR_INI_art45

Verfahren : 2005/2149(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0478/2006
Eingereichte Texte :
A6-0478/2006
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu Gender Mainstreaming in der Arbeit der Ausschüsse

(2005/2149(INI))

Das Europäische Parlament,

- unter Hinweis auf Artikel 2, Artikel 3 Absatz 2, Artikel 13 und Artikel 141 Absatz 4 des EG-Vertrags,

- unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die revidierte Europäische Sozialcharta und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,

- unter Hinweis auf die Arbeit der Direktion für Menschenrechte des Europarats und insbesondere des Lenkungsausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Europarats,

- unter Hinweis auf die Vierte Weltfrauenkonferenz von Peking vom September 1995, die Erklärung und die Aktionsplattform von Peking sowie die entsprechenden Abschlussdokumente, die anlässlich der aufeinander folgenden Sondertagungen der Vereinten Nationen Peking +5 und Peking +10 über weitere Maßnahmen und Initiativen zur Umsetzung der Erklärung und der Aktionsplattform von Peking am 9. Juni 2000 bzw. am 11. März 2005 angenommen wurden,

- unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen[1],

- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. März 2003 zu Gender Mainstreaming im Europäischen Parlament[2],

- unter Hinweis auf das Arbeitsdokument des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über Gender Mainstreaming in der Arbeit der Ausschüsse, das nach der Analyse der Antworten auf den Fragebogen erstellt wurde, der den Vorsitzenden und den mit der Gleichstellungsproblematik beauftragten stellvertretenden Vorsitzenden, die von den 22 Ausschüssen benannt worden waren, unterbreitet worden war,

- gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

- in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0478/2006),

A.  in der Erwägung, dass die Mehrzahl der Ausschüsse dem Gender Mainstreaming immer oder zuweilen eine gewisse Bedeutung beimisst, während sich eine kleine Gruppe von Ausschüssen nur selten oder niemals dafür interessiert,

B.   in der Erwägung, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts und gemäß Artikel 2 des Vertrags eine der von der Gemeinschaft zu fördernden Aufgaben darstellt,

C.  in der Erwägung, dass in Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags der Grundsatz des Gender Mainstreaming festgelegt wird, indem erklärt wird, dass die Gemeinschaft bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinwirkt, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern,

D.  in Erwägung der seit 2005 unter der Verantwortung seines Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter angestoßenen Dynamik und der Tätigkeit der Hochrangigen Arbeitsgruppe für Gleichstellungsfragen,

E.   in der Erwägung, dass ein(e) Vorsitzende(r) oder ein(e) mit der Umsetzung des Gender Mainstreaming in der Arbeit seines (ihres) jeweiligen Ausschusses beauftragte(r) stellvertretende(r) Vorsitzende(r) aktiv an jeder Sitzung des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter teilgenommen hat,

F.   in Erwägung der ständigen Zunahme des Anteils der weiblichen Mitglieder des Parlaments, der sich von 17,5 % im Jahr 1979 auf 30,33 % im Jahr 2004 erhöht hat,

G.  in der Erwägung, dass in seiner Verwaltung Frauen in Führungspositionen in Organen, die politische Entscheidungen zu treffen haben, unterrepräsentiert sind,

H.  in der Erwägung, dass in seinen sieben Generaldirektionen nur zwei Frauen als Generaldirektorinnen ernannt wurden, bedauert die unzureichende Zahl von Bewerbungen von Frauen für Generaldirektorinnenstellen und fordert daher die Frauen auf, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, sich für Führungspositionen in seiner Verwaltung zu bewerben,

I.    in der Erwägung, dass, selbst wenn sich die Mehrzahl der Ausschüsse für die Einbeziehung von Gleichstellungsfragen ausspricht, die meisten Ausschüsse ihre künftigen politischen Prioritäten aufgestellt haben, ohne irgendeine Strategie zum Gender Mainstreaming einzubeziehen,

J.    in der Erwägung, dass bisher noch kein Ausschuss konkrete Ziele für die Verwirklichung einer solchen Strategie aufgestellt hat,

K.  in der Erwägung, dass die Hälfte der Ausschüsse der Auffassung ist, dass sich ihr Fachwissen in der Entwicklung befindet, und dass ein ebenso großer Anteil von Ausschüssen stark an Ausbildungsmaßnahmen zum Gender Mainstreaming innerhalb des jeweiligen Sekretariats interessiert ist,

L.   in der Erwägung, dass die politische und administrative Zusammenarbeit der Ausschüsse mit dem Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter von regelmäßig bis sporadisch reicht,

M.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 46 Absatz 6 der Geschäftsordnung die Mehrzahl der Ausschüsse die Verfasser(innen) der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter regelmäßig zu den Sitzungen des federführenden Ausschusses einlädt, wenn der betreffende Bericht erörtert wird,

N.  in der Erwägung, dass sich die Mehrzahl der Ausschüsse, um bessere gesetzgeberische Arbeit zu leisten, für die Einbeziehung von Gleichstellungsfragen ausspricht und dass die Hälfte der Ausschüsse bereits die Möglichkeit der Konsultation von Sachverständigen für Gleichstellungsfragen in Anspruch genommen hat,

Bewertung des Gender Mainstreaming

1.   hebt hervor, dass die Forderung nach Gleichstellung von Frauen und Männern in einem praktischen Ansatz zum Ausdruck kommen muss, der Frauen und Männer nicht einander gegenüberstellt;

2.   betont, dass Gender Mainstreaming zu positiven Entwicklungen sowohl für Frauen als auch für Männer führen wird;

3.   weist darauf hin, dass Gender Mainstreaming die (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse beinhaltet, so dass eine Perspektive der Gleichstellung der Geschlechter in alle Politiken und auf allen Ebenen sowie in allen Stadien von den Akteuren einbezogen wird, die üblicherweise an der politischen Entscheidungsfindung beteiligt sind;

4.   betont, dass Gender Mainstreaming keine spezifischen Politiken zur Verbesserung von Situationen ersetzen kann, die auf die Ungleichbehandlung der Geschlechter zurückzuführen sind; hebt hervor, dass die spezifischen Politiken mit dem Ziel der Gleichstellung der Geschlechter und Gender Mainstreaming duale und einander ergänzende Strategien darstellen und Hand in Hand gehen sollten, um das Ziel der Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen;

5.   dankt der österreichischen und finnischen Präsidentschaft, dass sie im Ministerrat die Bedeutung der Männer bei der Umsetzung des Gender Mainstreaming betont haben;

6.   weist darauf hin, dass Mainstreaming beinhaltet zu gewährleisten, dass geschlechterbezogene Perspektiven und die Berücksichtigung des Ziels der Gleichstellung der Geschlechter im Mittelpunkt aller Tätigkeiten stehen – Entwicklung von Politiken, Forschung, Engagement/Dialog, Rechtsetzung, Zuteilung von Ressourcen, Umsetzung von Planungen und Überwachung von Programmen und Projekten;

7.   verpflichtet sich, in seinen Reihen eine Strategie zum Gender Mainstreaming mit spezifischen Zielen in den Gemeinschaftspolitiken anzunehmen und umzusetzen, und beauftragt seinen zuständigen Ausschuss mit der Ausarbeitung dieser Strategie spätestens bis zum Ende der laufenden Wahlperiode;

8.   betont die Bedeutung des Mandats der Hochrangigen Arbeitsgruppe für Gleichstellungsfragen und der Festlegung oberster Prioritäten im Hinblick auf Gender Mainstreaming in den Bereichen Rechtsetzung, Kommunikation und Informationspolitik, „Gender Budgeting“ und Personalpolitik;

9.   fordert die Hochrangige Arbeitsgruppe für Gleichstellungsfragen auf, diesen gesamten Prozess auf der Grundlage der regelmäßig von den Ausschüssen und der Vorsitzenden des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter bereitgestellten Informationen weiterhin zu unterstützen und zu fördern und die Mitgliedstaaten zur Durchführung einer ähnlichen Politik anzuregen;

10. weist nachdrücklich auf die wichtige Rolle hin, die die Fraktionen zur Förderung und Unterstützung von Frauen und zur Ermöglichung ihrer uneingeschränkten Teilhabe am öffentlichen Leben durch die Umsetzung des Gender Mainstreaming und seine Bewertung in ihren Programmen und Tätigkeiten und durch die Förderung einer verstärkten Beteiligung von Frauen an den Wahlen zum Europäischen Parlament und an den nationalen Wahlen spielen können; fordert die politischen Parteien in ganz Europa auf, für die Einführung eines obligatorischen Quotensystems auf ihren Listen für alle kollektiven Organe zu sorgen;

11. beglückwünscht die Ausschüsse, die Gender Mainstreaming in ihrer Arbeit praktisch umgesetzt haben, und fordert, dass die anderen Ausschüsse diesem Beispiel folgen;

12. ermutigt den Generalsekretär, Ausbildungsmaßnahmen für die Beamten zum Gender Mainstreaming fortzusetzen;

13. nimmt zur Kenntnis, dass die Generaldirektion des für die Ausschüsse zuständigen Generaldirektors für interne Politikbereiche den höchsten Anteil an weiblichen Verwaltungsräten aufweist; ersucht alle Generaldirektionen des Parlaments, die EU-Rechtsvorschriften über die Gleichstellung von Männern und Frauen im Bereich von Beschäftigung und Beruf umzusetzen;

14. fordert, dass jedes Sekretariat der den Direktionen der GD interne und externe Politikbereiche unterstehenden Ausschüsse einen speziell für Gleichstellungsfragen ausgebildeten Beamten umfasst und die Bildung eines vom Sekretariat des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zu koordinierenden Netzwerks dieser Beamten für den regelmäßigen Austausch bewährter Verfahren fördert;

15. bedauert, dass das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften keine ausreichenden Maßnahmen vorsieht, die den Beamten eine freie Entscheidung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf ermöglichen;

16. fordert, Gender Mainstreaming bei der Ausschreibung freier Stellen bei den EU-Organen zu berücksichtigen;

Zukunftsperspektiven der Umsetzung des Gender Mainstreaming

17. hebt hervor, wie wichtig eine präzise Terminologie und präzise den internationalen Regeln entsprechende Definitionen bei der Verwendung von Begriffen im Zusammenhang mit dem Gender Mainstreaming sind;

18. hebt die Notwendigkeit hervor, in den Ausschüssen über geeignete Instrumente für eine gute Kenntnis des Gender Mainstreaming, wie Indikatoren und nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten und Statistiken sowie die Aufteilung der Haushaltsmittel unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung von Frauen und Männern, zu verfügen und die Ausschüsse zu ermuntern, den internen Sachverstand (Sekretariat des zuständigen Ausschusses, Fachabteilung, Bibliothek, usw.) und den externen Sachverstand im Rahmen anderer – öffentlicher und privater – lokaler, regionaler, nationaler und supranationaler Institutionen sowie in kleinen, mittleren und großen Unternehmen und in Hochschulen, die im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern tätig sind, zu nutzen;

19. fordert die Vorsitzende des zuständigen Ausschusses auf, die Konferenz der Ausschussvorsitzenden regelmäßig zu informieren, damit diese die diesbezüglich erzielten Fortschritte bewerten kann;

20. hebt hervor, dass bei der Umsetzung des Gender Mainstreaming der Besonderheit jedes Ausschusses Rechnung getragen werden muss; fordert, dass die Bewertungen alle zwei Jahre unter der Aufsicht des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter auf der Grundlage des den Vorsitzenden und den mit der Gleichstellungsproblematik in den 22 Ausschüssen beauftragten stellvertretenden Vorsitzenden unterbreiteten Fragebogens durchgeführt werden, wobei die diesbezüglichen Versäumnisse in der Arbeit der Ausschüsse und der Delegationen sowie die Fortschritte bei der Umsetzung des Gender Mainstreaming innerhalb jedes Ausschusses einzubeziehen sind;

21. ersucht das Präsidium, das positive Rollenmodell der Hochrangigen Arbeitsgruppe für Gleichstellungsfragen bei seinen Kontakten mit den Parlamenten der Mitgliedstaaten zur Sprache zu bringen;

22. fordert die Organisation eines Gleichstellungstrainings für alle Mitglieder des Parlaments vor der nächsten Wahlperiode;

23. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Europarat zu übermitteln.

  • [1]  ABl. L 269 vom 5.10.2002, S. 15.
  • [2]  ABl. C 61 E vom 10.3.2004, S. 384.

BEGRÜNDUNG

In der allgemeinen Perspektive des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte haben die nationalen und supranationalen Institutionen in Europa die Aufgabe, die Chancengleichheit von Frauen und Männern und ihre uneingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern, gegen Beeinträchtigungen der Freiheit und der Würde von Frauen anzugehen (z.B. durch Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen oder des Menschenhandels), Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen und die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern im öffentlichen Leben zu unterstützen.

Über die Würde und die Bestimmung der Frau wird in der Öffentlichkeit und in den Institutionen ständig nachgedacht, wobei in den vergangenen Jahren eine besondere Komponente hinzugekommen ist, insbesondere im Rahmen der Querschnittsmaßnahmen der Gemeinschaft im Rahmen der Lissabon-Strategie und auch in Bezug auf die demographische Herausforderung und die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf.

Die Achtung des „Andersseins“

Die uneingeschränkte Anerkennung des „Andersseins“ und des „Sichergänzens“ von Männern und Frauen kann verhindern, dass sich die Menschen selbst erniedrigen, indem über die vereinfachende Logik der Grundsätze des gemeinsamen Marktes hinausgegangen wird, da sich Freiheit nicht auf Wettbewerbsfreiheit beschränkt. Es handelt sich nämlich um ein universelleres Verständnis, das auf der ureigensten Natur der Frau und ihrem Engagement in allen zwischenmenschlichen Beziehungen beruht, die auf sehr unterschiedliche Art und Weise das Miteinander und das Zusammenwirken der Individuen im öffentlichen Leben gestalten. In diesem umfassenden und differenzierten Kontext, dessen tragende Grundsätze der Schutz und die Förderung der Menschenrechte bilden, kommt den Frauen eine besondere Bedeutung zu, einerseits aufgrund ihrer wesensmäßigen Natur als Mensch und andererseits aufgrund ihrer Weiblichkeit, unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund oder ihren weiblichen geistigen, psychischen oder physischen Merkmalen, wie beispielsweise Alter, Gesundheit, Bildung, Beruf oder Familienstand.

Die Grundrechte in Europa

Was die Grundrechte anbelangt, so garantieren gegenwärtig die europäischen Rechtsvorschriften durch Artikel 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), die von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet und ratifiziert wurde, die Nichtdiskriminierung. Diese Konvention stellt heute die alleinige juristische Grundlage für das Verbot jeglicher Form von Diskriminierungen auf dem europäischen Kontinent dar und ermöglicht es dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Staaten für die Verletzung dieser Rechte zu belangen. Ausgehend von dem Grundprinzip, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und Anspruch auf gleichen Schutz haben, müssen dringend weiterhin die Rechtsinstrumente gefördert werden, die Frauen ihre grundlegende Freiheit und Würde durch die Verurteilung jeder Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gewährleisten.

Die Bekämpfung der Diskriminierung

Außerdem hat die internationale Gemeinschaft klar bekräftigt, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung die Vertragsstaaten nicht daran hindert, Maßnahmen zur Förderung einer uneingeschränkten und tatsächlichen Gleichstellung zu fördern, sofern eine objektive und hinreichende Begründung dafür vorliegt. In diesem Zusammenhang gewährleistet das seit dem 4. November 2000 für die Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung aufliegende Protokoll Nr. 12 unter Bezugnahme auf Artikel 14 EMRK, dass niemand durch eine öffentliche Behörde aus irgendeinem Grund in irgendeiner Weise diskriminiert werden darf. Zur Klärung des Begriffs der Diskriminierung verweist der erläuternde Bericht zum Protokoll Nr. 12 auf die Definition des Begriffs der Diskriminierung, wie er nach ständiger Rechtsprechung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgelegt wird, und zwar: „ist ein Unterschied in der Behandlung diskriminierend, ’wenn keine objektive und hinreichende Begründung dafür vorliegt’, d.h., wenn kein 'rechtmäßiges Ziel' verfolgt wird oder kein 'vernünftiges Verhältnis zwischen den angewandten Mitteln und dem angestrebten Ziel besteht’“[1].

Gender Mainstreaming in Europa

Dennoch bestehen weiterhin Ungleichgewichte zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die durchgängige Berücksichtigung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in allen Bereichen ist eine der Strategien, die diesen Missständen ein Ende bereiten soll. Gemäß der Definition des Europarates, die von allen Mitgliedstaaten getragen wird, beinhaltet das Gender Mainstreaming die (Re)organisation, Verbesserung, Entwicklung und Bewertung politischer Prozesse mit dem Ziel, dass eine Perspektive der Gleichstellung in alle Politiken auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle Akteure einbezogen wird, die normalerweise an der Konzeption der Politik beteiligt sind. Das Gender Mainstreaming ersetzt nicht die speziellen politischen Maßnahmen, die die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten beseitigen sollen, sondern versteht sich als eine die herkömmlichen politischen Konzepte ergänzende Strategie.

Das Gemeinschaftsrecht und die politischen Maßnahmen der Europäischen Union in diesem Bereich beruhen auf den Überlegungen und Maßnahmen des Europarats. Das Gemeinschaftsrecht übernimmt diese Grundsätze in den Artikeln 2, 3, 13, 137 und 141 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), die in zahlreichen europäischen Richtlinien umgesetzt wurden und in einigen Rechtsfällen des Europäischen Gerichtshofs im Bereich des Arbeitsrechts der Gemeinschaft als Grundlage dienten. Die Kommission hat eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern eingeleitet, wie die Mitteilung über Gleichstellung und Nichtdiskriminierung belegt, und legt jährlich einen Bericht über die Fortschritte vor, die bei der Einbeziehung der Gleichstellungsdimension in strategischen Bereichen erzielt wurden. Um seinem politischen Engagement einen institutionellen Rahmen zu geben, hat das Europäische Parlament eine Entschließung zu Gender Mainstreaming im Europäischen Parlament angenommen. Eben dieser Entschließung verdankt der vorliegende Bericht seine Entstehung.

Gender Mainstreaming im Europäischen Parlament

Dieser Bericht kann für sich in Anspruch nehmen, dass er das erste institutionelle Dokument ist, das einer speziellen Evaluierung der Umsetzung des Gender Mainstreaming in der politischen Arbeit der Ausschüsse dient.

Zu Beginn seien zwei grundsätzliche Anmerkungen gemacht: zur Sache und zu den Zukunftsperspektiven. Zuerst einmal können die Ausschussmitglieder die jedem Vorgang innewohnende politische und technische Dynamik nicht ignorieren. Diese hängt einerseits von den Aufgabenzuweisungen durch die Geschäftsordnung und andererseits von den Interessen der Abgeordneten innerhalb eines Ausschusses ab. Von dieser internen Dynamik sind auch die Aufmerksamkeit abhängig, die speziell dem Gender Mainstreaming in den einzelnen Ausschüssen beigemessen wird, sowie die Qualität der von den stellvertretenden Vorsitzenden im Rahmen der Evaluierung gegebenen Antworten. Die Institution selbst müsste sich vorab über ihre Art der Förderung des Gender Mainstreaming befragen. Dieser Befund darf keinesfalls zu einer moralischen Verurteilung von Personen führen. Die Berichterstatterin appelliert jedoch an den guten Willen ihrer Kollegen und fordert sie auf, kreativ nach Strategien zu suchen und diese zu konkretisieren, um das Gender Mainstreaming zu realisieren, sofern sich diese politische Dimension als geeignet erweist.

Die hier angesprochene Evaluierung wird in dem Maße Auswirkungen haben, wie die Mitglieder regelmäßig über die Umsetzung des Gender Mainstreaming Bericht erstatten. Von dem Augenblick an, da die Ausschüsse zweimal pro Wahlperiode auf die Anfragen des zuständigen Ausschusses antworten, dürfte sich das Gender Mainstreaming innerhalb der Ausschüsse festigen, und es könnten für jeden einzelnen Ausschuss nützliche Empfehlungen formuliert werden. Darauf muss besonders deswegen hingewiesen werden, weil bei der Evaluierung ein Vergleich beispielsweise zwischen DEVE, ITRE und CULT aufgrund ihrer unterschiedlichen Aufgabenzuweisungen in der Geschäftsordnung unbedingt vermieden werden muss. Die Evaluierung wird also künftig die Art und Weise sichtbar machen, in der die einzelnen Ausschüsse an die Umsetzung des Gender Mainstreaming im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben herangehen.

Die Methodik

Die Vorsitzende des zuständigen Ausschusses hat einen zweifachen Weg beschritten.

Zum einen hat sie während des ganzen Jahres regelmäßig die mit der Gleichstellungsproblematik beauftragten stellvertretenden Vorsitzenden in jedem Ausschuss zum Meinungsaustausch mit den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses eingeladen. Dieses Vorgehen wurde aufgrund seiner Originalität von allen betroffenen Ausschussmitgliedern begrüßt. An dieser Stelle sei dem Generaldirektor für interne Politikbereiche dafür gedankt, dass er diesem Anliegen in den Sekretariaten der Ausschüsse entgegengekommen ist, die die Zusammenarbeit mit dem Sekretariat des zuständigen Ausschusses in vielen Fällen erleichtert haben. Am 10. Juli 2006 wurden alle stellvertretenden Vorsitzenden zu einer Aussprache mit dem zuständigen Ausschuss eingeladen. Diese Aussprache verfolgte ein dreifaches Ziel: erstens eine Einführung in die Evaluierung des Gender Mainstreaming im Rahmen der parlamentarischen Arbeit, zweitens die Erläuterung des zu diesem Thema entwickelten Fragebogens, drittens die gemeinsame Festlegung eines einzuhaltenden Zeitplans.

Zum anderen hatte die Berichterstatterin, um verlässliche Angaben zur Arbeit der Ausschüsse zu erhalten, die stellvertretenden Vorsitzenden aufgefordert, einen Fragebogen mit 25 Fragen zu beantworten. Dieser Fragebogen umfasst vier Hauptteile: (1) Aufgabenbereich des jeweiligen Ausschusses; (2) Strategie zum Gender Mainstreaming sowie die kurz- und langfristig zu erreichenden Ziele; (3) Umsetzung des Grundsatzes der Chancengleichheit im Rahmen der Ausschussarbeit; (4) Gender-Mainstreaming-Expertise, Konsultation und Zusammenarbeit zwischen dem Ausschuss und den anderen Dienststellen innerhalb und außerhalb des Organs. In diesem Bericht wird die quantitative und qualitative Auswertung der eingegangenen Antworten fortgesetzt.

  • [1]  Rechtssache Abdulaziz, Cabales und Balkandi gegen Vereinigtes Königreich, Urteil vom 28. Mai 1985, Reihe A. Nr. 94, § 72.

VERFAHREN

Titel

Gender Mainstreaming in der Arbeit der Ausschüsse

Verfahrensnummer

2005/2149 (INI)

Federführender Ausschuss
  Datum der Bekanntgabe der Genehmigung im Plenum

FEMM

15.6.2006

Mitberatende(r) Ausschuss/Ausschüsse
  Datum der Bekanntgabe im Plenum

 

 

 

 

 

Nicht abgegebene Stellungnahme(n)
  Datum des Beschlusses

 

 

 

 

 

Verstärkte Zusammenarbeit
  Datum der Bekanntgabe im Plenum

 

 

 

 

 

Berichterstatter(in/innen)
  Datum der Benennung

Anna Záborská
25.4.2006

 

Ersetzte(r) Berichterstatter(in/innen)

 

 

Prüfung im Ausschuss

4.10.2006

13.11.2006

20.12.2006

 

 

Datum der Annahme

20.12.2006

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

30

0

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Edit Bauer, Emine Bozkurt, Edite Estrela, Ilda Figueiredo, Věra Flasarová, Lissy Gröner, Zita Gurmai, Esther Herranz García, Lívia Járóka, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Urszula Krupa, Pia Elda Locatelli, Angelika Niebler, Doris Pack, Marie Panayotopoulos-Cassiotou, Christa Prets, Teresa Riera Madurell, Raül Romeva i Rueda, Eva-Britt Svensson, Britta Thomsen, Corien Wortmann-Kool, Anna Záborská

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellvertreter(in/innen)

Anna Hedh, Elisabeth Jeggle, Christa Klaß, Zita Pleštinská, Karin Resetarits, Zuzana Roithová, Heide Rühle, Bernadette Vergnaud

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Hanna Foltyn-Kubicka

Datum der Einreichung

22.12.2006

Anmerkungen (Angaben nur in einer Sprache verfügbar)

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