BERICHT über die Bewertung von Euratom – 50 Jahre europäische Kernenergiepolitik
4.4.2007 - (2006/2230(INI))
Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie
Berichterstatter: Eugenijus Maldeikis
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zur Bewertung von Euratom – 50 Jahre europäische Kernenergiepolitik
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den am 25. März 1957 in Rom unterzeichneten Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag),
– unter Hinweis auf die Präambel des Euratom-Vertrags, in der der ursprüngliche Zweck der Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) genannt wird, nämlich „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen, welche die Energieerzeugung erweitert, die Technik modernisiert und auf zahlreichen anderen Gebieten zum Wohlstand ihrer Völker beiträgt“,
– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere seine Urteile vom 14. November 1978[1], 22. April 1999[2], und 10. Dezember 2002[3],
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 10. Januar 2007 „Eine Energiepolitik für Europa“ (KOM(2007)0001),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Hinweisendes Nuklearprogramm –Vorlage nach Artikel 40 Euratom-Vertrag zwecks Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses“ (KOM(2006)0844),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Dezember 2006 zu einer europäischen Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie – Grünbuch[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. März 2006 zu der Sicherheit der Energieversorgung in der Europäischen Union[5],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Dezember 2006 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Unterstützungsinstruments im Bereich der nuklearen Sicherheit und Sicherung[6],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2006 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente[7],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2006 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das siebte Rahmenprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen[8],
– unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 30. November 2006 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Regeln für die Beteiligung von Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen an Maßnahmen des Siebten Rahmenprogramms sowie für die Verbreitung der Forschungsergebnisse (2007–2013)[9],
– unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 30. November 2006 zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über das spezifische Programm zur Durchführung des siebten Rahmenprogramms (2007–2011) der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kerntechnik[10],
– unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 30. November 2006 zu dem Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über das von der Gemeinsamen Forschungsstelle innerhalb des siebten Rahmenprogramms (2007 bis 2011) der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Kerntechnik durch direkte Maßnahmen durchzuführende spezifische Programm[11],
– unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 16. November 2005 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Durchführung des Protokolls Nr. 9 über das Kernkraftwerk Bohunice V1 in der Slowakischen Republik zur Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik[12],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. November 2005 zur Verwendung der finanziellen Ressourcen für die Stilllegung von Leistungsreaktoren[13],
– unter Hinweis auf die öffentliche Anhörung zum selben Thema, die der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie am 1. Februar 2007 abgehalten hat,
– gestützt auf Artikel 45 der Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie sowie der Stellungnahme des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A6‑0129/2007),
A. in der Erwägung, dass die Verträge immer wieder tief greifend reformiert wurden, um neuen Bedürfnissen und Herausforderungen gerecht zu werden, der Euratom-Vertrag aber in seiner 50jährigen Geschichte nur eine einzige Änderung[14] erfahren hat, in seinen zentralen Bestimmungen und in seiner Substanz jedoch in der ursprünglichen Fassung erhalten geblieben ist,
B. in der Erwägung, dass der Euratom-Vertrag zwar in den letzten 50 Jahren wenig geändert worden ist, im selben Zeitraum aber Grundlage für einen reichen Bestand an abgeleitetem Recht geworden und Gegenstand zahlreicher Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gewesen ist, sodass sich sein ursprüngliches Anwendungsgebiet wesentlich erweitert hat,
C. in der Erwägung dass der Euratom-Vertrag strenge Sicherheitsnormen für den Umgang mit radioaktiven Brennelementen und Abfällen in der Europäischen Union eingeführt hat, einheitliche Normen für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufstellt und für ihre Anwendung sorgt und eine Weitergabe von Kernmaterial für militärische Zwecke verhindert,
D. unter Hinweis darauf, dass der Euratom-Vertrag einen umfassenden und kohärenten Rechtsrahmen für die Nutzung der Kernenergie unter sicheren Verhältnissen in Europa zum Nutzen aller Mitgliedstaaten bietet,
E. in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten niemals eine nukleare Option entwickelt haben, dass andere Mitgliedstaaten aktiv eine Ausstiegspolitik verfolgen und wiederum andere weiterhin an ihrem Nuklearsektor festhalten,
F. in der Erwägung, dass der Konvent in seinem Entwurf für einen Vertrag über eine Verfassung für Europa die Abtrennung des Euratom-Vertrags von der rechtlichen Struktur der künftigen Verfassung vorgeschlagen hat und dass mit den Tätigkeiten des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union und der Unterzeichnung des Verfassungsvertrags die Bestimmungen des Euratom-Vertrags in ihrer gegenwärtigen Fassung als beigefügtes Protokoll aufrecht erhalten worden sind,
G. in der Erwägung, dass Deutschland, Irland, Österreich, Ungarn und Schweden dem Verfassungsvertrag eine Erklärung beigefügt haben, wonach die zentralen Bestimmungen des Euratom-Vertrags aktualisiert werden müssen und dazu „so rasch wie möglich“ eine Revisionskonferenz einberufen werden soll,
H. in der Erwägung, dass die jüngste Erweiterung der Europäischen Union deren Vielfalt im Bereich der Kernenergie und die Notwendigkeit einschlägiger gemeinschaftlicher Maßnahmen erhöht hat,
I. in der Erwägung, dass der fünfzigste Jahrestag der Unterzeichnung des Euratom-Vertrags dem Parlament die Möglichkeit bietet, dessen Inhalt und Relevanz zu untersuchen und seine Besorgnis darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die wichtigsten Vorschriften des Euratom-Vertrags seit dessen Inkrafttreten vor 50 Jahren unverändert geblieben sind,
J. in der Erwägung, dass diese Überlegungen zur Dauerhaftigkeit des Euratom-Vertrags untrennbar mit dem Ziel der Kommission verbunden sind, eine europäische Strategie für eine sicherere, dauerhaftere und wettbewerbsfähigere Form von Energie zu entwickeln, die zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt, wie in der genannten Mitteilung der Kommission vom 10. Januar 2007 dargelegt wird,
Bilanz aus 50 Jahren Euratom-Vertrag
1. betont, dass sich die Europäische Union seit der Unterzeichnung des Euratom-Vertrags im Jahr 1957 zum weltweiten Marktführer im Bereich der Kernenergie und zu einem der wichtigsten Akteure der Forschung im Bereich der kontrollierten Kernspaltung und Kernfusion entwickelt hat; stellt fest, dass die europäische Industrie im gesamten Kernbrennstoffkreislauf tätig ist und eigene europäische Technologien entwickelt hat, die zum Teil europaweiten Partnerschaften zu verdanken sind wie etwa die Anreicherung mit Ultrazentrifugen;
2. stellt fest, dass die fast vollständige Beherrschung des Brennstoffkreislaufs durch die EU-Nuklearwirtschaft – in dieser Zeit der Überlegungen über ihre energiewirtschaftliche Abhängigkeit – unter industriepolitischem und technologischem Gesichtspunkt Unabhängigkeit garantiert, gerade was die Anreicherung von Nuklearbrennstoff angeht;
3. weist darauf hin, dass es unter anderem dem Euratom-Vertrag zu verdanken ist, dass die Kernenergie mit 152 Reaktoren in 15 Mitgliedstaaten Ende 2006 32 % des europäischen Stroms erzeugt hat, also den höchsten Anteil an kohlenstofffreier Stromerzeugung in der Europäischen Union hat und eine der wettbewerbsfähigsten Energiequellen ist, sodass sie zum Erreichen der in der genannten Mitteilung der Kommission vom 10. Januar 2007 definierten Ziele der europäischen Energiepolitik beitragen kann;
4. stellt im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Klimawandels fest, dass die Kommission in ihrem Grünbuch „Hin zu einer europäischen Strategie der Energieversorgungssicherheit“ (KOM(2000)0769) dargelegt hat, dass die Kernenergie bis 2010 über 300 Millionen t CO2-Emissionen vermeiden helfen kann, was „dem CO2-Ausstoß von 100 Millionen Kraftfahrzeugen entspricht“; weist darauf hin, dass die Kommission in ihrer Mitteilung vom 10. Januar 2007 in Anhang I die Auffassung vertritt, die Kenenergie sei nach der Off-shore-Windkraft und der kleinmaßstäblichen Wasserkraft die Energiequelle, die die geringsten Kohlenstoffmengen verursacht;
5. stellt fest, dass die Gründerstaaten der Europäischen Atomgemeinschaft in zehn Kapiteln Bestimmungen erlassen haben, in denen die Entwicklung der Kernenergie in der Union streng geregelt wird, die immer noch in Kraft sind, durch auf dem Euratom-Vertrag beruhende Rechtsakte ständig bereichert werden und einen wichtigen Beitrag zum sicheren Betrieb kerntechnischer Anlagen in Europa leisten;
6. stellt fest, dass der Konsens aus dem Jahr 1957 über die Kernenergie zwischen den Mitgliedstaaten nicht länger besteht;
7. stellt fest, dass die vor fünf Jahrzehnten im Euratom-Vertrag ausgedrückten Erwartungen an die Kernenergie fortentwickelt worden sind und dass sie heute stärker auf die Notwendigkeit ausgerichtet sind, mit dem Euratom-Vertrag über einen tragfähigen rechtlichen Rahmen zu verfügen für die Überwachung der Nutzung der Kernenergie in der Europäischen Union und die Flankierung der Integration von Staaten, die Kernenergie nutzen, in die EU durch Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands im Euratom-Bereich; weist darauf hin, dass in Titel II des Euratom-Vertrags wichtige Kapitel für den Schutz der Bevölkerung, der Arbeitskräfte und der Umwelt vor ionisierenden Strahlungen (Kapitel 3), die Förderung der Forschung auf den Gebieten Abfallbewirtschaftung und Anlagensicherheit (Kapitel 1) und die Überwachung der Sicherheit in Bezug auf spaltbare Stoffe in Europa (Kapitel 7) gesorgt haben;
8. erinnert daran, dass die ersten gemeinschaftlichen Forschungstätigkeiten im Rahmen des Euratom-Vertrags (Kapitel I) entwickelt wurden und dass dieser Vertrag zur Schaffung der ersten EU-Forschungseinrichtung, der Gemeinsamen Forschungsstelle, geführt hat; fordert eindringlich dazu auf, ein Forschungs- und Entwicklungsprogramm auf dem Gebiet der Kernenergie in den Haushalt für das allgemeine Forschungsrahmenprogramm einzubeziehen und es den gleichen Kontrollen und der Verpflichtung zur öffentlichen Rechenschaftslegung wie bei allen anderen Forschungsprogrammen zu unterwerfen;
9. ist der Auffassung, dass die aufgrund von Kapitel III des Euratom-Vertrags (Gesundheitsschutz) erlassenen Rechtsvorschriften in der Zuständigkeit der Europäischen Union verbleiben müssen, um sicherzustellen, dass die grundlegenden Normen für den Schutz der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit angewendet und so ausgeweitet werden, dass der Umweltschutz darin einbezogen wird und dass dabei die Ergebnisse der weltweiten wissenschaftlichen Forschung fortlaufend berücksichtigt werden;
10. betont, dass sich der Geltungsbereich dieses Rechts nicht auf Gebiete beschränkt, in denen sich Atomkraftwerke in Betrieb befinden, sondern sich heute auch auf die Sicherheit der benachbarten Mitgliedstaaten und Drittstaaten erstreckt, und zwar dank ständiger Kontrollen der Ableitung radioaktiver Stoffe sowie der Bestimmungen über Verbringungen abgebrannter Brennstoffe und radioaktiver Abfälle, den Schutz der Lebensmittelkette und radiologische Notsituationen;
11. stellt fest, dass das Kapitel IV des Euratom-Vertrags (Investitionen) zum Ziel hatte, dass gemeinschaftsweit genaue Informationen über die Investitionsvorhaben der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen;
12. stellt allerdings fest, dass die Kommission den Bedarf an kerntechnischen Investitionen im Rahmen der hinweisenden Nuklearprogramme nicht wirklich bewertet hat, insbesondere mit Blick auf die Probleme der Energieversorgungssicherheit, der Bekämpfung des Klimawandels und der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union im Kontext des weltweiten Wiederaufschwungs des Nuklearsektors;
13. begrüßt, dass im Euratom-Vertrag vorgeschrieben ist, dass alle neuen kerntechnischen Investitionen in Europa gemeldet werden, was eine vollständig Kartierung der nuklearen Aktivitäten in der Europäischen Union ermöglicht, ein Erfordernis, das speziell für die europäische Nuklearwirtschaft gilt;
14. ist der Auffassung, dass sich die gemeinsamen Unternehmen (Kapitel V des Euratom-Vertrags) als wichtige Instrumente für die Durchführung der öffentlichen politischen Strategien erwiesen haben, insbesondere in der Forschung, wo dieses Rechtsinstrument häufig verwendet wurde, allem voran die Errichtung des Joint European Torus in Culham im Jahr 1978 und später des europäischen Rechtssubjekts zur Verwirklichung des Internationalen Thermonuklearen Versuchsreaktors (ITER);
15. ist der Auffassung, dass dem Euratom-Vertrag dank der Schaffung der Agentur (Kapitel VI), die die Versorgung der Nutzer in der Union gemäß dem Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Versorgungsquellen zu übernehmen hat, ein Instrument zur Seite steht, das angesichts der heutigen Sorgen um die Energieversorgungssicherheit wesentliche Bedeutung hat;
16. ist der Auffassung, dass die Sicherheitsüberwachung (Kapitel VII) eine der wichtigsten Errungenschaften des Euratom-Vertrags ist und der Kommission die Mittel gibt, die Vorräte und den Kernmaterialfluss in der Europäischen Union genau zu verfolgen;
17. stellt fest, dass die Sicherheitsüberwachung den Lieferländern von Kernmaterial konkret die zweckgebundene Verwendung garantiert und die Kontrollen der Internationalen Atomenergie-Organisation in Bezug auf die Nichtverbreitung von Kernwaffen ergänzt;
18. stellt fest, dass die Euratom auf der Grundlage des Kapitels X des Euratom-Vertrags (Außenbeziehungen) verschiedenen internationalen Abkommen beigetreten ist, insbesondere dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit und dem Gemeinsamen Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle, was die Beteiligung der Gemeinschaft an den einschlägigen internationalen Bemühungen und wichtige Fortschritte in der Europäischen Union ermöglicht hat;
19. stellt außerdem fest, dass die Euratom auf der Grundlage des Kapitels X des Euratom-Vertrags zahlreiche Übereinkommen über die Forschungszusammenarbeit geschlossen, an internationalen Projekten wie dem „Generation IV international Forum“, das Kernreaktoren der Zukunft betrifft, teilgenommen und internationale Verhandlungen über das Vorhaben ITER geführt hat;
Institutionelle Debatte
20. stellt fest, dass die wichtigsten Vorschriften des Euratom-Vertrags seit seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1958 nicht geändert worden sind;
21. bestätigt, dass es nach dem Subsidiaritätsprinzip in das Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaates gestellt ist, zu entscheiden, ob er Kernenergie nutzt oder nicht;
22. weist im Übrigen darauf hin, dass bestimmten Mitgliedstaaten, die sich offen gegen die Kernenergie aussprechen und den Gemeinschaften (Europäische Gemeinschaft und Europäische Atomgemeinschaft) beigetreten sind, zu keiner Zeit in irgendeiner Weise die Entwicklung der Kernenergie auf ihrem Hoheitsgebiet aufgenötigt worden ist; stellt demnach fest, dass seit vielen Jahren erwiesen ist, dass der Euratom-Vertrag mit der Förderung der Kernenergie keine Verpflichtungen mit sich bringt, dass er aber einen Rechtsrahmen schafft, der allen Seiten dient;
23. betont, dass der Euratom-Vertrag nicht die Schaffung eines Elektrizitätsbinnenmarkts hemmt und erst recht nicht grundsätzlich dem freien Waren-, Personen- und Kapitalverkehr entgegensteht; verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das Gemeinschaftsrecht in Gestalt des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft (EG-Vertrag) auf nukleare Tätigkeiten Anwendung findet und dass etwa die Verbringung nuklearer Materialien, Ausrüstungen und Technologien innerhalb und außerhalb der Europäischen Union den auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassenen handelspolitischen Bestimmungen über die Kontrolle der Güter mit doppeltem Verwendungszweck unterliegt; weist zudem darauf hin, dass die Euratom-Rechtsvorschriften dem Wettbewerbsrecht und den Vorschriften über staatliche Beihilfen in Titel VI des EG-Vertrags untergeordnet sind; zieht daraus den Schluss, dass der Euratom-Vertrag keineswegs als protektionistischer Rahmen für die Kernenergie fungiert;
24. stellt fest, dass der Euratom-Vertrag den Staaten, die sich für die Nuklearenergie-Option entschieden haben, die Instrumente für deren Ausbau (gemeinsame Unternehmen, Förderung von Forschung und Entwicklung, Euratom-Darlehen) bietet, aber diese Instrumente einem strengen Rechtsrahmen (Gesundheitsschutz, Sicherheitsüberwachung, Versorgung) unterwirft, was den Mitgliedstaaten, die sich nicht dafür entschieden haben, Sicherheit bietet;
25. stellt fest, dass der Euratom-Rechtsrahmen zugunsten der Gemeinschaften auch für die Mitgliedstaaten gilt, die keine Kernenergie erzeugen, aber in denen nukleare Forschungsreaktoren stehen, und ihnen Instrumente (wie die Euratom-Rahmenprogramme für Forschung und Entwicklung) bietet, sodass sie Finanzierungen nutzen können, zum Beispiel im Bereich der medizinischen Forschung;
26. ist der Ansicht, dass ungeachtet der Vielfalt der Auffassungen zur Kernenergie diejenigen Bestimmungen des Euratom-Vertrags, die zur Verhinderung der Weitergabe von kerntechnischem Material beigetragen haben bzw. die sich auf Gesundheit, Sicherheit und die Verhütung von Strahlenkontamination beziehen, sehr nützlich gewesen sind und sorgfältig mit den Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften des EG-Vertrags koordiniert werden sollten;
Zu schließende Lücken
27. bedauert, dass die Stärkung der Befugnisse des Parlaments, insbesondere die Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens auf den größten Teils des Gemeinschaftsrechts, nicht den Euratom-Vertrag betrifft; ist der Auffassung, dass das Parlament, auch wenn der Euratom-Vertrag technischen Inhalt hat, befugt ist, formell an der Verabschiedung der darauf basierenden Rechtsakte beteiligt zu sein;
28. betrachtet es als inakzeptables Demokratiedefizit, dass das Parlament fast vollständig von der Rechtsetzung im Bereich Euratom ausgeschlossen ist und dass es nur zu einem von den zehn Kapiteln des Vertrags lediglich konsultiert wird;
29. stellt jedoch fest, dass das Parlament über eine Interinstitutionelle Vereinbarung an den Verhandlungen über das Rahmenprogramm für gemeinschaftliche Maßnahmen im Bereich der Forschung und Ausbildung für die Europäische Atomgemeinschaft (2007–2011) (Euratom-RP) beteiligt ist; stellt in Anbetracht der in jüngster Zeit von seinem Ausschuss für Energie, Forschung und Energie geprüften Texte (Euratom-Rahmenprogramm), Richtlinie über die Überwachung und Kontrolle von radioaktiven Abfällen und abgebrannten Brennelementen[15], Instrument für Unterstützung im Nuklearbereich usw.) fest, dass trotz eines Verfahrens, das nur die Konsultation des Parlaments vorsieht, die Änderungen des Parlaments an Euratom-Texten regelmäßig ganz oder teilweise vom Rat berücksichtigt werden, was allerdings nicht als ausreichend gelten kann;
30. würdigt die große Bedeutung des Artikels 203 des Euratom-Vertrags, der innerhalb dieses Vertrags Spielraum dafür schafft, Rechtsetzungsinitiativen, wie im Fall der Schaffung des Instruments für nukleartechnische Zusammenarbeit, zu ergreifen, die ursprünglich im Euratom-Vertrag nicht vorgesehen waren; hält es für notwendig zu prüfen, wie Artikel 203 dazu herangezogen werden kann, neue Initiativen zu entwickeln und gegebenenfalls Anpassungen am Euratom-Vertrag vorzunehmen;
31. bedauert das Fehlen harmonisierter Normen mit einem realen zusätzlichen Nutzen, insbesondere im Vergleich zu dem bestehenden internationalen Rahmen, für die nukleare Sicherheit, die Behandlung radioaktiver Abfälle und die Stilllegung kerntechnischer Anlagen;
32. fordert die Kommission auf, sich von den Erfahrungen mit der Durchführung der Abkommen im IAEO-Rahmen (Übereinkommen über die Sicherheit in der Kerntechnik und Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle) und den Erkenntnissen der OECD-Kernenergieagentur über die fortschrittlichste nationale Praxis der Behandlung radioaktiver Abfälle anregen zu lassen; stellt fest, dass abgestimmte Initiativen wie etwa jene der Western Europe Nuclear Regulators Association (WENRA), die der Entwicklung eines gemeinsamen Ansatzes für die nukleare Sicherheit dienen, einen Beitrag zum einschlägigen gemeinsamen Besitzstand leisten können;
33. stellt fest, dass die Kommission, wie in dem genannten Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-29/99 Kommission/Rat bestätigt wurde, aufgrund des Euratom-Vertrags über Befugnisse im Bereich der nuklearen Sicherheit verfügt und einschlägige Vorschläge machen kann;
Zukunftsvorgaben
34. ist der Auffassung, dass der Euratom-Vertrag trotz seiner erheblichen Lücken vorläufig einen unverzichtbaren Rechtsrahmen darstellt, sowohl für die Mitgliedstaaten, die ihre Nuklearwirtschaft ausbauen wollen, als auch für jene, die nur rechtliche Schutzmaßnahmen für sich, ihre Bürger und die Umwelt wünschen;
35. stellt fest, dass die Bestimmungen des Euratom-Vertrags im Mittelpunkt der Debatten über industriepolitische Anliegen im Rahmen der Lissabon-Strategie und energiepolitische Anliegen gerade im Bereich der Versorgung, stehen, und das zu einem Zeitpunkt, in dem die Europäische Union einen kohlenstoffarmen, wettbewerbsfähigen und möglichst europäischen Energiemix definieren will;
36. stellt in diesem Zusammenhang nochmals fest, dass die Kernenergie der Europäischen Union heute 32 % ihrer Elektrizität liefert und von der Kommission in der Mitteilung vom 10. Januar 2007 als eine der wichtigsten CO2-freien Energiequellen in Europa und die drittbilligste Energiequelle in Europa – ohne Internalisierung der Kosten von CO2 – bezeichnet wird; ist deshalb der Auffassung, dass die Europäische Union unter Einhaltung des Euratom-Vertrags ihre führende industriepolitische und technologische Rolle gegenüber den Akteuren wahren muss, die mit Nachdruck ihre nukleartechnischen Aktivitäten wiederaufleben lassen (Russland, Vereinigte Staaten), auch in Anbetracht des Auftretens neuer Akteure von weltweiter Bedeutung im nuklearen Bereich (China und Indien), die auf mittellange Sicht Konkurrenten der Europäischen Union sein werden;
37. ist der Auffassung, dass das Fehlen des durch den Euratom-Vertrag gegebenen Rechtsrahmens zu einer Renationalisierung der Nuklearpolitik in Europa und damit zu einer Zurückentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes und einer möglichen Beeinträchtigung der Rechtssicherheit für alle 27 Mitgliedstaaten führen würde;
38. fordert, dass die Grundsätze des fairen Wettbewerbs und der gleichen Wettbewerbsbedingungen für verschiedene Energieträger eingehalten werden;
39. vertritt die Auffassung, dass die Streichung von einem oder mehreren Kapiteln des Euratom-Vertrags oder die Übernahme bestimmter Vorschriften in den EG-Vertrag dem Euratom-Vertrag insgesamt durch Schwächung der Kontrolle über die Nutzung der Kernenergie in Europa seine Ausgewogenheit nehmen würde; stellt hierzu fest, dass das Fehlen eines kohärenten Rechtsrahmens die Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands im Euratom-Bereich durch künftige Mitgliedstaaten sehr stark komplizieren würde;
40. vertritt die Auffassung, dass die Regelung der Nutzung der Kernenergie in Europa wegen der ganz besonderen Merkmale dieser Energiequelle die Beibehaltung eines spezifischen Rechtsrahmens wie des Euratom-Vertrags erfordert, der seit 50 Jahren den Nachweis für den Nutzen aller seiner Bestimmungen liefert; stellt fest, dass die teilweise Übernahme des Inhalts dieses Vertrags in einem hypothetischen Kapitel „Energie“ des EG-Vertrags die gesamte rechtliche Kontrolle über die Kernenergie in Europa schwächen und die speziellen Kontrollverfahren im Nuklearbereich, die gegenwärtig der Euratom-Vertrag vorsieht, beseitigen würde;
41. ist allerdings der Auffassung, dass in bestimmtem Umfang eine Reform des Euratom-Vertrags vorgenommen werden muss;
42. ist der Auffassung, dass unabhängig von möglichen kurzfristigen Anpassungen eine umfassende Überarbeitung des Euratom-Vertrags erforderlich ist, damit das Demokratiedefizit behoben wird und bei den Maßnahmen der Union und der Mitgliedstaaten im Nuklearbereich gemeinsame Sicherheitsanliegen in den Mittelpunkt rücken;
43. fordert eine Auffrischung der Entscheidungsverfahren des Euratom-Vertrags, durch die das Parlament eng in die Rechtsetzungsverfahren auf dem Gebiet der Kernenergie eingebunden werden könnte und die Möglichkeit hätte, mehr Transparenz zu erreichen und für die uneingeschränkte Beteiligung der Bürger der Union zu sorgen; fordert deshalb den Rat und die Kommission auf, gegen das dem Euratom-Vertrag innewohnende Demokratiedefizit vorzugehen und das Mitentscheidungsverfahren auf die aufgrund dieses Vertrags zu erlassenen Rechtsakte auszudehnen;
44. ist der Auffassung, dass diese Änderungen auf der Grundlage des Artikels 203 des Euratom-Vertrags vorgenommen werden können, ohne Struktur und Inhalt dieses Vertrags insgesamt durcheinander zu bringen; fordert den Rat auf, eine solche Änderung in Betracht zu ziehen;
45. stellt fest, dass es vor dem Hintergrund, dass die europäische Energiepolitik angepasst und die Betriebsdauer von Kraftwerken verlängert werden muss, dringend geboten ist, tragfähige Rechtsvorschriften auszuarbeiten und auf Gemeinschaftsebene konkrete Maßnahmen in den Bereichen Sicherheit der Kerntechnik, Bewirtschaftung radioaktiver Abfälle und Stilllegung kerntechnischer Anlagen zu treffen und dafür zu sorgen, dass Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten, die die sichere Nutzung der Kernenergie begünstigen, so wichtig genommen und so viel unterstützt werden wie möglich; fordert die Kommission auf, die einschlägigen Entwürfe ihres Legislativvorschlags zu überarbeiten und neue Vorschläge für Richtlinien über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen, die Abfallbewirtschaftung und die Stilllegung und Demontage kerntechnischer Anlagen unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips vorzulegen;
46. fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, diese Frage rasch zu prüfen und in engem Benehmen mit dem Parlament tätig zu werden;
47. fordert die Ausarbeitung europaweiter kerntechnischer Bildungs- und Ausbildungsprogramme und Maßnahmen zur Sicherung der Finanzierung ehrgeiziger Forschungsprogramme, um den Herausforderungen im Bereich der Kernspaltung (Sicherheit, Bewirtschaftung von Abfällen, Reaktoren der Zukunft) und des Strahlenschutzes zu begegnen, und im nötigen Umfang einschlägige Befugnisse und personelle Mittel beizubehalten, damit die nukleare Option auf der Grundlage einer fortbestands- und wettbewerbsfähigen europäischen Industrie offen gehalten wird;
48. verlangt einen Mechanismus, durch den die in den einzelnen Ländern bewährte Praxis auf dem Gebiet des Schutzes der Arbeitskräfte und der Allgemeinheit vor Strahlung auf europäischer Ebene koordiniert wird, um die Harmonisierung zu ergänzen, die durch den Euratom-Vertrag auf diesem Gebiet bereits erreicht worden ist;
49. fordert die Kommission nachdrücklich auf, gemäß dem Euratom-Vertrag regelmäßig wirklich zukunftsträchtige hinweisende Nuklearprogramme in Bezug auf Zielvorgaben für Kernenergieerzeugung und kerntechnische Investitionen in einem weltweiten Umfeld des verschärften Wettbewerbs auf diesem Sektor zu entwickeln und dabei auch die Ziele der Verringerung von Treibhausgasemissionen zu berücksichtigen; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch die Entscheidung für alle übrigen Energiequellen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt und dass dennoch auf Gemeinschaftsebene Ziele (gelegentlich sogar verbindliche Ziele) gesetzt werden, wie im Fall der erneuerbaren Energiequellen;
50. fordert den Rat auf, unter Beachtung der Zielvorgaben im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und die Verringerung der CO2-Emissionen eine koordinierte Politik festzulegen, mit der unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheitsanforderungen Investitionen zur Verlängerung der Lebensdauer und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit bestehender Kernreaktoren und Investitionen zum Aufbau neuer Kapazitäten gefördert werden;
51. weist auf die Initiative des Rates hin, die Gründung einer hochrangigen europäischen Gruppe für nukleare Sicherheit und Entsorgung nuklearer Abfälle in Betracht zu ziehen;
52. begrüßt die Initiative zur Einrichtung eines Europäischen Nuklearforums, mit dem ein Dialog auf hoher Ebene zwischen Teilnehmern aus Politik, Industrie und Zivilgesellschaft ermöglicht würde;
53. fordert eine Wiederbelebung der Rolle der Euratom-Versorgungsagentur und die volle Nutzung ihrer weit reichenden Befugnisse im Rahmen des Euratom-Vertrags; ist der Auffassung, dass diese Rolle nicht so sehr unter dem Gesichtspunkt eines Uranmangels, sondern unter dem der Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit, einschließlich der Versorgung mit fertigen Kernbrennstoffen, gesehen werden muss; ist der Auffassung, dass ihr der Euratom-Vertrag die Möglichkeit einräumt, als Beobachtungsstelle für Atomenergie zu fungieren, und ermutigt in diesem Sinne die gegenwärtigen Überlegungen über die Verbesserung des Status der Agentur;
54. fordert die Fortsetzung einer engen internationalen Zusammenarbeit, deren Grundstein vom Euratom-Vertrag gelegt wurde, sowie die kontinuierliche Stärkung der Zusammenarbeit mit der IAEO, um Doppelarbeit bei den Tätigkeiten der IAEO und der Europäischen Atomgemeinschaft zu vermeiden und um ein höchst mögliches Niveau an Strahlenschutz, Sicherheit und Nichtverbreitung von Atomwaffen zu gewährleisten;
55. fordert dazu auf, die internationale Zusammenarbeit in der Forschung und Entwicklung, etwa an dem Vorhaben ITER oder im Rahmen des Internationalen Forums für Reaktoren der IV. Generation, auf hohem Niveau fortzusetzen;
°
° °
56. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
- [1] Urteil in der Rechtssache 1/78, Slg. 1978, S. 2151.
- [2] Rechtssache C-161/97, Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH / Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Slg. 1999, S. I-02057.
- [3] Rechtssache C-29/99, Kommission der Europäischen Gemeinschaft / Rat der Europäischen Union, Slg. 2002, S. I-11221.
- [4] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0603.
- [5] ABl. C 292 E vom 1.12.2006, S. 112.
- [6] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0599.
- [7] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0300.
- [8] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0266.
- [9] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0517.
- [10] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0524.
- [11] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0523.
- [12] ABl. C 280 E vom 18.11.2006, S.108.
- [13] ABl. C 280 E vom 18.11.2006, S.117.
- [14] Mit dem Vertrag über die Europäische Union, unterzeichnet in Maastricht am 7. Februar 1992.
- [15] Richtlinie des Rates 2006/0117/Euratom vom 20. November 2006 über die Überwachung und Kontrolle der Verbringungen radioaktiver Abfälle und abgebrannter Brennelemente (ABl. L 337 vom 5.12.2006, S. 21).
BEGRÜNDUNG
Angesichts des fünfzigjährigen Bestehens des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom-Vertrag) und der gegenwärtigen Überlegungen über die Definition einer europäischen Energiepolitik soll der vorliegende Bericht prüfen, ob der Euratom-Vertrag noch der heutigen Situation der Atmenergie in der Europäischen Union angepasst ist und die notwendigen Instrumente zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen im Bereich der Energieversorgung bietet.
Auf den ersten Blick wirkt der Euratom-Rahmen veraltet, weil seine institutionelle Organisation nicht der Entwicklung der Europäischen Union gefolgt ist. Der Vertrag wurde seinerzeit als Instrument der funktionellen Integration konzipiert und kann auch vom Inhalt her bis zu einem bestimmten Grad als überholt angesehen werden, da bestimmte Bestimmungen nicht mehr relevant sind oder nicht im Sinn der ursprünglichen Ziele angewendet werden.
Trotz dieser Unzulänglichkeiten ist der Berichterstatter der Auffassung, dass bestimmte Bestimmungen des Euratom-Vertrags mehr denn je aktuell sind und zur Entwicklung eines umfangreichen abgeleiteten Rechts geführt haben. Dieser Rechtsrahmen dient nicht nur der Förderung, sondern vor allem der strengen Regelung der Atomindustrie. Deshalb prüft der vorliegende Bericht, ob der Euratom-Vertrag immer noch ein angemessener Rechtsrahmen für die Entwicklung neuer Bestimmungen in zukunftsorientierten Bereichen (gemeinsame Normen für die Sicherheit und die Behandlung radioaktiver Abfälle) ist und zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit Europas und zu seiner energiewirtschaftlichen Unabhängigkeit und zur Versorgungssicherheit beitragen kann.
I. Der Euratom-Vertrag bietet einen erprobten und ausgewogenen Rahmen für die die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Kernenergie.
• Die Initiativen und großen Errungenschaften über fünfzig Jahre beweisen die Ausgewogenheit und Effizienz des Euratom-Vertrags.
- Der Euratom-Vertrag hat er ermöglicht, dass die Kernenergie einen wichtigen Teil des europäischen Energiemixes ausmacht, durch den nachweislich den Ausstoß von rund 312 Megatonnen CO2 pro Jahr (7 % des Gesamtausstoßes von Treibhausgasen in der Europäischen Union) vermieden wird.
Mit einer nuklearen Energieerzeugung von über 920 TWh im Jahr 2005 erzeugt die Europäische Union ein Drittel der auf 2470 TWh geschätzten weltweiten Kernkraft. Im Gemeinschaftsdurchschnitt sind 32 % des Stroms nuklearen Ursprungs. Es gibt aber große Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten: 15 Mitgliedstaaten besitzen Kernkraftwerke, die in einigen von ihnen die wichtigste Stromquelle sind. Die europäische Industrie deckt den gesamten Kernbrennstoffkreislauf und hat eigene Technologien entwickelt (Brennstoffanreicherung, Reaktorgestaltung, Behandlung und Recycling abgebrannter Brennelemente usw.). Nach Auffassung des Berichterstatters ist dies ein wichtiges Merkmal der europäischen Atomindustrie, insbesondere angesichts der gegenwärtigen internationalen Debatte über multilaterale Lösungsansätze für den Kernbrennstoffkreislauf.
- Dank dem Auftrieb durch die sechs hinweisenden Nuklearprogramme blieb die europäische Forschung an der weltweiten Spitze, insbesondere im Bereich der kontrollierten Kernfusion.
• Viele Bestimmungen zeugen von der Vitalität und Anpassungsfähigkeit des Euratom-Vertrags.
- Der Gesundheitsschutz ist eine Priorität geworden.
Laut Euratom-Vertrag hat die Europäische Atomgemeinschaft einheitliche Sicherheitsnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufzustellen und für ihre Anwendung zu sorgen. Dieses Kapitel führte zu einem umfangreichen Bestand an abgeleitetem Recht, das den Rahmen für die nationalen Strahlenschutzbestimmungen bietet: gemeinsame Mindestnormen, Höchstwerte für die radioaktive Belastung von Lebensmitteln, Regelungen über Informationsaustausch, radiologische Notstandssituationen, Kontrolle der Radioaktivität in der Umwelt, Kontrolle der Ableitungen radioaktiver Stoffe und Schutz der Besatzungen in der zivilen Luftfahrt.
- In Ergänzung kontrolliert die Internationalen Atomenergie-Organisation die Sicherheit in Verbindung mit radioaktiven Stoffen.
In Kapitel VII ist ein umfassendes Kontrollsystem vorgesehen, um zu gewährleisten, dass die Erze und besonderes spaltbares Material nicht zweckentfremdet werden.
Diese Sicherheitskontrollen beruhen auf einem System der Meldung der Bestände der Betreiber und Garantien („safeguards“), das die Internationale Atomenergie-Organisation aufgrund von Dreipartienabkommen mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Atomgemeinschaft anwendet. Seit der Stärkung der Nichtverbreitung von Kernwaffen durch die 1998 unterzeichneten Zusatzprotokolle zu den Garantieabkommen übermittelt die Euratom der Internationalen Atomenergie-Organisation regelmäßig die genauen Daten über die radioaktiven Stoffe der Mitgliedstaaten. Der Berichterstatter ist der Auffassung, dass sich diese beiden Systeme als ergänzend erwiesen haben. Etwaige Verbesserungen müssen praktisch ausgerichtet sein und zwecks Vermeidung von Redundanzen die Harmonisierung der Untersuchungs- und Kontrollmethoden anstreben.
- Eine resolute Außenpolitik hat pragmatisch die Schwachstellen des Euratom-Vertrags kompensiert.
Im Rahmen seiner Befugnisse entwickelte die Euratom ein Netz von internationalen Abkommen.
- Internationale Organisationen: Die Euratom ist den meisten Übereinkommen im Rahmen der Internationalen Atomenergie-Organisation beigetreten. Diese ergänzende Wirkung drückt sich dadurch aus, dass die Empfehlungen, Verträge und Übereinkommen der Internationalen Atomenergie-Organisation die einschlägigen Euratom-Maßnahmen unterstützen, die Beobachterstatus bei der Internationalen Atomenergie-Organisation hat, was die Entwicklung konstruktiver Partnerschaftsbeziehungen bewirkte.
- Bilaterale Beziehungen: Geschichtlich bedingt konzentrierten sich die Euratom-Beziehungen auf die Abkommen mit den drei wichtigen Lieferanten radioaktiver Stoffe und Technologien, Kanada, Australien und den Vereinigten Staaten. Diese Abkommen wurden später auf die nukleare Sicherheit und Forschung ausgeweitet. Heute sind diese Abkommen eher Kooperationsabkommen (mit Japan, Argentinien, Kasachstan und der Ukraine), die die Bereichen der Sicherheit, der Kontrolle radioaktiver Stoffe, der Bekämpfung des illegalen Handels sowie der Erforschung der kontrollierten Kernfusion (ITER) betreffen. Diesem Kapitel über die Außenbeziehungen ist auch zu verdanken, dass die Euratom eine sehr aktive Rolle bei den einzelnen Erweiterungen spielte (PHARE).
Der Berichterstatter ist der Auffassung, dass es sich hier um einen der wichtigsten Aspekte von Euratom handelt, der aufgrund seiner Vitalität von der Zeitgemäßheit des Euratom-Vertrags zeugt.
II. Allerdings zeigen sich an der unzureichenden rechtlichen Anpassung und an bestimmten Lücken die Schwächen des Euratom-Vertrags.
- Demokratiedefizit
Das institutionelle Ungleichgewicht muss sich zugunsten des Parlaments ändern. Dem Parlament muss die Mitentscheidung im Rahmen des Euratom-Vertrags eingeräumt werden. Der Berichterstatter betont die Bedeutung des Beitrags des Parlaments. Auch wenn das Parlament nicht offiziell konsultiert wird, hat sich seine Einschaltung in die Debatten in mehreren Fällen als entscheidend erwiesen, etwa als die Annahme des siebten Euratom-Forschungsrahmenprogramms nicht voran kam, oder im Rahmen der Verhandlungen über die Richtlinie über Verbringungen oder bei den Änderungen am Instrument für nukleare Zusammenarbeit.
- EU-Sicherheitsnormen, Behandlung radioaktiver Abfälle und Sicherung der Finanzierung langfristiger Investitionen
2003 wurde ein Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, um die organisatorischen Grundlagen für eine angemessene Sicherheitsstrategie zu definieren und die erforderlichen Mittel für den Betrieb und die Stilllegung kerntechnischer Anlagen bereitzustellen. In Ermangelung eines Konsenses verabschiedete der Rat 2004 einen Konvergenzprozess für einen Aktionsplan bis 2006, der sich auf einer Ad-hoc-Gruppe für nukleare Sicherheit stützte.
Der Berichterstatter stellt fest, dass die Empfehlungen dieser Gruppe denen des PINC-Projekts vom 10. Januar 2007 entsprechen, und ist der Auffassung, dass zuallermindest die Idee einer Ad-hoc-Gruppe für nukleare Sicherheit Unterstützung verdient. Die einschlägige Rechtsetzung erfordert keine grundlegende Änderung des Euratom-Vertrags, da der Artikel 203 eine ausreichende Rechtsgrundlage für neue Rechtsakte bietet.
III. Der Euratom-Vertrag muss die Bewältigung der zukünftigen energiepolitischen Herausforderungen möglich machen.
Nach Auffassung des Berichterstatters legt es nicht am Euratom-Vertrag, dass die Instrumente zur Entwicklung der Kernenergie nicht die im Vertrag festgelegten Ziele erreicht haben; es gilt jetzt, den geltenden Bestimmungen voll und ganz umzusetzen.
- Hinweisende Nuklearprogramme für die Gemeinschaft (PINC)
Die Kommission legte 1966, 1972, 1984, 1990 und 1997 hinweisende Nuklearprogramme auf. Der Berichterstatter bedauert, dass die Elemente der Freiwilligkeit und der Planung aus den Programmen verschwunden sind und dass sie nicht mehr die erwartete Rolle spielen. Er stellt fest, dass auch der jüngste PINC-Vorschlag offenbar nicht zukunftweisend für die Anpassung der nuklearen Industrieanlagen an die Ziele der gemeinsamen Energiepolitik sowie die notwendigen Investitionen in die Forschung und Entwicklung im Bereich der nuklearen Sicherheit und der Behandlung radioaktiver Abfälle ist. Er empfiehlt , dass eine zukunftsorientierte Ausrichtung gegebenenfalls auch die zur Erreichung der Ziele notwendigen Instrumente vorgibt, insbesondere mittels Euratom-Darlehen.
- Die Befugnisse der Euratom-Versorgungsagentur müssen im Rahmen der Marktliberalisierung reaktiviert werden.
Die Euratom hat das Ziel, die regelmäßige und gerechte Versorgung aller Nutzer in der Gemeinschaft mit nuklearen Erzen und Brennstoffen sicherzustellen. (Die Euratom hat das exklusive Recht, Verträge über die Lieferung radioaktiver Stoffe zu schließen. Sie hat ein Optionsrecht auf die in den Mitgliedstaaten erzeugten Erze und spaltbaren Stoffe. Ihre Versorgungsagentur weist eine kommerzielle Organisation auf.)
In der Praxis wurde das exklusive Recht der Versorgungsagentur zum Abschluss von Abkommen beschnitten, und bestimmte Mitgliedstaaten haben vereinfachte Verfahren mit der Versorgungsagentur entwickelt, so dass diese zu einem bloßen Buchführer geworden ist. Die Rolle der Versorgungsagentur muss mit Blick auf die Energieversorgungssicherheit neu belebt werden.
Die Fortentwicklung dieses Kapitels des Euratom-Vertrags ist ebenso wie die anderer Kapitel möglich, weil es über einen eigenen Revisionsmechanismus verfügt. Der Berichterstatter sieht darin eine Möglichkeit, eine regelrechte Beobachtungsstelle für Kernenergie weiterzuentwickeln, was den Empfehlungen der Kommission für eine europäische Energiepolitik entspricht.
Fazit über die institutionelle Debatte und die Zukunft des Euratom-Vertrags
Der Berichterstatter zieht aus den vorstehenden Ausführungen folgende Schlüsse:
- Der Euratom-Vertrag muss konsolidiert werden, denn er hat seine Wirksamkeit bewiesen und es ist notwendig, in den einzelnen Szenarien europäischer Energiepolitik den Beitrag der Kernenergie zur Versorgungssicherheit und Bekämpfung des Klimawandels zu berücksichtigen.
- Der institutionelle Rahmen der Euratom muss so gestaltet werden, dass das Parlament wieder eine zentrale Rolle in den Verhandlungen hat.
- Die Anwendung des Euratom-Vertrags muss sich umgehend auf neue Betätigungsfelder erstrecken. Der Vertrag selbst bietet bereits die Grundlage für solche Entwicklungen.
- Die Euratom muss die notwendige Finanzierung von Forschung und Entwicklung in den Bereichen nukleare Sicherheit, Behandlung radioaktiver Abfälle, und Reaktorgenerationen der Zukunft gewährleisten und Ais- und Fortbildungsprogramme im Hinblick auf die Erhaltung des Anteils der Kernenergie am Energiemix durchführen.
- Die Euratom muss zur Definition einer koordinierten und investitionsfördernden Politik beitragen. Sie verfügt über die notwendigen Instrumente, um die Marktbeobachtung zu gewährleisten und Empfehlungen für die Beibehaltung der Voraussetzungen für die Umsetzung der EU-Energiepolitik abzugeben.
STELLUNGNAHME des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (23.3.2007)
für den Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie
zu dem Thema „Bewertung von Euratom – 50 Jahre europäische Kernenergiepolitik“
(2006/2230(INI))
Verfasser der Stellungnahme: Johannes Voggenhuber
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen ersucht den federführenden Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
A. in der Erwägung, dass die EU-Verträge immer wieder tief greifend reformiert wurden, um neuen Bedürfnissen und Herausforderungen gerecht zu werden, der Euratom-Vertrag aber in seiner 50jährigen Geschichte nur eine einzige Änderung[1] erfahren hat, in seinen zentralen Bestimmungen und in seiner Substanz jedoch in der ursprünglichen Fassung erhalten blieb,
B. in der Erwägung, dass der Euratom-Vertrag zwar in den letzten 50 Jahren wenig geändert worden ist, im selben Zeitraum aber Grundlage für einen reichen Bestand an abgeleitetem Recht geworden und Gegenstand zahlreicher Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft gewesen ist, sodass sein ursprüngliches Anwendungsgebiet wesentlich ausgedehnt werden konnte,
C. in der Erwägung, dass durch die letzte Erweiterungsrunde das Erscheinungsbild der Europäischen Union im Bereich der Kernenergie vielfältiger und die Notwendigkeit zu einem Vorgehen der Gemeinschaft auf diesem Gebiet größer geworden ist, dass von 27 Mitgliedstaaten elf nie ein Kernkraftwerk auf ihrem Hoheitsgebiet gehabt haben, Italien aus der Produktion von Strom aus Kernkraft ausgestiegen ist und Belgien, die Niederlande und Schweden ähnliche Schritte beschlossen haben,
D. in der Erwägung, dass es bereits am 18. Juni 1998 in seiner Entschließung zu der Mitteilung der Kommission „Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger – Weißbuch für eine Gemeinschaftsstrategie und Aktionsplan“ den Rat aufgefordert hat, „im Rahmen einer künftigen Revision des EU-Vertrags ein Energiekapitel in den Vertrag aufzunehmen, wobei die Förderung von erneuerbaren Energieformen entsprechend zu berücksichtigen ist, um eine dauerhafte und umweltgerechte Energiepolitik auf europäischer Ebene zu gewährleisten“[2],
E. in der Erwägung, dass der Konvent in seinem Entwurf für einen Vertrag über eine Verfassung für Europa die Abtrennung des Euratom-Vertrags von der rechtlichen Struktur der künftigen Verfassung vorgeschlagen hat und dass mit den Tätigkeiten des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union und der Unterzeichnung des Verfassungsvertrags die Bestimmungen des Euratom-Vertrags in ihrer gegenwärtigen Fassung als beigefügtes Protokoll aufrecht erhalten worden sind,
F. in der Erwägung, dass es in seiner Entschließung vom 24. September 2003 mit dem Titel „Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa und Stellungnahme des Europäischen Parlaments zur Einberufung der Regierungskonferenz“ die Abtrennung des Euratom-Vertrages begrüßt und die Regierungskonferenz aufgefordert hat, „eine Konferenz zur Revision dieses Vertrags einzuberufen, um überholte und nicht mehr zutreffende Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich der Förderung der Atomenergie und des Fehlens demokratischer Beschlussfassungsverfahren, aufzuheben“[3],
G. in der Erwägung, dass Deutschland, Irland, Österreich, Ungarn und Schweden dem Verfassungsvertrag eine Erklärung beigefügt haben, wonach die zentralen Bestimmungen des Euratom-Vertrags aktualisiert werden müssen und dazu „so rasch wie möglich“ eine Revisionskonferenz einberufen werden soll,
H. in der Erwägung dass der Euratom-Vertrag strenge Sicherheitsnormen für den Umgang mit radioaktiven Brennelementen und Abfällen in der Europäischen Union eingeführt hat, einheitliche Normen für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Arbeitskräfte aufstellt und für ihre Anwendung sorgt und eine Proliferation von Kernmaterial für militärische Zwecke verhindert,
1. stellt fest, dass die vor fünf Jahrzehnten im Euratom-Vertrag ausgedrückten Erwartungen an die Kernenergie fortentwickelt worden sind und dass sie heute stärker auf die Notwendigkeit ausgerichtet sind, mit dem Euratom-Vertrag über einen tragfähigen rechtlichen Rahmen zu verfügen für die Überwachung der Nutzung der Kernenergie in der Europäischen Union und die Flankierung der Integration von Staaten, die Kernenergie nutzen, in die EU durch Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands im Euratom-Bereich; weist darauf hin, dass in Titel II des Euratom-Vertrags wichtige Kapitel für den Schutz der Bevölkerung, der Arbeitskräfte und der Umwelt vor ionisierenden Strahlungen (Kapitel 3), die Förderung der Forschung auf den Gebieten Abfallbewirtschaftung und Anlagensicherheit (Kapitel 1) und die Überwachung der Sicherheit in Bezug auf spaltbare Stoffe in Europa (Kapitel 7) gesorgt haben.;
2. betrachtet es als inakzeptables Demokratiedefizit, dass das Parlament fast vollständig von der Rechtsetzung im Bereich Euratom ausgeschlossen ist und dass es nur zu einem von den zehn Kapiteln des Vertrags lediglich konsultiert wird;
3. stellt fest, dass der Euratom-Vertrag trotz des ermutigenden Tenors seiner Präambel den Mitgliedstaaten nicht die Verfolgung der nuklearen Option auf dem eigenen Hoheitsgebiet vorschreibt und so deren souveränes Recht auf den Aufbau eines eigenen Energiemix achtet;
4. verweist auf den Vertrag von Amsterdam vom Mai 1999, der die Bedeutung des Mitentscheidungsrechts des Europäischen Parlaments verbürgt, bedauert, dass die Stärkung der Befugnisse des Parlaments, insbesondere die Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens auf den größten Teils des Gemeinschaftsrechts, sich nicht auf den Euratom-Vertrag erstreckt; ist der Auffassung, dass das Parlament trotz der technischen Rolle des Euratom-Vertrags formell an der Verabschiedung der darauf basierenden Texte beteiligt werden sollte;
5. betont, dass der Euratom-Vertrag nicht die Schaffung eines Elektrizitätsbinnenmarkts hemmt und erst recht nicht grundsätzlich dem freien Waren-, Personen- und Kapitalverkehr entgegensteht; verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass das Gemeinschaftsrecht in Gestalt des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft (EG-Vertrag) auf die nuklearen Tätigkeiten Anwendung findet und dass etwa die Verbringung nuklearer Materialien, Ausrüstungen und Technologien innerhalb und außerhalb der Europäischen Union den auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassenen handelspolitischen Bestimmungen über die Kontrolle der Güter mit doppeltem Verwendungszweck unterliegt; weist zudem darauf hin, dass die Euratom-Rechtsvorschriften dem Wettbewerbsrecht und den Vorschriften über staatliche Beihilfen in Titel VI des EG-Vertrags untergeordnet sind; zieht daraus den Schluss, dass der Euratom-Vertrag keineswegs als protektionistischer Rahmen für die Kernenergie fungiert;
6. wiederholt seine Forderung, eine Regierungskonferenz zum Zweck einer umfassenden Überarbeitung des Euratom-Vertrags einzuberufen, die überholten Bestimmungen dieses Vertrags aufzuheben, das System der Regulierung der Nuklearindustrie auf EU-Ebene beizubehalten, die verbleibenden Teile vor dem Hintergrund einer modernen und nachhaltigen Energiepolitik zu ändern und sie als separates Energiekapitel in den Verfassungsvertrag zu integrieren;
7. vertritt die Auffassung, dass ungeachtet der Vielfalt der Auffassungen zur Kernenergie diejenigen Bestimmungen des Euratom-Vertrags, die zur Verhinderung der Weitergabe von kerntechnischem Material beigetragen haben bzw. die sich auf Gesundheit, Sicherheit und die Verhütung von Strahlenkontamination beziehen, sehr nützlich gewesen sind und sorgfältig mit den Gesundheits und Sicherheitsvorschriften des EG-Vertrags koordiniert werden sollten;
VERFAHREN
Titel |
Bewertung von Euratom - 50 Jahre europäische Kernenergiepolitik |
||||||
Verfahrensnummer |
|||||||
Federführender Ausschuss |
ITRE |
||||||
Stellungnahme von |
AFCO |
||||||
Verfasser der Stellungnahme |
Johannes Voggenhuber |
||||||
Prüfung im Ausschuss |
22.1.2007 |
1.3.2007 |
|
|
|
||
Datum der Annahme |
19.3.2007 |
||||||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
17 0 2 |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Philip Dimitrov Dimitrov, Andrew Duff, Maria da Assunção Esteves, Bronisław Geremek, Anneli Jäätteenmäki, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Jo Leinen, Íñigo Méndez de Vigo, Rihards Pīks, Johannes Voggenhuber |
||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Pervenche Berès, Georgi Bliznashki, Elmar Brok, Carlos Carnero González, Gérard Onesta, Georgios Papastamkos, Bogdan Pęk, György Schöpflin, Alexander Stubb |
||||||
VERFAHREN
Titel |
Bewertung von Euratom – 50 Jahre europäische Kernenergiepolitik |
|||||||||||
Verfahrensnummer |
2006/2230 (INI) |
|||||||||||
Federführender Ausschuss |
ITRE |
|||||||||||
Mitberatende(r) Ausschuss/Ausschüsse |
AFCO |
|
|
|
|
|||||||
Berichterstatter(in/innen) |
Eugenijus Maldeikis |
|
||||||||||
Prüfung im Ausschuss |
19.12.2006 |
30.1.2007 |
26.2.2007 |
26.3.2007 |
|
|||||||
Datum der Annahme |
27.3.2007 |
|||||||||||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
41 4 4 |
||||||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
John Attard-Montalto, Jan Březina, Philippe Busquin, Jerzy Buzek, Giles Chichester, Jorgo Chatzimarkakis, Silvia Ciornei, Pilar del Castillo Vera, Den Dover, Lena Ek, Nicole Fontaine, Adam Gierek, Norbert Glante, András Gyürk, Fiona Hall, Rebecca Harms, Erna Hennicot-Schoepges, Ján Hudacký, Mary Honeyball, Anne Laperrouze, Romana Jordan Cizelj, Eugenijus Maldeikis, Angelika Niebler, Reino Paasilinna, Atanas Paparizov, Francisca Pleguezuelos Aguilar, Miloslav Ransdorf, Vladimír Remek, Herbert Reul, Mechtild Rothe, Paul Rübig, Andres Tarand, Britta Thomsen, Radu Ţîrle, Patrizia Toia, Catherine Trautmann, Claude Turmes, Nikolaos Vakalis, Alejo Vidal-Quadras |
|||||||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellvertreter(in/innen) |
Alexander Alvaro, Konstantin Dimitrov, Avril Doyle, Robert Goebbels, Satu Hassi, Edit Herczog, Eija-Riitta Korhola, Esko Seppänen, Hannes Swoboda, Lambert van Nistelrooij |
|||||||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
Gintaras Didžiokas |
|||||||||||
Datum der Einreichung |
4.4.2007 |
|||||||||||