BERICHT über die besondere Situation von Frauen im Gefängnis und die Auswirkungen der Inhaftierung von Eltern auf deren Leben in Familie und Gesellschaft

5.2.2008 - (2007/2116(INI))

Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
Berichterstatterin: Marie Panayotopoulos-Cassiotou

Verfahren : 2007/2116(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0033/2008

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zur besonderen Situation von Frauen im Gefängnis und zu den Auswirkungen der Inhaftierung von Eltern auf deren Leben in Familie und Gesellschaft

(2007/2116(INI))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die sich auf die Verteidigung der Menschenrechte beziehenden Artikel 6 und 7 des EU-Vertrags sowie Artikel 4 der neuen am 12. Dezember 2007 proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union[1],

–   unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, insbesondere auf deren Artikel 5, auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, insbesondere auf dessen Artikel 7, auf das Europäische Übereinkommen von 1987 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CPT) sowie auf dessen Fakultativprotokoll zur Einrichtung eines Systems regelmäßiger Besuche, die von unabhängigen internationalen und nationalen Stellen an Orten, an denen Personen die Freiheit entzogen ist, durchgeführt werden,

–   unter Hinweis auf Artikel 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, ihre Protokolle sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte,

–   unter Hinweis darauf, dass mit dem vorstehend genannten CPT das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarates eingesetzt wurde, sowie unter Hinweis auf die Berichte dieses Komitees,

–   unter Hinweis auf die Mindestvorschriften der Vereinten Nationen für die Behandlung von Strafgefangenen aus dem Jahre 1957 sowie auf die einschlägigen von der Vollversammlung angenommenen Erklärungen und Grundsätze,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes,

–   unter Hinweis auf die Resolution (73)5 des Europarates zur Gesamtheit der Mindestvorschriften für die Behandlung von Strafgefangenen sowie die Empfehlungen R(87)3 und R(2006)2 über die europäischen Strafvollzugsgrundsätze,

–   unter Hinweis auf die Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, und insbesondere auf die Empfehlung R(2006)1747 über die Einführung einer europäischen Strafvollzugscharta sowie die Empfehlung R(2000)1469 über Mütter und Säuglinge in Haft,

–   unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 26. Mai 1989 zu Frauen und Kindern im Gefängnis[2],, vom 18. Januar 1996 zu den menschenunwürdigen Haftbedingungen in Gefängnissen in der Europäischen Union[3], vom 17. Dezember 1998 zu den Haftbedingungen in der Europäischen Union: Umwandlungen und Ersatzstrafen[4], sowie auf seine Empfehlung vom 9. März 2004 an den Rat zu den Rechten der Häftlinge in der Europäischen Union[5],

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts seines Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6‑0033/2008),

A. in der Erwägung, dass gemäß den internationalen und europäischen Übereinkommen[6] die Menschenrechte einer jeden inhaftierter Person geachtet werden müssen und dass die Haftbedingungen in Einklang mit den Grundsätzen der Würde des Menschen, der Nichtdiskriminierung und des Respekts des Privat- und Familienlebens stehen und regelmäßig von unabhängigen Stellen geprüft werden müssen,

B.  in der Erwägung, dass die besonderen Bedürfnisse und Situationen von weiblichen Inhaftierten im Rahmen der richterlichen Entscheidungen, in den Strafgesetzen und von den Strafvollzugsbehörden der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müssen,

C. in der Erwägung, dass die Situation der Frauen im Gefängnis ein Spiegelbild der Stellung der Frau in der Gesellschaft ist, die gefangen ist in einem System, das hauptsächlich von Männern für Männer konzipiert und aufgebaut wurde und von ihnen geleitet wird,

D. in der Erwägung, dass konkrete und den besonderen Bedürfnissen der Frauen angepasste Maßnahmen getroffen werden müssen, insbesondere die Anwendung alternativer Strafen,

E.  in der Erwägung, dass schwangeren Frauen in Haft die Unterstützung, Informationen und alle Elemente zugute kommen sollten, die für eine komplikationslose Schwangerschaft und Mutterschaft notwendig sind, nämlich eine ausgewogene Ernährung, einwandfreie hygienische Bedingungen, frische Luft, körperliche Betätigung sowie prä- und postnatale Versorgung,

F.  in der Erwägung, dass alle Häftlinge, ob Männer oder Frauen, gleichermaßen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen haben müssen, die Strafvollzugsmaßnahmen jedoch die Prävention, die Betreuung und die Behandlung von frauenspezifischen Gesundheits­problemen besonders berücksichtigen müssen,

G. in der Erwägung, dass die psychische und physische Gesundheit der Mutter mit der des Kindes in Verbindung zu bringen ist,

H. in der Erwägung, dass eine große Zahl von weiblichen Inhaftierten von Drogen oder anderen Substanzen abhängig ist oder war[7] und die dadurch bedingten psychischen oder Verhaltensstörungen einer geeigneten medizinischen Behandlung sowie einer sozialen und psychologischen Unterstützung im Rahmen einer umfassenden in den Strafvollzugsanstalten praktizierten Gesundheitspolitik bedürfen,

I.   in der Erwägung, dass heute bekannt ist, wie oft es in der Vorgeschichte von Frauen in Gefängnissen zu Gewalt, sexuellem Missbrauch und Misshandlung in der Familie und der Ehe gekommen ist, wie stark diese Frauen wirtschaftlich und psychologisch abhängig sind und wie unmittelbar dies alles mit ihrem Weg in die Straffälligkeit und ihren physischen und psychischen Leiden, zu denen der posttraumatische Stress gehört, verknüpft ist,

J.   in der Erwägung, dass das Personal im Strafvollzug hinreichend für die Beachtung des Grundsatzes der Gleichstellung von Mann und Frau sowie für die besonderen Bedürfnisse und Situationen der weiblichen Strafgefangenen ausgebildet und sensibilisiert sein muss; in der Erwägung, dass es wünschenswert ist, den am meisten Gefährdeten unter ihnen ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und zwar den Minderjährigen und den Behinderten;

K. in der Erwägung, dass die Erhaltung familiärer Bindungen ein wichtiges Mittel zur Verhinderung von Rückfällen und zur sozialen Wiedereingliederung ist und alle Strafgefangenen, ihre Kinder[8] und andere Familienangehörige einen Anspruch darauf haben, wobei jedoch die Wahrnehmung dieses Rechts für die Frauen aufgrund der geringen Zahl von Frauengefängnissen und der damit möglicherweise verbundenen geographischen Entfernung oft besonders schwierig ist,

L.  in der Erwägung, dass das übergeordnete Interesse des Kindes immer im Auge behalten werden muss, wenn über die Trennung des Kindes von den Eltern oder über seinen Verbleib bei dem inhaftierten Elternteil entschieden wird, wobei in jedem Fall die Rechte des anderen Elternteils gewahrt bleiben müssen und angemessene Vorkehrungen zu treffen sind, um die emotionalen Bindungen zum ursprünglichen Familienkreis (Geschwister, Großeltern und sonstige Familienangehörige) zu erhalten,

M. in der Erwägung, dass sich die Unterzeichnerstaaten des oben genannten Übereinkommens über die Rechte des Kindes (sowie anderer internationaler Vereinbarungen[9]) verpflichtet haben, allen Kindern ohne Diskriminierung und unabhängig vom Rechtsstatus ihrer Eltern sämtliche in diesem Übereinkommen vorgesehenen Rechte zu garantieren, und insbesondere das Recht auf angemessene Gesundheitsdienstleistungen, auf Freizeitgestaltung und Bildung, und dass diese Verpflichtung ebenfalls für Kinder gelten muss, die mit einem Elternteil im Gefängnis leben,

N. in der Erwägung, dass es die Rolle einer Strafvollzugsanstalt sein sollte, über die Bestrafung einer illegalen Handlung hinaus die soziale und berufliche Wiedereingliederung zu ermöglichen, da die Vorgeschichte vieler Strafgefangener beiderlei Geschlechts durch soziale Ausgrenzung und Armut gekennzeichnet ist[10] ,

O. in der Erwägung, dass eine große Zahl von Frauen, die ins Gefängnis kommen, in laufende Gerichtsverfahren verwickelt sind (Sorgerecht, Pflege oder Adoption von Kindern, Scheidungen oder Trennungen, Wohnungskündigung usw.), deren Ausgang bei Antritt ihrer Haftstrafe nicht absehbar ist und die sie in eine Situation der Hilflosigkeit bringen, die sie in einen permanenten Zustand von Ungewissheit und Stress versetzt,

P.  in der Erwägung, dass den Strafgefangenen die bestehenden Sozialhilfeleistungen oft nicht bekannt sind und in vielen Fällen das Fehlen, der Verlust oder die Ungültigkeit ihrer Papiere (Personalausweis, Krankenversicherungskarte, Familienbuch usw.) sie praktisch daran hindern, ihre Rechte wahrzunehmen, über die jeder Angehörige eines Mitgliedstaats verfügt,

Q. in der Erwägung, dass die steigende Zahl inhaftierter Frauen teilweise auf die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Frauen zurückzuführen ist,

R.  in der Erwägung, dass ein gleicher Zugang aller Strafgefangener, Männern wie Frauen, zu Beschäftigung, Ausbildung und Freizeitgestaltung während der Dauer ihrer Inhaftierung von besonderer Wichtigkeit für ihr psychologisches Gleichgewicht und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft und die Arbeitswelt ist,

S.  in der Erwägung, dass das Angebot an Bildung, Ausbildung, Beschäftigung, Freizeitgestaltung und Selbstverwirklichung, das den Strafgefangenen beiderlei Geschlechts zur Verfügung steht, so umfangreich es auch sein mag, allein nicht ausreicht und Begleitprogramme aufgestellt werden müssen, die ihre Einbeziehung in die Planung und den Verlauf ihres Wiedereingliederungsprozesses erleichtern,

T.  in der Erwägung, dass die inhaftierten Frauen ohne Diskriminierung Zugang zu einer Beschäftigung und einer Tätigkeit auf freiwilliger Basis sowie zu verschiedenartigen und den Erfordernissen des Arbeitsmarkts angepassten Berufsbildungs- und sozialpädagogischen Maßnahmen erhalten müssen, die ihre Wiedereingliederung nach Verbüßung der Strafe fördern,

U. in der Erwägung, dass eine erfolgreiche soziale Wiedereingliederung von Häftlingen beiderlei Geschlechts sowie die Verringerung der Rückfallquote von der Qualität der Betreuung während der Haft abhängen, und insbesondere von den Partnerschaften, die mit Unternehmen und sozialen Einrichtungen aufgebaut werden, ebenso wie von der Betreuung sowie der sozialen und beruflichen Unterstützung nach Verbüßen der Haftstrafe,

V. in der Erwägung, dass es einen erheblichen Bedarf an umfassenden, vergleichbaren und aktuellen nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten und Statistiken gibt,

Haftbedingungen

1.  ermutigt die Mitgliedstaaten, ausreichend Mittel in die Modernisierung und Anpassung ihrer Strafvollzugsinfrastrukturen zu investieren sowie die oben genannte Empfehlung R(2006)2 des Europarates umzusetzen, um Haftbedingungen zu gewährleisten, die die Menschenwürde und die Grundrechte achten, insbesondere in Bezug auf Unterbringung, Gesundheit, Hygiene, Verpflegung, Belüftung und Beleuchtung;

2.  bekräftigt seine Aufforderung an die Kommission und den Rat, einen Rahmenbeschluss über Mindestvorschriften zum Schutz der Rechte von Strafgefangenen auf der Grundlage des Artikels 6 des EU-Vertrags zu verabschieden (siehe die vorstehend genannte Empfehlung R(2006)2 des Europarates), und fordert den Rat auf, die Ausarbeitung einer allen Mitgliedstaaten des Europarates gemeinsamen Strafvollzugscharta voranzutreiben, mit Blick auf eine Harmonisierung der Haftbedingungen in Europa und einem klaren Bekenntnis zu den Rechten und Pflichten von Häftlingen beiderlei Geschlechts;

3.  fordert die Kommission auf, in ihrem Jahresbericht über die Menschenrechte auch die Achtung der Grundrechte von Häftlingen beiderlei Geschlechts und die besonderen Haftbedingungen für Frauen zu bewerten;

4.  fordert die Mitgliedstaaten und die Beitrittskandidaten nachdrücklich auf, das Fakultativprotokoll zum CPT zu ratifizieren, mit dem ein unabhängiges System zur Kontrolle von Haftanstalten eingeführt werden soll, und fordert den Rat und die Kommission auf, die Ratifizierung dieses Übereinkommens und seines Protokolls im Rahmen der Außenpolitik der Europäischen Union voranzutreiben;

5.  erinnert daran, dass die Einhaltung der nationalen und internationalen rechtlichen Standards für die Verwaltung der Strafvollzugsanstalten durch regelmäßige Kontrollen der zuständigen Aufsichtsbehörden bescheinigt werden sollte;

6.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit in den Strafvollzugsanstalten für Ruhe und Ordnung gesorgt und die Sicherheit des Personals und der Häftlinge gewährleistet werden kann, indem Gewalt und Missbrauch, denen vor allem Frauen und Angehörige ethnischer und sozialer Minderheiten ausgesetzt sind, ein Ende bereitet wird;

7.  erinnert an die „Besonderheit“ der Frauengefängnisse und fordert mit Nachdruck Sicherheits- und Wiedereingliederungsmaßnahmen, die für Frauen entwickelt wurden;

8.  fordert die Mitgliedstaaten auf, den Grundsatz der Gleichstellung von Mann und Frau in ihre Strafvollzugspolitik einzubeziehen und in ihren Strafvollzugsanstalten zu verwirklichen sowie den Besonderheiten der Frauen und ihrer oft traumatischen Vorgeschichte verstärkt Rechnung zu tragen, insbesondere durch die Vermittlung der Grundwerte an Frauen und durch eine entsprechende Sensibilisierung und Ausbildung des medizinischen und Gefängnispersonals in den Haftanstalten:

a)   durch die Einführung des Geschlechts als Merkmal in der Datenerhebung in allen erdenklichen Bereichen, um die Problematik und die besonderen Bedürfnisse der Frauen aufzuzeigen;

b)   durch die Einsetzung eines Prüfungsausschusses und Systemen zur permanenten Überprüfung für eine effiziente Kontrolle der Haftbedingungen, die Diskriminierungen aufdecken und beseitigen helfen, von denen Frauen im Strafvollzug immer noch betroffen sind;

c)   durch das ständige Aufmerksammachen auf die Bedürfnisse der weiblichen Häftlinge in den Diskussionen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, um positive Maßnahmen in Bezug auf Sozialhilfe, Wohnung, Ausbildung usw. auf den Weg zu bringen;

9.  fordert die Mitgliedstaaten auf, den Frauen einen gleichberechtigten und nicht diskriminierenden Zugang zu sämtlichen Gesundheitsdienstleistungen zu gewähren, die genauso hochwertig sein müssen wie die entsprechenden Leistungen für den Rest der Bevölkerung, um spezifischen Frauenkrankheiten vorbeugen und diese wirksam behandeln zu können[11];

10. erinnert an die Notwendigkeit, Maßnahmen für eine bessere Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse weiblicher Häftlinge in Fragen der Hygiene zu ergreifen, sowohl auf der Ebene der Strafvollzugsinfrastrukturen als auch bei der Bereitstellung der erforderlichen Hygieneartikel;

11. fordert die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen des Strafvollzugs umfassende Gesundheitsmaßnahmen zu ergreifen, die es erlauben, ab dem Zeitpunkt der Inhaftierung physische und psychische Störungen zu erkennen und zu behandeln und allen suchtkranken Häftlingen beiderlei Geschlechts, allerdings unter Beachtung frauenspezifischer Besonderheiten, medizinische und psychologische Unterstützung zukommen zu lassen;

12. fordert die Mitgliedstaaten auf, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um allen weiblichen Häftlingen psychologische Unterstützung zu gewähren, insbesondere den Opfern von sexueller Gewalt oder Misshandlung sowie den allein erziehenden Müttern und den jugendlichen Straftäterinnen, mit dem Ziel, ihnen einen besseren Schutz zu bieten und ihre familiären und sozialen Beziehungen und damit ihre Chancen auf eine Wiedereingliederung zu verbessern; empfiehlt, das Gefängnispersonal für die besondere Schutzbedürftigkeit dieser Frauen zu sensibilisieren und zu schulen;

13. empfiehlt, eine Inhaftierung von Schwangeren und Müttern mit ihren Säuglingen nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen und ihnen in einem solchen Extremfall eine größere Zelle oder eine Einzelzelle zur Verfügung zu stellen sowie besondere Rücksicht auf sie zu nehmen, insbesondere in Fragen der Ernährung und der Hygiene; empfiehlt darüber hinaus, Schwangeren eine prä- und postnatale Betreuung sowie Elternerziehungskurse von gleicher Qualität zugute kommen zu lassen, wie sie außerhalb des Strafvollzugs angeboten werden;

14. weist darauf hin, dass nach einer normal verlaufenen Entbindung im Gefängnis der Säugling im Allgemeinen innerhalb von 24 bis 72 Stunden der Mutter weggenommen wird, und begrüßt jede Alternativlösung von Seiten der Kommission und der Mitgliedstaaten;

15. betont die Notwendigkeit, dass im Rahmen der Rechtssysteme die Rechte der Kinder beachtet werden, wenn es um Fragen im Zusammenhang mit der Inhaftierung von Müttern geht;

Erhalt der familiären Bindungen und der sozialen Beziehungen

16. empfiehlt, Haftersatzstrafen, wie z.B. gemeinnützige Arbeit, verstärkt zu bevorzugen, insbesondere für Mütter, wenn die Strafen und das Risiko für die öffentliche Sicherheit gering sind, insofern als ihre Inhaftierung erhebliche Störungen des Familienlebens mit sich bringen könnte, vor allem wenn sie allein erziehend sind oder Kinder im Säuglingsalter haben bzw. für pflegebedürftige oder behinderte Menschen sorgen; erinnert daran, dass die Justizbehörden bei der Wahl der Strafe diese Faktoren berücksichtigen sollten, insbesondere das übergeordnete Interesse des Kindes eines von der Justiz verfolgten Elternteils; empfiehlt gleichermaßen die Möglichkeit zu prüfen, ob männliche Häftlinge, die minderjährige Kinder betreuen oder die unmittelbare Verantwortung für diese tragen bzw. andere familiäre Verpflichtungen haben, nicht in den Genuss der gleichen Maßnahmen, wie sie für die Mütter vorgesehen sind, gelangen sollten;

17. weist darauf hin, dass die Folgen von Isolierung und Stress für die Gesundheit der inhaftierten Schwangeren auch negative, wenn nicht bedrohliche Auswirkungen auf das Kind haben können, die es bei der Entscheidung über eine Inhaftierung sehr ernst zu nehmen gilt,

18. besteht im Übrigen auf der Notwendigkeit, dass sich die Justizverwaltung über die Existenz von Kindern informiert, bevor Entscheidungen über eine Untersuchungshaft oder eine Verurteilung getroffen werden, und sich vergewissert, dass Maßnahmen ergriffen wurden, um ihre Rechte uneingeschränkt zu wahren;

19. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Zahl von Frauengefängnissen zu erhöhen und sie besser auf ihrem Hoheitsgebiet zu verteilen, um die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Familie und Freunden der Häftlingen zu erleichtern und den Frauen Möglichkeiten zur Religionsausübung anzubieten;

20. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die Strafvollzugsanstalten zu ermutigen, Besuchsregelungen für Familienangehörige, Freunde und Dritte in punkto Häufigkeit, Dauer und Uhrzeit der Besuche flexibel zu gestalten;

21. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die familiäre Annäherung und insbesondere die Beziehung des inhaftierten Elternteils zu den Kindern zu erleichtern, sofern sie dem Interesse des Kindes nicht entgegenstehen, indem sie Aufnahmestrukturen bereitstellen, die sich von der Gefängnisatmosphäre abheben und gemeinsame Aktivitäten sowie einen angemessenen emotionalen Kontakt erlauben;

22. fordert die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, ihren internationalen Verpflichtungen[12] nachzukommen und die Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Kinder, die mit ihrem inhaftiertem Elternteil leben, zu gewährleisten sowie Lebensbedingungen zu schaffen, die ihren Bedürfnissen angepasst sind, und zwar in von den eigentlichen Strafvollzugsanstalten völlig unabhängigen und so weit wie möglich abgelegenen Einheiten, mit Integration in die Betreuungseinrichtungen und Schulen der Gemeinde, mit flexiblen und großzügigen Ausgangsmöglichkeiten im weiteren Familienkreis oder unter Aufsicht von Vertretern von Kinderschutzvereinigungen, die ihnen eine gute physische, psychische, ethische und soziale Entwicklung ermöglichen; fordert, dass diese Einheiten über angepasste Infrastrukturen sowie qualifiziertes Personal verfügen sollten, das den inhaftierten Müttern bei ihren erzieherischen und pflegerischen Aufgaben beistehen kann; empfiehlt außerdem, im Falle von Kleinkindern im Gefängnis die Möglichkeit zu prüfen, dem anderen Elternteil das Sorgerecht zu übertragen;

23. stellt mit Bedauern fest, dass viele der inhaftierten Frauen allein erziehende Mütter sind, die - manchmal für immer - den Kontakt zu ihren Kindern verlieren; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, alternative Strategien anzubieten und durchzuführen, um vollständige Trennungen zu vermeiden;

24. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, allen Inhaftierten kostenlos einen Rechtsbeistand für Fragen rund um den Strafvollzug zu gewähren, der im Falle von inhaftierten Frauen auf Familienrecht spezialisiert sein sollte, damit er Fragen im Zusammenhang mit Pflegschaft und Adoption von Kindern, Trennung und sexueller Gewalt beantworten kann;

25. empfiehlt, Informationskampagnen in Bezug auf die von lokalen Gemeinschaften angebotenen sozialen Dienste durchzuführen ebenso wie in Bezug auf die Verfahren zur Aktualisierung von Verwaltungsdokumenten und Personen-, Familienstands- bzw. Sozialversicherungspapieren, damit die Frauen im Gefängnis ihre Bürgerrechte uneingeschränkt ausüben können;

26. fordert die Mitgliedstaaten auf, psychosoziale Begleitmaßnahmen zu ergreifen, damit Trennungen von Mutter und Kind optimal vorbereitet und deren negativen Folgen abgemildert werden können;

Soziale und berufliche Wiedereingliederung

27. empfiehlt den Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um allen Inhaftierten, Männern wie Frauen, angemessen entgoltene und verschiedenartige zur Persönlichkeitsentwicklung beitragende Beschäftigungsmöglichkeiten ohne jegliche Trennung nach Geschlecht und ohne andere Formen von Diskriminierung zu bieten, und zu diesem Zweck Partnerschaften mit den Unternehmen einzugehen;

28. fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr Mittel in die Entwicklung von Programmen im Rahmen des Strafvollzugs zur Alphabetisierung, für lebenslanges Lernen und eine arbeitsmarktgerechte Ausbildung, die zur Erlangung eines Diploms führen kann, zu investieren, indem sie unter anderem Finanzinstrumente der Gemeinschaft für die Beschäftigung und soziale Wiedereingliederung, wie den Europäischen Sozialfonds oder PROGRESS, nutzen;

29. weist darauf hin, dass diese Programme Sprachunterricht - für ausländische Inhaftierte beiderlei Geschlechts auch in der Landessprache (zumindest einer davon) -, Informatikkurse und Kurse über das richtige Verhalten in Beruf und Gesellschaft umfassen sollten;

30. weist auf die herausragende Rolle hin, die Nichtregierungsorganisationen bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung der Inhaftierten, insbesondere der Frauen, spielen, und fordert die Mitgliedstaaten daher auf, die Entfaltung der Tätigkeiten dieser Organisationen im Strafvollzug zu fördern, namentlich durch eine Aufstockung der ihnen zur Verfügung gestellten Mittel, eine Erleichterung des Zugangs ihrer Mitglieder zu den Haftanstalten und eine Sensibilisierung des Strafvollzugspersonals für die Notwendigkeit einer guten Zusammenarbeit mit diesen Akteuren;

31. vertritt die Auffassung, dass, außer bei erheblichen Risiken für die öffentliche Sicherheit und einer schweren Strafe, ein verstärkter Rückgriff auf einen offenen Vollzug, der es den Inhaftierten beiderlei Geschlechts erlaubt, einer Arbeit oder einer Ausbildung außerhalb der Haftanstalt nachzugehen, ihre soziale und berufliche Wiedereingliederung erleichtern würde;

32. weist darauf hin, dass die Arbeitsbedingungen der Inhaftierten beiderlei Geschlechts, vor allem aber die von Schwangeren oder von Frauen, die gerade entbunden haben, den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft entsprechen und von den zuständigen Behörden regelmäßig kontrolliert werden müssen;

33. weist auf die Notwendigkeit hin, die Inhaftierten beiderlei Geschlechts darin zu bestärken, sich beruflich zu engagieren und ihre soziale Wiedereingliederung vorzubereiten mit Hilfe einer persönlichen Standortbestimmung und einer jährlichen Bewertung ihrer Bemühungen;

34. hält es für ein vorrangiges Ziel, in jeder Haftanstalt für alle Inhaftierten, Männer und Frauen, die dies gerne möchten, Programme zur Betreuung und zum persönlichem Beistand einzuführen, auf die sie sich bei ihrem Projekt zur Persönlichkeitsentwicklung und Wiedereingliederung, vom Entwurf über die Abwicklung bis zu dessen Abschluss, stützen können und die über die Entlassung hinaus weitergeführt werden sollen;

35. erinnert an die Notwendigkeit, während und nach der Haft Sozialhilfemaßnahmen für die inhaftierten Personen zu ergreifen, um sie auf ihre Wiedereingliederung vorzubereiten bzw. sie dabei zu unterstützen, insbesondere bei der Suche nach einer Unterkunft und einer Beschäftigung, um so soziale Ausgrenzung und Rückfälle zu vermeiden;

36. hebt hervor, wie wichtig es ist, die Kontakte der Inhaftierten beiderlei Geschlechts zur Außenwelt zu erhalten und zu fördern, insbesondere durch den Zugriff auf Presse und Medien und durch die Kommunikation mit Sozialhilfediensten, NRO, Kultur- und Künstlervereinigungen sowie anderen von den Strafvollzugsbehörden zugelassenen Vereinigungen;

37. erinnert daran, dass der regelmäßige Zugang aller Häftlinge zu Sport- und Freizeitaktivitäten sowie zu künstlerischer und kultureller Betätigung für den Erhalt ihres seelischen Gleichgewichts von entscheidender Bedeutung ist und ihre Chancen auf eine soziale Wiedereingliederung fördert;

38. fordert die Kommission auf, im Rahmen ihres Aktionsprogramms zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung den Gefängnisinsassen besondere Aufmerksamkeit zu widmen;

39. empfiehlt den Mitgliedstaaten, besonderes Augenmerk auf die ausländischen Inhaftierten beiderlei Geschlechts zu richten, vor allem im Zusammenhang mit den sprachlichen und kulturellen Unterschieden, und ihnen dabei zu helfen, mit ihren Angehörigen in Kontakt zu bleiben und mit dem diplomatischen Personal ihres Landes in Verbindung zu treten, und ihnen Zugang zu den im Gefängnis gebotenen Möglichkeiten und Programmen und zu verständlichen Informationen zu gewähren; empfiehlt ihnen außerdem, die besonderen Bedürfnisse ausländischer Frauen bei der Planung von Strafvollzugsaktivitäten zu berücksichtigen, das Personal für die Arbeit in einem multikulturellen Kontext innerhalb und außerhalb der Haftanstalten zu schulen und Vermittlerstellen innerhalb und außerhalb der Haftanstalten einzurichten;

40. fordert die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen der Erleichterung der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Rechtsvorschriften in ihre nationale Gesetzgebung aufzunehmen, die die Einstellung ehemaliger Strafgefangener, insbesondere allein erziehender Frauen und jugendlicher Straftäterinnen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor begünstigen;

41. ermutigt die Mitgliedstaaten zu einem Austausch von Informationen und bewährten Verfahren, was die Haftbedingungen, insbesondere die von Frauen, ebenso wie die Effizienz der Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und zur sozialen Wiedereingliederung anbelangt; hält es daher für wichtig, die Teilnahme von Experten und direkten Akteuren an der Entstehung neuartiger Programme und guter Praktiken zu fördern und zu finanzieren, ebenso wie ihre Teilnahme an Kongressen und nationalen und internationalen Diskussionen, als Element zur Förderung und Freisetzung positiver Synergien;

42. fordert die Kommission auf, in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten, die Untersuchung des Strafvollzugs unter geschlechterspezifischen Gesichtspunkten zu unterstützen und Studien über die Ursachen der Kriminalität und die Wirksamkeit des Strafvollzugs im Hinblick auf eine Verbesserung der Chancen der Strafgefangenen beiderlei Geschlechts auf eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie am Familien- und Berufsleben zu finanzieren;

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43. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, der Beitrittsländer und der Beitrittskandidaten zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 1.
  • [2]  ABl C 158 vom 26.6.1989, S. 511.
  • [3]  ABl. C 32 vom 5.2.1996, S. 102.
  • [4]  ABl. C 98 vom 9.4.1999, S. 299.
  • [5]  ABl. C 102 E vom 28.4.2004, S. 154.
  • [6]  Artikel 1, 3, 5 und 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Artikel 1 der durch die Resolution 45/111 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 14. Dezember 1990 angenommenen Grundprinzipien für die Behandlung der Gefangenen.
  • [7]  Empfehlung R(2006)2.
  • [8]  Artikel 9 Absatz 3 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes.
  • [9]  Artikel 1, 3, 5 und 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Artikel 1 der Grundprinzipien für die Behandlung der Gefangenen.
  • [10]  Empfehlung R(2006)2.
  • [11]  Empfehlung R (2006)2.
  • [12]  Empfehlung R (2006)2.

BEGRÜNDUNG

Im Durchschnitt sind 4,5 bis 5,0 % aller Insassen in den Gefängnissen Europas Frauen (von 2,9% in Polen bis zu 7,8 % in Spanien).

Haftanstalten sind nach wie vor auf männliche Häftlinge zugeschnitten, und die spezifischen Probleme der Frauen, die einen kleinen, aber steigenden Anteil der Gefängnisinsassen ausmachen, werden oft ignoriert. Die wichtigsten Probleme stellen sich im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge, der Lage von Müttern mit Kindern und der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung.

Im Strafvollzug zeigt sich, dass viele weibliche Inhaftierte von Drogen oder anderen Substanzen abhängig sind und eine große Zahl der Insassen eine von psychologischer, physischer oder sexueller Gewalt geprägte Vorgeschichte hat. Besondere Aufmerksamkeit sollte der Gesundheitsfürsorge und den hygienischen Bedürfnissen der Frauen gewidmet werden; insbesondere bedürfen schwangere Strafgefangene besonderer Vorkehrungen und Rücksicht in punkto Ernährung, Bewegung, Kleidung, Arzneimittel und medizinischer Versorgung.

Mehr als die Hälfte der Inhaftierten in den europäischen Gefängnissen sind Mütter mit mindestens einem Kind, wobei dieser Prozentsatz in Spanien und Griechenland besonders hoch ist. Kinder, die bei ihrer inhaftierten Mutter verbleiben, brauchen einen angemessenen Schutz und Fürsorge und sollten keinerlei Art von Diskriminierung erfahren. Die Inhaftierung von Frauen kann besonders dann erhebliche Auswirkungen haben, wenn sie vor der Inhaftierung allein für die Kinder zuständig waren.

Ein zusätzliches Problem stellt der Erhalt der familiären Bindungen dar. Da es nicht viele Gefängnisse für Frauen gibt, sitzen sie ihre Strafe oft weit entfernt von ihrem Zuhause ab, wodurch die Besuchsmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Weibliche Strafgefangene werden auch manchmal in Bezug auf den Zugang zu Arbeit, Bildung und Ausbildungsmöglichkeiten diskriminiert, die oft unzureichend, meist geschlechtsspezifisch ausgerichtet und selten arbeitsmarktgerecht sind.

Da die Zahl der weiblichen Strafgefangenen in vielen europäischen Ländern gestiegen ist, manchmal sogar schneller als die der männlichen Inhaftierten (in England und Wales ist die Zahl der männlichen Gefängnisinsassen zwischen 1992 und 2002 z.B. um 50 % gestiegen, während die der weiblichen Inhaftierten um 173 %[1] gestiegen ist), sind Maßnahmen zur Berücksichtigung der Bedürfnisse von weiblichen Häftlingen zwingend erforderlich.

Gesundheitsfürsorge im Gefängnis

Bedenken im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge in Haftanstalten werden in nahezu allen Studien über die Lebensbedingungen von Strafgefangenen geäußert. Den internationalen und europäischen Standards und Übereinkommen zufolge sollten alle Gefängnisinsassen, Männer wie Frauen, den gleichen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen erhalten, die von gleicher Qualität sein sollten, wie sie für die restliche Bevölkerung bereitgestellt werden.

Obwohl männliche und weibliche Strafgefangene in mancherlei Hinsicht vor den gleichen gesundheitlichen Problemen stehen, gibt es doch zwischen beiden Geschlechtern einen bedeutenden Unterschied in der Art, der Intensität und der Komplexität der Probleme. Im Strafvollzug, der meist vorrangig auf Männer ausgerichtet ist, werden in punkto Maßnahmen, Programme, Verfahren und Personal die Gesundheitsbedürfnisse der Frauen oft nicht genügend berücksichtigt. Frauen haben zusätzliche und andere Bedürfnisse, nicht nur in Bezug auf Hygiene, Mutterschaft und Gynäkologie, sondern wegen ihrer oft belastenderen Vorgeschichte, die von physischer, emotionaler oder sexueller Gewalt geprägt ist, auch in Bezug auf die psychische Gesundheit.

Es ist daher wichtig, die Notwendigkeit der Bereitstellung von Gesundheitsprogrammen und Hygienebedingungen, die auf die besonderen Bedürfnisse weiblicher Strafgefangener ausgerichtet sind, sowie einer angemessenen Ausbildung des medizinischen Personals in den Haftanstalten hervorzuheben. Zusätzlich müssen in einem integrierten Ansatz die Suchtproblematik und andere Gesundheitsprobleme angegangen werden.

A. Drogenabhängigkeit

Inhaftierte können als Gruppe mit hohem Risiko in Bezug auf Drogenabhängigkeit betrachtet werden: Der Anteil der Drogenkonsument(inn)en ist in Gefängnissen überproportional hoch, und ein großer Teil der weiblichen Inhaftierten wurde wegen Drogendelikten verurteilt (hauptsächlich wegen Drogenbesitzes). Das zeigt, dass Drogen ein großes und wachsendes Problem im Leben von weiblichen Straffälligen[2] sind.

Allerdings haben einer neueren Studie zufolge nur wenige europäische Länder ein Drogentherapieprogramm für Strafgefangene[3] entwickelt.

In ihrem Jahresbericht 2006[4] kommt die EBDD zu dem Schluss, dass das Verständnis der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Drogenverhalten ein kritisches Element für das Ausarbeiten effizienter Antworten ist und ein gleicher Zugang zu den Diensten und eine Sensibilisierung dieser Dienste für geschlechtsspezifische Fragen zwei Schlüsselelemente für die Entwicklung einer guten Fürsorge in diesem Bereich sind. Aus den 2006 in den Berichten der Mitgliedstaaten verfügbaren Informationen geht hervor, dass nur vier Länder (Frankreich, Portugal, Slowakei und Schweden) frauenspezifische Projekte für drogenabhängige Strafgefangene haben.

B. Psychische Gesundheit

Das Gefängnis als Institution ist nicht nur wenig geeignet, Individuen mit akuten und chronischen psychischen Störungen aufzunehmen, sondern es kann sogar durch deren Isolierung und Fremdbestimmung zur Entwicklung von psychischen Krankheiten beitragen. Auch wenn das Gefängnispersonal angehalten ist, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, so ist das Gefängnis doch ein feindlicher Ort, unter dem Personen, die zuvor Gewalt und Missbrauch erfahren haben, möglicherweise zu leiden haben. Daher ist eine integrierte Gesundheitspolitik, die sowohl die psychischen als auch die physischen Gesundheitsprobleme abdeckt sowie eine psychologische Unterstützung für psychisch kranke Inhaftierte vorsieht, von überragender Bedeutung.

C. Schwangerschaft

Das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen stellt in seiner Stellungnahme zu dem Internationalen Konvent über bürgerliche und die politische Rechte fest, dass schwangere Frauen, denen die Freiheit entzogen wurde, zu jedem Zeitpunkt menschlich und unter Achtung ihrer Würde zu behandeln seien, insbesondere während der Entbindung und der Pflege ihrer Neugeborenen. Die Unterzeichnerstaaten sollten über Einrichtungen zu diesem Zweck sowie über die medizinische Versorgung und die Gesundheitsfürsorge Bericht erstatten.[5]

Inhaftierte Schwangere sollten prä- und postnatal angemessen medizinisch versorgt werden, sollten aber vom Gefängnispersonal, das ohnehin schlecht ausgestattet ist und auf Sicherheit bedacht sein muss, aus ärztlicher Sicht nicht als Priorität betrachtet werden. Nach dem Grundsatz Nr. 23 Absatz 1 der Mindestanforderungen für die Behandlung von Inhaftierten wird empfohlen, in Frauenhaftanstalten spezielle Einrichtungen für jede erforderliche prä- und postnatale Fürsorge und Behandlung vorzusehen.[6] Schwangere stellen ebenfalls besondere Anforderungen an die Ernährung, die medizinische Betreuung und körperliche Aktivitäten, die im Strafvollzug nicht genügend beachtet werden.

Mütter im Gefängnis

Die Inhaftierung einer Mutter kann zum völligen Zerfall einer Familie führen. Die Trennung schadet Mutter und Kind, das zu einem unschuldigen Opfer der über seine Mutter gefällten Entscheidung wird.

Das Durchschnittsalter der Mehrheit der weiblichen Inhaftierten in Europa liegt zwischen 20 und 40 Jahren, und damit ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass diese Frauen Mütter sind oder werden. Wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung bereits Mütter sind, tragen sie oft die oberste oder sogar die alleinige Verantwortung für ihre Kinder.

Laut Rachel Taylor galt für das Vereinigte Königreich im Jahre 2002 Folgendes:

– 66 % der weiblichen Inhaftierten waren Mütter;

– 55 % waren Mutter von mindestens einem Kind unter 16 Jahren; über 1/3 der Mütter hatte eins oder mehrere Kinder unter 5 Jahren;

– 34 % waren vor der Inhaftierung allein erziehende Mütter, und sogar 43 % mussten damit rechnen, nach der Freilassung allein erziehend zu sein.

A. Mütter

Die Sorge um ihre Kinder wird von den Frauen in Haft als einer der wichtigsten Faktoren für Depressionen und Ängste bis hin zu selbstzerstörerischen Handlungen genannt. Die im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführte Studie[7] bestätigt, dass in allen Länderberichten stark hervorgehoben wurde, dass die Verluste und Risse im Zusammenhang mit der Trennung von den Kindern als Hauptursache für den Stress der weiblichen Häftlinge genannt wurde.

Strafgefangene, die als Bürger(innen) versagt haben, können als Eltern erfolgreich sein, und darüber hinaus kann der Erfolg als Eltern ihnen helfen, bessere Bürger(innen) zu werden. Studien haben gezeigt, dass starke Familienbande für die Zeit der Entlassung wichtig sind, insbesondere weil ein stabiles Familienumfeld, in das man zurückkehren kann, am ehesten vor Rückfälligkeit bewahrt.[8]

B. Kinder

In verschiedenen Studien wird darauf hingewiesen, wie schwierig es ist, die Folgen, unter denen ein Kind bei einer Trennung von seinen Eltern durch eine Inhaftierung leidet, zu verallgemeinern.[9] Das Ausmaß, in dem ein Kind von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen ist, hängt von einer großen Zahl von Faktoren ab: vom Alter, in dem die Trennung vom Elternteil erfolgt; von der Dauer der Trennung; von der Vertrautheit des Kindes mit der neuen Bezugsperson und davon, wie stigmatisierend das Umfeld des Kindes eine Inhaftierung empfindet.[10] Ein Kleinkind bei seiner Mutter zu belassen, wirft komplexe Fragen bezüglich der Einrichtungen auf, die für solche Kinder zur Verfügung stehen müssen, damit sie sich physisch, psychisch und emotional angemessen entwickeln können und auch mit anderen Personen (insbesondere anderen Kindern) kommunizieren können.

Der Europarat empfiehlt in einem im Jahre 2000 veröffentlichten Bericht die Entwicklung kleiner Einheiten im geschlossenen und offenen Vollzug mit Sozialhilfediensten für die kleine Zahl der Mütter, für die eine solche Verwahrung erforderlich ist, in denen Kinder in einer kinderfreundlichen Umgebung betreut werden können und das Interesse des Kindes im Vordergrund steht, aber die öffentliche Sicherheit gewahrt bleibt.[11]

Selbst wenn besondere Mutter-Kind-Einheiten zur Verfügung stehen, sind es oft nur sehr wenige. Diese Einheiten sind kostenintensiv, und infolgedessen ist das Angebot geringer als die Nachfrage.

C. Besuche von Kindern im Gefängnis:

Besuche sind ein entscheidender Beitrag zum Erhalt ausgeprägter Familienbeziehungen zu den Inhaftierten, und diese Möglichkeit sollte sobald wie möglich geboten werden. Eine Studie aus Frankreich zeigte, dass ein Straftäter, der in den ersten sechs Monaten seiner Haft keinen Kontakt zu einem Kind hatte, den Kontakt später nicht mehr herstellen konnte.[12]

Der Erhalt familiärer Bindungen spielt eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Rückfällen und der sozialen Wiedereingliederung der Strafgefangenen. Allerdings können eine Reihe von Faktoren, wie unflexible Besuchsregelungen und eine unfreundliche Besuchsatmosphäre zu einem Bruch der Familienbeziehungen und des Verlusts des Kontaktes mit den Kindern führen.

Die Herausforderung besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, das sowohl den Sicherheitserfordernissen als auch einem guten Familienkontakt gerecht wird (flexible Besuchsregelungen, Besuchsräume, die eine gewisse Bewegungsfreiheit und familiäre Intimität erlauben, eine kinderfreundliche Umgebung usw.).

Die Zukunft vorbereiten: soziale und berufliche Wiedereingliederung

Gefängnisse müssen zwei wesentliche und sich ergänzende Aufgaben erfüllen:

– den Schutz der Öffentlichkeit vor Menschen mit gefährlichem oder zumindest strafbarem Verhalten und

– die Wiedereingliederung von verurteilten Personen in die Gesellschaft nach ihrer Entlassung.

A. Bildung, Ausbildung und Beschäftigung:

Statistiken über weibliche Häftlinge zeigen einen allgemein niedrigen Bildungsstand und Defizite in der beruflichen Qualifikation. Im Vereinigten Königreich haben beispielsweise 47 % keinen qualifizierten Schulabschluss. Während 2 % der Gesamtbevölkerung von der Schule ausgeschlossen wurden, sind es bei den verurteilten weiblichen Straftäterinnen 33 %[13]. Sofern die Zeit im Gefängnis dazu dienen sollte, die Insass(inn)en auf ein geordneteres Leben nach ihrer Entlassung vorzubereiten, sollte die Bildung ein wichtiges Instrument in dieser Hinsicht sein.

Aufgrund der beschränkten Mittel (an Personal und Finanzen) ist es den Haftanstalten in Europa nicht möglich, alle Bildungs- und Qualifikationsdefizite zu kompensieren, aber sie sollten zumindest allen Häftlingen die Möglichkeit bieten, die grundlegenden Fähigkeiten zu erwerben, die für ihre künftige soziale Wiedereingliederung erforderlich sind.

In vielen europäischen Haftanstalten kann man beobachten, dass zwischen der Berufsausbildung der Frauen und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes eine Lücke klafft. Viele Haftanstalten bieten Frauen ausschließlich Ausbildungsmöglichkeiten, die auf ihre traditionelle Rolle in Kultur und Gesellschaft ausgerichtet sind (Nähen, Frisieren, Putzen, Handarbeiten, Sticken usw.). Diese schlecht bezahlten Tätigkeiten werden auf dem Arbeitsmarkt nicht geschätzt und tragen dazu bei, die sozialen Ungleichheiten zu verfestigen und die soziale und berufliche Wiedereingliederung zu untergraben.

Die für die Haftanstalten zuständigen Behörden sollten ermutigt werden, sinnvolle Berufsausbildungsmaßnahmen zu ergreifen, die den Arbeitsmarkterfordernissen angepasst sind, sowie vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten bereitzustellen, die frei von Rollenklischees sind. Die Zusammenarbeit der Haftanstalten mit externen Unternehmen zur Beschäftigung von Häftlingen sollte ebenfalls als Teil des Rehabilitierungsprozesses der Strafgefangenen gefördert werden.

B. Soziale Eingliederung

Nach ihrer Entlassung sehen sich die meisten Häftlinge mit einer ganzen Reihe von heiklen Problemen konfrontiert, wie der Wohnungssuche, der Sicherung eines geregelten Einkommens, der Rettung von Beziehungen und der Versorgung von Kindern und anderen von ihnen abhängigen Familienangehörigen.

Eine erfolgreiche soziale Eingliederung von Strafgefangenen muss während und nach der Inhaftierung in Zusammenarbeit mit Sozialämtern und anderen zuständigen Organisationen vorbereitet werden, um einen reibungslosen Übergang vom Gefängnis in die Freiheit zu gewährleisten. Besonderes Augenmerk muss auf die psychologische Vorbereitung (Aufarbeitung der Tat, Behandlung von Traumata und Abhängigkeiten durch angemessene psychologische Unterstützung und Therapie) und auf die Bereitstellung sozialer Unterstützung bei der Entlassung (Ausarbeitung positiver Projekte usw.) gerichtet werden.

  • [1]  Women and the criminal justice system, Fawcett Society, 2004.
  • [2]  Training curriculum for women's prisons - health aspects, Claudia Kestermann, in "International Study on Women's Imprisonment - Current situation, demand analysis and "best practice", http://www.uni-greifswald.de/~ls3/Dokumente/Reader_womeninprison.pdf.
  • [3]  Problematic drug users in prison’, MacDonald M, presentation at ‘Criminal Justice and Drugs, Reducing Drug Use – Combating Crime, Lessons from Other Countries on Dealing with Drug Related Offences’, July 2005: http://www.uce.ac.uk/crq/presentations/2
  • [4]  a.a.O.: Special issue 2. http://issues06.emcdda.europa.eu/en/page013-en.html.
  • [5]  General Comment No. 28: Equality of rights between men and women (article 3),  29/03/2000 http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/(Symbol)/13b02776122d4838802568b900360e80?Opendocument
  • [6]  Adopted by the First United Nations Congress on the Prevention of Crime and the Treatment of Offenders, Geneva in 1955, and approved by the Economic and Social Council resolution 663 C (XXIV) of 31 July 1957 and 2076 (LXII) of 13 May 1977 http://www.unhchr.ch/html/menu3/b/h_comp34.htm
  • [7]  "Women, Integration and Prison: an Analysis of the Processes of the Socio-Labour Integration of Women Prisoners in Europe", MIP project, coordinated by SURT, Associació de dones per la Reinserció Laboral (January 2005). http://mip.surt.org/en/final_results.html
  • [8]  Oliver Robertson, a.a.O.
  • [9]  Oliver Robertson , a.a.O. S.11.
  • [10]  "Forgotten Families - the impacts of imprisonment" in Family Matters, Ann Cunningham, Winter 2001, p.36-37.
  • [11]  http://assembly.coe.int/Documents/WorkingDocs/doc00/EDOV8762.htm
  • [12]  Relais Enfants-Parents (1999) Maintien des liens en détention, quoted in Liz Ayre et al., Children of imprisoned Parents: European Perspectives of Good Practices, 2006, p.48.
  • [13]  http://www.quaker.org/qcea/prison/Country%20Reports/UK_England%20and%20Wales_%20Report%20-%20Final.pdf

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

28.1.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

27

0

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Edit Bauer, Hiltrud Breyer, Edite Estrela, Věra Flasarová, Lissy Gröner, Lívia Járóka, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Esther De Lange, Pia Elda Locatelli, Astrid Lulling, Siiri Oviir, Doris Pack, Marie Panayotopoulos-Cassiotou, Zita Pleštinská, Teresa Riera Madurell, Eva-Britt Svensson, Anne Van Lancker, Anna Záborská

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellvertreter(in/innen)

Corina Creţu, Anna Hedh, Elisabeth Jeggle, Christa Klaß, Marusya Ivanova Lyubcheva

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Petru Filip, Eva Lichtenberger, José Ribeiro e Castro, María Sornosa Martínez