BERICHT mit einem Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zur Rolle der Europäischen Union im Irak
29.2.2008 - (2007/2181(INI))
Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten
Berichterstatterin: Ana Maria Gomes
VORSCHLAG FÜR EINE EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS AN DEN RAT
zur Rolle der Europäischen Union im Irak
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Vorschlags für eine Empfehlung an den Rat, eingereicht von Ana Maria Gomes im Namen der PSE-Fraktion, zur Rolle der Europäischen Union im Irak (B6‑0328/2007),
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Irak und insbesondere die Entschließung vom 25. Oktober 2007[1],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Juli 2007 zur humanitären Lage der irakischen Flüchtlinge[2],
– unter Hinweis auf die Beschlüsse seiner Konferenz der Präsidenten vom 15. November und 6. Dezember 2007 zur Zusammensetzung und zu den Aufgaben einer „Ad-hoc-Delegation für die Beziehungen zum Irak“,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen zur Rolle der EU im Irak vom 23./24. April, 15./16. Oktober und 19./20. November 2007,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 7. Juni 2006 mit dem Titel „Empfehlungen für ein verstärktes Engagement der Europäischen Union gegenüber Irak“ (KOM(2006)0283),
– unter Hinweis auf den „International Compact“ mit dem Irak, der am 3. Mai 2007 in Sharm el-Sheikh (Ägypten) auf den Weg gebracht wurde,
– unter Hinweis auf die Resolutionen 1546 (2004), 1770 (2007) und 1790(2007), insbesondere die Anhänge I und II, des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die Gemeinsame Aktion 2005/190/GASP des Rates vom 7. März 2005 betreffend die Integrierte Mission der Europäischen Union zur Stützung der Rechtsstaatlichkeit im Irak, EUJUST LEX[3], die im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) geschaffen wurde, und die darauf folgenden Gemeinsamen Aktionen, durch die sie geändert wurde und das Mandat der Mission erweitert wurde,
– unter Hinweis auf die Europäische Sicherheitsstrategie 2003: „Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“ vom 12. Dezember 2003,
– unter Hinweis auf den Europäischen Entwicklungskonsens vom 22. November 2005,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2006 zur Lage der Frau in bewaffneten Konflikten und ihre Rolle beim Wiederaufbau und beim Demokratisierungsprozess[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2006 zu kleinen und mittleren Unternehmen in den Entwicklungsländern[5],
– gestützt auf Artikel 114 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A6‑0052/2008),
A. in der Erwägung, dass in der Republik Irak seit 2005 zwei Mal Wahlen unter Beteiligung mehrerer Parteien stattgefunden haben, eine Verfassung im Rahmen eines Referendums angenommen, die Grundlage für einen Bundesstaat geschaffen und der schwierige Prozess eingeleitet wurde, demokratische Institutionen aufzubauen,
B. in der Erwägung, dass die irakische Gesellschaft und ihre politische Führung gespalten sind und dass die Sicherheitslage in einigen Teilen des Irak nach wie vor außerordentlich prekär ist,
C. in der Erwägung, dass der Irak mit Feindseligkeiten zwischen Bevölkerungsgruppen und aufständischen Bewegungen zu kämpfen hat, die Lage im Land aber auch von einem generellen Fehlen von Rechtsstaatlichkeit gekennzeichnet ist,
D. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage in der Republik Irak verbessert hat, die irakischen Streitkräfte jedoch weiterhin vor der schweren Aufgabe stehen, diese Verbesserung – mit internationaler Unterstützung – aufrechtzuerhalten und zu konsolidieren, und ernsthafte Anstrengungen zur Sicherung des Wiederaufbaus und der nachhaltigen Entwicklung und die Fähigkeit der EU, dem irakischen Volk Unterstützung zu leisten, von der stetigen Verbesserung der politischen Lage und der Sicherheitslage abhängen,
E. in der Erwägung, dass die irakischen Behörden während der jahrzehntelangen Diktatur eher auf eine Kontrolle der Bevölkerung als auf öffentliche Dienstleistungen ausgerichtet waren und die Jahre der rigoros zentralisierten Verwaltung durch die Baath-Partei zu schwerwiegenden Defiziten im Zusammenhang mit der Fähigkeit der Iraker geführt haben, den Haushalt zu verwalten und auf angemessene Weise mit den finanziellen Ressourcen umzugehen, mit dem Ergebnis, dass der öffentliche Sektor heute instabil und geschwächt ist und die Aufgabe, die Menschen im Irak mit Dienstleistungen zu versorgen, nicht vollständig als vorrangiges Wesensmerkmal verinnerlicht hat,
F. in der Erwägung, dass die Nachbarländer sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Irak einmischen dürfen und dessen Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität sowie den Wunsch der irakischen Bevölkerung, das verfassungsrechtliche und politische System mit eigener Anstrengung aufzubauen, achten müssen,
G. in der Erwägung, dass dieser Konflikt bisher 2,4 Millionen Menschen im Irak zu Binnenvertriebenen gemacht hat und dass 2,28 Millionen in die Nachbarländer geflüchtet sind, vor allem nach Syrien und Jordanien,
H. in der Erwägung, dass die Kurdenregion eine Region im Irak ist, in der ein gewisses Maß an Frieden und Stabilität gewährleistet ist und die internationale Entwicklungszusammenarbeit und Privatinvestitionen zunehmen,
I. in der Erwägung, dass die EU als globaler Akteur ihre Verantwortung für den Aufbau eines neuen, demokratischen Irak übernehmen sollte und dass die Politik der EU gegenüber dem Irak in dem größeren Rahmen der strategischen Partnerschaft der EU für den Mittelmeerraum und den Nahen Osten betrachtet werden sollte,
J. in der Erwägung, dass die EU in ihrer Unterstützung des Irak bei seinem Fortschritt in dem Bestreben, ein demokratischer Bundesstaat zu werden, strategischer vorgehen muss; in der Erwägung, dass nach Auffassung der EU als grundlegende Voraussetzungen für eine tragende Rolle der Europäischen Union im Irak eine belastungsfähige Partnerschaft mit dem Volk des Irak, ein ständiger Einsatz der irakischen Regierung für Sicherheit, Versöhnung, Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Anstrengungen zum Aufbau von Kapazitäten und Demokratie und Anstrengungen zur Bekämpfung von Korruption und zur Gewährleistung von Transparenz und Effizienz vorhanden sein müssen, damit sie wirksame Unterstützung leisten kann; in der Erwägung, dass die größten Herausforderungen beim Wiederaufbau institutioneller und gesellschaftlicher Art sind, vor allem Aufbau von Kapazitäten in Institutionen und Verwaltung und Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit, der Strafverfolgung und der Achtung der Menschenrechte,
K. in der Erwägung, dass die EU erkannt hat, dass sie ihre Maßnahmen auf einer Mehrjahresbasis planen muss, die über die derzeitige jährliche Planung auf der Grundlage von Sondermaßnahmen hinausgeht, wenn sie die Effizienz ihrer Hilfe verbessern will,
L. in der Erwägung, dass die EU die Verwendung ihrer Ressourcen den spezifischen internen, regionalen und humanitären Herausforderungen anpassen muss, denen der Irak gegenübersteht; in der Erwägung, dass Effizienz, Transparenz und Sichtbarkeit wesentliche Voraussetzungen für ein stärkeres Engagement der Europäischen Union im Irak sind,
M. in der Erwägung, dass die Lage im Irak sich, gemessen daran, dass dieses Land in den 1970er Jahren zu den Ländern mit Durchschnittseinkommen zählte, verschlechtert hat, und die EU den Einsatz ihrer Ressourcen den besonderen Umständen entsprechend anpassen muss,
N. in der Erwägung, dass die Kommission seit Dezember 2005 eine kleine Delegation in Bagdad unterhält, deren operative Abteilung ihren Sitz in Amman hat, und es ihr infolge militärischer Vorkehrungen sowie aufgrund der Sicherheitslage sehr schwer fällt, in bestimmten Gebieten tätig zu werden, besonders in Bagdad selbst,
O. in der Erwägung, dass die Kommission seit 2003 über 800 Mio. Euro zur Unterstützung des Irak bereitgestellt hat (vorwiegend über den Internationalen Wiederaufbaufonds für den Irak (IRFFI)), sowie in der Erwägung, dass die EU seit 2005 über ihre im Rahmen der ESVP geschaffenen EUJUST LEX-Mission unmittelbar an der Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit beteiligt war; in der Erwägung, dass das Mandat von EUJUST LEX ein letztes Mal verlängert wurde,
P. in der Erwägung, dass die irakische Regierung zusammen mit der Weltbank und den Vereinten Nationen im Mai 2007 den „International Compact“ mit dem Irak ins Leben gerufen haben, der sich als Vision der irakischen Regierung für die nächsten fünf Jahre und als Hauptbezugspunkt für das Engagement der internationalen Gemeinschaft im Irak versteht, mit der vollen Unterstützung der Europäischen Union als einer der Hauptsponsoren,
Q. in der Erwägung, dass die Resolution 1770(2007) des UN-Sicherheitsrates das Mandat der Mission der Vereinten Nationen im Irak erheblich erweitert hat,
R. in der Erwägung, dass die Jahre des Baath-Regimes und der jahrzehntelange Krieg eine Gesellschaft hinterlassen haben, die traumatisiert ist durch Krieg, Repression, ethnische Säuberungen (auch durch den Einsatz chemischer Waffen, wie in Halabja), und die Tatsache, dass die Welt diese Verbrechen kaum zur Kenntnis genommen hat; in der Erwägung, dass die internationalen Gemeinschaft und besonders die Staaten, die die Intervention unterstützt haben, eine rechtliche und moralische Verpflichtung zur und ein Sicherheitsinteresse an der Unterstützung der Bevölkerung des Irak haben, und dass die Europäische Union gemeinsam mit anderen internationalen Geldgebern ihrer Verantwortung nachkommen muss, indem sie alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente rasch und produktiv einsetzt,
S. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament fest entschlossen ist, seine Beziehungen zum irakischen Repräsentantenrat auszubauen, auch über offizielle Kanäle,
1. richtet folgende Empfehlungen an den Rat:
(a) gemeinsam mit der Kommission eine neue Strategie zu entwickeln, die den Beitrag der EU zur Unterstützung der Bemühungen der Vereinten Nationen zum Aufbau eines sicheren, stabilen, geeinigten, wirtschaftlich starken, föderalen und demokratischen Irak erhöht, der die Menschenrechte achtet, seine Minderheiten schützt und Toleranz zwischen den Volksgruppen fördert und so den Weg für Stabilität und Sicherheit in der Region ebnet; und der Resolution 1770 (2007) des UN-Sicherheitsrates nachzukommen, durch die die Rolle der VN im Irak erheblich gestärkt wird;
(b) die Unterstützung der EU für eine demokratische Staatsführung vor allem auf folgende drei Ziele zu lenken: Verbesserung der Koordinierung zwischen der Regierung und dem Repräsentantenrat, um Blockaden im legislativen Prozess auf ein Mindestmaß zu reduzieren; Stärkung der Wahlverfahren auf lokaler Ebene, um zu gewährleisten, dass in den Provinzräten alle Bevölkerungsgruppen uneingeschränkt vertreten sind; und Stärkung der lokalen Demokratie mit konsultativen Mechanismen, um die Menschen vor Ort regelmäßig und häufig an der Beschlussfassung zu beteiligen;
(c) den Schwerpunkt der Hilfe der EU im Irak generell auf wichtige technische Unterstützung und den Aufbau von Kapazitäten in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Justiz, Menschenrechte, verantwortungsvolle Staatsführung, Finanz- und Haushaltsverwaltung, Gleichstellung der Geschlechter, Gesundheit und Bildung , sowie auf die Stärkung der föderalen, regionalen und lokalen Regierungs- und Verwaltungsinstitutionen zu legen;
d) die Kommission nachdrücklich aufzufordern, die Transparenz und Effizienz der EU-Hilfe für den Irak zu gewährleisten, indem
- sie auf die Besorgnisse eingeht, die schon 2005 in der Stellungnahme des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans für 2006 geäußert wurden, indem sie vollständige, regelmäßige und transparente Informationen über die tatsächliche Auszahlung und Umsetzung der EU-Hilfe vorlegt, insbesondere über die im Rahmen des IRFFI bereitgestellten Mittel;
- sie direkt vor Ort tätig wird, sofern die Sicherheitslage dies zulässt, besonders im Marschland im Süden des Landes, dessen Bevölkerung besonders vernachlässigt wird, und in der Kurdenregion;
- sie die Agenturen der Vereinten Nationen und andere internationale Organisationen auffordert, es ihr gleich zu tun;
- die uneingeschränkte Unterstützung der lokalen Akteure, einschließlich der Zivilgesellschaft und der Regierungsbehörden, bei der Gestaltung, der Durchführung und der Nachhaltigkeit der Vorhaben und Programme gewährleistet;
- sichergestellt wird, dass von der EU finanzierte Vorhaben sich nicht mit der Arbeit anderer internationaler Geldgeber überschneiden, sondern diese ergänzen;
- der Anteil der EU-Hilfe für die Finanzierung bilateraler technischer Unterstützung und des Aufbaus von Kapazitäten erhöht und die direkte Kontrolle der Finanzierung durch die Kommission verbessert wird;
- der Schwerpunkt der EU-Hilfe auf bilaterale Vorhaben verlegt wird, die sich auf technische Hilfe und den Aufbau von Kapazitäten in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Finanzverwaltung, demokratische Staatsführung und Menschenrechte konzentrieren;
- sichergestellt wird, dass umfangreiche Mittel der EU in die Verbesserung der Verwaltung der öffentlichen Finanzen und der Haushaltskontrolle fließen, damit die irakische Regierung besser in der Lage ist, die substanziellen öffentlichen Mittel, die ihr jetzt in wachsendem Umfang zur Verfügung stehen, auszuzahlen;
- sie ihre Erfahrung mit der Bereitstellung von Hilfsprogrammen an ihre ENP-Partner nutzt, um ein effizienteres Engagement im Irak zu gewährleisten;
e) zu prüfen, ob die Kommission ein mehrjähriges Länderstrategie-Papier für den Irak ausarbeiten kann;
f) die Erneuerung der bilateralen politischen, diplomatischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen und des diesbezüglichen Austausch zwischen den Mitgliedstaaten und dem Irak anzuregen;
g) folgende Elemente in eine neue Strategie für ein pro-aktives Engagement der EU und ihrer Mitgliedstaaten im Irak aufzunehmen, die in dem Maße, in dem es die Umstände und insbesondere die Sicherheitslage erlauben und in enger Absprache mit den irakischen Behörden und anderen Partnern, wie den UN-Agenturen und den NRO, umgesetzt wird:
- Vergrößerung der Delegation der Kommission in Bagdad und Erweiterung ihrer Zuständigkeiten und Ressourcen, Erwerb eigener neuer Räumlichkeiten, wobei sicherzustellen ist, dass die Mitarbeiter in Sicherheit leben und arbeiten können; die nicht in Bagdad vertretenen EU-Mitgliedstaaten sollten ermutigt werden, ins Land zurückzukehren und die Einrichtungen der Kommission und die damit verbundenen Sicherheitskosten zu teilen;
- die Sichtbarkeit der EU bzw. der Kommission in Erbil, Nasiriyah, Basra und anderen Gegenden des Irak, wo die Sicherheitslage dies erlaubt, sollte gewährleistet werden;
- Verstärkung der Unterstützung für Rechtsstaatlichkeit und Justiz, indem besonders Justizorganen und NGO in folgenden Bereichen weiterhin prioritär Unterstützung gewährt wird: Unterstützung des Instituts für juristische Ausbildung, Hilfe beim Aufbau von Ämtern zur Ermittlung bei Schwerverbrechen, Unterstützung des Obersten Justizrates, Hilfe beim Aufbau eines Pilotgerichts in Basra, Unterstützung der irakischen Anwaltsvereinigung und Hilfe beim Aufbau von Zentren für Rechtshilfe;
- aufbauend auf den positiven Erfahrungen mit EUJUST LEX Vorbereitung der Nachfolgemaßnahmen der Mission auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen und einer eingehenden externen Evaluierung der Auswirkungen der Mission auch innerhalb des Irak mit Blick auf eine weitere Stärkung des Polizei- und Strafrechtssystems im Irak mit Hilfe der ESVP und von Gemeinschaftsinstrumenten;
- Unterstützung der Reform der öffentlichen Systeme für Finanzverwaltung und Rechnungsprüfung;
- Fortsetzung der technischen Hilfe zur Durchführung freier und fairer Wahlen;
- Unterstützung des Prozesses der Wiederversöhnung, besonders im Zusammenhang mit Kirkuk und anderen intern umkämpften Gebieten, einschließlich der assyrischen Gebiete, die als Niniveh-Ebene bekannt sind, mit ihren christlichen Minderheiten; Unterstützung der UN-Initiativen zur Förderung des Dialogs auf regionaler Ebene, besonders, indem Mittel und Wege zur Verbesserung der operationellen Kapazität einschließlich des Lufttransports gefunden werden;
- Nutzung des spezifischen Charakters des Stabilitätsinstruments[6] zur Bereitstellung substanzieller Hilfe als entscheidenden Beitrag zur Entwicklung in einer Situation der Krise oder entstehenden Krise, wie sie im Irak herrscht; Unterstützung des Aufbaus demokratischer, nicht sektiererischer, pluralistischer föderaler, regionaler und lokaler Institutionen, unter besonderer Beachtung des Repräsentantenrates und seiner Fähigkeit zur Steuerung des Legislativprozesses, Kontrolle der Exekutive und Gewährleistung einer stärkeren Rolle der Frauen in der irakischen Gesellschaft; Förderung der Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, unter besonderer Betonung der Rechte von Frauen, Minderheiten und Kindern; Unterstützung von Maßnahmen zur Stärkung der Entwicklung und Organisation der Zivilgesellschaft und ihrer Mitwirkung im politischen Prozess sowie zur Förderung unabhängiger, pluralistischer und professionell arbeitender Medien; Unterstützung von Minenräumaktionen; Beratung und Unterstützung der Kurdenregion und ihrer Regierung bei den Bemühungen zur Bekämpfung des Drogenhandels;
- Konzentration der Mittel, die dem Irak im Rahmen des Instruments für Entwicklungszusammenarbeit (DCI)[7] zugute kommen, auf die Millenniums-Entwicklungsziele, um als Angelegenheit höchster Priorität den allgemeinen Zugang zu lebenswichtigen öffentlichen Gesundheitsversorgungsdiensten zu sichern, für die dringend Einrichtungen und Kapazitäten aufgebaut werden müssen, um das akute strukturelle Defizit zu beheben, sowie prioritäre Maßnahmen, um eine weitere Verschlechterung des Bildungssystems zu verhindern, einschließlich praktischer Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Mädchen die uneingeschränkte Möglichkeit der Teilnahme am Unterricht auf allen Bildungsebenen haben; Unterstützung der Bemühungen zur Revitalisierung des ökologischen und sozialen Systems der Marschgebiete und zum Schutz des einmaligen Kulturerbes der Marsch-Araber;
- Ermutigung europäischer NGO, mit entsprechenden Organisationen im Irak - die besonders in der Kurdenregion bereits sehr aktiv sind - zusammenzuarbeiten, und umfassender Einsatz des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR)[8] zur Bereitstellung technischer und finanzieller Hilfe für Organisationen der Zivilgesellschaft, um zur Lösung folgender Probleme beizutragen: gleichberechtigte Teilnahme von Frauen und Männern am politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben; Gewalt gegen Frauen, besonders Zwangsheiraten, „Ehrenverbrechen“, Frauenhandel und genitale Verstümmelung; Rechte der autochthonen Bevölkerungsgruppen und der Angehörigen von Minderheiten und ethnischen Gruppen wie den Assyrern (Chaldäer, Syrer und andere christliche Gemeinschaften), Jesiden und Turkmenen; Rechte des Kindes, besonders Bekämpfung von Kinderarbeit, Kinderprostitution und Kinderhandel; Bekämpfung von willkürlicher Verhaftung und Folter und Abschaffung der Todesstrafe;
- Ermutigung und Unterstützung der irakischen Regierung, als äußerst vordringliche Maßnahme Gesetze zu erlassen, mit denen finanzielle Unterstützung für eine Million Not leidender, auf sich gestellter Frauen und ihre Angehörigen bereitgestellt werden kann;
- Erhöhung der Mittelausstattung des Erasmus-Mundus-Programms für den Irak; Unterstützung laufender und neuer Aktivitäten zur Schaffung von Netzwerken zwischen irakischen und ausländischen akademischen Einrichtungen und Organisationen, einzelnen Wissenschaftlern, Intellektuellen und Studentenorganisationen, um das akademische Umfeld wiederzubeleben;
- Stärkung der Kapazität der irakischen Behörden zur Durchführung wirksamer Grenzkontrollen, die unter anderem den Zustrom von Waffen ins Land eindämmen sollen; Beitrag zur Unterbindung des Transfers von Kleinwaffen und leichten Waffen in den Irak, indem insbesondere der EU-Verhaltenskodex für Waffenexporte rechtsverbindlich wird, die Kontrolle von Waffenlagern in Bosnien-Herzegowina durch EUFOR-Althea verbessert und die Zerstörung von Lagerbeständen in den Balkanländern beschleunigt wird und indem die irakischen Behörden dabei unterstützt werden, den Überschuss an Kleinwaffen und leichten Waffen mit Hilfe eines umfassenden Programms für Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration mit Unterstützung der ESVP und einschlägiger Gemeinschaftsinstrumente abzubauen;
- Fortsetzung der begrüßenswerten und produktiven Verhandlungen über das neue Handels- und Kooperationsabkommen unter Betonung der Bedeutung der Achtung der Menschenrechte als eines wesentlichen und für die vertraglichen Beziehungen der EU zu jedem Drittland bestimmenden Elements, auch im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus;
- Bereitstellung administrativer und technischer Unterstützung und Förderung des Aufbaus von Kapazitäten vor Ort, um die irakische Regierung bei der Durchführung ihres kürzlich gestarteten Programms für Mikrokredite zu unterstützen und bewährte Verfahren und Erfahrungen auszutauschen im Zusammenhang mit dem positiven Beitrag, den Mikrokredite zum Existenzaufbau und zur Existenzsicherung der Frauen, besonders der über eine Million Not leidenden Witwen, in ihren Gemeinden leisten können;
- die Kommission nachdrücklich aufzufordern, die Not der irakischen Flüchtlinge in Jordanien, Syrien und anderen Ländern der Region, die von der irakischen Flüchtlingskrise betroffen sind, zu mildern, und die Transparenz und Wirksamkeit der EU-Hilfe zugunsten der irakischen Flüchtlinge in diesen Ländern zu verbessern;
- Verstärkung des Beitrags der EU zur Unterstützung der NGO und internationalen Organisationen bei ihren Bemühungen, die Not der irakischen Flüchtlinge in den Nachbarländern und der irakischen Binnenvertriebenen zu lindern; nachdrückliche Aufforderung an die irakischen Behörden, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und finanzielle und anderweitige Unterstützung zur Reintegration von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen bereitzustellen;
- Verbesserung der Möglichkeiten für irakische Flüchtlinge, in Mitgliedstaaten der EU Zuflucht zu finden, Abschaffung der derzeitigen willkürlichen Kriterien für die Gewährung von Schutz und Verhinderung von Zwangsausweisungen; Sofortmaßnahmen zur Linderung der Not der palästinensischen Flüchtlinge, die in der Grenzregion zwischen Irak und Syrien gelandet sind;
- Forderung an die irakische Regierung und die internationalen Behörden, Antiquitäten, die nach der Intervention im Jahr 2003 aus dem irakischen Nationalmuseum in Bagdad und aus anderen Teilen des Irak entnommen wurden, wieder zurück zu bringen, um die irakische Geschichte und Kultur für künftige Generationen zu erhalten;
h) auf der wertvollen Erfahrung aufzubauen, die die EU und ihre Mitgliedstaaten aus erfolgreichen Operationen der Teams zum Wiederaufbau der Provinzen (Provincial Reconstruction Teams – PRT) in Afghanistan gewonnen haben und eine Beteiligung an den PRT-Anstrengungen im Irak in Erwägung zu ziehen, insbesondere bei der Bereitstellung grundlegender Dienste und Infrastrukturen;
i) Ermutigung europäischer Firmen, in den Wiederaufbau des Irak zu investieren, im Rahmen von Ausschreibungen, die sowohl von den Regierungen der Mitgliedstaaten als auch von der irakischen Regierung finanziert werden und/oder auf der Grundlage einer engen Zusammenarbeit zwischen ihnen;
j) die europäischen Firmen zu ermuntern und sie dabei zu unterstützen, sich um Verträge zu bewerben, um den Irak wiederaufzubauen, vor Ort präsent zu sein und auf früheren Erfahrungen im Irak vor dem Krieg und in der Zeit des Wiederaufbaus aufzubauen;
k) den Beobachterstatus des Irak in der Welthandelsorganisation (WTO) zu begrüßen, da dies ein wichtiger Schritt für die Wiedereingliederung des Irak in die Weltwirtschaft ist, der dazu beiträgt, dass die Verhandlungen zwischen der EU und dem Irak über ein Handels- und Kooperationsabkommen erfolgreich abgeschlossen werden; es zu begrüßen, dass der Irak zu gegebener Zeit der WTO uneingeschränkt beitreten wird;
l) über ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak so zu verhandeln, dass dadurch interne Reformen im Irak erleichtert und gefördert und die irakischen Regelungen für den Handel an die Vorschriften und Sanktionen multilateraler Handelssysteme angenähert werden; das Europäische Parlament regelmäßig über den Stand der Verhandlungen zwischen der EU und dem Irak über das Handels- und Kooperationsabkommen zu unterrichten;
m) die irakische Regierung zu ermutigen, die Erlöse aus dem Erdölverkauf so einzusetzen, dass sie wieder im Irak investiert und von öffentlichen Beschaffungsstellen, bei denen die irakische Regierung die letztendliche Entscheidungsgewalt innehat, verwaltet werden; vorzuschlagen, dass diese Strategie für die EU eine wesentliche Voraussetzungen für die Unterstützung des Wiederaufbaus und der Entwicklung der irakischen Wirtschaft sein sollte;
n) die multinationale Truppe im Irak (MNF-I) aufzufordern, Gespräche mit der irakischen Regierung aufzunehmen und über die Situation der mehr als 24 000 Gefangenen, die sich im Gewahrsam der MNF-I befinden, Rechenschaft abzulegen, damit die Einhaltung fairer Gerichtsverfahren und die Achtung der grundlegenden Menschenrechte dieser Gefangenen gewährleistet ist;
o) in einen Dialog mit den USA einzutreten und sich aktiv um eine Stärkung des multilateralen Charakters der Rolle der internationalen Gemeinschaft im Land unter der Schirmherrschaft der UN zu bemühen; den Irak bei seinen Bemühungen zu unterstützen, mehr und eingehendere Gespräche mit seinen Nachbarn, insbesondere Iran und Syrien, Saudi-Arabien und der Türkei, über die Zukunft des Irak, aber auch über jedes andere Thema oder Anliegen zu führen; die Türkei aufzufordern, die territoriale Integrität des Irak zu achten und terroristische Akte nicht mit Militäraktionen auf irakischem Gebiet zu beantworten; die irakischen Behörden aufzufordern, es nicht zuzulassen, dass irakisches Hoheitsgebiet als Ausgangsbasis für gegen die Türkei verübte Terrorakte genutzt wird;
p) Auskunft darüber zu geben, welche privaten Militär- und Sicherheitsfirmen für die Sicherheit der EU-Bediensteten im Irak sorgen; Ausarbeitung eines Konzepts für den Einsatz der privaten Militär- und Sicherheitsfirmen bei ESVP-Operationen und Festlegung klarer Leitlinien für die Inanspruchnahme privater Militär- und Sicherheitsfirmen durch die EU-Institutionen;
2. betont, dass das Parlament den Grundsätzen und den Verfahren der parlamentarischen Demokratie verpflichtet ist, erinnert deshalb an seine Initiative, im Rahmen des Haushalts 2008 zur Unterstützung des Aufbaus der Demokratie mit Parlamenten in Drittländern beizutragen und den irakischen Repräsentantenrat aktiv zu unterstützen, indem es seine Hilfe für den Aufbau von Kapazitäten anbietet, sowie an seine Tätigkeit im Rahmen seiner Ad-hoc-Delegation für den Irak zur Förderung bilateraler Beziehungen; beschließt in diesem Sinne, die weitere Entwicklung des irakischen Repräsentantenrates durch folgende Maßnahmen zu unterstützen:
(a) Entwicklung von Initiativen, damit die gewählten Vertreter des Irak besser in der Lage sind, ihre verfassungsrechtliche Rolle in der Gesellschaft durch beispielhafte parlamentarische Methoden, gute Beziehungen zur Exekutive und gute Arbeit in den Wahlkreisen zu erfüllen;
b) Förderung des Transfers von Erfahrung in den Bereichen effiziente Verwaltung, Ausbildung von Mitarbeitern, Entwicklung einer voll funktionsfähigen Ausschussstruktur, umfassende Regeln für Verfahren sowie institutionelle Transparenz und Rechenschaftspflicht;
(c) Bereitstellung von Fachwissen bei der Ausarbeitung von Gesetzen, die für die wirksame Umsetzung einer bundesstaatlichen Struktur notwendig sind;
3. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und, zur Information, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Regierung und dem Repräsentantenrat der Republik Irak zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P6_TA(2007)0481.
- [2] Angenommene Texte, P6_TA(2007)0357.
- [3] ABl. L 62 vom 9.3.2005, S. 37.
- [4] ABl. C 298 E vom 8.12.2006, S. 287.
- [5] ABl. C 298 E vom 8.12.2006, S. 171.
- [6] Siehe Verordnung (EG) Nr. 1717/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Schaffung eines Instruments für Stabilität (ABl. L 327 vom 24.11.2006, S. 1).
- [7] Siehe Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (ABl. L 378 vom 27. 12. 2006, S. 41).
- [8] Siehe Verordnung (EG) Nr. 1889/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Einführung eines Finanzierungsinstruments für die weltweite Förderung der Demokratie und der Menschenrechte (ABl. L 386 vom 29. 12. 2006, S. 1).
BEGRÜNDUNG
Einleitung
1. Die Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat befasst sich mit der Zukunft des Irak und der Zukunft des Engagements der Europäischen Union in diesem Land. In diesem Bericht geht es folglich vor allem darum, dem Rat konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation im Irak zu unterbreiten. Bei allen Überlegungen zum Engagement der EU in diesem Land müssen jedoch die aus den Fehlern der Vergangenheit gezogenen Lehren berücksichtigt werden.
Entwicklung im Irak seit 2003
2. Die Invasion des Irak im Jahr 2003 war ein strategisches und humanitäres Desaster. Unabhängig von den verschiedenen Begründungen, die von den USA und ihren Verbündeten für den Feldzug gegen den Irak im März 2003 angeführt wurden, hat das Ergebnis die leichtgläubigen und unverantwortlich optimistischen Prognosen zu Beginn des Krieges in jeder Hinsicht enttäuscht.
3. In strategischer Hinsicht hat die Invasion die irakische Einheit gefährdet, ein riesiges Übungsfeld für terroristische Organisationen (besonders Al-Qaida) in einer mit Afghanistan zwischen 1980 und 1990 vergleichbaren Größenordnung geschaffen, eine der Hauptbarrieren für die regionalen Hegemoniebestrebungen des Iran beseitigt, weltweit als Inspirationsquelle für islamische Extremisten in Wort und Tat gedient und, vielleicht mehr als alles andere, die Fähigkeit der demokratischen Regierungen im Nahen Osten geschwächt, friedliche, allmähliche und nachhaltige politische und wirtschaftliche Veränderungen in ihren jeweiligen Ländern herbeizuführen.
4. In humanitärer Hinsicht ist das Ergebnis des 2003 begonnenen Krieges gegen den Irak sogar noch fragwürdiger. Die Schätzungen hinsichtlich der Zahl der Menschen, die in diesem Krieg ums Leben gekommen sind, gehen weit auseinander: von 77 757 bis 84 705 Zivilopfern[1] und mehr als 100 000 bis 150 000 Toten infolge kriegerischer Handlungen (Zivilisten und Nichtzivilisten) einschließlich der von kriminellen Gruppen Ermordeten[2] bis zu 392 979 bis 942 636 Toten auf irakischer Seite im Zusammenhang mit der Invasion und der nachfolgenden Besetzung im Jahr 2003, wozu auch der Verlust von Menschenleben infolge der um sich greifenden Rechtlosigkeit, zerstörten Infrastruktur und verminderten Gesundheitsvorsorge gezählt wird[3]. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Berichts waren 3 880 amerikanische Soldaten im Irak ums Leben gekommen.
5. Wichtiger als jeder Versuch, die exakte Zahl der Todesopfer des Krieges im Irak zu ermitteln, ist jedoch die Erkenntnis, welches neuerliche schwere Trauma dieser Krieg und das Chaos und die Gewalt, die er hervorgerufen hat, einer Gesellschaft, die bereits unter den Folgen von Jahrzehnten des Kriegs, der Diktatur und der Sanktionen zu leiden hatte, zugefügt hat. Wenngleich der Sturz des Regimes von Saddam Hussein an sich eine positive Entwicklung ist, muss er, zusammen mit anderen begrüßenswerten Folgen der Invasion von 2003 – besonders im Bereich der Demokratie und Verfassungsordnung – als die eine Seite einer Gleichung gesehen werden, die der Bevölkerung des Irak im Ergebnis mehr Schaden als Nutzen gebracht hat. Der wohl alarmierendste Beweis dafür ist das Ausmaß, in dem die Bevölkerung sozusagen mit den Füßen abgestimmt hat: Von einer Gesamtbevölkerung von ca. 27 Millionen haben mehr als 2 Millionen Iraker ihre Wohnorte hauptsächlich aufgrund der dort herrschenden Gewalt verlassenen und sind zu Binnenvertriebenen geworden, während weitere 2 Millionen das Land verlassen haben und als Flüchtlinge vor allem in den Nachbarländern Jordanien und Syrien leben. 200 000 irakische Flüchtlinge leben in Europa. Die Flüchtlingskrise hat zu einer beträchtlichen Abwanderung von Akademikern aus dem Irak geführt und die einst wohlhabende und gebildete Mittelklasse der irakischen Gesellschaft unverhältnismäßig stark dezimiert. In einigen Krankhäusern sind nach Angaben der UNAMI und anderer UN-Einrichtungen 80 % der Ärzte abgewandert; je nach Region wurden 30 % bis 70 % der Schulen geschlossen; 70 % der Bevölkerung haben keinen Zugang zu ausreichender Trinkwasserversorgung und 81 % fehlt es an effizienten sanitären Einrichtungen. 23 % der Kinder sind chronisch unterernährt. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor ein gewaltiges Problem: Nach Angaben der UNAMI beträgt sie mehr als 80 %, wobei mehr als die Hälfte der Bevölkerung von weniger als einem Dollar pro Tag leben muss.
6. Wenngleich diese Zahlen auf den langen Niedergang der irakischen Wirtschaft seit den achtziger Jahren infolge von Krieg, Sanktionen, Diktatur und Misswirtschaft zurückzuführen sind, ist doch festzustellen, dass die Entwicklungen nach 2003 entweder die schlechte Lage noch verschlimmert haben, oder es zumindest verhindert haben, dass vordringlichsten Sicherheits- und Entwicklungsaufgaben, vor denen das Land stand, bewältigt wurden.
Beziehungen zwischen Europa und dem Irak
7. Der Krieg von 2003 hat Europa gespaltet. Einige Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben den politischen Beschluss gefasst, die USA in ihrem Feldzug gegen den Irak zu unterstützen, um angeblich die von den Massenvernichtungswaffen Saddams ausgehende Gefahr für die Welt zu bannen. Die einheitliche Position der EU auf internationaler Ebene war eines der Güter, die diesem schicksalhaften Beschluss geopfert wurden. Die Nachfolgen dieser gespalteten Position der EU im Jahr 2003 haben die Bemühungen um einen möglichen Beitrag der EU zum Wiederaufbau des Irak erheblich erschwert.
8. Die EU hat zusätzlich zu den Beiträgen aus den einzelnen Mitgliedstaaten seit 2003 rund 818 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Irak bereitgestellt. Eine nennenswerte Verbesserung der Situation im Land ist damit jedoch nicht gelungen. Natürlich ist sie nicht der einzige Geber, dessen Beiträge zum Wiederaufbau des Irak enttäuschend wenig bewirkt haben. In dieser Empfehlung wird jedoch die Ansicht vertreten, dass Europa sich sehr viel mehr und erfolgreicher engagieren kann, indem es besonders im Rahmen einer intensiveren Zusammenarbeit mit den irakischen Institutionen und Akteuren der Zivilgesellschaft seine Präsenz vor Ort erheblich ausweitet und produktivere Wege für den Einsatz seiner Ressourcen findet.
9. Dieser Empfehlung an den Rat liegt der gleiche grundsätzliche Gedanke zugrunde wie der Entschließung des EP zur Europäischen Union und zum Irak – Rahmenkonzept für ein zunehmendes Engagement[4] vom 6. Juli 2005, wonach die Rolle der EU im Irak von der „Notwendigkeit (...), sich von den Ereignissen der Vergangenheit zu lösen und in die Zukunft zu blicken“ und der Erkenntnis, dass „die internationale Staatengemeinschaft moralisch und politisch verpflichtet ist“, den Menschen im Irak zu helfen, geleitet werden muss.
10. In dieser Empfehlung geben die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zum Irak den Rahmen für das Engagement der EU im Irak vor. So wird in der Resolution 1770 des UN-Sicherheitsrates, die das Mandat der Hilfsmission der Vereinten Nationen für Irak (UNAMI) erheblich ausweitet, betont, „wie wichtig die Stabilität und die Sicherheit Iraks für das Volk Iraks, die Region und die internationale Gemeinschaft sind“ und unterstrichen, „wie wichtig die Fortsetzung der regionalen und internationalen Unterstützung für die Entwicklung Iraks ist“.
11. Die EU als globaler Akteur mit eigenen Interessen und Zuständigkeiten kann und darf die schwelende Krise in Irak nicht unbeachtet lassen; das Land ist von entscheidender Bedeutung für die regionale, globale und natürlich auch die europäische Sicherheit. Diese Empfehlung basiert auf der Annahme, dass der EU eine Reihe finanzieller und politischer Ressourcen zur Verfügung stehen, die sinnvoll genutzt werden können, um die Entwicklung hin zu einem sicheren, stabilen, geeinigten, wirtschaftlich starken und demokratischen Irak zu fördern, in dem die Menschenrechte geachtet und die Minderheiten geschützt werden und der zur Stabilisierung der Lage im Nahen Osten beiträgt.
Mehr Effizienz, Transparenz und Sichtbarkeit
12. Das Europäische Parlament hat bei zahlreichen Gelegenheiten Kritik an der Auszahlung von Gemeinschaftsmitteln über multilaterale Treuhandfonds geübt. Diese Arten von Fonds werden nicht von der EU verwaltet, und es ist unmöglich, die Verwendung der von ihnen verwalteten Gelder halbwegs genau zu kontrollieren. Im konkreten Fall des Irak hat die Inanspruchnahme des Internationalen Wiederaufbaufonds für den Irak (IRFFI) als wichtigster Fonds für die Auszahlung der Gemeinschaftshilfe Bedenken im Europäischen Parlament hinsichtlich der Transparenz, Effizienz und Sichtbarkeit des Verfahrens wachgerufen. Diese Besorgnisse galten besonders dem von der Weltbank verwalteten Treuhandfonds für den Irak als einem der Teile des IRFFI. Bereits in seiner Entschließung zum Irak aus dem Jahr 2005[5], äußert das Europäische Parlament Befremden darüber, dass “die für den Wiederaufbau bereitgestellten Mittel zum Teil vom World Bank Trust und nicht in ihrer Gesamtheit von den Vereinten Nationen verwaltet werden“ und betont, dass „der World Bank Trust bisher nur einen geringen Teil der ihm zur Verfügung stehenden Mittel auch tatsächlich eingesetzt hat.“ Die Stellungnahme des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2006 (C6-0000/2005 – 2005/2001 (BUD))[6] wird noch deutlicher und „fordert (...), dass keine weitere Finanzhilfe über die Weltbank geleistet wird.“
13. Da die Kommission dem Parlament keine Angaben über die konkrete Verwendung der Gemeinschaftsmittel liefern konnte, wurde anlässlich der endgültigen Annahme des Haushaltsplans für 2008 beschlossen, 20 % der Mittel für Verpflichtungen der Haushaltslinie 19.10.03 (DCI Naher Osten) in die Reserve einzusetzen. Bedingung für die Freigabe der Reserve ist, dass „die Kommission dem Parlament einen umfassenden Überblick über die Verwendung der Mittel im Irak (im Jahr 2006, 2007 und voraussichtlich 2008)“ vorlegt. Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung dieses Berichts wird die Antwort der Kommission auf diese Forderung des Parlaments als nicht zufrieden stellend erachtet.
14. In dieser Empfehlung werden die Forderungen des Europäischen Parlaments nach mehr Transparenz, einer geringeren Inanspruchnahme multilateraler Treuhandfonds im Allgemeinen und des Treuhandfonds der Weltbank im Rahmen des IRFFI im Besonderen sowie einer stärkeren Beteiligung an bilateralen Projekten insbesondere mit UN-Einrichtungen bekräftigt. Solange die Aufnahmekapazität der irakischen Verwaltung begrenzt ist und der IRFFI keine ausreichende Transparenz und Sichtbarkeit der EU-Finanzhilfe gewährleisten kann, sollte die EU den Schwerpunkt ihrer Unterstützung auf bilaterale Projekte verlagern, die sich auf technische Hilfe und den Aufbau von Kapazitäten in den Bereichen Rechtstaatlichkeit, Finanzverwaltung, demokratische Regierungsführung und Menschenrechte konzentrieren. Die Kommission selbst hat Schritte in diese Richtung unternommen, eine Entwicklung, die zu begrüßen ist.
15. Die spezifischen Empfehlungen für das künftige Engagement der EU im Irak hängen natürlich von der Sicherheitslage im Land ab, die das einzige große Hindernis für ein stärkeres Engagement der EU im Irak darstellt. In jedem Fall sollte die EU nicht zögern, dem Beispiel der Vereinten Nationen zu folgen, falls bzw. wenn diese ihre Präsenz im Irak – sei es in Bagdad oder anderswo – ausweiten. Selbstverständlich sprengt die Frage der Präsenz der US-Truppen auf irakischem Boden den Rahmen dieser Entschließung. Sie geht jedoch von der Annahme aus, dass die USA ihre Verantwortung für die Sicherheit im Irak so lange übernehmen, wie die irakischen Verantwortlichen dies für notwendig halten. Die einzige langfristige Lösung für die Stabilisierung des Irak ist eine zunehmende Multilateralisierung und allmähliche Demilitarisierung der internationalen Präsenz im Land unter Führung der Vereinten Nationen. In diesem Kontext kann die EU einen erheblichen zusätzlichen Beitrag leisten.
16. Die EU sollte alle im Rahmen ihrer außenpolitischen Tätigkeit zur Verfügung stehenden Finanzierungsinstrumente in Anspruch nehmen, um ein stärkeres politisches Engagement zugunsten der Stabilität und Entwicklung des Irak mit zu tragen. Der Irak ist kein typischer Entwicklungshilfeempfänger, und das bisherige Vorgehen, das sich vornehmlich auf das Instrument für Entwicklungszusammenarbeit stützte, muss geändert werden. Die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Empfehlungen für ein verstärktes Engagement der Europäischen Union gegenüber Irak“[7] enthält eine Reihe nützlicher Leitlinien für die zukünftige Strategie. Ihre Betonung auf 1. der Notwendigkeit der Inklusivität des politischen Prozesses und der Regierung und 2. der Sicherheitslage im Land ist zu begrüßen. Um wirklich Veränderungen zu erzielen, muss die EU die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente jedoch produktiv einsetzen. Außer einem verstärkten politischen Dialog mit den irakischen Institutionen (insbesondere dem Repräsentantenrat) sollten das Stabilitätsinstrument, das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR), die humanitäre Hilfe und das DCI, aber auch die DDR- und SSR-Tätigkeiten im Rahmen der ESVP miteinander kombiniert werden, um sich gegenseitig in ihrer Wirkung zu verstärken, um zum Aufbau eines sicheren, stabilen, geeinigten, wirtschaftlich starken und demokratischen Irak beizutragen, der die Menschenrechte achtet und seine Minderheiten schützt. Dem Irak fehlt es nicht an Geld. Es fehlt an Stabilität, in politischem Willen, an starken politischen Institutionen und an der notwendigen Verwaltungskapazität, um die vorhandenen Mittel sinnvoll einzusetzen. Das sind die Bereiche, in denen die EU mit ihrem Beitrag etwas bewirken kann.
17. Ein besonderer Bereich, in den die EU investieren muss, sind die Menschenrechte. Die Todesstrafe, die „Kultur“ der Straflosigkeit und die systematische Verletzung von Menschenrechten in allen Bereichen des irakischen Gesellschaftslebens müssen Gegenstand des gezielten Engagements der EU im Irak sein. Die Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten sollten ganz oben auf der Liste der Prioritäten für das zukünftige Engagement der EU im Irak rangieren. Das EIDHR sollte für den Irak besonders im Hinblick auf die Stärkung der irakischen Zivilgesellschaft erheblich aktiviert werden:
18. Schließlich wird in dieser Empfehlung mehr Transparenz seitens des Europäischen Rates gefordert, was den Einsatz von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (PMC/PSC) durch EU-Mitarbeiter in Bagdad betrifft. Der EU mangelt es an klaren Vorgaben für den Einsatz solcher Firmen für ESVP-Operationen im Besonderen, aber auch für ihre Inanspruchnahme durch die EU-Institutionen in Drittländern im Allgemeinen. Solange die Transparenz in diesem Bereich nicht erheblich verbessert wird und keine klare Vorgaben für den Einsatz von PMC/PSC durch EU-Institutionen außerhalb der EU geschaffen werden, wird es dem Europäischen Parlament ausgesprochen schwer fallen, einer Ausweitung der physischen Präsenz der EU im Irak seine Zustimmung zu geben.
- [1] Zahlen aus Iraqi Body Count, Stand vom 1. Dezember 2007.
- [2] Vom Irakischen Gesundheitsministerium vorgelegte Zahlen, November 2006.
- [3] Zahlen aus der neuesten Studie der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet, Oktober 2006.
- [4] P6_TA(2005)0288.
- [5] P6_TA(2005)0288.
- [6] PE 360.281v02-00.
- [7] KOM(2006)283.
VORSCHLAG FÜR EINE EMPFEHLUNG AN DEN RAT (B6-0328/2007)
gemäß Artikel 114 Absatz 1 der Geschäftsordnung
von Ana Maria Gomes
im Namen der PSE-Fraktion
zur Rolle der Europäischen Union im Irak
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 114 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Irak eine zentrale Rolle für die Stabilität in der Region und im gesamten Nahostraum spielt,
B. unter Hinweis auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen,
C. in der Erwägung, dass es nicht möglich ist, eine militärische Lösung herbeizuführen, schon gar nicht durch ausländische Streitkräfte,
D. in der Erwägung, dass zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung einheimische Streitkräfte aufgestellt werden müssen, die sich aus allen Bevölkerungsgruppen zusammensetzen und die das Vertrauen dieser Gruppen genießen,
E. in der Erwägung, dass bei der Suche nach einer dauerhaften Lösung alle politischen Akteure aus sämtlichen Bevölkerungsgruppen einzubeziehen sind,
F. in der Erwägung, dass die Leiden der irakischen Zivilbevölkerung weiterhin gelindert werden müssen, insbesondere der Personen, die in die Nachbarländer vertrieben wurden oder dorthin geflüchtet sind,
G. unter Hinweis auf die im Rahmen der „Konferenz der Geberländer“ eingegangenen Verpflichtungen,
H. unter Hinweis auf die Mitverantwortung des Europäischen Parlaments im Bereich des EU-Haushalts;
I. in der Erwägung, dass die Europäische Union zwischen 2003 und 2006 für den Irak Hilfsgelder in Höhe von 718,5 Millionen Euro bereitgestellt hat,
J. in der Erwägung, dass diese Mittel, ohne wirkliche Kontrolle der EU, über die VN und die Weltbank in die „International Reconstruction Fund Facility for Irak“ eingestellt wurden,
1. richtet folgende Empfehlungen an den Rat:
a) die Unterstützung der Europäischen Union für die Schaffung eines einheitlichen, stabilen, demokratischen, laizistischen und die Religionsfreiheit wahrenden irakischen Staates fortzusetzen;
(b) seine Initiativen auszuweiten, mit denen die Annäherung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere in den Bereichen Verfassungsreform und Gewaltenteilung, ermöglicht werden soll;
(c) in enger Zusammenarbeit mit den VN, den anderen internationalen Akteuren und den irakischen Behörden einen kohärenten langfristigen Plan für Reformen im Sicherheitsbereich zu entwickeln, der auf dem Grundsatz der demokratischen Verantwortung der Streitkräfte beruht, und dabei den Schwerpunkt auf die Auflösung der Milizen zu legen;
d) dem Irak dabei behilflich zu sein, aus seinen Bodenschätzen Nutzen zu ziehen;
e) eine unabhängige Überprüfung der Verwendung der Gemeinschaftsmittel durch die VN und die Weltbank in die Wege zu leiten;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung an den Rat und zur Kenntnisnahme an die Kommission, die irakische Regierung, den irakischen Repräsentantenrat, die VN und die Weltbank zu übermitteln.
STELLUNGNAHME des Ausschusses für internationalen Handel (5.2.2008)
für den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten
zur Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zur Rolle der Europäischen Union im Irak
(2007/2181(INI))
Verfasser der Stellungnahme: Ignasi Guardans Cambó
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für internationalen Handel ersucht den federführenden Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
richtet folgende Empfehlungen an den Rat:
1. den Beobachterstatus des Irak in der Welthandelsorganisation (WTO) zu begrüßen, da dies ein wichtiger Schritt für die Wiedereingliederung des Irak in die Weltwirtschaft ist, der dazu beiträgt, dass die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Irak über ein Handels- und Kooperationsabkommen erfolgreich abgeschlossen werden; es zu begrüßen, dass der Irak zu gegebener Zeit der WTO uneingeschränkt beitreten wird; dafür zu sorgen, dass bis dahin der Aufbau von Kapazitäten im Land durch finanzielle Beiträge anhaltend unterstützt wird;
2. über ein Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak so zu verhandeln, dass dadurch interne Reformen im Irak erleichtert und gefördert und die irakischen Regelungen für den Handel an die Vorschriften und Sanktionen multilateraler Handelssysteme angenähert werden;
3. den Irak dabei zu unterstützen, geeignete und legitimierte Institutionen aufzubauen, die ihre Vertreter in die Lage versetzen, die Beitrittsbedingungen auszuhandeln, und die kontinuierliche Unterstützung der EU zu befürworten, um den Beitritt des Irak zu Übereinkommen und Verträgen und dessen aktive Teilnahme in internationalen Organisationen zu fördern, wie z.B. die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die Internationale Arbeitsorganisation (IAO), das Kyoto-Protokoll und das Übereinkommen über die biologische Vielfalt;
4. sich auf die Beteiligung der Europäische Union bei der Entwicklung des „International Compact with Iraq“ und die irakischen Reformen mit dem Ziel einer diversifizierten Marktwirtschaft zu konzentrieren, die den Bedürfnissen der irakischen Gesellschaft entspricht und mit den Erfordernissen und Möglichkeiten einer freien und fairen Teilnahme am Welthandel im Einklang steht;
5. die Entwicklung in den verfassungsmäßigen Regionen des Irak und ihre sozioökonomische Vielfalt bei der künftigen Ausgestaltung der Handelspolitik und den Beiträgen zum Wiederaufbau des Landes zu berücksichtigen; zu empfehlen, dass deshalb vor allem der Aufbau von Kapazitäten für Kleinstunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen unterstützt wird;
6. die kontinuierliche Unterstützung der EU auf den Aufbau von Kapazitäten in irakischen Verwaltungs- und Wirtschaftseinrichtungen zu konzentrieren, insbesondere im Hinblick auf die Wiederherstellung des institutionellen Rahmens, vor allem einer unabhängigen Zentralbank, einer stabilen Währung, einer Steuer- und Haushaltsbehörde und der ungehinderten Entwicklung der Finanzmärkte, und den privaten Sektors zur Unterstützung marktwirtschaftlicher Reformen und ausländischer Direktinvestitionen aufzufordern;
7. die irakische Regierung aufzufordern, die in Artikel X des GATT von 1994 festgelegten Vorschriften über Transparenz einzuhalten, die erforderlichen Rechtsvorschriften zu verabschieden und entsprechende Kapazitäten aufzubauen, um sie in Bereichen wie geistiges Eigentum, öffentliche Aufträge, technische Handelshemmnisse sowie Gesundheits- und Pflanzenschutz umzusetzen;
8. die irakische Regierung aufzufordern, bei öffentlichen Aufträgen für Transparenz und Nicht-Diskriminierung zu sorgen, indem sie insbesondere bei allen Ausschreibungen sämtlicher öffentlicher Stellen die Meistbegünstigung auf alle EU-Unternehmen ausweitet, bis der Irak dem plurilateralen WTO-Übereinkommen über öffentliche Aufträge beigetreten ist;
9. die irakische Regierung dazu anzuhalten, die Erlöse aus dem Erdölverkauf so einzusetzen, dass sie wieder im Irak investiert und von öffentlichen Beschaffungsstellen, bei denen die irakische Regierung die letztendliche Entscheidungsgewalt innehat, verwaltet werden; vorzuschlagen, dass diese Strategie für die EU eine wesentliche Voraussetzungen für die Unterstützung des Wiederaufbaus und der Entwicklung der irakischen Wirtschaft sein sollte;
10. anzuerkennen, dass es für die Europäischen Union und den Irak nutzbringend und von besonderem Interesse ist, dass im Land gleiche rechtliche und de facto faire Bedingungen für alle ausländische Investoren bestehen;
11. angesichts der Notwendigkeit von nachhaltigeren Handelspraktiken die Auffassung zu vertreten, dass der Zugang zu Energieressourcen eine Frage der Festlegung multilateraler Regeln ist, die nicht durch bilaterale Handelsabkommen geschwächt werden dürfen, bei denen es um die günstigsten Zugangsbedingungen geht;
12. dafür zu sorgen, dass die Exekutivorgane der EU vollständige, regelmäßige und transparente Informationen über die aktuelle Auszahlung und Umsetzung der EU-Hilfe bekannt geben, einschließlich der Mittel, die indirekt über andere Organisationen wie dem Internationalen Wiederaufbaufonds für den Irak bereitgestellt werden;
13. das Europäische Parlament regelmäßig über den Stand der Verhandlungen zwischen der Union und dem Irak über Handel und Zusammenarbeit zu unterrichten;
14. die Einrichtung eines regelmäßigen Dialogs zwischen der Kommission, der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Investitionsbank anzuregen, um die Strategien und Initiativen in Bezug auf den Wiederaufbau und/oder den Schuldenerlass sowie auf die diesbezüglichen Anforderungen an die Wirtschaftspolitik zu koordinieren, damit in Einklang mit den von den irakischen Bürgern geäußerten Präferenzen eine sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Entwicklung im Land ermöglicht wird;
15. der Kommission mit Nachdruck zu empfehlen, ab dem Jahr 2008 ihre eigene Datenbank für Projekte einzurichten, die unter der Federführung der VN, der Weltbank oder anderer internationaler Institutionen verwaltet werden und bei denen ein Gesamtfinanzbetrag aus dem EU-Haushalt gewährt wird, der für sehr spezifische Projektcluster vorgesehen ist, wobei jedes Projekt in dieser Datenbank auffindbar sein sollte und dort der EU-Finanzbeitrag, den die Projekte erhalten, eindeutig ausgewiesen sein sollte;
16. den Mitgliedstaaten und der Kommission zu empfehlen, nur langsam die Realisierung von Projekten in Angriff zu nehmen, die von der Europäischen Union verwaltet und finanziert werden; die Kommission aufzufordern, dem Parlament ein Dokument mit einer Strategie vorzulegen, in der aufgezeigt wird, wie dies bis Mai 2008 verwirklicht werden kann, wobei im Einzelfall erklärt werden sollte, warum bestimmte Projekte für einige Zeit unter der Federführung der VN und der Weltbank verbleiben sollten;
17. empfiehlt der EU, die Finanzierung von Programmen fortzusetzen, die einen Beitrag zum Wiederaufbau der irakischen Gesellschaft als Ganzes leisten werden;
18. die allmähliche Einrichtung einer regionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit als ersten wertvollen Schritt zu unterstützen, um Spannungen abzubauen und eine schrittweise Entwicklung der Zusammenarbeit in den Bereichen Politik und Sicherheit zu ermöglichen;
19. den Irak und die Mitgliedstaaten aufzufordern, im Zusammenhang mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen die verantwortungsvolle Staatsführung, die Transparenz und die Rechenschaftspflicht zu fördern und dafür zu sorgen, dass durch diese Ausbeutung keine ökologischen Ungleichwichte verursacht und die Ressourcen vor allem zugunsten der irakischen Bürger eingesetzt werden.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
23.1.2008 |
|
|
|
|||||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
17 4 1 |
|||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Ergebnis der Schlussabstimmung Kader Arif, Francisco Assis, Graham Booth, Carlos Carnero González, Daniel Caspary, Christofer Fjellner, Béla Glattfelder, Ignasi Guardans Cambó, Jacky Hénin, Alain Lipietz, Caroline Lucas, Marusya Ivanova Lyubcheva, Erika Mann, Vural Öger, Georgios Papastamkos, Godelieve Quisthoudt-Rowohl, Peter Šťastný, Gianluca Susta, Daniel Varela Suanzes-Carpegna, Iuliu Winkler, Corien Wortmann-Kool |
||||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Jean-Pierre Audy, Zbigniew Zaleski |
||||||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende(r) Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
|
||||||||
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
27.2.2008 |
|
|
|
||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
62 0 2 |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Monika Beňová, Elmar Brok, Colm Burke, Philip Claeys, Véronique De Keyser, Giorgos Dimitrakopoulos, Michael Gahler, Bronisław Geremek, Maciej Marian Giertych, Ana Maria Gomes, Alfred Gomolka, Klaus Hänsch, Richard Howitt, Jana Hybášková, Anna Ibrisagic, Metin Kazak, Maria Eleni Koppa, Helmut Kuhne, Joost Lagendijk, Vytautas Landsbergis, Johannes Lebech, Emilio Menéndez del Valle, Francisco José Millán Mon, Philippe Morillon, Pasqualina Napoletano, Raimon Obiols i Germà, Vural Öger, Cem Özdemir, Justas Vincas Paleckis, Ioan Mircea Paşcu, Alojz Peterle, Hubert Pirker, Samuli Pohjamo, Bernd Posselt, Michel Rocard, Raül Romeva i Rueda, Libor Rouček, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Jacek Saryusz-Wolski, György Schöpflin, Hannes Swoboda, Charles Tannock, Geoffrey Van Orden, Ari Vatanen, Kristian Vigenin, Zbigniew Zaleski, Josef Zieleniec |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Mariela Velichkova Baeva, Cristian Silviu Buşoi, Giulietto Chiesa, Andrew Duff, Árpád Duka-Zólyomi, David Hammerstein, Tunne Kelam, Evgeni Kirilov, Jaromír Kohlíček, Peter Liese, Erik Meijer, Nickolay Mladenov, Borut Pahor, Józef Pinior, Antolín Sánchez Presedo, Inger Segelström |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
Renate Weber |
|||||