BERICHT über den Jahresbericht der EZB für 2007
9.6.2008 - (2008/2107(INI))
Ausschuss für Wirtschaft und Währung
Berichterstatter: Olle Schmidt
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zum Jahresbericht der Europäischen Zentralbank für 2007
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Jahresberichts der Europäischen Zentralbank (EZB) für 2007,
– gestützt auf Artikel 113 des EG-Vertrags,
– unter Hinweis auf Artikel 15 des dem Vertrag beigefügten Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank[1],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 2. April 1998 zur demokratischen Rechenschaftspflicht in der dritten Phase der WWU[2],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Februar 2008 zu den Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (Teil: Grundzüge der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft): Eintritt in den neuen Programmzyklus (2008–2010)[3],
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „WWU@10: Zehn Jahre Wirtschafts- und Währungsunion - Errungenschaften und Herausforderungen“ (KOM(2008)0238),
– in Kenntnis des Finanzstabilitätsberichts der EZB vom Dezember 2007 und ihres Berichts vom April 2008 über die Finanzintegration in Europa,
– in Kenntnis der Frühjahrsprognose der Kommission für 2008-2009,
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A6-0241/2008),
A. in der Erwägung, dass das BIP im Euroraum 2007 um 2,6 % stieg (gegenüber 2,7 % im Jahre 2006), obwohl die Finanzmarktturbulenzen in der zweiten Jahreshälfte eine erhöhte Unsicherheit hervorriefen.
B. in der Erwägung, dass sich die Inflationsrate auf 2,1 % gegenüber 2,2 % im Jahre 2006 belief, obwohl das Wirtschaftsumfeld von einem starken Aufwärtsdruck auf die Preise geprägt war,
C. in der Erwägung, dass die EZB die Zinssätze auch 2007 anhob, sodass sie im Juni bei 4,0 % ‑ verglichen mit 3,5 % im Dezember 2006 ‑ lagen, und sie im zweiten Halbjahr auf diesem Niveau beließ,
D. unter Hinweis darauf, dass in Erklärungen des Internationalen Währungsfonds und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein sehr vorsichtiger Ansatz bei der Anhebung der Zinssätze im Euroraum gefordert wird,
E. in der Erwägung, dass der nominale effektive Wechselkurs des Euro 2007 um 6,3 % stieg und dass dieser Kursgewinn gegenüber dem US-Dollar besonders ausgeprägt war (11,8 %),
F. in der Erwägung, dass finanzielle Turbulenzen und große weltweite Ungleichgewichte eine Gefahr für das weltweite Wirtschaftswachstum und die Wechselkursentwicklung darstellen,
G. in der Erwägung, dass Projektionen zufolge die Inflation 2008 im Euroraum auf 2,0 % bis 3,0 % steigen wird, worin sich weitgehend der gegenwärtige Trend zu höheren Preisen für Grunderzeugnisse widerspiegelt, ehe sie 2009 auf eine moderate Bandbreite von 1,2 % bis 2,4 % fällt,
H. unter Hinweis darauf, dass das wichtigste Ziel der EZB und des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) in der Wahrung der Preisstabilität bei gleichzeitiger Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft entsprechend Artikel 105 des EG-Vertrags besteht; in Anerkennung der uneingeschränkten Unabhängigkeit der EZB und des ESZB in diesem Kontext,
I. in der Erwägung, dass sich die EZB mit dem Dilemma konfrontiert sieht, sich den Herausforderungen einer steigenden Inflation und den ersten Anzeichen einer rückläufigen konjunkturellen Entwicklung aufgrund der in den letzten Monaten auf den Finanzmärkten zu verzeichnenden Unruhen stellen zu müssen,
J. unter Hinweis auf den Wunsch des Parlaments, zur Stärkung der Rolle und der internationalen Autorität der EZB und der Eurozone auf der internationalen Bühne beizutragen,
Die EZB heute
1. begrüßt es, dass zehn Jahre nach der Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sowohl die EZB als auch der Euro in der globalen Wirtschaft allgemein geachtet und akzeptiert werden, und weist darauf hin, dass sich der Euro zu einer Währung von internationalem Rang entwickelt hat, der dem des US-Dollar nahezu ebenbürtig ist;
2. verweist darauf, dass im EG-Vertrag bei den Zielvorgaben der EZB ausdrücklich zwischen der Preisstabilität einerseits und der Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik andererseits unterschieden wird und dass deshalb diese beiden Zielvorgaben nicht einfach als austauschbar behandelt werden können; erkennt die uneingeschränkte Unabhängigkeit der EZB bei der Wahrnehmung dieses doppelten Auftrags an und begrüßt es, dass die EZB mit dem Vertrag von Lissabon zu einem EU-Organ mit Rechtspersönlichkeit wird, dessen politische und finanzielle Unabhängigkeit eindeutig festgeschrieben ist; glaubt, dass die Anerkennung der EZB als europäisches Organ die Verantwortung des Parlaments und insbesondere seines für Wirtschaft und Währung zuständigen Ausschusses als Einrichtung stärkt, der gegenüber die EZB im Hinblick auf ihre geldpolitischen Beschlüsse rechenschaftspflichtig ist;
3. begrüßt Zypern und Malta in der WWU und nimmt ihren erfolgreichen Beitritt zur Kenntnis;
Finanzielle Stabilität
4. erkennt die ausgezeichnete Arbeit der EZB bei der Bewältigung der Finanzmarktunruhen an, die durch die Krise auf dem US-amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt ausgelöst wurden, verweist dabei insbesondere auf die Operation vom 9. August 2007, durch die dem Markt in einem Mengentender zu einem Zinssatz von 4,00 % zusätzliche Liquidität in Höhe von 95 Mrd. EUR zugeführt wurde, wobei dasselbe Verfahren wie bei den normalen Finanzmarktoperationen der EZB zur Anwendung kam; stellt fest, dass dieser Schritt zusammen mit den Feinsteuerungsoperationen und den umfangreichen wöchentlichen Refinanzierungsgeschäften eine erfolgreiche Stabilisierung der sehr kurzfristigen Zinssätze bewirkte; ist der Auffassung, dass dies erneut den Wert der von der EZB verfolgten gemeinsamen Währungspolitik bestätigt, die die Wirtschaft in Zeiten der Instabilität wieder auf festen Boden stellt;
5. teilt die Ansichten der EZB, dass die zunehmende Komplexität der Finanzinstrumente und die Undurchsichtigkeit des Engagements der Finanzinstitutionen zu zunehmender Ungewissheit in Bezug auf die Frage führen können, wie groß das Risiko ist, wer letztlich das Risiko trägt und welchen Umfang die potenziellen Verluste haben;
6. unterstreicht die Notwendigkeit, einen EU-Rahmen für die Finanzaufsicht zu errichten; unterstreicht, dass der EZB im Vertrag zwar keine direkte Verantwortung für die Finanzaufsicht von Kreditinstitutionen und die Stabilität des Finanzsystems übertragen wird, aber dennoch die Notwendigkeit besteht, die EZB eng in die Aufsicht einzubeziehen;
7. glaubt, dass die EZB aufgrund ihres erfolgreichen Umgangs mit den gegenwärtigen Finanzkrisen an Stärke gewonnen hat; begrüßt die gesteigerte Glaubwürdigkeit und internationale Anerkennung der EZB; fordert die Eurogruppe auf, dem Beispiel der EZB zu folgen und ihren Sachverstand und ihre Koordinierung in Fragen der Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte zu verbessern;
8. unterstreicht die verstärkte Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und den Aufsichtsbehörden mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Stabilität auf den Finanzmärkten, insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Integration der Finanzsysteme; ersucht die EZB um die Fortsetzung ihrer Bemühungen um eine bessere Integration und Kommunikation innerhalb der EU sowie im Umgang mit anderen Zentralbanken und einschlägigen Institutionen, was insbesondere für ihre Beziehungen zur Bank of England gilt, da London das bedeutendste Finanzzentrum in der Europäischen Union ist; fordert die EZB zur aktiven Beteiligung an den verschiedenen Diskussionsforen zum Thema Aufsichtsreform auf, so z. B. an der Bewertung des Lamfalussy-Verfahrens;
9. erkennt an, dass große Zentralbanken wie die EZB und die US Federal Reserve schon vor der IT-Blase von 2000 und der Subprime-Krise von 2007 vor einer Unterschätzung der Gefahren für die Wirtschaft gewarnt hatten; weist darauf hin, dass die Finanzmärkte nicht mit der gebotenen Effektivität auf diese Warnungen reagierten; ersucht daher die EZB, die betreffende Reaktion zu analysieren und Vorschläge für eine Verbesserung der Marktreaktionen auf derartige Vorabwarnungen zu unterbreiten; fordert die EZB angesichts der jüngsten Finanzmarktunruhen auf, die Folgen der Finanzkrise zu analysieren und zu bewerten und zu prüfen, ob sie über ein ausreichendes Instrumentarium für die Bewältigung einer grenzübergreifenden europäischen Finanzkrise verfügt und welche Kompetenzen sie benötigt, um die Systemaufsicht im Euroraum verbessern zu können;
Wirtschaftliche und monetäre Entwicklung
10. verweist auf die anhaltende Debatte über die Definition von Preisstabilität, in der von einigen Seiten eine direkte Inflationssteuerung befürwortet wird; vertritt jedoch die Auffassung, dass ein auf M3 beruhendes Zwei-Säulen-System die geeigneteste Methode zur Messung der Preisstabilität ist; fordert die EZB auf, Maßnahmen mit Blick auf eine kontinuierliche Verbesserung dieses Systems zu ergreifen; erkennt den Mehrwert der zusätzlichen Informationen, der frühzeitigen Warnung vor Inflationsrisiken und der operativen Ermessensspielräume an, die ein solches System bietet;
11. betont, dass die Gefahr asymmetrischer wirtschaftlicher Entwicklungen im Euroraum mit steigender Mitgliederzahl zunehmen könnte, da die Unterschiede in der Größe und im Entwicklungsstand der Volkswirtschaften der Mitglieder zunehmen; fordert die EZB auf, dieser Situation besondere Aufmerksamkeit zu widmen, die Risiken auf einer frühen Stufe anzugehen und sie den Mitgliedstaaten mitzuteilen;
12. fordert alle Mitgliedstaaten des Euroraums sowie die Mitgliedstaaten, die sich für die Nichtteilnahme entschieden haben, und die Bewerbermitgliedstaaten auf, diese Herausforderungen zur Kenntnis zu nehmen und daher die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspakts uneingeschränkt zu achten und die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, da dies zusammen mit der Haushaltskonsolidierung und einer Lohnpolitik im Einklang mit den Entwicklungen bei Wachstum und Produktivität den besten Schutz vor den Gefahren einer asymmetrischen Entwicklung bietet;
13. unterstreicht, dass vor dem Hintergrund der jüngsten Korrektur der Wachstumserwartungen jede weitere Erhöhung der Zinssätze mit Vorsicht vorgenommen werden sollte, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden; verweist darauf, dass die Mitgliedstaaten zur Unterstützung des Wirtschaftsaufschwungs sowohl die notwendigen Strukturreformen durchführen als auch Investitionen tätigen müssen;
14. erwartet vom Rat, dass er alle Euro-Bewerberländer gleich behandelt und die Bewertung und die Empfehlungen der EZB hinsichtlich der Bereitschaft dieser Länder für den Beitritt zum Euroraum uneingeschränkt respektiert;
15. nimmt die Aufwertung des Euro insbesondere gegenüber dem US-Dollar zur Kenntnis; unterstreicht das Ziel der Preisstabilität, erkennt jedoch an, dass starke und rasche Veränderungen des Euro-Wechselkurses die Fähigkeit der EZB zur Verfolgung ihrer Währungspolitik bei Konfrontation mit einer Inflationsursache oder schwierigen Wachstumsaussichten der exportabhängigen Länder nicht beeinträchtigen sollten; fordert die EZB auf, diese Entwicklung zu überwachen und einzugreifen, wenn sie es für erforderlich hält, und fordert die Eurogruppe, die Kommission und die EZB auf, die Koordinierung ihres Vorgehens im Bereich der Wechselkurspolitik zu intensivieren;
16. erkennt den zunehmenden Inflationsdruck an, zu dem insbesondere Nahrungsmittel- und Energiepreise beitragen; fordert die EZB auf, ihren Dialog mit den nationalen Zentralbanken über das Thema zu verstärken, um eine starke Schwerpunktsetzung auf die Preisstabilität weltweit zu fördern;
Governance und effektive Entscheidungsfindung
17. erinnert an die weiterhin bestehende Forderung nach mehr Transparenz in der EZB, die zu einer gesteigerten Glaubwürdigkeit und Vorhersehbarkeit führen würde, und würdigt Verbesserungen, die in diesem Bereich bereits herbeigeführt worden sind; erkennt in diesem Zusammenhang an, dass die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des EZB-Rates mit Schwierigkeiten verbunden ist, da unterschiedliche individuelle Standpunkte so ausgelegt werden könnten, als seien sie Ausdruck nationaler Interessen, was dazu führen würde, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten die Mitglieder des EZB-Rates unter Druck setzen; fordert die EZB auf, dem Parlament und der Öffentlichkeit eine jährliche Zusammenfassung der Maßnahmen zu unterbreiten, die sie zur Verbesserung ihrer Leistung im Einklang mit dieser Entschließung ergriffen hat;
18. ist der Auffassung, dass der währungspolitische Dialog zwischen dem Parlament und der EZB ein Erfolg gewesen ist, auf dem man noch stärker aufbauen sollte; unterstreicht, dass die Ex-post-Rechenschaftslegung der EZB von übergeordneter Bedeutung für das Vertrauen und damit die Stabilität auf den Finanzmärkten ist; hält es für die Geschlossenheit des Direktoriums der EZB und des Gouverneursrates für wichtig, dass sie in ihrer öffentlichen Darstellung weiterhin Vertrauen vermitteln; unterstützt eine gezielte Informationspolitik seitens der EZB gegenüber dem Parlament, dem Rat, der Kommission und der Eurogruppe; ist enttäuscht über das geringe Maß an Engagement, das die EZB als Antwort auf die Entschließung des Parlaments vom Juli 2007 zum Jahresbericht der EZB für 2006[4] gezeigt hat; unterstreicht mit Nachdruck, dass die Forderung nach Verbesserungen bei der Kommunikationspolitik der EZB ausschließlich im Kontext der gleichzeitigen Erhaltung der Unabhängigkeit der EZB und ihrer Gremien gesehen werden muss;
19. fordert die EZB auf, in den Erklärungen, die sie im Anschluss an Entscheidungen des EZB-Rates herausgibt, klar darzulegen, ob im Verlauf der Diskussionen problemlos ein Konsens erzielt werden konnte oder ob weiterhin Meinungsunterschiede bestanden, da die Märkte dadurch mehr Informationen erhalten würden, ohne dass dies eine gemeinsame europäische Sichtweise bei den Entscheidungen des EZB-Rates behindern würde;
20. fordert die EZB angesichts des Umstands, dass die Zahl der Mitglieder des Gouverneursrates ab dem 1. Januar 2009 voraussichtlich über 15 liegen wird, auf, ihre Vorstellungen für die Änderung der Struktur des EZB-Rates zu unterbreiten; weist darauf hin, dass angesichts der Zunahme der Zahl der Euroraum-Länder erhöhter Reformbedarf besteht; unterstützt den früheren Vorschlag der EZB, das wirtschaftliche Gewicht der teilnehmenden Mitgliedstaaten als wichtigsten Bestimmungsfaktor für die Rotation der Stimmrechte zu behandeln und die Zahl der Entscheidungsträger im Interesse der Effizienz gering zu halten;
21 ist der Auffassung, dass sich die Unabhängigkeit der EZB – einschließlich des Verfahrens für die Benennung der Mitglieder ihres Direktoriums – bewahrt hat; betont, dass in Artikel 112 Absatz 2 Buchstabe b des EG-Vertrags vorgesehen ist, dass die Mitglieder des Direktoriums aus dem Kreis der in Währungs- oder Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten ernannt werden, und unterstreicht, dass ihre Staatsangehörigkeit unerheblich sein sollte und dass sie weiterhin anhand der im EG-Vertrag dargelegten strengen Kriterien beurteilt werden müssen, z.B. des Kriteriums ihrer Qualifikationen; ist der Auffassung, dass die demokratische Ex-ante-Rechenschaftslegung und die Transparenz verbessert würden, wenn der Rat mehrere potenzielle Kandidaten beurteilen würde und wenn der vom Rat vorgeschlagene Kandidat anschließend Gegenstand eines Zustimmungsvotums durch das Parlament sein würde;
22. glaubt, dass angesichts des künftigen Status der EZB als Organ gemäß dem Vertrag von Lissabon die Rolle des Parlaments bei der Benennung der Mitglieder des Direktoriums ausgeweitet werden sollte; unterstreicht seine Bereitschaft, zusammen mit den übrigen Organen mögliche Verbesserungen des Verfahrens vor der nächsten Erneuerung des Direktoriums im Jahre 2010 zu sondieren;
23. anerkennt den wachsenden Beitrag der Eurogruppe und ihres Präsidenten zur Festlegung eines Großteils der Wirtschaftsagenda in der Europäischen Union, insbesondere die in Artikel 136 des EG-Vertrags in der mit dem Vertrag von Lissabon geänderten Fassung vorgesehene formellere Struktur und die zentrale Bedeutung, die die wirtschaftspolitische Koordinierung in der Eurogruppe auch für die Nicht-Euro-Länder hat; ist dafür, dass die Euroraum-Länder künftig in internationalen Foren noch stärker mit einer Stimme sprechen, wie dies in Artikel 138 des EG-Vertrags in der mit dem Vertrag von Lissabon geänderten Fassung vorgesehen ist, wobei der Präsident der Eurogruppe einbezogen wird;
24. begrüßt die Zusammenarbeit zwischen der EZB, der Kommission und der Finanzdienstleistungsbranche beim erfolgreichen Start der Initiativen SEPA (Einheitlicher europäischer Zahlungsverkehrsraum) und STEP (kurzfristige Wertpapiere); sieht in diesen Initiativen positive Beiträge der Finanzdienstleistungsbranche zur Förderung der finanziellen Integration in der Europäischen Union;
25. begrüßt den Start des Target 2-Systems und den Abschluss der Migration auf die gemeinsame Plattform; erachtet dies für einen wichtigen Schritt auf dem Wege zur finanziellen Integration und zur Senkung der Abrechnungs- und Abwicklungskosten; hält es für dringend notwendig, dass die EZB jetzt eine Governance-Struktur für T2S vorschlägt;
Die externe Dimension des Euro
26. stellt fest, dass sich der Euro immer stärker als internationale Währung etabliert; weist darauf hin, dass die Vertretung der Europäischen Union in internationalen Foren im Bereich Wirtschaft und Finanzen bei weitem nicht dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gewicht des Euroraums entspricht und dass dies als Hindernis für eine verstärkte Einflussnahme auf die internationalen Finanzen angesehen werden kann; fordert daher konkrete Maßnahmen zugunsten einer einheitlichen Vertretung des Euroraums in internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF;
27. ermutigt die EZB, weiter an der Stärkung ihres Prozesses der Koordinierung in der internationalen Finanzarena zu arbeiten; ist der Überzeugung, dass eine Stärkung des internationalen Gewichts des Euro Vorteile für den Euroraum nach sich ziehen wird, die die momentan nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten dazu bewegen werde, sich um die volle Mitgliedschaft zu bewerben;
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o
28. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Eurogruppe und der Europäischen Zentralbank zu übermitteln.
- [1] ABl. C 191 vom 29.7.1992, S. 68.
- [2] ABl. C 138 vom 4.5.1998, S. 177.
- [3] Angenommene Texte, P6_TA(2008)0058.
- [4] Angenommene Texte, P6-TA(2007)0349.
BEGRÜNDUNG
In seinem Bericht über den Jahresbericht der EZB beurteilt das Europäische Parlament die Arbeit der Europäischen Zentralbank im Jahr 2007. Im Mittelpunkt des diesjährigen Berichts stehen die künftigen Herausforderungen für die EZB, die sich insbesondere aus den Finanzmarktunruhen nach der Krise auf dem US-amerikanischen Subprime-Hypothekenmarkt ergeben, aber auch Governance-Themen wie die Gewährleistung der effektiven Entscheidungsfindung und der Transparenz.
1. Die EZB heute
Die EZB ist in der Europäischen Union die einzige wirklich gemeinschaftliche Institution im Bereich der Finanz- und Währungspolitik. In den zehn Jahren seit der Einführung der WWU haben sich der Euroraum und seine gemeinsame Währung als äußerst erfolgreich erwiesen. Doch selbst nach diesem vielversprechenden Jahrzehnt hegen einige Politiker in Europa, darunter sogar Staatschefs, weiterhin Zweifel an der Unabhängigkeit der EZB. Der Berichterstatter befürwortet die Unabhängigkeit der EZB als Grundvoraussetzung für eine stabile Geldpolitik und begrüßt es rückhaltlos, dass diese Unabhängigkeit mit dem Vertrag von Lissabon klar anerkannt und gestärkt wird.
Die Kommission nennt unter anderem folgende Vorteile der Einführung des Euro:
Die Inflation pendelte sich in den letzten zehn Jahren bei durchschnittlich 2 % ein.
Seit 1999 wurden fast 16 Millionen Arbeitsplätze geschaffen.
Die niedrigeren langfristigen Zinssätze sanken auf unter 4 %, die Hälfte des Standes der neunziger Jahre.
Der Wegfall des Währungsumtauschs erleichtert das Reisen und Einkaufen im Euroraum.
Stabile Wechselkurse haben dem Handel zwischen den Ländern des Euroraums Auftrieb verliehen.
Diese Auswirkungen sind für alle Bürger im Euroraum greifbare Realität. Doch nicht nur die Mitglieder des Euroraums spüren die Veränderungen, denn mit der wachsenden Bedeutung des Euro und des gemeinsamen Währungsraums steigen die Kosten der Nichtmitgliedschaft. Obwohl die Bewerberländer wie mein Heimatland Schweden und die Opt-out-Länder Dänemark und Großbritannien noch nicht zum Euroraum gehören, hat die Eurogruppe als informelles Gremium durch die Ernennung ihres Präsidenten und durch den zunehmenden Kooperationsbedarf in diesen Fragen einen wesentlich höheren Stellenwert erlangt. Der Vertrag von Lissabon legt die Rolle der Eurogruppe in Artikel 136 eindeutig fest und betont ihre Bedeutung für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Ich befürworte dies nachdrücklich, wobei ich auch erkenne, dass es dadurch umso schwerer ins Gewicht fällt, wenn man nicht an diesen Beratungen teilnehmen kann. Die Nichtteilhabe an diesem elementarsten Bereich der tieferen Integration in Europa schlägt nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in politischer Hinsicht äußerst negativ zu Buche. Für mein Heimatland Schweden ist es erklärtes Ziel, zum Kern der europäischen Integration zu gehören. Daher ist eine uneingeschränkte Mitwirkung an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit meiner Meinung nach äußerst wünschenswert, wenn nicht sogar unvermeidlich.
2. 2007 – ein Jahr mit vielen Herausforderungen
Das Jahr 2007 hat sich für die EZB als interessant und schwierig erwiesen. Auf ein kräftiges Wachstum im ersten Halbjahr folgten ab August erhebliche Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Die Inflation hat stetig zugenommen und liegt jetzt bei ca. 3 %, also deutlich über dem mittelfristigen Inflationsziel von ca. 2 %. Der Dollar und andere Währungen haben gegenüber dem Euro erheblich an Wert verloren, wodurch die Wechselkursdiskussionen erneut aufgeflammt sind.
Durch die Erweiterung des Euroraums erlangt der Währungsbereich größeres Gewicht, doch zugleich steigen die Anforderungen, weil die Entscheidungsfindung aufwändiger wird und die Unterschiede im wirtschaftlichen Entwicklungsniveau der Mitglieder zunehmen. Für die EZB ergeben sich daraus verschiedene Herausforderungen, auf die der vorliegende Bericht eingeht, wobei auch Empfehlungen für mögliche Verbesserungen in der Arbeit der EZB gegeben werden.
3. Finanzielle Stabilität
Die Krise auf dem Subprime-Hypothekenmarkt hat deutlich gezeigt, dass finanzielle Stabilität eine globale Angelegenheit ist, da Krisensituationen nicht mehr auf ein Land oder eine Region beschränkt bleiben. Durch die EZB-Operation vom 9. August 2007 wurde dem Markt in einem Mengentender zu einem Zinssatz von 4,00 % zusätzliche Liquidität in Höhe von 95 Mrd. EUR zugeführt. Dabei kam dasselbe Verfahren wie bei den normalen Finanzmarktoperationen der EZB zur Anwendung. Zusammen mit den Feinsteuerungsoperationen und den darauf folgenden umfangreichen wöchentlichen Refinanzierungsgeschäften bewirkte dieser Schritt eine erfolgreiche Stabilisierung der sehr kurzfristigen Zinssätze. Die mit der FED und der Bank of England abgestimmten Bemühungen haben weitgehend dazu beigetragen, das Finanzsystem über Wasser zu halten, aber die Krise nicht gelöst. Gezeigt hat sich auch die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken und anderen Institutionen. Angesichts der Tatsache, dass die EZB wie auch die FED vor einer Unterschätzung der Folgen der Subprime-Krise gewarnt hatten, die Märkte jedoch nicht angemessen reagierten, stellt sich die Frage nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Marktreaktionen.
Die anhaltenden Diskussionen in verschiedenen Foren sind wichtig, damit ausgewogene Maßnahmen zur Herstellung umfassenderer Beziehungen zwischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden ergriffen werden können. Da die Unruhen immer noch anhalten, kommt es darauf an, zusammen mit der Branche eine gründliche Analyse durchzuführen, ehe größere neue Schritte in Angriff genommen werden. Innerhalb der Europäischen Union sollte die Überarbeitung des Lamfalussy-Verfahrens eine der Säulen für die Modernisierung des europäischen Aufsichtssystems sein.
4. Erweiterung und Governance
Die Europäische Zentralbank verdankt ihre öffentliche Akzeptanz der Tatsache, dass sie sich für Ziele wie Preisstabilität und Wirtschaftswachstum engagiert, denen die Öffentlichkeit große Bedeutung beimisst, und dass sie ihre diesbezüglichen Maßnahmen ausreichend erläutert. Allerdings löst dies gegensätzliche Bestrebungen aus, da der Wunsch nach effektiver Entscheidungsfindung dem Wunsch nach Transparenz und Inklusivität gegenübersteht. Diese auseinanderstrebenden Tendenzen könnten sich noch verstärken, da die Zahl der EU-Mitgliedstaaten wächst, die die Kriterien für die Mitgliedschaft im Euroraum erfüllen. So entsteht ein erweiterter Raum, dem zwar mehr Unionsbürger angehören, im dem aber auch größere Unterschiede im Hinblick auf das wirtschaftliche Entwicklungsniveau, die Wachstumsrate und den Reifegrad der Wirtschaft bestehen. Innerhalb der EZB muss eine Abwägung zwischen der Notwendigkeit einer effektiven Entscheidungsfindung und der Notwendigkeit der Inklusivität erfolgen. Um für die bevorstehenden Aufgaben gewappnet zu sein, sollte die EZB mögliche Optionen für eine Veränderung ihrer Entscheidungsverfahren prüfen und dabei frühzeitig einschlägige Institutionen einbeziehen.
Nach den bisherigen Debatten über Wege zur Reform des EZB-Rates und zur Gewährleistung effektiver Beratungs- und Entscheidungsverfahren dürfte das heutige System nicht zukunftstauglich sein, da es innerhalb der EZB die wirtschaftliche und politische Kluft zwischen den Euroraum-Ländern vertieft. Eine pragmatische Lösung bestünde darin, dem Direktorium mehr Macht zu verleihen, doch da grundsätzlich jedes Mitglied über eine Stimme verfügt, was auch in demokratischer Hinsicht von Bedeutung ist, wäre ein solches System politisch nicht akzeptabel. Es bleiben also vier Varianten: Stimmengewichtung, Repräsentation, regionale Zentralbanken oder Rotation. Ich halte die auf dem wirtschaftlichen Gewicht beruhende Rotation der Stimmrechte im EZB-Rat für die beste Lösung, da sie Effektivität mit demokratischer Legitimität kombiniert. Die Abkehr vom Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten stellt ein Problem dar, ist aber meiner Meinung nach unumgänglich, um die nötige Entscheidungsfähigkeit zu gewährleisten. Eine übermäßige Einflussnahme nationaler Interessen auf die politischen Entscheidungen der EZB lässt sich am besten verhindern, wenn die politische Macht der nationalen Zentralbankpräsidenten weitestgehend dem wirtschaftlichen Gewicht der jeweiligen Länder entspricht. Der Vorschlag sollte daher vor allem darauf abzielen, dass das wirtschaftliche Gewicht ausschlaggebender Faktor für die Häufigkeit der Teilnahme an Abstimmungen im EZB-Rat ist.
5. Transparenz
Als Berichterstatter lege ich größten Wert auf Offenheit und Transparenz und bin der Ansicht, dass die Information der Öffentlichkeit zur Stärkung der Legitimität und Glaubwürdigkeit der EZB beiträgt. Allerdings erkenne ich an, dass die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle des EZB-Rates mit Schwierigkeiten verbunden ist, da unterschiedliche individuelle Standpunkte so ausgelegt werden könnten, als seien sie Ausdruck nationaler Interessen. Wenn die Vertreter dieser Auffassungen namentlich genannt würden, bestünde auch eine erhöhte Gefahr, dass die Regierungen ihren „eigenen“ nationalen Zentralbankpräsidenten unter Druck setzen. Dies könnte die Europäische Zentralbank bei der Verfolgung ihrer Ziele behindern und dadurch auf lange Sicht ihrem Image und ihrer Glaubwürdigkeit schaden. Ungeachtet dieser Schwierigkeiten besteht nach wie vor Bedarf an mehr und besseren Informationen. Daher fordere ich den EZB-Rat auf, stets über die Diskussionen zu berichten, die einer Entscheidung vorausgegangen sind, und insbesondere darzulegen, ob problemlos ein Konsens herbeigeführt werden konnte oder ob Meinungsunterschiede fortbestanden. Auf diese Weise würden die Öffentlichkeit und die Finanzmärkte umfangreichere Informationen über den Verlauf der Diskussionen im EZB-Rat erhalten, ohne dass Namen oder Länder genannt werden.
6. Die internationale Rolle des Euro
Seit seiner Einführung hat sich der Euro als zweitwichtigste internationale Währung nach dem US-Dollar fest etabliert. Auf Euro lautende internationale Schuldverschreibungen überstiegen im Jahr 2004 die Schuldverschreibungen in US-Dollar, während die Banken im Euroraum inzwischen 36 % ihrer Darlehen an Darlehensnehmer außerhalb des Euroraums in Euro vergeben, gegenüber 45 % in US-Dollar. Der Euro steht außerdem auf Platz 2 der meistgehandelten Währungen an den weltweiten Devisenmärkten und wird bei mehr als einem Drittel aller Devisengeschäfte verwendet.
Meiner Meinung nach beweist dies den Wert der monetären Zusammenarbeit und zeigt, dass der Euro für alle WWU-Mitglieder eine wichtige Errungenschaft darstellt. Der Euro hat jedoch gegenüber dem Dollar einen klaren Nachteil: In internationalen Foren mangelt es ihm an einem geschlossenen Auftritt und folglich an einer starken Stimme. Daher rufe ich die EZB auf, Maßnahmen zur Schaffung einer europäischen Präsenz in internationalen Finanzinstitutionen zu ergreifen, die das wirkliche wirtschaftliche Gewicht des Euroraumes reflektiert; eine einheitliche Vertretung des Euroraumes in diesen Fragen würde die Position des Euro in den internationalen Finanzinstitutionen und damit den Status dieser Währung stärken. Außerdem ergeben sich daraus erhebliche Nutzeffekte für die WWU-Mitglieder, die wiederum Anreiz für die Erweiterung des Euroraums bieten, da die nicht beteiligten Länder die Vorteile einer WWU-Mitgliedschaft klar erkennen würden.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
3.6.2008 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
40 1 1 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Mariela Velichkova Baeva, Zsolt László Becsey, Pervenche Berès, Sharon Bowles, Udo Bullmann, David Casa, Manuel António dos Santos, Elisa Ferreira, José Manuel García-Margallo y Marfil, Donata Gottardi, Dariusz Maciej Grabowski, Benoît Hamon, Karsten Friedrich Hoppenstedt, Sophia in ‘t Veld, Othmar Karas, Piia-Noora Kauppi, Wolf Klinz, Christoph Konrad, Guntars Krasts, Kurt Joachim Lauk, Andrea Losco, Astrid Lulling, Florencio Luque Aguilar, Hans-Peter Martin, John Purvis, Alexander Radwan, Bernhard Rapkay, Dariusz Rosati, Eoin Ryan, Antolín Sánchez Presedo, Olle Schmidt, Peter Skinner, Margarita Starkevičiūtė, Ivo Strejček, Ieke van den Burg |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Mia De Vits, Ján Hudacký, Janusz Lewandowski, Vladimír Maňka, Theodor Dumitru Stolojan |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
Milan Gaľa, Tobias Pflüger |
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