BERICHT über die Zwischenbewertung des Europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004–2010

17.6.2008 - (2007/2252(INI))

Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit
Berichterstatterin: Frédérique Ries

Verfahren : 2007/2252(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0260/2008
Eingereichte Texte :
A6-0260/2008
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu der Zwischenbewertung des Europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004–2010

(2007/2252(INI))

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss „Zwischenbewertung des Europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004–2010“ (KOM(2007)0314),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Februar 2005 zum europäischen Aktionsplan Umwelt und Gesundheit 2004–2010,[1]

–   unter Hinweis auf den Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 27. Juli 2007 „Principles for evaluating health risks in children associated with exposure to chemicals“ (Grundlagen der Bewertung von Gesundheitsrisiken bei Kindern im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Chemikalien),

–   gestützt auf die Artikel 152 und 174 des EG-Vertrags, die auf die Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt abzielen;

–   unter Hinweis auf den Beschluss 1350/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über ein zweites Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit (2008–2013)[2],

–   gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (A6-0260/2008),

A. in der Erwägung, dass die Gesundheitsschutzpolitik der Europäischen Union seit 2003 interessanterweise auf einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Forschung basiert, was die Hoffnung zulässt, dass im Laufe der Zeit eine kohärente und integrierte europäische Strategie in der Umwelt- und Gesundheitspolitik entsteht,

B.  in der Erwägung, dass die zurzeit von der EU im Rahmen ihres ersten Aktionsplans für Umwelt und Gesundheit (2004–2010) (KOM(2004)0416) umgesetzten Strategien, nämlich die Ermittlung von umweltmedizinischen Indikatoren, die Entwicklung eines integrierten Monitoring, die Erfassung und Auswertung relevanter Daten sowie die Förderung von Forschungsarbeiten, vermutlich dazu beitragen werden, die Zusammenhänge zwischen Umweltbelastungsquellen und Auswirkungen auf die Gesundheit besser zu verstehen, dass sie aber bei weitem nicht dazu ausreichen, die wachsende Zahl umweltbedingter Krankheiten zu reduzieren,

C. in der Erwägung, dass es kaum möglich ist, eine vorläufige Bilanz des Aktionsplans Umwelt und Gesundheit zu ziehen, da er keine klar formulierten, quantifizierten Ziele verfolgt und außerdem das Gesamtbudget, das für den Aktionsplan zur Verfügung steht, weiterhin nur schwer festgelegt werden kann und für das effiziente Voranbringen des Plans mit Sicherheit nicht ausreicht,

D. in der Erwägung, dass die Zielsetzung des Gesundheitsprogramms 2008–2013 hauptsächlich darin besteht, Maßnahmen für traditionelle auf die Gesundheit Einfluss nehmende Faktoren – wie Ernährung, Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum – zu entwickeln und sich der neue Aktionsplan 2004–2010 auf neue Herausforderungen im Bereich Gesundheit konzentrieren und darüber hinaus mit den bestimmenden Umweltfaktoren befassen sollte, die sich auf die menschliche Gesundheit auswirken, wie die Luftqualität in Innenräumen und im Freien, elektromagnetische Wellen, Nanopartikel und besonders gefährliche chemische Stoffe (als krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend (CMR) oder endokrinschädlich eingestufte Stoffe) sowie mit dem Klimawandel einhergehende Gesundheitsrisiken,

E.  in der Erwägung, dass Atemwegserkrankungen, gemessen an der Häufigkeit von Todesfällen, der allgemeinen Häufigkeit, der Prävalenz und den Kosten in der Europäischen Union, an zweiter Stelle stehen, dass sie die häufigste Todesursache bei Kindern unter 5 Jahren sind, und dass sie immer häufiger auftreten, hauptsächlich aufgrund von Luftverschmutzung im Freien und in Innenräumen,

F.  in der Erwägung, dass die Luftverschmutzung, insbesondere durch Feinstaub und bodennahes Ozon, die menschliche Gesundheit erheblich gefährdet, wodurch eine normale Entwicklung von Kindern beeinträchtigt und die Lebenserwartung in der Union verkürzt wird[3] ,

G. in der Erwägung, dass die Gemeinschaft unter Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, mehr in Bezug auf die umweltmedizinischen Bedingungen in Städten, insbesondere die Luftqualität in Innenräumen, und gegen die Umweltbelastung in Haushalten unternehmen muss, vor allem angesichts der Tatsache, dass europäische Bürger im Durchschnitt 90 % ihrer Zeit im Inneren von Gebäuden verbringen,

H. in der Erwägung, dass auf den WHO-Ministerkonferenzen über Umwelt und Gesundheit 2004 und 2007 betont wurde, dass ein Zusammenhang zwischen der komplexen, kumulierten Wirkung chemischer Schadstoffe und bestimmten Syndromen und chronischen Krankheiten, vor allem bei Kindern, besteht und dass auch in offiziellen Dokumenten des VN-Umweltprogramms (UNEP) und des Zwischenstaatlichen Forums für Chemikaliensicherheit (IFCS) auf dieses Phänomen hingewiesen wird,

I.   in der Erwägung, dass sich die wissenschaftlichen Hinweise darauf mehren, dass bestimmte Krebserkrankungen wie Blasen-, Knochen-, Lungen-, Haut-, Brustkrebs und andere, auf die Einwirkung von chemischen Substanzen, Strahlung und Partikeln, die sich in der Luft befinden, sowie auf andere Umwelteinflüsse zurückzuführen sind,

J.   in der Erwägung, dass neben diesen problematischen Entwicklungen auf dem Gebiet der umweltbedingten Gesundheitsprobleme im Lauf der letzten Jahre neue Krankheiten oder Syndrome aufgetreten sind, wie multiple chemische Hypersensibilität, Amalgamsyndrom bei Zahnfüllungen, Hypersensibilität gegenüber elektromagnetischen Strahlungen, das so genannte Sick-Building-Syndrom (SBS) oder das Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom (Attention deficit and hyperactivity syndrome) bei Kindern,

K. in der Erwägung, dass das Vorsorgeprinzip seit 1992 ausdrücklich im Vertrag festgehalten ist, und dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrfach darauf hingewiesen hat, dass der Inhalt und die Anwendungsgebiete dieses Prinzips im Gemeinschaftsrecht zu den Grundlagen der Umweltschutz- und Gesundheitspolitik der Gemeinschaft gehören[4],

L.  in der Erwägung, dass die von der Kommission in ihrer Mitteilung vom 2. Februar 2000 festgelegten Kriterien für die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips (KOM(2000)0001) ausgesprochen schwierig bzw. undurchführbar sind,

M. in der Erwägung, dass humanbiologisches Monitoring ein wichtiges Instrument ist, mit dem bewertet werden kann, inwieweit die europäische Bevölkerung den Auswirkungen der Umweltbelastung ausgesetzt ist, und angesichts der in Ziffer 3 seiner oben genannten Entschließung vom 23. Februar 2005 und den Schlussfolgerungen des Rates „Umwelt“ vom 20. Dezember 2007 zum Ausdruck gebrachten Absicht, möglichst bald ein EU-weites Programms für biologisches Monitoring einzuführen,

N. unter Hinweis darauf, dass Einigkeit darüber besteht, dass der Klimawandel Schwere und Häufigkeit bestimmter Krankheiten erheblich verschlimmern kann, und dass besonders Hitzewellen und Überschwemmungen, die in der EU die häufigsten Umweltkatastrophen sind, zusätzliche Erkrankungen, schlechte sanitäre Bedingungen und Todesfälle verursachen können und dass sich Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels positiv auf die Gesundheitslage auswirken,

O. in der Erwägung, dass der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben wird, weil er unter anderem die Zunahme bestimmter Infektionskrankheiten und durch Parasiten übertragener Krankheiten bewirkt, die auf die Veränderung vor allem der Temperatur, der Feuchtigkeit und deren Auswirkungen auf Ökosysteme, Tiere, Pflanzen, Insekten, Parasiten, Einzeller, Mikroben und Viren zurückzuführen ist,

P.  unter Hinweis darauf, dass die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik[5] und ihre Tochterrichtlinien klare Vorgaben für die Erhaltung und die Wiederherstellung gesunder Gewässer schaffen,

Q. in der Erwägung, dass die Umweltmedizin ein neues medizinisches Spezialgebiet ist, das in den Mitgliedstaaten im Rahmen der Hochschulausbildung noch zu bruchstückhaft und uneinheitlich behandelt wird, und das aus diesem Grund in der EU begünstigt und gefördert werden sollte,

R.  in der Erwägung, dass die Zahl der Menschen, die aufgrund der Einwirkung von Umweltfaktoren erkranken, steigt und epidemiologisch erfasst werden muss, damit sich ein vollständiges Bild der Erkrankungen gewinnen lässt, die ganz oder teilweise auf Umweltfaktoren zurückzuführen sind,

1.  erkennt die Bemühungen der Kommission seit der Einführung des Aktionsplans im Jahr 2004 an, hauptsächlich in Bezug auf die Verbesserung der Informationen über Umwelt und Gesundheit, die Integration und Stärkung der europäischen Forschung in diesem Bereich und die Zusammenarbeit mit spezialisierten internationalen Organisationen wie der WHO;

2.  ist trotzdem der Auffassung, dass ein solcher Aktionsplan die Gefahr eines teilweisen Scheiterns mit sich bringt, weil er ausschließlich begleitende Maßnahmen zur bestehenden Gemeinschaftspolitik vorsieht, nicht auf einer Politik der Prävention mit dem Ziel, Krankheiten zu reduzieren, basiert und keine klar definierten, quantifizierten Ziele verfolgt;

3.  weist die Kommission darauf hin, dass es bereits ein Programm unter Leitung der WHO gibt, in dessen Rahmen die Mitgliedstaaten der WHO eigene nationale und lokale umweltmedizinische Aktionspläne aufgestellt haben, die jeweils konkrete Zielsetzungen und einen Durchführungsplan umfassen; empfiehlt der Kommission daher zu prüfen, ob dieses WHO-Programm auch der Union künftig als Modell dienen könnte;

4.  bedauert zutiefst, dass die Kommission, genauer gesagt die Generaldirektion „Forschung“ der Kommission, nicht die Finanzmittel für das humanbiologische Monitoring 2008 zur Verfügung gestellt hat, die dazu ausreichen, entsprechend den von der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten und dem Parlament eingegangenen Verpflichtungen einen kohärenten Ansatz für die biologische Überwachung in der Union zu entwickeln;

5.  fordert die Kommission auf, bis 2010 zwei grundlegende Ziele anzustreben, die sie sich 2004 selbst gesetzt hat, und eine angesichts dieser Ziele praktikable Kommunikationsstrategie zu gewährleisten und durchzuführen, nämlich einerseits beim Bürger ein Bewusstsein für die Umweltverschmutzung und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit zu schaffen und andererseits die europäische Politik der Risikoeindämmung zu überarbeiten und anzupassen;

6.  empfiehlt der Kommission und den Mitgliedstaaten dringend, ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften nachzukommen;

7.  hält es für erforderlich, dass bei der Abschätzung der Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die Gesundheit vor allem besonders gefährdete Personengruppen wie Schwangere, Neugeborene, Kinder und ältere Menschen berücksichtigt werden;

8.  fordert, dass schutzbedürftige Teile der Bevölkerung, die besonders empfindlich auf Schadstoffe reagieren, besonders wichtig genommen werden, indem bei medizinischen Einrichtungen und Schulen durch Verabschiedung eines auf die Qualität der Innenraumluft bezogenen Verhaltenskodex Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung in Innenräumen getroffen werden;

9.  fordert die Kommission mit Nachdruck auf, bei der Überarbeitung von Rechtsakten trotz des Drucks von Lobbyverbänden bzw. regionalen oder internationalen Organisationen die geltenden Vorschriften nicht abzuschwächen;

10. weist darauf hin, dass die EU beim Aktionsplan einen dynamischen und flexiblen Ansatz verfolgen muss und es demnach von größter Bedeutung ist, auf dem Gebiet der umweltbedingten Gesundheitsprobleme besondere, auf Transparenz, Pluridisziplinarität und fachlicher Debatte beruhende Fachkenntnisse zu entwickeln, um so dem allgemeinen Misstrauen der Öffentlichkeit gegenüber öffentlichen Stellen und Sachverständigengremien zu begegnen; verweist darauf, dass die Ausbildung von Gesundheitsfachleuten, besonders durch den gemeinschaftsweiten Austausch bewährter Methoden, gestärkt werden muss;

11. weist darauf hin, dass in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet der Umweltpolitik erreicht wurden, z. B. im Hinblick auf die Verringerung der Luftverschmutzung und die Verbesserung der Wasserqualität, die Einsammlung und Verwertung von Abfällen, die Kontrolle von chemischen Substanzen und das Verbot von bleihaltigem Benzin, stellt aber gleichzeitig fest, dass die europäische Politik weiterhin durch das Fehlen von umfassenden Präventionsstrategien und eine unzulängliche Anwendung des Vorsorgeprinzips gekennzeichnet ist;

12. fordert deshalb die Kommission dazu auf, die Kriterien in ihrer Mitteilung über die Anwendung des Vorsorgeprinzips nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU zu überarbeiten, damit dieses Prinzip der Sicherheit und des Handelns, das auf dem Erlass von vorläufigen, der Situation angemessenen Maßnahmen basiert, eine zentrale Rolle in der Gemeinschaftspolitik auf dem Gebiet des Umwelt- und Gesundheitsschutzes spielt;

13. ist der Auffassung, dass die Umkehrung der Beweislast hinsichtlich der Unschädlichkeit eines Produkts auf den Hersteller oder den Importeur zur Förderung der Präventionspolitik beitragen könnte, wie es im Übrigen die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe[6] vorsieht, und ermutigt in diesem Zusammenhang die Kommission dazu, diese Verpflichtung auf die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für alle Produkte auszuweiten; ist der Ansicht, dass die Anzahl der Tierversuche im Rahmen dieses Aktionsplans nicht erhöht und dass die Entwicklung und Verwendung alternativer Testmethoden in vollem Umfang berücksichtigt werden sollte;

14. wiederholt seine Forderung an die Kommission, möglichst bald gezielte Maßnahmen zur Gewährleistung der Luftqualität in Innenräumen vorzuschlagen, die – insbesondere im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte[7] – darauf abzielen, die Sicherheit und die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Innenräumen auf hohem Niveau sicherzustellen, und Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden sowie für die Sicherheit und die Unschädlichkeit von chemischen Stoffen als Bestandteile von Ausstattungsgegenständen und Möbeln vorzuschlagen;

15. empfiehlt der Kommission, die Mitgliedstaaten im Interesse der Verringerung umweltschädigender Faktoren aufzufordern, die Marktteilnehmer durch Steuervergünstigungen und/oder ähnliche wirtschaftliche Anreize zu motivieren, die Luftqualität in Innenräumen zu verbessern und die Belastung durch elektromagnetische Strahlen in ihren Gebäuden, Filialen und Büroräumen zu senken;

16. empfiehlt der Kommission, im Fall von Neubauten Mindestanforderungen zur Gewährleistung einer entsprechenden Luftqualität in den Innenräumen zu formulieren;

17. empfiehlt der Kommission, bei der Gewährung bestimmter Finanzbeihilfen der Europäischen Union analog zu den für entsprechende Projekte geltenden ökologischen Kriterien auch die Luftqualität in Innenräumen, die Belastung durch elektromagnetische Strahlen und die Auswirkungen auf den Gesundheitszustand besonders gefährdeter Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen;

18. fordert, dass die Umweltqualitätsnormen für prioritäre Stoffe im Wasser nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen festgelegt werden und regelmäßig dem neusten Stand der Wissenschaft angepasst werden;

19. betont, dass manche Mitgliedstaaten erfolgreich mobile Untersuchungslabors oder „grüne Krankenwagen“ eingeführt haben, damit die Schadstoffbelastung der Räume in öffentlichen und privaten Gebäuden schnell und zuverlässig bestimmt werden kann; ist der Ansicht, dass die Kommission die Einführung dieser Praxis in den Mitgliedstaaten fördern sollte, die noch nicht so weit sind, dass sie in dieser Weise direkt in belasteten Zonen eingreifen;

20. erklärt sich darüber besorgt, dass es keine spezifischen Rechtsvorschriften gibt, die die Sicherheit von Konsumgütern mit Nanopartikeln gewährleisten, und dass die Kommission in Bezug auf die notwendige Überarbeitung des Regelungsrahmens für die Verwendung von Nanopartikeln in Konsumgütern trotz des steigenden Angebots von Konsumgütern mit Nanopartikeln am Markt eine lockere Haltung bezieht;

21. weist nachdrücklich auf den internationalen Bericht von „Bio-Initiative“ über elektromagnetische Felder[8] hin, in dem mehr als 1500 Studien zu diesem Thema zusammengefasst werden, und der im Ergebnis auf die Gesundheitsgefährdung durch die von Mobiltelefonen, Funk-Standards wie UMTS, Wifi, Wimax und Bluetooth und dem Schnurlostelefon „DECT“ mit fester Basisstation verursachten Emissionen des Mobiltelefonverkehrs hinweist;

22. stellt fest, dass die Grenzwerte für die Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern nicht mehr aktuell sind, da sie seit der Empfehlung 1999/519/EG des Rates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz)[9] nicht mehr angepasst wurden und dementsprechend weder den Entwicklungen auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien noch den von der Europäischen Umweltagentur ausgesprochenen Empfehlungen noch den strengeren Emissionsnormen, die z. B. von Belgien, Italien oder Österreich festgelegt wurden, Rechnung tragen und dem Problem besonders schutzbedürftiger Gruppen, wie Schwangerer, Neugeborener und Kinder, nicht gerecht werden;

23. nimmt die vielen gesundheitlichen Bedrohungen in der EU durch die Erderwärmung sehr ernst und fordert eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der WHO, den zuständigen nationalen Behörden, der Kommission und dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten zu dem Zweck, das Frühwarnsystem zu stärken und dadurch die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit in Grenzen zu halten;

24. betont, dass es vorteilhaft wäre, wenn in diesem Aktionsplan Maßnahmen im Bereich der nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit ausgedehnt würden, indem auf Gemeinschaftsebene wirksame Anpassungsmaßnahmen intensiviert werden, beispielsweise:

           –  systematische Aufklärungsprogramme und Maßnahmen zur Sensibilisierung der  Öffentlichkeit,

           –  Eingliederung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in   gesundheitspolitische Strategien und Programme, beispielsweise in den Bereichen   übertragbare und nichtübertragbare Krankheiten, Gesundheit am Arbeitsplatz und   Tierkrankheiten, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen,

           –  adäquate Überwachung im Hinblick auf die frühzeitige Erkennung von Seuchen,

           –  auf Gesundheitsrisiken ausgelegte Frühwarn- und Reaktionssysteme,

           –  Koordinierung vorhandener Umweltdatenüberwachungssysteme und     Seuchenmeldesysteme;

25. bedauert, dass es in der aktuellen Kosten-Nutzen-Analyse in „20 und 20 bis 2020: Chancen Europas im Klimawandel“ (KOM(2008)0030) nur um den mit der verbesserten Luftqualität durch Verringerung der Treibhausgasemissionen um 20 % bis 2020 verbundenen Nutzen für die Gesundheit geht; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die positiven (Neben-) Effekte für die Gesundheit, die verbunden wären mit den gemäß den Empfehlungen des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen unterschiedlich hoch gesteckten Zielen einer Verringerung der nationalen Treibhausgasemissionen um 25 bis 40 % sowie möglicherweise um 50 % oder mehr bis 2020, unverzüglich untersucht und in Form einer Folgenabschätzung der Kommission zusammengefasst werden;

26. fordert die Kommission auf, sich angesichts der Zahl der Selbstmorde in der Union dem gravierenden Problem der psychischen Gesundheit zu widmen und mehr Ressourcen für die Ausarbeitung geeigneter Präventionsmaßnahmen und Therapien aufzuwenden;

27. weist nochmals darauf hin, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten den Aktionsplan für die Umwelt und die Gesundheit von Kindern in Europa unterstützen, ihn im Rahmen der Entwicklungspolitik auf bilateraler und auf EU-Ebene fördern und auf ähnliche Initiativen auch außerhalb des europäischen WHO-Raums hinarbeiten sollten;

28. fordert die Kommission auf, in ihren zweiten Aktionsplan als Schwerpunkt die Initiative SCALE (Science, Children, Awareness, Legal instrument, Evaluation), die die Verringerung der Exposition gegenüber Umweltschadstoffen betrifft und die im Europäischen Aktionsplan Umwelt und Gesundheit (SCALE-Initiative) (KOM(2003)0388) enthalten ist, wieder aufzunehmen;

29. fordert die Kommission auf, zur Minimierung der wesentlichen durch Umweltstressoren verursachten Gesundheitsrisiken Instrumente zu schaffen und einzuführen, die – wie in der Lissabon-Agenda gefordert – zur Ausarbeitung und Propagierung innovativer Lösungen beitragen;

30. fordert den Rat auf, unverzüglich eine Entscheidung in Bezug auf den Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Solidaritätsfonds der Union zu treffen, da das Parlament seinen Standpunkt bereits am 18. Mai 2006 angenommen hat[10]; vertritt die Auffassung, dass die neue Verordnung, die gemeinsam mit anderen Maßnahmen darauf abzielt, die Schwelle für das Inkrafttreten des Solidaritätsfonds der Union zu senken, dazu beiträgt, Schäden, die durch Naturkatastrophen oder durch vom Menschen verursachte Katastrophen hervorgerufen wurden, zweckmäßiger, flexibler und schneller zu beheben; betont, dass ein solches finanzielles Instrument von großer Bedeutung ist, insbesondere weil angenommen wird, dass es unter anderem infolge des Klimawandels in Zukunft häufiger zu Naturkatastrophen kommen wird;

31. empfiehlt der Kommission, angesichts des ausschlaggebenden wirtschaftlichen Gewichts der kleinen und mittleren Unternehmen in Europa, diesen eine fachliche Unterstützung zu gewähren, die ihnen ermöglicht bzw. sie dabei unterstützt, die verbindlichen umweltmedizinischen Vorschriften zu erfüllen, und Anreize zu weiteren, den gesamten Betrieb umfassenden, umweltmedizinisch positiven Veränderungen schafft;

32. empfiehlt der Kommission, für das Jahr 2010 und die „zweite Laufzeit“ des Aktionsplans Umwelt und Gesundheit ihre Maßnahmen verstärkt auf den besonders gefährdeten Teil der Bevölkerung auszurichten und neue Methoden für die Risikobewertung auszuarbeiten, bei denen der wichtige Aspekt der besonderen Empfindlichkeit von Kindern, schwangeren Frauen und älteren Menschen zur Geltung kommt;

33. fordert darum die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Vorteile des Vorsorge- und des Vorbeugungsprinzips anzuerkennen und Instrumente zu entwickeln und anzuwenden, mit denen es möglich ist, die potenziellen Gefahren für Umwelt und Gesundheit frühzeitig zu erkennen und abzuwenden; empfiehlt der Kommission, die Kosten für die zweite Laufzeit des Aktionsplans zu veranschlagen und eine angemessene Mittelausstattung zur Finanzierung einer größeren Anzahl konkreter Maßnahmen vorzusehen, mit denen die Umweltauswirkungen auf die Gesundheit verringert und die Vorsorge und Vorbeugung gefördert werden sollen;

34. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten und der Weltgesundheitsorganisation zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 304 E vom 1.12.2005, S. 264.
  • [2]  ABl. L 301 vom 20.11.2007, S.3.
  • [3]  Bericht der Europäischen Umweltagentur: Die Umwelt in Europa, 4. Überprüfung, Zusammenfassung (10.10.2007).
  • [4]  Urteil in der Rechtssache C-192/01 vom 23.September 2003, Kommission/Dänemark, Slg.2001, I-9693; Urteil in der Rechtssache C-127/02 vom 7. September 2004, Landelijke Vereniging tot Behoud van de Waddenzee und Nederlandse Vereniging tot Bescherming van Vogels, Slg. 2004, I-7405.
  • [5]  ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1. Zuletzt geändert durch Richtlinie 2008/32/EG (ABl. L 81 vom 20.3.2008, S. 60).
  • [6]  ABl. L 396 vom 30.12.2006, S. 1; Berichtigung in ABl. L 136 vom 29.5.2007, S. 3.
  • [7]  ABl. L 40 vom 11.2.1989, S. 12. Richtlinie zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 284 vom 31.10.2003, S. 1).
  • [8]  Dieser Bericht wurde von einem Zusammenschluss unabhängiger Wissenschaftler am 31. August 2007 veröffentlicht. Einzelheiten unter: www.bioinitiative.org
  • [9]  ABl. L 199 vom 30.7.1999, S. 59.
  • [10]  ABl. C 297 E vom 7.12.2006, S. 331.

BEGRÜNDUNG

Hintergrund

Am 23. Februar 2005 nahm das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit (576 Ja-Stimmen bei 48 Nein-Stimmen ) eine Entschließung zu dem Europäischen Aktionsplan Umwelt und Gesundheit 2004–2010 an.

Es handelte sich um eine gegenüber der Europäischen Kommission zumindest kritisch gestimmte Entschließung, die von einer einfachen Feststellung ausging: Es widerspricht dem Wesen eines Aktionsplans, wenn darin als Zielsetzung lediglich die Ausweitung der Forschung und die Erlangung von mehr Daten festgelegt werden!

Das Plenum des Parlaments, das dem Standpunkt seiner Berichterstatterin folgte, vertrat die Ansicht, dass das Hauptziel der Kommission für die „erste Phase“ 2004–2010, nämlich die Wissensgrundlage über die Auswirkungen der Umweltverschmutzung auf die menschliche Gesundheit auszubauen, zwar anerkennenswert, aber völlig unzureichend sei, wo doch in zahlreichen Sammlungen, Studien und Zusammenfassungen wissenschaftlicher Arbeiten zumeist ein kausaler Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber bestimmten Umweltfaktoren und den vier in der Mitteilung der Kommission vorrangig behandelten Krankheiten nachgewiesen wird: Asthma und Allergien bei Kindern, Störungen der Entwicklung des Nervensystems, Krebserkrankungen sowie Störungen des Hormonhaushalts.

Der zeitliche Zufall wollte es, dass dieser Aktionsplan wenige Monate nach der ehrgeizigen Erklärung der Umwelt- und Gesundheitsminister der 52 Mitgliedstaaten der Europäischen Region der WHO auf der von der Weltgesundheitsorganisation im Juni 2004 in Budapest veranstalteten Konferenz vorgelegt wurde.

Nimmt man die in einigen Mitgliedstaaten (Benelux, Frankreich, Bundesländer in Deutschland) bereits eingeführten Aktionspläne (mit häufig klaren quantitativen Ergebniszielen) hinzu, so sind die geäußerten Vorbehalte des Europäischen Parlaments unschwer zu verstehen.

Das Parlament beabsichtigte nämlich, diesem Europäischen Aktionsplan echte Impulse zu geben, und unterbreitete daher eine Reihe von Empfehlungen insbesondere zu folgenden Punkten:

1. Durchsetzung des Vorsorgeansatzes – als politisches Aktionsinstrument –, weil festzustellen ist, dass dieser Sicherheitsgrundsatz zwar häufig verkündet, auf EU-Ebene jedoch selten angewandt wird.

2. Unionsweite Einführung eines Systems der biologischen Überwachung, um die Wechselbeziehung Schadstoffe/Auswirkungen auf die Gesundheit leichter messen zu können.

3. Bekämpfung der Umweltbelastung in Haushalten, insbesondere durch die von der Kommission vorzunehmende der Einstufung von Tabakrauch als krebserzeugenden Stoff der Kategorie I, wobei die Kommission ausdrücklich aufgefordert wurde, ein Grünbuch über die Luftqualität in Innenräumen vorzulegen.

4. Gewährleistung einer den Anforderungen entsprechenden Mittelausstattung im Rahmen des Siebten Forschungsrahmenprogramms (genannt worden war die Zahl von über 300 Millionen Euro), wobei gleichzeitig die Koordinierung mit dem Aktionsprogramm im Bereich der öffentlichen Gesundheit (2003–2008) gefordert wurde.

Die meisten dieser Prioritäten sind drei Jahre danach immer noch aktuell, und zwar aus gutem Grund.

Die Kommission, die in Bezug auf ihre Agenda Kurs hielt, wollte nämlich vor allem in den von ihr festgelegten Schwerpunktbereichen Ergebnisse erzielen: in erster Linie Verbesserungen in der Informationskette zu Umwelt und Gesundheit, bei der Integration und Stärkung der europäischen Forschung auf diesem Gebiet sowie der Zusammenarbeit mit internationalen Fachorganisationen wie der WHO.

Die Berichterstatterin stellt jedoch mit Befriedigung fest, dass mehr als 38 Vorhaben im Bereich Umwelt und Gesundheit im Rahmen des Sechsten Forschungsprogramms in Höhe eines geschätzten Gesamtbetrags von über 200 Millionen Euro finanziert worden sind.

Die schwierige Aufgabe, Bilanz eines Aktionsplans zu ziehen, der seinen Namen kaum verdient

Von den von der Kommission ursprünglich vorgesehenen dreizehn Aktionen betrafen nur vier spezifische Maßnahmen:

–         Aktion 10: Förderung der Ausbildung von Fachleuten und Verbesserung der     organisatorischen Kapazität in den Bereichen Umwelt und Gesundheit.

–         Aktion 11: Koordinierung laufender Maßnahmen zur Risikominderung bei den  wichtigsten Krankheiten.

–         Aktion 12: Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen.

–         Aktion 13: Überwachung der Entwicklung hinsichtlich elektromagnetischer Felder.

Die Berichterstatterin hatte sich bereits 2005 zufrieden darüber geäußert, dass das Problem des Passivrauchens im Rahmen der Aktion 12 angemessen angegangen wird.

Ansonsten ergeben sich angesichts der fehlenden Klarheit der durchgeführten Aktionen und in dem Wissen um die speziellen Bemerkungen der Berichterstatterin zu den Aktionen 12 und 13 bei der Halbzeitüberprüfung einige Fragen:

Gibt es Aktionen mit dem Ziel der Förderung der umweltmedizinischen Ausbildung und der Erleichterung der Anerkennung der in diesem Fachbereich erworbenen Abschlüsse auf EU-Ebene?

Welche Vorkehrungen außer einem Pilotprojekt hat die Kommission im Hinblick auf Störungen des Hormonhaushalts getroffen, die nicht in das REACH-Genehmigungsverfahren aufgenommen sind, um eine effektive Überwachung der betreffenden Stoffe aufrechtzuerhalten?

Selbstverständlich muss bei einer objektiven Bewertung anerkannt werden, dass die Union beim Kampf gegen die verschiedenen Formen der Umweltbelastung in den letzten dreieinhalb Jahren konkrete Ergebnisse erzielt hat, so die Kontrolle von über 10 000 chemischen Stoffen mit der REACH-Verordnung, die neuen Rechtsvorschriften zur Luftqualität, das Gesetzgebungspaket und das Strategiepapier zu den Schädlingsbekämpfungsmitteln.

Die gleiche Objektivität veranlasst uns indes zu der Feststellung, dass die europäische Politik weiterhin durch das Fehlen einer umfassenden Präventionsstrategie und die Nichtanwendung des Vorsorgeprinzips gekennzeichnet ist.

Vorsorgeprinzip: weder Nulltoleranz noch Nullanwendung

Die Berichterstatterin stellt mit Bedauern fest, dass dieses Zivilisationsprinzip häufig proklamiert, bisweilen missbraucht und so gut wie nie angewandt wird, obschon es seit 1992 in Artikel 174 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union verankert ist.

Mit Ausnahme des im Juni 2005 vom Rat und Parlament beschlossenen Verbots der Verwendung sechs chemischer Stoffe aus der Gruppe der Phtalate bei der Herstellung von Kinderspielzeugen ist in den neueren gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften das Vorsorgeprinzip nicht zur Anwendung gelangt. Und es bedurfte noch eines über zehnjährigen homerischen Kampfes, um die Verwendung dieser CMR-Stoffe bei Kinderspielzeugen endgültig zu verbieten.

Die Berichterstatterin bezweifelt daher, dass die in der Mitteilung der Kommission vom 2. Februar 2000 für den Rückgriff auf das Vorsorgeprinzip sehr eng gefassten Kriterien der Sache dienlich sind.

Von der Analyseabhängigkeit und dem Risikomanagement über die Bestimmung des Niveaus der wissenschaftlichen Unsicherheit in jeder Phase und eine Kosten-Nutzen-Analyse bis hin zur Untersuchung der verschiedenen Aktionen, die in Betracht gezogen werden können, scheint alles dazu angetan zu sein, das Vorsorgeprinzip durch ein kompliziertes, hierarchisch geordnetes und endloses Verfahren unanwendbar zu machen.

Aufgrund dieses Befundes schlägt die Berichterstatterin in Ziffer 7 des Entschließungsantrags eine vollständige Überarbeitung der Mitteilung vom 2. Februar 2000 vor, um das Vorsorgeprinzip durchzusetzen. Dieser Vorschlag stützt sich übrigens auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, der wiederholt Inhalt und Tragweite des Vorsorgeprinzips eindeutig als eine der Grundlagen der Umwelt- und Gesundheitspolitik der Gemeinschaft festgelegt hat[1].

Umweltbelastung in Innenräumen: eine besonders tückische Gesundheitsgefahr

Angesichts dieser Gesundheitsgefahr, vor der sich nur wenige Bürger schützen können, weil sie im Schnitt 90 % ihrer Zeit in einem geschlossenen Raum (Kinderkrippe, Schule, Büro, Haus, Industrieanlage usw.) verbringen, ist die Kommission nicht untätig geblieben.

Sie hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen wie die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, in der Vertreter der Industrie sowie Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen vereint sind, oder die Finanzierung von mindestens 17 europäischen Projekten in so verschiedenen Bereichen wie Überwachung der Qualität der Innenraum-/Außenluft und Untersuchung von Baustoffen als Verschmutzungsquelle.

Gleichwohl entsprechen, wie die Berichterstatterin betonen möchte, diese Maßnahmen zusammen genommen noch keiner integrierten Gesamtstrategie im Bereich der Innenraumluftqualität.

Die Berichterstatterin hat durch den Vortrag eines Sachverständigen der London School of Hygiene übrigens mit großem Erstaunen erfahren, dass beispielsweise in der herrlichen Stadt Prag die Luft in Innenräumen verpesteter ist als die frische Außenluft, die die Verliebten in Kunderas Roman einatmen.

Die Kommission wäre infolgedessen gut beraten, ein Grünbuch über die besonderen Probleme der Umweltbelastung in Haushalten vorzulegen, wie es das Europäische Parlament in Ziffer 21 seiner am 23. Februar 2005 angenommenen Entschließung zu dem Aktionsplan Umwelt und Gesundheit gefordert hatte

Dringend geboten erscheint nämlich eine wirksame einschlägige Strategie der EU, um Leitlinien für die Mitgliedstaaten festzulegen und die Bürger, die von der Kinderkrippe bis weit hinein in ihr Arbeitsleben einer Vielzahl biologischer und chemischer Verschmutzungsquellen ausgesetzt sind, endlich schützen zu können.

Die Berichterstatterin verweist im Übrigen darauf, dass eine Bewertung der finanziellen Gesamtkosten, die durch die Belastung in Innenräumen in Form von medizinischen Aufwendungen, Arbeitsunfähigkeit oder ganz einfach Sanierung kontaminierter Räumlichkeiten entstehen, von sämtlichen europäischen Behörden vorgenommen werden sollte.

Die neu auftretende Gefahr elektromagnetischer Felder

Als sich das Parlament 1999 zuletzt mit dieser Frage befasste[2], waren lokale drahtlose Hochfrequenznetze wie Wifi oder Wimax in Europa gerade erst auf der Bildfläche erschienen und die europäischen Haushalte noch nicht mit einer Fülle elektronischer Geräte sowie verschiedener drahtloser Telefonsysteme überhäuft.

Der technische Fortschritt kann, wenn er nicht richtig beherrscht wird, bisweilen gewisse Gefahren für die Gesundheit mit sich bringen. Genau dies ist bei elektromagnetischen Wellen der Fall, deren Expositionsgrenzwerte aus dem Jahr 1999 stammen und demnach mitnichten der technischen Entwicklung gefolgt sind.

Die Berichterstatterin ist sich durchaus darüber im Klaren, dass die Ausstrahlung von Funkwellen seit mehr als 20 Jahren im Mittelpunkt kontrovers geführter Debatten steht und ein bestimmtes Maß wissenschaftlicher Restunsicherheit nicht beseitigt werden konnte.

Gleichwohl sollte den Erkenntnissen des vollständigsten Dokuments Rechnung getragen werden, das bisher zu dieser Problematik erstellt worden ist, des „BioInitiative Report“ renommierter amerikanischer und europäischer Wissenschaftler, in dem über 1 500 Studien über die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf die menschliche Gesundheit zusammengestellt sind. Im Schlussteil dieses Berichts wird hervorgehoben, dass durch eine chronische und/oder zu starke Exposition gegenüber elektromagnetischen Wellen die Gefahr der Erkrankung an Krebs (Leukämie vor allem bei Kindern) und Alzheimer-Krankheit sowie des Auftretens neurologischer Probleme und Schlafstörungen besteht.

Auf der Grundlage dieser Studie hat die Europäische Umweltagentur im September 2007 den 27 Mitgliedstaaten empfohlen, Maßnahmen zum wirksameren Schutz der Öffentlichkeit zu ergreifen. Dieser Ermahnung schließt sich die Berichterstatterin an, nach deren Ansicht die Europäische Union im Bereich Gesundheit und Umwelt mehr und Besseres leisten muss!

  • [1]  EuGH, 23. September 2003, Kommission / Dänemark Rs. C-192/01- EuGH, 7. September 2004, Rs. C-127/02.
  • [2]  Bericht Tamino A4-0101/1999.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

27.5.2008

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

57

0

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Adamos Adamou, Georgs Andrejevs, Margrete Auken, Pilar Ayuso, Johannes Blokland, John Bowis, Frieda Brepoels, Martin Callanan, Dorette Corbey, Avril Doyle, Mojca Drčar Murko, Edite Estrela, Jill Evans, Anne Ferreira, Karl-Heinz Florenz, Matthias Groote, Françoise Grossetête, Cristina Gutiérrez-Cortines, Satu Hassi, Gyula Hegyi, Jens Holm, Marie Anne Isler Béguin, Dan Jørgensen, Christa Klaß, Eija-Riitta Korhola, Holger Krahmer, Aldis Kušķis, Marie-Noëlle Lienemann, Peter Liese, Linda McAvan, Roberto Musacchio, Riitta Myller, Péter Olajos, Miroslav Ouzký, Vittorio Prodi, Frédérique Ries, Dagmar Roth-Behrendt, Guido Sacconi, Carl Schlyter, Richard Seeber, Kathy Sinnott, Bogusław Sonik, María Sornosa Martínez, Antonios Trakatellis, Evangelia Tzampazi, Thomas Ulmer, Marcello Vernola, Anja Weisgerber, Åsa Westlund, Glenis Willmott

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Inés Ayala Sender, Philip Bushill-Matthews, Milan Gaľa, Umberto Guidoni, Erna Hennicot-Schoepges, Johannes Lebech, Miroslav Mikolášik, Bart Staes, Lambert van Nistelrooij