BERICHT mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen
10.10.2008 - (2008/2012(INI))
Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
Berichterstatterin: Edit Bauer
(Initiative gemäß Artikel 39 der Geschäftsordnung)
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
mit Empfehlungen an die Kommission zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 192 Absatz 2 des EG-Vertrags,
– gestützt auf Artikel 2 und 141 Absatz 3 des EG-Vertrags,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“ (KOM(2007)0424),
– in Kenntnis des vom Netzwerk unabhängiger Rechtsexperten auf den Gebieten Beschäftigung, Soziales und Gleichstellung von Männern und Frauen der Kommission ausgearbeiteten Berichts,
– unter Hinweis auf den auf der Tagung des Europäischen Rats vom 23. und 24. März 2006 in Brüssel angenommenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter,
– unter Hinweis auf die auf Artikel 141 des EG-Vertrags basierende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,
– in Kenntnis der Bestimmungen des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Teilzeitarbeit von 1994, durch die die Länder verpflichtet sind, in ihre öffentlichen Aufträge eine Arbeitsklausel einzubeziehen, u. a. auch über gleiche Entlohnung,
– unter Hinweis auf Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe d der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, die am 18. Dezember 1979 mit der Resolution 34/180 der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde,
– unter Hinweis auf den von den europäischen Sozialpartnern angenommenen Aktionsrahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 13. März 2007 zu dem Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern (2006-2010)[1] und vom 3. September 2008 zur Gleichstellung von Frauen und Männern – 2008[2],
– gestützt auf Artikel 39 und 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und der Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (A6-0389/2008),
A. in der Erwägung, dass Frauen in der Europäischen Union durchschnittlich 15 % weniger verdienen als Männer und in der Privatwirtschaft bis zu 25 %; in der Erwägung, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle in den Mitgliedstaaten zwischen 4 % und über 25 % schwankt und dass sich bei diesem Gefälle keine spürbare Verkleinerung abzeichnet,
B. in der Erwägung, dass eine Frau bis zum 22. Februar (d.h. 418 Kalendertage) arbeiten muss, um genauso viel zu verdienen wie ein Mann in einem Jahr,
C. in der Erwägung, dass die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche und gleichwertige Arbeit für die Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung von entscheidender Bedeutung ist,
D. in der Erwägung, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, wie die vorliegenden Daten belegen, fortbesteht und sich nur recht langsam verringert (von 17 % im Jahr 1995 auf 15 % im Jahr 2005), und dies trotz der seit mehr als 30 Jahren geltenden zahlreichen Rechtsvorschriften und der zu seinem Abbau getroffenen Maßnahmen und ausgegebenen Mittel; in der Erwägung, dass die Ursachen dieses Gefälles analysiert und Konzepte zur Überwindung des Lohngefälles und der Segregation des weiblichen Arbeitsmarkts, mit der es einhergeht, vorgelegt werden müssen,
E. in der Erwägung, dass in allen Mitgliedstaaten mehr Frauen als Männer einen Schulabschluss vorweisen können und auch die Hochschulabsolventen zum größten Teil Frauen sind, ohne dass sich das Lohngefälle entsprechend verringert,
F. in der Erwägung, dass das Lohngefälle aus einer direkten und indirekten Diskriminierung sowie aus sozialen und wirtschaftlichen Faktoren, der Segregation des Arbeitsmarktes und der allgemeinen Lohn- und Gehaltsstruktur resultiert und zudem mit einer Reihe von rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren in Zusammenhang steht, die über die Frage des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit als solche hinausgehen,
G. in der Erwägung, dass das Lohngefälle nicht nur auf unterschiedlichen Bruttostundenlöhnen beruht, sondern dass hierbei auch Elemente wie die individuellen Lohnzulagen, die berufliche Einstufung, die Arbeitsorganisation, die Berufserfahrung und die Produktivität zu berücksichtigen sind, die nicht nur quantitativ (Zeiten der physischen Anwesenheit am Arbeitsplatz), sondern auch qualitativ sowie im Hinblick auf die Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen, Urlaubszeiten und Abwesenheiten wegen Betreuungsaufgaben auf das Lohngefüge bewertet werden müssen,
H. in der Erwägung, dass die Verringerung des Lohngefälles eines der Ziele der Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung war, dass dieses Ziel von den meisten Mitgliedstaaten jedoch nicht energisch genug verfolgt worden ist,
I. in der Erwägung, dass eine Verbesserung des Rechtsrahmens der EU die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner in die Lage versetzen sollte, zu ermitteln, wo genau die Ursachen für das Fortbestehen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles liegen,
J. in der Erwägung, dass überwiegend von Frauen ausgeübte berufliche Tätigkeiten im Vergleich zu den in erster Linie mit Männern besetzten Arbeitsplätzen häufig unterbewertet werden, ohne dass sich dies unbedingt mit objektiven Kriterien begründen ließe,
K. in der Erwägung, dass zwischen den Geschlechtern eine digitale Kluft besteht, die sich eindeutig auf das Entgelt auswirkt,
L. in der Erwägung, dass das Lohnsystem, in dessen Rahmen die Berücksichtigung von Dienstjahren bei der Entlohnung festgelegt ist, nachteilig für Frauen ist, die ihre berufliche Laufbahn aufgrund externer Faktoren wie kindbedingte Erwerbsunterbrechungen, unterschiedliches Berufswahlverhalten oder geringe Arbeitszeiten (mehrmals) unterbrechen müssen, und dass diese Frauen dadurch permanent und strukturell benachteiligt werden,
M. in der Erwägung, dass aus entsprechenden Daten hervorgeht, dass sich die von Frauen erworbenen Qualifikationen und Erfahrungen finanziell weniger auszahlen als im Falle von Männern; in der Erwägung, dass neben dem Konzept des „gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit“, das nicht von einem auf Geschlechterklischees basierenden Ansatz verfälscht werden darf, eine Loslösung von gesellschaftlichen Rollen erfolgen muss, die bisher Bildungs- und Berufswege maßgeblich beeinflusst haben; ferner in der Erwägung, dass Mutterschafts- und Elternurlaub kein Anlass zur Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt sein darf,
N. in der Erwägung, dass das Lohngefälle während des gesamten Arbeitslebens der Frauen und darüber hinaus schwerwiegende Auswirkungen auf ihren wirtschaftlichen und sozialen Status hat; in der Erwägung, dass viele Frauen, weil sie auf andere Weise als durch eine Erwerbstätigkeit einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, beispielsweise indem sie Kinder und ältere Angehörige betreuen, einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt und wirtschaftlich weniger unabhängig sind,
O. in der Erwägung, dass das Lohngefälle bei Immigrantinnen, bei Frauen mit Behinderungen, bei Frauen, die einer Minderheit angehören oder die unqualifiziert sind, noch ausgeprägter ist,
P. in der Erwägung, dass es wichtig ist, über nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten und einen aktuellen Rechtsrahmen zu verfügen, der die Geschlechterdimension berücksichtigt und der es erlaubt, auf die Ursachen der Lohndiskriminierung einzuwirken,
Q. in der Erwägung, dass es möglich und notwendig ist, im erzieherischen Bereich gegen Geschlechterstereotypen anzugehen,
R. in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission wiederholt aufgefordert hat, Initiativen, darunter die Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften, einzuleiten, um zum Abbau des Lohngefälles beizutragen, das Armutsrisiko von Rentnern zu beseitigen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen,
S. in der Erwägung, dass es in der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) heißt, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil sowohl des gemeinschaftlichen Besitzstands als auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Bereich der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist und dass es erforderlich ist, weitere Bestimmungen zur Verwirklichung dieses Grundsatzes festzulegen,
T. in der Erwägung, dass es zur Überwindung des Lohngefälles durch eine effiziente Umsetzung des sozialen Dialogs beitragen würde, wenn von den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Gleichstellungsgremien Maßnahmen eingeleitet würden, wie sie in dem von den Sozialpartnern im März 2005 vereinbarten „Aktionsrahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern“ aufgezeigt worden sind,
U. in der Erwägung, dass für die Ausarbeitung einer Strategie zur Überwindung des Lohngefälles, der horizontalen und vertikalen Segregation des Arbeitsmarktes und der Stereotype über typisch weibliche Tätigkeiten und Bereiche ein Rahmen aus – legislativen und nichtlegislativen – Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich ist, wobei zwischen Lohndiskriminierungen und Lohnunterschieden, die auf anderen Faktoren als direkter und indirekter Diskriminierung beruhen, zu unterscheiden ist, da bei Ersteren direkt die geltenden Rechtsvorschriften zum Tragen kommen, während Letzteren mit gezielten politischen Strategien und spezifischen Maßnahmen begegnet werden muss,
V. in der Erwägung, dass die Kommission, wie in ihrer vorstehend erwähnten Mitteilung mit dem Titel „Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles“ angekündigt, während des Jahres 2008 eine Analyse des Rechtsrahmens der EU im Bereich des gleichen Arbeitsentgelts vornimmt, an der alle Beteiligten mitwirken sollen; in der Erwägung, dass die Ergebnisse dieser Analyse angemessen bekannt gemacht werden sollten,
W. in der Erwägung, dass ein angestrebtes Ziel darin besteht, die Gleichstellung von Männern und Frauen im Bereich der Altersversorgung, auch hinsichtlich des Rentenalters, zu verwirklichen,
X. in der Erwägung, dass das Europäische Institut für Geschlechterfragen eine grundlegende Rolle spielen kann,
1. fordert die Kommission auf, ihm auf der Grundlage von Artikel 141 des EG-Vertrags bis zum 31. Dezember 2009 entsprechend den als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen einen Legislativvorschlag über die Revision der im Bereich der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bestehenden Rechtsvorschriften zu unterbreiten[3];
2. stellt fest, dass die genannten Empfehlungen mit dem Grundsatz der Subsidiarität und den Grundrechten der Bürger in Einklang stehen;
3. vertritt die Auffassung, dass der verlangte Vorschlag keinerlei finanzielle Auswirkungen hat;
4. ist von der Notwendigkeit einer besseren, zügigeren Umsetzung der Vorschriften der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung)[4] in Bezug auf die Gleichstellungsstellen und den sozialen Dialog für eine tatsächliche Überwindung des Lohngefälles durch von den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Gleichstellungsstellen umzusetzende Maßnahmen – etwa des von den Sozialpartnern im März 2005 vereinbarten Aktionsrahmens zur Gleichstellung von Frauen und Männern – überzeugt, die Folgendes umfassen sollten: die Verbreitung von Informationen und Anleitungen für praktische Maßnahmen (insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen), mit denen das Lohngefälle auch in Bezug auf nationale oder sektorale Tarifverträge überwunden werden kann;
5. fordert die Kommission auf, dem Parlament eine Analyse zu übermitteln, welche Rechtsakte auf EU- bzw. nationaler Ebene geeignet wären, eine signifikante Verringerung des Lohngefälles herbeizuführen;
6. betont, wie wichtig Tarifverhandlungen und Tarifverträge beim Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen sind, insbesondere in den Bereichen Zugang zur Beschäftigung, Löhne, Arbeitsbedingungen, beruflicher Aufstieg und Berufsbildung;
7. fordert die europäischen Institutionen auf, einen Europäischen Tag des gleichen Entgelts zu organisieren – den Tag, an dem Frauen in Europa (durchschnittlich) den Lohn verdient haben, den Männer (durchschnittlich) in einem Jahr verdienen –, der zur Sensibilisierung hinsichtlich des bestehenden Lohngefälles beitragen und alle beteiligten Akteure anregen muss, zusätzliche Initiativen zu ergreifen, um das Lohngefälle zu beseitigen;
8. fordert die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen auf, gemeinsam objektive Arbeitsbewertungsinstrumente zu entwickeln, um das Lohn- und Gehaltsgefälle zwischen Frauen und Männern zu verringern;
9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die beigefügten ausführlichen Empfehlungen der Kommission und dem Rat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- [1] ABl. C 301 E vom 13.12.2007, S. 56.
- [2] Angenommene Texte, P6_TA(2008)0399.
- [3] Die Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45 vom 19.2.1975, S. 19) wurde in die Richtlinie 2006/54/EG integriert. Gemäß den Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG wird die Richtlinie 75/117/EWG mit Wirkung vom 15. August 2009 aufgehoben; dies ist auch der späteste Termin für die Umsetzung dieser Richtlinie.
- [4] ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23.
ANLAGE ZUM ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
AUSFÜHRLICHE EMPFEHLUNGEN ZUM INHALT DES VERLANGTEN VORSCHLAGS
Empfehlung 1: DEFINITIONEN
Die Neufassung der Richtlinie 2006/54 enthält eine Definition des Begriffs „gleiches Entgelt“, die aus der Richtlinie 75/117 übernommen wurde. Um über präzisere Kategorien als Instrumente für die Beschäftigung mit dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu verfügen, ist es wichtig, die einzelnen Konzepte detaillierter zu definieren. Dazu gehören:
– das geschlechtsspezifische Lohngefälle, wobei sich die Definition nicht auf Unterschiede bei den Bruttostundenlöhnen beschränken darf,
– die direkte Lohndiskriminierung,
– die indirekte Lohndiskriminierung,
– das Rentengefälle – in unterschiedlichen Pfeilern von Rentensystemen, d.h. in umlagefinanzierten Systemen, bei Betriebsrenten (als Fortsetzung des Lohngefälles im Ruhestand).
Empfehlung 2: ANALYSE DER SITUATION UND TRANSPARENZ DER ERGEBNISSE
2.1. Die mangelnde Information von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über bestehende oder mögliche Lohngefälle innerhalb des Unternehmens und ihre unzureichende Sensibilisierung für dieses Thema beeinträchtigt die Anwendung des im Vertrag und in den bestehenden Rechtsvorschriften verankerten Grundsatzes.
2.2. In Anbetracht der Tatsache, dass keine genauen statistischen Daten vorliegen und dass Frauen nach wie vor weniger verdienen, insbesondere in traditionellen Frauenberufen, sollten die Mitgliedstaaten das geschlechtsspezifische Lohngefälle in ihrer Sozialpolitik gebührend berücksichtigen und als ein gravierendes Problem behandeln.
2.3. Es ist deshalb außerordentlich wichtig, dass regelmäßige Lohnaudits sowie die Veröffentlichung der entsprechenden Ergebnisse für Unternehmen (beispielsweise in Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitnehmern) verbindlich vorgeschrieben werden. Dieselbe Verpflichtung muss auch für die Information über Lohnzusätze gelten.
2.4. Die Arbeitgeber sollten den Arbeitnehmern und ihren Vertretern die Ergebnisse in Form von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken zur Verfügung stellen. Diese Daten sollten in jedem Mitgliedstaat auf sektoraler und nationaler Ebene gesammelt werden.
2.5. Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten die Statistiken verbessern und sie durch vergleichbare Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle bei Teilzeitbeschäftigungen und zum geschlechtsspezifischen Rentengefälle ergänzen.
2.6. Diese Statistiken sollten kohärent, vergleichbar und vollständig sowie darauf ausgerichtet sein, diskriminierende Elemente bei der Entlohnung, die mit der Arbeitsorganisation und der Einstufung zusammenhängen, zu beseitigen.
Empfehlung 3: BEWERTUNG DER ARBEIT UND BERUFLICHE EINSTUFUNG
3.1. Das Konzept des Werts der Arbeit muss auf Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen oder auf der übernommenen Verantwortung basieren, wobei die Qualität der Arbeit in den Vordergrund zu stellen ist, um die Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten, und sollte nicht von Rollenklischees geprägt sein, die für Frauen nicht günstig sind, indem beispielsweise statt Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen oder der Übernahme von Verantwortung die Körperkraft in den Vordergrund gestellt wird. Daher sollten Frauen Informationen, Unterstützung und/oder praktische Anleitung bei Lohnverhandlungen, beruflicher Einstufung und Gehaltseinstufung erhalten. Sektoren und Unternehmen sollten ersucht werden können, ihre Systeme zur beruflichen Einstufung auf die obligatorische Geschlechterperspektive hin zu prüfen und erforderliche Korrekturen vorzunehmen.
3.2. Bei der Initiative der Kommission sollten die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen werden, Einstufungssysteme einzuführen, die dem Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern entsprechen und es sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern ermöglichen, eine etwaige Lohndiskriminierung auf der Grundlage einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung zu ermitteln, wobei auch in Zukunft nationale Rechtsvorschriften und Traditionen im Zusammenhang mit dem jeweiligen System zur Regelung der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern beachtet werden sollten. Derartige Bestandteile der Arbeitsbewertung und Einstufung sollten außerdem transparent sein und allen Beteiligten sowie den Arbeitsaufsichten und Gleichstellungsgremien zur Verfügung gestellt werden.
3.3. Die Mitgliedstaaten sollten eine gründliche Beurteilung mit dem Schwerpunkt auf überwiegend von Frauen ausgeübten Berufen vornehmen und in enger Zusammenarbeit mit Gewerkschaftsverbänden und Arbeitgebern einen Mechanismus zur Verbesserung der finanziellen Lage der Arbeitnehmer ausarbeiten.
3.4. Eine geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung sollte basieren auf neuen Systemen der Klassifizierung und Einstufung des Personals und der Arbeitsorganisation, auf Berufserfahrung und Produktivität, die in erster Linie nach qualitativen Gesichtspunkten zu bewerten sind, woraus Daten und Bewertungsmaßstäbe zur Bestimmung der Vergütungen gewonnen werden, wobei der Grundsatz der Vergleichbarkeit gebührend zu berücksichtigen ist.
Empfehlung 4: GLEICHSTELLUNGSGREMIEN
Die Gleichstellungs- und Aufsichtsgremien sollten bei der Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles eine größere Rolle spielen. Diese Gremien sollten in die Lage versetzt werden, die Anwendung von Rechtsvorschriften über die Gleichstellung der Geschlechter zu überwachen und darüber zu berichten und, soweit möglich, wirksamer und unabhängiger durchzusetzen. Artikel 20 der Richtlinie 2006/54 sollte geändert werden, um ihr Mandat zu erweitern durch:
– die Unterstützung und Beratung von Opfern von Lohndiskriminierung,
– die Durchführung unabhängiger Erhebungen in Bezug auf das Lohngefälle,
– die Veröffentlichung unabhängiger Berichte und die Abgabe von Empfehlungen zu allen Fragen im Zusammenhang mit der (direkten und indirekten) Lohndiskriminierung,
– die rechtlichen Befugnisse, um in Fällen von Lohndiskriminierung bei einem Gericht Klage zu erheben,
– eine für die Sozialpartner sowie Rechtsanwälte, Richter und Bürgerbeauftragte bestimmte spezifische Fortbildung, die auf einem Bündel von Analyseinstrumenten und gezielten Maßnahmen beruht und sowohl in der Phase des Vertragsabschlusses als auch bei der Überprüfung der Umsetzung der für das Lohngefälle relevanten Vorschriften und politischen Maßnahmen von Nutzen ist.
Empfehlung 5: SOZIALER DIALOG
Die Tarifverträge und die geltenden Lohngruppen und Systeme zur beruflichen Einstufung müssen noch weiter überprüft werden, vor allem hinsichtlich der Behandlung von Teilzeitkräften und Arbeitnehmern mit anderen atypischen Arbeitsregelungen oder zusätzlichen Zahlungen/Boni (die Männer häufiger als Frauen erhalten). Nicht nur die primären, sondern auch die sekundären Arbeitsbedingungen und betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit (Urlaubsregelungen, Ruhestandsregelungen, Dienstwagen, Kinderbetreuungsregelungen, angepasste Arbeitszeiten usw.) sollten in diese Überprüfung aufgenommen werden. Die Mitgliedstaaten sollten – unter Berücksichtigung von nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Praktiken – die Sozialpartner dazu ermutigen, eine geschlechtsneutrale berufliche Einstufung einzuführen, die es sowohl den Arbeitgebern als auch den Arbeitnehmern ermöglicht, auf einer nicht neutralen Lohngruppenfestlegung basierende etwaige Lohndiskriminierungen zu ermitteln.
Empfehlung 6: VORBEUGUNG VON DISKRIMINIERUNG
Artikel 26 der Richtlinie 2006/54 (Vorbeugung von Diskriminierung) sollte um einen besonderen Verweis auf die Lohndiskriminierung ergänzt werden, damit von den Mitgliedstaaten unter Mitwirkung der Sozialpartner und der Gleichstellungsgremien eingeführt werden:
– spezifische Maßnahmen im Bereich Ausbildung und berufliche Einstufung, die zur Berufsausbildung in Bezug stehen und darauf ausgerichtet sind, Diskriminierungen bei der Ausbildung, der Einstufung und der wirtschaftlichen Nutzung der Fähigkeiten zu verhindern und zu beseitigen,
– besondere Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Berufsleben und Familien- und Privatleben mit Bezug auf Dienstleistungen im Kinderbetreuungs- und Pflegebereich und auf die Flexibilität der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit sowie den Mutterschafts-, Vaterschafts-, Eltern- und Familienurlaub, wobei insbesondere der Vaterschaftsurlaub und dessen Schutz sowie der Elternurlaub mit wirtschaftlicher Absicherung für beide Elternteile vorzusehen sind,
– von den Sozialpartnern und den Gleichstellungsgremien gemäß Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags auf den unterschiedlichen Vertrags- und Sektorebenen umzusetzende konkrete Fördermaßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles und der Segregation, wie z.B.: Förderung von Lohnvereinbarungen zum Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, Untersuchungen zur Gleichbehandlung bei der Entlohnung, Festlegung qualitativer und quantitativer Ziele und Benchmarking, Austausch bewährter Praktiken,
– eine Klausel, die die Beachtung der Gleichstellung und des gleichen Entgelts vorschreibt, in öffentlichen Aufträgen und ein besonderes Label, zum Beispiel „Qualitätszertifikat für Gender- und Lohnpolitik“, das Unternehmen verliehen und ihnen gewisse Vorteile beim Zugang zu nationalen, lokalen und europäischen Stützungsmaßnahmen sowie Finanzmitteln sowie bei der Bewertung im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen einräumen könnte.
Empfehlung 7: GENDER MAINSTREAMING
Die Einbeziehung der Geschlechterdimension sollte verstärkt werden, indem in Artikel 29 der Richtlinie 2006/54 präzise Vorgaben für die Mitgliedstaaten zum Grundsatz der Gleichbehandlung beim Entgelt und zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen aufgenommen werden. Die Kommission sollte sich darauf einrichten, den Mitgliedstaaten und den Akteuren bei konkreten Maßnahmen zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern Unterstützung zu leisten, und zwar durch:
– die Einführung von Berichtsmustern zur Bewertung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern,
– die Einrichtung einer Datenbank über Änderungen bei den Einstufungs- und Klassifizierungssystemen für Arbeitnehmer,
– die Erfassung und Verbreitung von Erfahrungen bei Reformen der Arbeitsorganisation,
– die Festlegung spezifischer Leitlinien für die Beobachtung der Lohnunterschiede im Rahmen von Tarifverträgen, die auf einer in mehrere Sprachen übersetzten und für alle zugänglichen Internetseite zur Verfügung gestellt werden,
– die Verbreitung von Informationen und Anleitungen für praktische Maßnahmen (insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen), mit denen das Lohngefälle auch im Rahmen nationaler und sektoraler Tarifverträge überwunden werden kann.
Empfehlung 8: SANKTIONEN
8.1. Die Rechtsvorschriften sind in diesem Bereich aus verschiedenen Gründen natürlich weniger wirksam, und wenn man bedenkt, dass das Gesamtproblem sich nicht allein durch Rechtsvorschriften lösen lässt, sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten die bestehenden Rechtsvorschriften durch geeignete Arten von Sanktionen verschärfen.
8.2. Wichtig ist, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass im Falle eines Verstoßes gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit den geltenden Rechtsvorschriften entsprechende angemessene Sanktionen verhängt werden.
8.3. Es sei darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Neufassung der Richtlinie 2006/54 bereits verpflichtet sind, Schadenersatz oder Entschädigung (Titel III, Horizontale Bestimmungen, Kapitel 1, Artikel 18) sowie Sanktionen (Kapitel 3, Allgemeine horizontale Bestimmungen, Artikel 25), die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen, vorzusehen. Diese Bestimmungen reichen jedoch nicht aus, um Verstöße gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts zu verhindern. Es wird deshalb vorgeschlagen, eine Studie zur Möglichkeit und Wirksamkeit sowie den Auswirkungen der Einführung potenzieller Sanktionen durchzuführen, die z.B. folgende Aspekte umfasst:
– die Leistung von Schadenersatz oder Entschädigung, die nicht dadurch eingeschränkt werden sollte, dass vorher eine Obergrenze festgelegt wird;
– Sanktionen, die Entschädigungszahlungen an das Opfer einschließen müssen;
– Bußgelder (beispielsweise in den Fällen, in denen keine Benachrichtigung erfolgt oder keine Analysen von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken (gemäß Empfehlung 2), wie sie von den Arbeitsaufsichten angefordert werden, vorgelegt werden);
– Bußgelder (beispielsweise in den Fällen, in denen keine Benachrichtigung und obligatorische Anlieferung erfolgt oder keine Analysen und Auswertungen von nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Lohnstatistiken (gemäß Empfehlung 2), wie sie von den Arbeitsaufsichten oder den zuständigen Gleichstellungsgremien angefordert werden, vorgelegt werden);
– Ausschluss von staatlichen Vergünstigungen, Zuschüssen (einschließlich der von Mitgliedstaaten verwalteten EU-Mittel) und öffentlichen Ausschreibungsverfahren, wie dies in den Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG für die Auftragsvergabe bereits vorgesehen ist. Die Verfahren für die Vergabe von Aufträgen/Ausschreibungen sollten daher eine obligatorische Klausel über gleiche Entlohnung enthalten;
– Veröffentlichung der Namen im Falle von Verstößen.
Empfehlung 9: DIE STRAFFUNG DER EU-REGELUNGEN UND -POLITIKEN
9.1. Ein Bereich für Sofortmaßnahmen hängt damit zusammen, dass in Verbindung mit Teilzeitarbeit offenbar eine Lohnbenachteiligung besteht. Es ist deshalb eine Evaluierung und möglicherweise eine Überarbeitung der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit – Anhang: Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit[1], die die Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sowie gezieltere und wirksamere Maßnahmen in Tarifverträgen vorschreibt, erforderlich.
9.2. Es sollte unverzüglich ein konkretes Ziel für die Verringerung des Lohngefälles in die Beschäftigungsleitlinien aufgenommen werden, auch hinsichtlich des Zugangs zur Berufsausbildung und der Anerkennung von Qualifikationen und Fähigkeiten von Frauen.
- [1] ABl. L 14 vom 20.1.1998, S. 9.
BEGRÜNDUNG
Die EU verfügt im Bereich des gleichen Arbeitsentgelts über einen recht umfangreichen Rechtsrahmen. Seine Wirkung hängt jedoch davon ab, wie effektiv er durchgesetzt wird, was problematisch sein kann.
Aus den vorliegenden Daten ist ersichtlich, dass es nach wie vor ein Lohngefälle zwischen Männern und Frauen gibt. Den neuesten Zahlenangaben zufolge besteht ein Unterschied von 15 % zwischen dem Bruttostundenlohn von Männern und Frauen und in der Privatwirtschaft von 25 %. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle wird häufig mit individuellen Unterschieden wie beispielsweise Alter, Bildungsniveau und Erfahrung erklärt. Es liegen jedoch Belege dafür vor, dass diese Unterschiede für den Fortbestand des geschlechtsspezifischen Lohngefälles eine relativ geringe Rolle spielen.
Da sich die Unterschiede bei den individuellen Merkmalen EU-weit allmählich verwischen, auch wenn sie in einigen Ländern nach wie vor groß sind, steht das geschlechtsspezifische Lohngefälle offenbar eher mit dem Grad der Segregation des Arbeitsmarktes und den Auswirkungen der Lohnstruktur in Verbindung. Die Starrheit und der hartnäckige Fortbestand des geschlechtsspezifischen Lohngefälles machen die Notwendigkeit deutlich, vielgestaltige politische Maßnahmen durchzuführen, die die Umsetzung der Rechtsvorschriften und die Überwindung der Segregation des Arbeitsmarktes zum Ziel haben.
Die Experten stimmen darin überein, dass die offene direkte Lohndiskriminierung auf der Grundlage des Geschlechts durch die bestehenden Rechtsvorschriften abgebaut wird. Die indirekte Diskriminierung scheint in Branchen, in denen die Segregation eine Rolle spielt, eine Ursache für das Lohngefälle zu sein. Da das Lohngefälle auf die wirtschaftliche Segregation zurückzuführen ist, sind Rechtsvorschriften, die bei der Bekämpfung der direkten Diskriminierung recht wirksam sind, hier nur in begrenztem Maße effizient. Eine Betrachtung des Rechtsrahmens zeigt, was das geschlechtsspezifische Lohngefälle angeht, einige Unterschiede bei den Rechtsvorschriften. Die Richtlinie 75/117/EWG und die Neufassung der Richtlinie 54/2006/EG weisen, was das Grundprinzip betrifft, einen tief greifenden Unterschied auf: 1975 wurde das geschlechtsspezifische Lohngefälle als eine Frage des wirtschaftlichen Wettbewerbs betrachtet, nämlich als „Bestandteil der Errichtung und des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes“, während sich die Richtlinie von 2006 auf den „Grundsatz der Chancengleichheit und Gleichbehandlung“ stützt.
Die Rechtsvorschriften als solche dienen jedoch demselben Ziel, nämlich Ursachen für die mangelnde Effizienz zu finden.
Der Bericht dient dem Ziel, die bestehenden Rechtsvorschriften zu verstärken, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die wirtschaftliche Segregation durch diese Art von Rechtsvorschriften kaum beeinflussen lässt.
Bei der Definition des Arbeitsentgelts ist anhand von zahlreichen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs eine grundlegende Änderung festzustellen. In Bezug auf Verfahren und mögliche Rechtsmittel hat eine bedeutende Entwicklung stattgefunden, die auch auf den Einfluss von Antidiskriminierungsmaßnahmen zurückzuführen ist.
Neben den Rechtsvorschriften sind politische Maßnahmen grundsätzlich in drei Bereichen möglich:
1) Politik des gleichen Arbeitsentgelts, Maßnahmen zur Bekämpfung der direkten und indirekten Diskriminierung,
2) Chancengleichheitspolitik mit dem Ziel, Familien- und Berufsleben miteinander in Einklang zu bringen, was zu kontinuierlichen Beschäftigungsmustern führt,
3) Maßnahmen im Bereich der Lohnpolitik, die auf den Abbau von Lohnungleichheiten und auf die Verbesserung der Entlohnung von schlecht bezahlten und überwiegend mit Frauen besetzten Arbeitsplätzen ausgerichtet sind.
Der tatsächliche Policy-Mix kann von nationalen Besonderheiten und den Hauptursachen für das geschlechtsspezifische Lohngefälle abhängen.
Von der Kommission angeforderte nationale Berichte haben gezeigt, dass das Thema des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in mehreren Mitgliedstaaten weder in der öffentlichen Debatte noch auf der politischen Tagesordnung eine große Rolle spielt. Als eines der Hauptprobleme stellte sich dabei heraus, dass es keinen wirklich „Zuständigen“ für das Problem gibt, da sich niemand wirklich verantwortlich dafür fühlt, dass das geschlechtsspezifische Lohngefälle beseitigt wird[1].
Die anhaltende Dezentralisierung bei der Festsetzung der Löhne wird die Konsequenzen künftig vielleicht noch verschlimmern. In Mitgliedstaaten, in denen die Sozialpartner schwach sind, die Gewerkschaften an Bedeutung verlieren oder es keine Tarifverhandlungen gibt, ist die Situation möglicherweise komplizierter. Die Beibehaltung des Ansatzes, bei dem individuelle Arbeitsverträge ohne jede Information über die Entlohnung ähnlicher Arbeit ausgehandelt werden, könnte zu einem wachsenden geschlechtsspezifischen Lohngefälle führen.
Natürlich kann das Problem des geschlechtsspezifischen Lohngefälles nicht allein durch eine Verbesserung der bestehenden Rechtsvorschriften als solche gelöst werden. Nur durch einen wirksamen Policy-Mix, zu dem auch bessere und wirksamere Rechtsvorschriften gehören, und durch eindeutige Zuständigkeiten lässt sich eines der hartnäckigsten Probleme im Bereich der Geschlechtergleichstellung bewältigen. Mehr als 30 Jahre alte Rechtsvorschriften ohne zufrieden stellende Ergebnisse deuten darauf hin, dass es notwendig ist, die Rechtsvorschriften hauptsächlich durch eine Steigerung ihrer Wirksamkeit zu verbessern.
- [1] A gender pay gap – Origins and policy responses. A comparative review of 30 European countries, EC, 2006.
STELLUNGNAHME des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (10.9.2008)
für den Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
zu Empfehlungen zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen
(2008/2012(INI))
Verfasserin der Stellungnahme: Donata Gottardi
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten ersucht den federführenden Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter,
A) folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. teilt das Ziel der Kommission, die Ursachen des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen zu analysieren und Aktionspläne zur Überwindung dieses Lohngefälles und zur damit einhergehenden Abgrenzung des Frauenarbeitsmarkts vorzulegen; unterstreicht, dass aus den vielen bereits vorliegenden Analysen und Daten hervorgeht, dass nur langsam Fortschritte erzielt werden (Rückgang des Lohngefälles von 17 % im Jahr 1995 auf 15 % im Jahr 2005);
2. weist darauf hin, dass die Statistiken kohärent, vergleichbar, geschlechtsspezifisch, vollständig und darauf ausgerichtet sein müssen, neuen Systemen der Einstufung und des Einsatzes des Personals und der Arbeitsumorganisation gerecht zu werden, und ist der Ansicht, dass die Bewertung des Lohngefälles nicht nur auf unterschiedlichen Bruttostundenlöhnen beruhen darf, sondern auch Elemente wie individuelle Lohnzuschläge, die berufliche Qualifizierung, persönliche Fertigkeiten und Fähigkeiten, die Arbeitsorganisation, die Berufserfahrung und die Produktivität umfassen muss, die nicht nur quantitativ (Zeiten der physischen Anwesenheit am Arbeitsplatz), sondern auch qualitativ zu bewerten ist, sowie die Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzung, von Urlaubszeiten und von Abwesenheit wegen Betreuung auf die automatischen Lohnsteigerungen umfassen muss;
3. beharrt auf der Notwendigkeit, Maßnahmen einzuführen und zu unterstützen, die der Förderung und der Entfaltung in Beruf und Arbeit unter Bedingungen tatsächlicher Gleichstellung von Frauen und Männern zugute kommen;
4. hält es für vorrangig, eine neue Kultur der geteilten Verantwortung sowohl im Privatleben als auch in der Arbeitswelt zu verbreiten und zu fördern, die die traditionelle Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern ersetzt;
5. vertritt die Ansicht, dass zur Ausarbeitung einer Strategie zur Überwindung des Lohngefälles, der horizontalen und vertikalen Ausgrenzung und der Stereotype betreffend typisch weibliche Tätigkeiten und Sektoren ein Rahmen aus (legislativen und nichtlegislativen) Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen erforderlich ist, wobei zwischen der Diskriminierung bei der Entlohnung und Unterschieden bei der Entlohnung, die auf anderen Faktoren als direkter und indirekter Diskriminierung beruhen, zu unterscheiden ist, da auf erstere die Rechtsordnung direkt anwendbar ist, während letzterer mit gezielten politischen Strategien und spezifischen Maßnahmen begegnet werden muss;
6. weist darauf hin, dass die direkten Ansprechpartner der Maßnahmen der Kommission – die für die Umsetzung der Strategie zur Überwindung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern verantwortlich sind – nicht nur die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner sein müssen, sondern auch die Gleichstellungseinrichtungen, die auch Schulungen für Sozialpartner, Rechtsanwälte, Richter und Bürgerbeauftragte in Geschlechterfragen und bezüglich des geschlechtsspezifischen Lohngefälles anbieten könnten;
7. vertritt die Ansicht, dass zur nachhaltigen Überwindung des Lohngefälles die Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen gegen Arbeitgeber in Betracht ziehen sollten, die gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts verstoßen;
8. vertritt die Ansicht, dass die verschiedenen Ansätze zur Überwindung des Lohngefälles, unter Berücksichtigung der Akteure, an die sie sich richten (Mitgliedstaaten, Sozialpartner und Gleichstellungsstellen), im Wesentlichen auf einer geeigneten Mischung aus innovativen Strategien zur Entwicklung wirtschafts‑, arbeits- und sozialpolitischer Maßnahmen unter Beachtung des Gender-Mainstreaming-Prinzips basieren und Folgendes beinhalten sollten:
a) spezifische Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf, Studium, Ausbildung und Weiterbildung als Teil des lebenslangen Lernens mit dem Familien- und Privatleben durch den Zugang zu Dienstleistungen im Kinderbetreuungs- und Pflegebereich (die erschwinglich, leicht zugänglich und unabhängig vom Arbeitnehmerstatus und der Art des Arbeitsvertrags sein müssen), flexible Arbeit, Mutterschafts-, Vaterschafts-, Eltern- und Familienurlaub in Verbindung mit der Möglichkeit einer reibungslosen Wiedereingliederung ins Berufsleben,
b) eine geeignete Steuer- und Vorsorgepolitik, die auch die erheblichen Benachteiligungen bei der Altersversorgung wegen Arbeitsunterbrechung und Teilzeit-Phasen von Eltern abbaut, und geschlechtsspezifische Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, ungerechte und ungerechtfertigte Lohnunterschiede auszugleichen, die qualitativ hochwertige Beschäftigung von Frauen zu steigern und auch atypische Dienstleistungsangebote bezüglich Pflege in der Familie oder im nahen Umfeld der Familie mit abzudecken,
c) spezifische Maßnahmen innerhalb der nationalen Programme zur Umsetzung der integrierten Leitlinien für den Zyklus 2008-2010 der Lissabon-Strategie, die an die örtlichen Besonderheiten jedes Landes angepasst sind, die Möglichkeiten der Förderung der Gleichstellung mit Hilfe der europäischen Fonds ausloten und für eine fristgerechte Umsetzung des Fahrplans für die Gleichstellung 2006-2010 sorgen,
d) konkrete und gezielte von den Sozialpartnern und den Gleichstellungsstellen umzusetzende Maßnahmen (gemäß Artikel 141 Absatz 4 des Vertrags) zur Überwindung des Lohngefälles und der Ausgrenzung auf den unterschiedlichen vertraglichen und sektoralen Ebenen, zum Beispiel: die Verpflichtung der Sozialpartner zum Abschluss von Lohn- und Gehaltsvereinbarungen, regelmäßige Untersuchungen über Gleichbehandlung bei der Entlohnung, Umsetzung von firmenspezifischen Gleichstellungsplänen, Festlegung qualitativer und quantitativer Ziele und Benchmarking, Austausch bewährter Vorgehensweisen, die von den Beteiligten validiert und durch Berichte über bereits aufgetretene Hindernisse und Schwierigkeiten ergänzt werden,
e) die Einfügung einer Klausel zur Beachtung der Gleichstellung der Geschlechter und gleicher Entlohnung in öffentliche Aufträge und die Schaffung eines besonderen Labels, z.B. „Qualitätszertifikat für Gender- und Lohnpolitik“, das Unternehmen verliehen wird und Bevorzugung beim Zugang zu Unterstützungsmaßnahmen und nationalen, lokalen und europäischen öffentlichen Mitteln und im Rahmen der Bewertung bei Ausschreibungen gewährt, sowie die Prüfung der bestmöglichen Anwendung dieser politischen Maßnahmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe,
f) die Ergreifung von Initiativen zur Umsetzung der Politik der Gleichstellung und des gleichen Arbeitsentgelts durch die Unternehmen, und zwar im Rahmen einer verstärkten sozialen Verantwortung zur Förderung der Gleichstellung und Überwindung der Vorurteile und geschlechtsspezifischen Diskriminierungen bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit von Frauen, besonders in Bezug auf Spitzenpositionen;
B) folgende Vorschläge in den Anhang zu seinem Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. hält es für notwendig, Artikel 141 Absatz 1 und 2 des Vertrags angemessen auszulegen und umzusetzen und die einschlägige Richtlinie auf EU-Ebene bzw. bei der Umsetzung und Anwendung auf nationaler Ebene anzupassen, insbesondere in Bezug auf:
a) die Begriffe „Entgelt“ und „betriebliches System der sozialen Sicherheit“, wobei diese so festzulegen sind, dass sie den Daten und Bewertungen in den neuen Systemen der beruflichen Einstufung voll und ganz entsprechen,
b) das Diskriminierungsverbot, unter ausdrücklicher Erwähnung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles und gegebenenfalls unter Einführung einer diesbezüglichen Definition,
c) die berufliche Einstufung, wobei neue Systeme der Einstufung und der Eingliederung des Personals und der Arbeitsorganisation eingeführt werden sollten, aus denen Daten und Bewertungsmaßstäbe zur Bestimmung der Vergütungen gewonnen werden können, wobei der Grundsatz der Vergleichbarkeit gebührend zu berücksichtigen ist,
d) spezifische Maßnahmen im Bereich Ausbildung in und der Klassifizierung von Berufsbildern, die dem Schulsystem, der Berufsausbildung und den Sozialpartnern zugedacht und darauf ausgerichtet sind, die Diskriminierungen bei der Ausbildung, bei der Einstufung und bei der wirtschaftlichen Nutzbarkeit von Fähigkeiten zu verhindern und zu beseitigen,
e) die Liste mit Beispielen für Diskriminierung, die um spezifische und detailliertere Beispiele für die Diskriminierung beim Entgelt zu ergänzen ist,
f) die Urlaubsbestimmungen, wobei insbesondere der Vaterschaftsurlaub und sein Schutz und der Elternurlaub mit wirtschaftlicher Absicherung für beide Elternteile vorzusehen sind, und zwar in dem Bewusstsein, dass die geteilten Urlaube ein zentrales Element bilden, um die Abgrenzung und die Stereotypen zu überwinden sowie – unter Vermeidung von Beeinträchtigungen des beruflichen Aufstiegs – die Rollen neu zu verteilen,
g) die Aufgaben der Gleichstellungsstellen, damit sie die neben den Sozialpartnern eine wichtigere Rolle spielen können,
h) die von den Arbeitgebern zur Verfügung gestellten Informationen zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Unternehmen, wobei spezifischere, auf die Unterschiede in der Entlohnung konzentrierte Angaben vorgesehen werden und die Sozialpartner sowie die Gleichstellungsstellen stärker einbezogen werden und spezifische Aufgaben erhalten sollten;
2. ist von der Notwendigkeit einer besseren, zügigeren Umsetzung der Vorschriften der einschlägigen Richtlinie in Bezug auf die Gleichstellungsstellen und den sozialen Dialog für eine tatsächliche Überwindung des Lohngefälles durch von den Mitgliedstaaten, den Sozialpartnern und den Gleichstellungsstellen umzusetzende Maßnahmen – etwa des von den Sozialpartnern im März 2005 vereinbarten Aktionsrahmens zur Gleichstellung der Geschlechter – überzeugt, die folgendes umfassen sollten:
a) die Verbreitung von Informationen und Anleitungen für praktische Maßnahmen (insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen), wie das Lohngefälle auch in Bezug auf nationale oder sektorale Tarifverträge überwunden werden kann,
b) die Aufarbeitung statistischer Daten (die mit Methoden erhoben werden, die eine Vielzahl von Variablen umfassen), die nach Geschlecht aufgeschlüsselt werden, transparent und auf nationaler, sektoraler und betrieblicher Ebene zugänglich sind,
c) die Entwicklung von Methoden zur Bewertung der Arbeit, die transparent und unter dem Genderaspekt neutral sind und auf deren Grundlage auch im Einzelfall nachgeprüft werden kann, ob die Stellenbeschreibungen und die Entlohnungskriterien möglicherweise diskriminierend sind,
d) eine für die Sozialpartner bestimmte besondere Fortbildung, die auf einem Bündel von Analyseinstrumenten und gezielten Maßnahmen beruht, die sowohl in der Phase des Vertragsabschlusses als auch bei der Überprüfung der Umsetzung der für das Lohngefälle relevanten Vorschriften und politischen Maßnahmen eingesetzt werden;
3. fordert die Kommission auf, dem Parlament eine Analyse zu übermitteln, welche Rechtsakte auf EU‑ bzw. nationaler Ebene geeignet wären, eine signifikante Verringerung des Lohngefälles herbeizuführen.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
10.9.2008 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
45 1 1 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Jan Andersson, Edit Bauer, Iles Braghetto, Philip Bushill-Matthews, Milan Cabrnoch, Alejandro Cercas, Ole Christensen, Derek Roland Clark, Jean Louis Cottigny, Proinsias De Rossa, Harlem Désir, Harald Ettl, Richard Falbr, Carlo Fatuzzo, Ilda Figueiredo, Roger Helmer, Stephen Hughes, Karin Jöns, Ona Juknevičienė, Jean Lambert, Bernard Lehideux, Elizabeth Lynne, Thomas Mann, Jan Tadeusz Masiel, Maria Matsouka, Mary Lou McDonald, Elisabeth Morin, Juan Andrés Naranjo Escobar, Csaba Őry, Siiri Oviir, Pier Antonio Panzeri, Rovana Plumb, Jacek Protasiewicz, Bilyana Ilieva Raeva, Elisabeth Schroedter, José Albino Silva Peneda, Jean Spautz, Gabriele Stauner, Ewa Tomaszewska, Anne Van Lancker, Gabriele Zimmer |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Petru Filip, Donata Gottardi, Rumiana Jeleva, Sepp Kusstatscher, Claude Moraes, Roberto Musacchio, Csaba Sógor |
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ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
7.10.2008 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
17 0 11 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Edit Bauer, Emine Bozkurt, Ilda Figueiredo, Věra Flasarová, Claire Gibault, Lissy Gröner, Zita Gurmai, Esther Herranz García, Anneli Jäätteenmäki, Lívia Járóka, Piia-Noora Kauppi, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Roselyne Lefrançois, Siiri Oviir, Marie Panayotopoulos-Cassiotou, Zita Pleštinská, Christa Prets, Teresa Riera Madurell, Raül Romeva i Rueda, Eva-Britt Svensson, Britta Thomsen, Anne Van Lancker, Anna Záborská |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Donata Gottardi, Mary Honeyball, Marusya Ivanova Lyubcheva, Maria Petre, Petya Stavreva |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
Maria Martens |
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