BERICHT über die Gesundheitsproblematik in Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern
23.2.2009 - (2008/2211(INI))
Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit
Berichterstatterin: Frédérique Ries
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zur Gesundheitsproblematik in Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf die Artikel 137, 152 und 174 des EG-Vertrags, die auf die Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit, die Umwelt sowie die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer abzielen,
– in Kenntnis des Berichts der Kommission über die Anwendung der Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 (1999/519/EG) zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber Elektromagnetischen Feldern[1] und der entsprechenden Durchführungsberichte der Kommission vom 1. September 2008 (KOM(2008)532 endg.),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/40/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder)[2],
– unter Hinweis auf die Richtlinie 1999/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 1999 über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen und die gegenseitige Anerkennung ihrer Konformität[3] und die entsprechenden harmonisierten Sicherheitsvorschriften für Mobiltelefone und Mobilfunkbasisstationen,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. September 2008 zu der Zwischenbewertung des europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004-2010[5],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 1999 zu dem Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder 0 Hz - 300 GHz[6],
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (A6-0089/2009),
A. unter Hinweis auf die Tatsache, dass elektromagnetische Felder (EMF) in der Natur vorkommen und somit schon immer auf der Erde bestanden; allerdings auch unter Hinweis auf die Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten die Umweltbelastung durch vom Menschen geschaffene Quellen von EMF ständig zugenommen hat, weil der Bedarf an Strom und Drahtlostechnologien gestiegen ist und sich die Gesellschaftsstruktur geändert hat; in der Erwägung, dass sich dies letztendlich darin auswirkt, dass jeder Mensch nun sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz einer komplexen Mischung von elektrischen und magnetischen Feldern unterschiedlicher Frequenzen ausgesetzt ist,
B. in der Erwägung, dass die Drahtlostechnologie (Mobiltelefone, Wi-Fi/WiMAX, Bluetooth, DECT-Schnurlostelefone) EMF verursacht, die schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben können,
C. in der Erwägung, dass eine Mehrheit der europäischen Bürger, und insbesondere junge Menschen zwischen 10 und 20 Jahren, Mobiltelefone als nützliche, funktionelle Geräte und auch als Modeaccessoires nutzen, und in der Erwägung, dass nach wie vor Unsicherheiten bestehen, was die möglichen Gefahren für die Gesundheit betrifft, insbesondere bei jungen Menschen, deren Gehirn sich noch in Entwicklung befindet,
D. in der Erwägung, dass in der wissenschaftlichen Gemeinschaft mögliche von EMF ausgehende Gesundheitsgefahren seit dem 12. Juli 1999 und der Festlegung von Belastungsgrenzwerten für EMF (0 bis 300 GHz) in der Empfehlung 1999/519/EG verstärkt diskutiert werden,
E. in der Erwägung, dass die Tatsache, dass es noch keine förmlichen Schlussfolgerungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft gibt, bestimmte nationale Regierungen in mindestens neun Mitgliedstaaten der Europäischen Union – aber auch in China, der Schweiz und Russland – nicht daran gehindert hat, so genannte „präventive“ Belastungsgrenzwerte festzusetzen, die unterhalb derjenigen liegen, die von der Kommission und dem wissenschaftlichen Ausschuss „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ (SCENIHR) empfohlen werden[7],
F. in der Erwägung, dass die Maßnahmen zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber EMF gegenüber den Verbesserungen der Lebensqualität hinsichtlich der Sicherheit am Arbeitsplatz und der öffentlichen Sicherheit abgewogen werden sollten, die Geräte, die EMF erzeugen, mit sich bringen,
G. in der Erwägung, dass eines der wissenschaftlichen Projekte, die sowohl Interesse als auch Polemik hervorrufen, die epidemiologische Studie INTERPHONE ist, die von der EU – in erster Linie unter dem 5. FuE-Rahmenprogramm[8] – mit 3,8 Mio. Euro finanziert wird und deren Schlussfolgerungen seit 2006 erwartet werden,
H. in der Erwägung, dass doch immerhin bestimmte Erkenntnisse unbestritten sind, insbesondere darüber, dass die Reaktionen auf eine Belastung durch Mikrowellen bei jedem Einzelnen unterschiedlich sind, dass breit angelegte Expositionstests durchgeführt werden müssen, vor allem um nicht-thermische Auswirkungen im Zusammenhang mit Funkfrequenzfeldern zu bewerten, und dass Kinder im Fall der Exposition gegenüber EMF besonders empfindlich sind[9],
I. in der Erwägung, dass die EU Belastungsgrenzwerte zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Auswirkungen von EMF festgesetzt hat; in der Erwägung, dass auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips solche Maßnahmen auch für die betroffenen Bevölkerungsgruppen wie etwa Anwohner und Verbraucher getroffen werden sollten,
J. in der Erwägung, dass laut einem Eurobarometer-Sonderbericht über Elektromagnetische Felder (Nr. 272a vom Juni 2007) die Mehrheit der Bürger der Meinung ist, von den öffentlichen Stellen nicht ausreichend über Maßnahmen zum Schutz vor EMF informiert zu werden,
K. in der Erwägung, dass die mittleren und äußerst niederen Frequenzen weiter erforscht werden müssen, damit Schlussfolgerungen über ihre Auswirkungen auf die Gesundheit gezogen werden können,
L. in der Erwägung, dass der Einsatz der Magnetresonanztomographie (MRT) durch die Richtlinie 2004/40/EG nicht gefährdet werden darf, da die MRT-Technologie bei Erforschung, Diagnose und Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten für Patienten in Europa führend ist,
M. in der Erwägung, dass in der MR-Sicherheitsnorm IEC/EN 60601-2-33 Grenzwerte für EMF festgelegt werden, die jegliche Gefahr für Patienten und Arbeitnehmer ausschließen,
1. fordert die Kommission nachdrücklich auf, die wissenschaftliche Grundlage und die Angemessenheit der in der Empfehlung 1999/519/EG festgelegten EMF-Grenzwerte zu überprüfen und dem Parlament darüber Bericht zu erstatten; ist der Ansicht, dass diese Überprüfung von SCENIHR durchgeführt werden sollte;
2. fordert, dass die biologischen Wirkungen bei der Bewertung der potenziellen Auswirkungen von elektromagnetischer Strahlung auf die Gesundheit besonders berücksichtigt werden, umso mehr, als in manchen Studien die schädlichsten Auswirkungen im niedrigsten Frequenzbereich festgestellt wurden; fordert, dass die potenziellen Gesundheitsprobleme aktiv erforscht werden, indem Lösungen entwickelt werden, die das Pulsieren und die Amplitudenmodulation der zur Übertragung verwendeten Frequenzen verhindern oder verringern;
3. betont, dass es sinnvoll wäre, wenn die Kommission parallel oder alternativ zu dieser Änderung der europäischen EMF-Grenzwerte in Abstimmung mit den Fachleuten der Mitgliedstaaten und der betreffenden Wirtschaftssektoren (Stromgesellschaften, Telefonbetreiber und Hersteller von Elektrogeräten einschließlich Mobiltelefonen) einen Leitfaden über die verfügbaren technischen Optionen, die bei der Verminderung der Exposition gegenüber EMF wirksam sind, erarbeiten würde;
4. weist darauf hin, dass die Wirtschaftsakteure sowie die maßgeblichen Infrastrukturbetreiber und die zuständigen Behörden heute schon auf bestimmte Faktoren Einfluss nehmen können, etwa durch die Festlegung von Bestimmungen in Bezug auf die Entfernung zwischen dem betreffenden Ort und den Sendern oder der Höhe des Ortes im Vergleich zur Höhe des Antennenmastes und der Ausrichtung der Senderantenne im Verhältnis zu Wohngebieten; betont, dass dies erforderlich ist, um den Menschen, die in der Nähe dieser Anlagen leben, Sicherheit zu geben und sie möglichst weitgehend zu schützen; fordert, dass die bestmöglichen Standorte für Masten und Sender gefunden werden sowie dass Masten und Sender von den Betreibern gemeinsam genutzt werden, um nach Möglichkeit zu verhindern, dass immer noch mehr Masten und Sender an schlechten Standorten errichtet werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, entsprechende Leitlinien auszuarbeiten;
5. fordert die Mitgliedstaaten sowie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auf, ein einheitliches System zur Genehmigung der Aufstellung von Antennen und Sendemasten einzurichten und unter die Erschließungspläne auch einen Raumordnungsplan für Antennen aufzunehmen;
6. ermuntert die für die Genehmigung der Aufstellung von Mobiltelefonmasten zuständigen Behörden, gemeinsam mit den Betreibern des Sektors zu vereinbaren, dass die Infrastrukturen gemeinsam genutzt werden, um deren Anzahl und die Exposition der Bevölkerung gegenüber EMF zu verringern;
7. erkennt die Bemühungen der in den Branchen mobile Kommunikation und andere EMF erzeugende Drahtlostechnologien tätigen Unternehmen an, Umweltschäden zu vermeiden und insbesondere den Klimawandel zu bekämpfen;
8. ist der Meinung, dass es angesichts der zunehmenden Anzahl von gerichtlichen Klagen und Maßnahmen des Staates von aufschiebender Art in Bezug auf die Installation von neuen EMF erzeugenden Anlagen im allgemeinen Interesse liegt, Lösungen den Vorzug zu geben, die auf dem Dialog zwischen den Wirtschaftsakteuren, staatlichen Stellen, Militärbehörden und Anwohnervertretungen über die Kriterien für die Aufstellung neuer GSM-Antennen oder die Verlegung von Hochspannungsleitungen beruhen, und zumindest darauf zu achten, dass Schulen, Kindertagesstätten, Seniorenheime und Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge in einer bestimmten Entfernung von dieser Art von Anlagen liegen, die anhand wissenschaftlicher Kriterien festgelegt wird;
9. fordert die Mitgliedstaaten auf, gemeinsam mit den Betreibern des Sektors der Öffentlichkeit Expositionskarten für Hochspannungsleitungen, Funkfrequenzen und Mikrowellen, und insbesondere Telekommunikationsmasten, Funksender und GSM-Antennen, zur Verfügung zu stellen; fordert die Bereitstellung dieser Informationen auf einer Internetseite, damit sie von der Öffentlichkeit leicht konsultiert werden können, sowie ihre Verbreitung über die Kommunikationsmedien;
10. schlägt der Kommission vor, die Möglichkeit zu prüfen, für die Transeuropäischen Netze – Energie bestimmte Mittel dazu zu verwenden, die Auswirkungen von EMF mit äußerst niederen Frequenzen, insbesondere bei Stromverteilungsleitungen, zu untersuchen;
11. ruft die Kommission auf, während der Wahlperiode 2009-2014 ein anspruchsvolles Programm zur Messung der elektromagnetischen Verträglichkeit von künstlich erzeugten Wellen und denjenigen, die vom lebenden menschlichen Körper natürlich ausgestrahlt werden, auf den Weg zu bringen und zu ermitteln, ob Mikrowellen schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben;
12. fordert die Kommission auf, einen jährlichen Bericht über das Ausmaß der elektromagnetischen Strahlung in der EU, ihre Quellen sowie die in der EU getroffenen Maßnahmen zum besseren Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vorzulegen;
13. fordert die Kommission auf, eine Lösung zu finden, damit die Durchführung der Richtlinie 2004/40/EG beschleunigt wird, und so sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer ebenso wirksam gegen EMF geschützt sind, wie sie das bereits gegen Lärm[10] und Vibration[11] nach zwei anderen gemeinschaftlichen Texten sind, sowie in Artikel 1 der genannten Richtlinie eine Ausnahmeregelung für die MRT vorzusehen;
14. bedauert, dass die Veröffentlichung der Schlussfolgerungen der internationalen epidemiologischen Studie INTERPOHNE seit 2006 systematisch verzögert wird, deren Ziel es ist zu untersuchen, ob eine Beziehung zwischen der Benutzung von Mobiltelefonen und bestimmten Krebsarten, darunter insbesondere Tumore des Gehirns, des Hörnervs und der Ohrspeicheldrüse, besteht;
15. weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Koordinatorin der INTERPHONE-Studie, Frau Elisabeth Cardis, zur Vorsicht aufgerufen hat und auf der Grundlage der derzeitigen Kenntnisse empfiehlt, dass Kinder das Handy umsichtig benutzen und das Festnetztelefon bevorzugen sollten;
16. ist in jedem Fall der Auffassung, dass es Aufgabe der Kommission – die einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung dieser weltweiten Studie geleistet hat – ist, die Verantwortlichen des Projekts zu fragen, warum noch keine endgültigen Ergebnisse veröffentlicht wurden, und im Fall einer Antwort das Parlament und die Mitgliedstaaten unverzüglich zu unterrichten;
17. schlägt der Kommission auch im Sinne politischer und haushaltrechtlicher Effizienz vor, einen Teil der für die Studien über EMF vorgesehenen Gemeinschaftsmittel für eine globale Kampagne zur Sensibilisierung der jungen Europäer für den vernünftigen Umgang mit Handys bereitzustellen, wie etwa Nutzung von Freisprechanlagen, kurze Telefonate, Abschalten des Telefons, wenn es nicht benutzt wird (beispielsweise während des Unterrichts), und die Benutzung von Telefonen in Bereichen mit gutem Empfang;
18. ist der Ansicht, dass den jungen Europäern im Rahmen dieser Sensibilisierungskampagnen auch dargelegt werden sollte, welche Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Haushaltsgeräten bestehen und wie wichtig es ist, die Geräte auszuschalten und sie nicht im Standby-Modus zu lassen;
19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Mittel für Forschung und Entwicklung (FuE) aufzustocken, damit eine Bewertung der möglichen langfristigen negativen Auswirkungen der Funkfrequenzen von Mobiltelefonen durchgeführt werden kann; fordert ferner, dass mehr öffentliche Ausschreibungen für Forschungsarbeiten im Bereich der negativen Auswirkungen der gleichzeitigen Exposition gegenüber verschiedenen Quellen von EMF, insbesondere auf Kinder, durchgeführt werden;
20. schlägt vor, dass die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien (EGE) zusätzlich damit betraut wird, die wissenschaftliche Integrität zu bewerten, um die Kommission darin zu unterstützen, möglicherweise auftretende Gefahrensituationen, Interessenkonflikte oder gar Betrügereien zu vermeiden, zu denen es im Zusammenhang mit dem gesteigerten Wettbewerb der Forscher kommen könnte;
21. fordert die Kommission angesichts der Bedenken der Öffentlichkeit in vielen Mitgliedstaaten auf, mit allen interessierten Kreisen wie nationalen Experten, Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftssektoren zusammenzuarbeiten, um die Verfügbarkeit und den Zugang zu aktuellen, für den Laien verständlichen Informationen über Drahtlostechnologie und Schutzvorschriften zu verbessern;
22. fordert die Internationale Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf, die Festlegung der Normen transparenter zu gestalten und für einen Dialog mit allen Beteiligten offen zu sein;
23. kritisiert bestimmte Marketingkampagnen von Telefonbetreibern, die in der Weihnachtszeit am Jahresende und zu anderen besonderen Anlässen besonders aggressiv geführt werden, wie etwa den Verkauf von Mobiltelefonen, die ausschließlich für Kinder bestimmt sind, oder die Pauschalangebote „Freiminuten“, die sich an Jugendliche richten;
24. schlägt vor, dass die Union eine Studie über drahtlose Hausgeräte in ihre Politik im Bereich der Innenraumluft-Qualität aufnimmt, die sich, wie etwa Wi-Fi für den Internetzugang und DECT-Telefone (digitale, verbesserte schnurlose Telekommunikation), in den letzten Jahren an öffentlichen Plätzen und in Wohnungen generell durchgesetzt haben und die Bürger einer ständigen Mikrowellenstrahlung aussetzen;
25. fordert – immer in dem Bestreben nach einer Verbesserung der Information der Verbraucher –, dass die technischen Normen des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung geändert werden und vorgeschrieben wird, dass die Kennzeichnung Angaben über die Emissionsstärke umfassen muss, aus denen auch bei jedem drahtlos funktionierenden Gerät hervorgeht, dass es Mikrowellen aussendet;
26. ruft den Rat und die Kommission auf, in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und dem Ausschuss der Regionen für die Einführung einer einzigen Norm einzutreten, um die Exposition der Anrainer im Fall der Ausweitung des Hochspannungsnetzes möglichst gering zu halten;
27. ist in höchstem Maße besorgt über die Tatsache, dass die Versicherungsgesellschaften dazu tendieren, die Abdeckung der Risiken im Zusammenhang mit EMF aus den Haftpflichtversicherungen auszuschließen, was offensichtlich bedeutet, dass sich die europäischen Versicherer bereits nach ihrer Version des Vorsorgeprinzips richten;
28. fordert die Mitgliedstaaten auf, dem Beispiel Schwedens zu folgen und Menschen, die an Elektrohypersensibilität leiden, als behindert anzuerkennen, um ihnen einen angemessenen Schutz und Chancengleichheit zu bieten;
29. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Ausschuss der Regionen und der WHO zu übermitteln.
- [1] ABl. L 199 vom 30.7.1999, S. 59.
- [2] ABl. L 159 vom 30.4.2004, S. 1.
- [3] ABl. L 91 vom 7.4.1999, S. 10.
- [4] ABl. L 374 vom 27.12.2006, S. 10.
- [5] Angenommene Texte, P6_TA(2008)0410.
- [6] ABl. C 175 vom 21.6.1999, S. 129.
- [7] In der 16. Vollversammlung am 21. März 2007 angenommene Stellungnahme.
- [8] Programm „Lebensqualität“ unter der Vertragsnummer QLK4-1999-01563.
- [9] STOA-Studie vom März 2001 über die „physiologischen und umweltrelevanten Auswirkungen nicht ionisierender elektromagnetischer Strahlung“, PE 297.574.
- [10] Richtlinie 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm) (ABl. L 42 vom 15.2.2003, S. 38).
- [11] Richtlinie 2002/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Vibrationen) (ABl. L 177 vom 6.7.2002, S. 13).
BEGRÜNDUNG
Gesundheitliche Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern: worum geht es?
Eine der erstaunlichsten Überraschungen, die der menschliche Körper für uns bereithält, ist sicherlich seine Fähigkeit, auf natürliche Weise elektrische Felder auszusenden, die vor allem auf biologische Vorgänge zurückgehen. Dadurch ist es möglich, die elektrischen Aktivitäten unseres Herzens und unseres Gehirns mithilfe eines Elektrokardiogramms bzw. eines Elektroenzephalogramms aufzuzeichnen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es zwischen der natürlichen elektrischen Aktivität und den elektromagnetischen Feldern, die infolge menschlicher Tätigkeiten entstehen, zu einer Wechselwirkung kommt. Wie reagiert der menschliche Körper auf die elektromagnetischen Felder, die von technischen Geräten ausgehen, wie z. B. Radios, Fernsehern, Mikrowellen, Mobiltelefonen, Sendemasten und Hochspannungsleitungen?
Viele Fragen sind mit großer wissenschaftlicher Ungewissheit verbunden und wurden von staatlicher Seite noch nicht ausreichend behandelt. Dies ist das primäre Anliegen des vorliegenden Initiativberichts, der völlig unabhängig verfasst wurde, ohne in die wissenschaftliche Kontroverse über elektromagnetische Felder eingreifen zu wollen. Vorrangig verfolgt der Bericht das Ziel, den Bürgern, die diese Geräte nutzen bzw. in der Nähe von Sendemasten oder Hochspannungsleitungen wohnen, anhand zahlreicher konkreter Vorschläge Antworten zu liefern. Immer mehr Bürger sind über die gesundheitlichen Auswirkungen der ständigen Exposition gegenüber Mikrowellen besorgt.
Europäische Empfehlungen – zögerliche Umsetzung durch die Mitgliedstaaten
Mangels Zuständigkeit gemäß den Verträgen gibt es kein europäisches Gesetz, das die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Maßnahmen bezüglich der Wellen im niedrigen und sehr niedrigen Frequenzbereich zu treffen. Diese Wellen stammen derzeit hauptsächlich von Mobilfunkmasten und Drahtlostechnologien.
Daher werden die Expositionsnormen für die Bevölkerung auf EU-Ebene in einer Empfehlung des Rates vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 Hz-300 GHz) festgelegt.
Diese entsprechen genau den von der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) festgelegten Werten, eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell anerkannte Nichtregierungsorganisation, bei der wissenschaftliche Ergebnisse aus der ganzen Welt ausgewertet werden.
In der Empfehlung des Europäischen Rates sind die folgenden Grenzwerte festgelegt:
1. GSM (900 MHz): 41,25 Volt/Meter
2. DCS (1800 MHz): 58,33 Volt/Meter
3. UMTS (2100 MHz): 61 Volt/Meter
Andererseits steht es den Mitgliedstaaten frei, striktere Schutzvorschriften zu erlassen. Neun Mitgliedstaaten haben dies auf nationaler oder regionaler Ebene bereits getan, darunter Griechenland, Polen und vor kurzem auch Belgien.
Im Großherzogtum Luxemburg, das der Berichterstatterin sehr vertraut ist, hat sich die Regierung seit Ende 2000 dem Vorsorgeprinzip verpflichtet und schreibt einen Höchstwert von 3 Volt/Meter für das elektrische Feld eines Senders vor, der sich in der Nähe eines von Menschen genutzten Ortes befindet. Die luxemburgische Bevölkerung hat damit praktisch 14 Mal mehr Schutz vor elektromagnetischen Feldern als andere EU-Bürger.
Die mangelnde Koordinierung der nationalen politischen Strategien auf EU-Ebene zu diesem Thema ist bedauerlich. Nach Ansicht der Berichterstatterin ist es die Aufgabe der Kommission, im Bereich der elektromagnetischen Wellen (hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Gesundheit und Information der Verbraucher) für eine klare Politik zu sorgen, die sich nicht wie zurzeit auf einige von der GD Forschung nach dem Gießkannenprinzip finanzierte Projekte beschränken darf.
Nach Ansicht der Berichterstatterin gibt es jetzt nur einen Weg: Es muss eine politische Lösung gefunden werden, bei der die festgelegten Grenzwerte regelmäßig angepasst werden (entsprechend den neu auf den Markt gebrachten Technologien und den Ergebnissen neuer epidemiologischer Studien) und ein hohes Maß an Sicherheit für die Verbraucher, insbesondere für Kinder, sichergestellt wird, ohne jedoch dadurch die Funktionsfähigkeit der Mobilfunknetze einzuschränken.
Diesen Ansatz verfolgt auch die Europäische Umweltagentur in Kopenhagen, die im September 2007 den öffentlichen Behörden der 27 Mitgliedstaaten beherzt empfahl, Maßnahmen zum wirksameren Schutz der Öffentlichkeit zu ergreifen, nämlich „geeignete und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung von großen Gefahren“ zu ergreifen. Das ist ein großer Schritt nach vorn. Hier wird, im Gegensatz zur Weltgesundheitsorganisation, die die Beibehaltung des Status quo predigt, zum Handeln aufgerufen.
Die WHO scheint „auf Zeit zu spielen“ und erst im Jahr 2015 die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen vollständig bewerten zu wollen!
Abstimmungen am 10. März 1999 und 4. September 2008: Das Europäische Parlament lässt nicht locker
Bereits vor zehn Jahren gab das Parlament eine warnende Botschaft hinsichtlich der in Europa festgelegten Normen zum Schutz der Bevölkerung vor Mikrowellen heraus. Dies war eine kaum verschleierte Kritik an der Kommission und dem Europäischen Rat, da der Berichterstatter Gianni Tamino zu nicht weniger riet, als das Vorsorgeprinzip sowie das Prinzip „ALARA“ (as low as reasonably achievable - so niedrig, wie vernünftigerweise einzuhalten) zu befolgen, um die Belastung durch Strahlen so weit wie praktisch möglich zu reduzieren.
Diese klare Haltung zu dem sensiblen Thema der Expositionsgrenzwerte hat das Europäische Parlament bei seiner Abstimmung am 4. September 2008 über die Zwischenbewertung des „Europäischen Aktionsplans Umwelt und Gesundheit 2004-2010“ im Großen und Ganzen beibehalten.
Die Abstimmung erfolgte nahezu einstimmig (522 der Mitglieder des Europäischen Parlaments stimmten dafür, 16 dagegen) und dem Rat wurde empfohlen „seine Empfehlung 1999/519/EG dahingehend zu ändern, dass die bewährten Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden und somit strengere Belastungsgrenzwerte für die Gesamtheit der Geräte festgesetzt werden, die elektromagnetische Felder in den Frequenzbereichen zwischen 0,1 MHz und 300 GHz erzeugen“.
Die Berichterstatterin ist sich im Klaren darüber, dass für die Frage der Schwellenwerte ausschließlich die Länder und Regionen zuständig sind, und möchte an dieser Stelle nur auf Alternativen hinweisen, die die Hersteller zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden nutzen könnten. So wäre es möglich, dass sie dem Beispiel der österreichischen Behörden folgen und zur Verbesserung der Reichweite höhere Sendemasten einsetzen.
Zudem muss eingeräumt werden, dass sich das Alltagsleben der europäischen Bürger in den letzten zehn Jahren, seit der Gebrauch von Drahtlostechnologien immer mehr zunimmt (DECT-Schnurlostelefone mit fester Basisstation, Mobiltelefone, UMTS, Wi-Fi, WiMAX, Bluetooth, Babyphone usw.), stark verändert hat. Da unstrittig ist, dass diese neuen Technologien einen großen Beitrag leisten und am Arbeitsplatz, in der Bibliothek und Zuhause omnipräsent sind, sollte auch unstrittig sein, dass sie vor ihrer Markteinführung Prüfungen unterzogen werden und allgemein Schwellenwerte für das Expositionsniveau gegenüber Mikrowellen im Haushalt festgelegt werden. Alles andere wäre eine unterlassene Hilfeleistung gegenüber gefährdeten Verbrauchern!
Unter den Bürger, Verbrauchern und Anwohnern herrscht derzeit kein Klima des Vertrauens, und dieses muss in den kommenden Jahren wiederhergestellt werden. Dazu bedarf es aber auch der Unterstützung der Wissenschaft. Wenn nämlich die Berichterstatterin absichtlich keine veröffentlichten Studien oder Dokumente zitiert, mit Ausnahme der des Europäischen Parlaments selbst, so geschieht dies, weil das Thema der elektromagnetischen Felder und der möglichen Gesundheitsrisiken zu fortdauernden Meinungsverschiedenheiten unter den Wissenschaftlern führt.
Die INTERPHONE-Studie: ein Lehrbuchfall
Der Berichterstatterin ist bekannt, dass Kontroversen über dieses Thema zum normalen Geschehen in der Wissenschaft gehören. Dazu brauchen wir uns nur an die Polemik zu erinnern, mit der über Jahre hinweg die unterschiedlichen Meinungen zum Klimawandel und seinen Ursachen vertreten wurden!
Dennoch fällt es schwer zu akzeptieren, dass Studien „auf Eis gelegt werden“, weil sich die Experten nicht auf ein Ergebnis einigen können, und das umso mehr, als europäische Steuermittel im Spiel sind.
Die INTERPHONE-Studie ist in diesem Zusammenhang ein wahrer Lehrbuchfall. 1998 initiiert und ab 2000 begonnen, war sie vor allem als das umfassendste Projekt zu diesem Thema angekündigt worden, da sie weltweit in nicht weniger als 12 Ländern und im Interesse einer möglichst genauen Erfassung des Risikos der Erkrankung an bestimmten Krebsarten mit einer beispielhaften Protokollierung durchgeführt wurde – die Ergebnisse allerdings lassen seit 2006 auf sich warten. Dies wirft Zweifel auf, ob sich je eine klare Antwort finden lassen wird.
Die Berichterstatterin ist sich des enormen Drucks bewusst, dem die Wissenschaftler, denen sie helfen möchte, in diesem immer härteren Wettbewerb ausgesetzt sind, bei dem Forschungsergebnisse nur etwas zählen, wenn sie zur Innovation beitragen und in einer der größten wissenschaftlichen Zeitschriften erscheinen. Ihrer Meinung nach sollte die Arbeitsweise der wissenschaftlichen Ausschüsse der Kommission reformiert werden.
Hierfür liegen zwei einfache Ideen vor: Zum einen sollten in den Ausschüssen alle beteiligten Akteure vertreten sein, auch Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherverbände. Zum anderen wird aus Gründen der Transparenz und der wirksamen Kontrolle vorgeschlagen, der EGE zusätzlich den Auftrag zur Evaluierung der wissenschaftlichen Integrität zu übertragen. Diese Art der Kontrolle, die bereits in nationalen Forschungseinrichtungen eingesetzt wird, wäre für die Kommission eine wertvolle Hilfe bei der Vermeidung von Gefahrensituationen, Interessenkonflikten oder Betrugshandlungen im Wissenschaftsbereich.
Die Berichterstatterin möchte mit einem Hinweis auf die zahlreichen ihr bekannten Dokumente schließen, aus denen hervorgeht, dass die Versicherungsgesellschaften Risiken von elektromagnetischen Feldern in der Regel von der Haftpflichtversicherung ausschließen. Da die Versicherer bekanntermaßen in der Lage sind, alle Risikoarten zu bewerten und auf die Zukunft zu setzen, lässt sich die berechtigte Frage stellen, was sie dazu bewogen hat, ihrerseits das Vorsorgeprinzip geltend zu machen.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
17.2.2009 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
43 1 3 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Adamos Adamou, Margrete Auken, Liam Aylward, Irena Belohorská, Maria Berger, John Bowis, Hiltrud Breyer, Martin Callanan, Dorette Corbey, Magor Imre Csibi, Avril Doyle, Mojca Drčar Murko, Jill Evans, Christofer Fjellner, Elisabetta Gardini, Matthias Groote, Satu Hassi, Christa Klaß, Holger Krahmer, Urszula Krupa, Peter Liese, Marios Matsakis, Linda McAvan, Roberto Musacchio, Miroslav Ouzký, Vladko Todorov Panayotov, Vittorio Prodi, Frédérique Ries, Dagmar Roth-Behrendt, Guido Sacconi, María Sornosa Martínez, Thomas Ulmer, Anja Weisgerber, Åsa Westlund, Anders Wijkman, Glenis Willmott |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Inés Ayala Sender, Kathalijne Maria Buitenweg, Philip Bushill-Matthews, Jutta Haug, Johannes Lebech, Caroline Lucas, Hartmut Nassauer, Justas Vincas Paleckis, Alojz Peterle, Lambert van Nistelrooij |
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