BERICHT über das Weißbuch: Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts
9.3.2009 - (2008/2154(INI))
Ausschuss für Wirtschaft und Währung
Berichterstatter: Klaus-Heiner Lehne
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zum Weißbuch: Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Weißbuchs der Kommission vom 2. April 2008 mit dem Titel „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts” (KOM(2008)0165) (Weißbuch),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. April 2007 zu dem Grünbuch: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts[1]
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 13. März 2007 zum Thema „Verbraucherpolitische Strategie der EU (2007-2013): Stärkung der Verbraucher - Verbesserung des Verbraucherwohls - wirksamer Verbraucherschutz” (KOM(2007)0099),
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln[2], die Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission[3] und die Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen ("EG-Fusionskontrollverordnung")[4],
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen[5] sowie unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 622/2008 der Kommission vom 30. Juni 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 hinsichtlich der Durchführung von Vergleichsverfahren in Kartellfällen[6],
– gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz und des Rechtsausschusses (A6‑0123/2009),
A. in der Erwägung, dass die Wettbewerbspolitik die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union erhöht und maßgeblich zur Erreichung der Ziele der Lissabon-Strategie beiträgt,
B. in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entschieden hat, dass Einzelpersonen und Unternehmen zwecks Gewährleistung der uneingeschränkten Wirksamkeit des Artikels 81 des Vertrags bei Schäden aufgrund von Wettbewerbsverletzungen Klage erheben können,
C. in der Erwägung, dass Schadenersatzklagen nur ein Bestandteil eines wirksamen Systems der privaten Rechtsdurchsetzung sind und dass Streitbeilegungsmechanismen unter gegebenen Umständen eine effiziente Alternative zu Verbandsklagen darstellen, da sie eine faire und zügige außergerichtliche Beilegung ermöglichen und deshalb gefördert werden sollten,
D. in der Erwägung, dass die im Weißbuch behandelten Fragen alle Arten von Opfern, alle Formen von Verstößen gegen Artikel 81 und 82 des EG-Vertrags und sämtliche Bereiche der Wirtschaft betreffen,
E. in der Erwägung, dass alle Vorschläge zur Einführung von Mechanismen zur kollektiven Entschädigung wegen Verstößen gegen das EG-Wettbewerbsrecht die in einigen Mitgliedstaaten bereits vorhandenen alternativen Rechtsschutzformen (etwa Verbandsklagen und so genannte test cases) ergänzen sollten, statt sie zu ersetzen;
F. in der Erwägung, dass das Ziel der privatrechtlichen Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen darin bestehen muss, dass Opfer für den erlittenen Schaden vollständig zu entschädigen sind, und in der Erwägung, dass die Grundsätze der nichtvertraglichen Haftung, die eine unrechtmäßige Bereicherung und eine Mehrfachentschädigung verbieten und Schadenersatz mit Strafwirkung vermeiden, beachtet werden müssen,
G. in der Erwägung, dass die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Kommission und die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten in den Geltungsbereich des öffentlichen Rechtes fällt und dass nur relativ wenige Privatklagen vor nationale Gerichte gebracht werden, obwohl mehrere Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen haben oder ergreifen werden, um die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen im Falle der Verletzung europäischer Wettbewerbsregeln für Privatpersonen zu erleichtern,
H. in der Erwägung, dass die private Rechtsdurchsetzung die behördliche Kartellrechtsdurchsetzung ergänzen und unterstützen, nicht aber ersetzen sollte, und dass die Personal- und Mittelausstattung der Wettbewerbsbehörden ausgebaut werden muss, damit Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht wirksamer verfolgt werden können,
I. in der Erwägung, dass es unabhängig von der Art der Beilegung eines Rechtsstreits von grundlegender Bedeutung ist, dass Verfahren und Garantien geschaffen werden, um zu gewährleisten, dass alle Parteien fair behandelt werden und dass gleichzeitig das System nicht missbraucht wird, wie dies in anderen Rechtsordnungen und insbesondere in den Vereinigten Staaten der Fall gewesen ist,
J. in der Erwägung, dass die Kommission bei jedem Vorschlag, der nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt, die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beachten muss,
1. begrüßt das genannte Weißbuch und betont, dass die Wettbewerbsvorschriften des Vertrags und insbesondere ihre wirksame Durchsetzung verlangen, dass die Opfer von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht einen Anspruch auf Entschädigung für den erlittenen Schaden haben müssen;
2. stellt fest, dass die Kommission bislang keine Rechtsgrundlage für die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen angegeben hat, und dass weiter geprüft werden muss, welche Rechtsgrundlage für die geplanten Eingriffe in die nationalen Verfahren für nichtvertraglichen Schadensersatz und in das nationale Verfahrensrecht in Frage kommt;
3. vertritt die Auffassung, dass verschiedene Hindernisse für wirksame Rechtsbehelfe zugunsten von Opfern von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Union wie Massen- und Streuschäden, Informationsasymmetrien und andere Probleme bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nicht nur bei Verfahren im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht der Union auftreten, sondern auch in Bereichen wie der Produkthaftung und anderen verbraucherbezogenen Bereichen;
4. verweist darauf, dass individuelle Verbraucher, aber auch kleine Unternehmen, insbesondere diejenigen, die relativ geringwertige Streuschäden erlitten haben, häufig angesichts der damit verbundenen Kosten, Verzögerungen, Unwägbarkeiten, Risiken und Belastungen von Individualklagen zur Geltendmachung von Schadensersatz zurückschrecken; unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass der kollektive Rechtsschutz, der eine Bündelung der individuellen Schadensersatzforderungen von Opfern von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Union ermöglicht und ihre Chancen auf Zugang zur Justiz erhöht, ein wichtiges Abschreckungsinstrument darstellt; begrüßt in dieser Hinsicht die Vorschläge der Kommission zur Einführung von Mechanismen, mit denen der kollektive Rechtsschutz verbessert werden soll, wobei gleichzeitig überzogene Rechtsstreitigkeiten vermieden werden sollen;
5. weist darauf hin, dass die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher der Kommission Ende 2008 die Ergebnisse zweier Untersuchungen zu kollektiven Rechtsdurchsetzungsinstrumenten in den Mitgliedstaaten und möglichen Hindernissen für den Binnenmarkt aufgrund der unterschiedlichen Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten veröffentlicht hat; weist ferner darauf hin, dass die Kommission ein Grünbuch über die möglichen Optionen der Gemeinschaft für Maßnahmen im Bereich der Verbraucherschutzbestimmungen veröffentlicht und die Veröffentlichung eines weiteren Politikpapiers im Laufe des Jahres 2009 angekündigt hat; betont, dass Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene nicht zu einer willkürlichen und unnötigen Zersplitterung der einzelstaatlichen Prozessrechtsbestimmungen führen dürfen, und dass deshalb sorgfältig geprüft werden sollte, ob und inwieweit ein horizontaler und integrierter Ansatz gewählt werden sollte, um die außergerichtliche Streitbeilegung und die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern; fordert die Kommission deshalb auf, die möglichen Rechtsgrundlagen zu prüfen und festzustellen, wie auf eine horizontale und integrierte Art und Weise vorgegangen werden kann, ohne notwendigerweise auf ein einzelnes horizontales Instrument zurückzugreifen, und vorerst davon abzusehen, kollektive Rechtsdurchsetzungsmechanismen für Opfer von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Union vorzulegen, ohne dass das Parlament die Möglichkeit erhält, im Rahmen des Mitentscheidungsverfahren an der Verabschiedung entsprechender Mechanismen mitzuwirken;
6. stellt fest, dass Schadensersatzforderungen für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht der Union nach Möglichkeit einheitlich mit anderen nichtvertraglichen Forderungen behandelt werden sollten; vertritt die Auffassung, dass ein horizontaler oder integrierter Ansatz Verfahrensregeln abdecken könnte, die für die kollektiven Rechtsdurchsetzungsmechanismen in unterschiedlichen Rechtsordnungen die gleichen sind, und betont, dass dieser Ansatz die Ausarbeitung von Vorschlägen und Maßnahmen, wie sie für eine umfassende Durchsetzung des Wettbewerbsrechts der Union für notwendig erachtet werden, nicht verzögern oder verhindern darf; stellt ferner die weit fortgeschrittene Untersuchung der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe im Wettbewerbsrecht und den fortgeschrittenen Rahmen für Wettbewerbsbehörden einschließlich des Europäischen Netzes der nationalen Wettbewerbsbehörden fest; stellt schließlich fest, dass wenigstens in Bezug auf manche Themen dies ein zügiges Voranschreiten rechtfertigt, und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, dass einige der vorgesehenen Maßnahmen auf andere Bereiche als das Wettbewerbsrecht ausgeweitet werden könnten; vertritt die Auffassung, dass derartige bereichsspezifische Bestimmungen vor dem Hintergrund der besonderen Komplexität und der Schwierigkeiten, mit denen die Opfer von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht konfrontiert sind, bereits vorgeschlagen werden könnten;
7. stellt fest, dass eine „ein für allemal“ geltende Regelung für Beklagte wünschenswert erscheint, um Unsicherheiten und überzogene wirtschaftliche Auswirkungen zu vermeiden, die sich möglicherweise auf Arbeitnehmer, Lieferanten, Subunternehmer und andere unbeteiligte Parteien auswirken könnten; fordert die Einführung eines Beilegungsverfahrens für Massenklagen, das entweder von den Parteien vor Einreichung einer Klage oder nach Aufforderung durch das Gericht, bei dem die Klage eingereicht wird, eingeleitet werden kann, und das darauf abzielt, den Streit außergerichtlich beizulegen, indem man sich um die gerichtliche Zustimmung zu einer Streitbeilegungsregelung bemüht, die für alle Opfer, die sich dem Verfahren angeschlossen haben, für verbindlich erklärt werden kann; unterstreicht, dass eine solche Verpflichtung weder eine ungebührliche Verlängerung der Verfahren bewirken noch einer unlauteren Regelung von Schadensersatzforderungen Vorschub leisten darf; fordert die Kommission auf, nach Wegen zu suchen, wie eine größere Rechtssicherheit erzielt werden kann, und dabei auch zu prüfen, inwieweit von nachfolgenden Klägern normalerweise erwartet werden sollte, dass sie nicht mehr in Anspruch nehmen als das Ergebnis der Sammelbeilegung;
8. vertritt die Auffassung, dass direkten und indirekten Käufern im Wege der isolierten Klage oder Folgeklage für die Geltendmachung ihrer Ansprüche eine Individual-, Verbands- oder Gruppenklage zur Verfügung stehen sollte, die auch die Form eines Testfalls haben kann, dass jedoch zur Vermeidung von Mehrfachklagen einer einzelnen Partei für ein und dieselbe Klage die Wahl einer solchen Klage durch eine Partei diese davon ausschließen sollte, gleichzeitig oder anschließend von einer der übrigen Klagen Gebrauch zu machen; vertritt ferner die Auffassung, dass für den Fall, dass verschiedene Parteien getrennte Klagen einreichen, Bemühungen unternommen werden sollten, diese miteinander zu verbinden oder sie abzustufen;
9. vertritt die Auffassung, dass im Hinblick auf eine Vermeidung missbräuchlicher Streitigkeiten die Mitgliedstaaten die Klagebefugnis für Verbandsklagen staatlichen Stellen wie dem Bürgerbeauftragten oder qualifizierten Einrichtungen wie den Verbraucherschutzverbänden entsprechend Artikel 3 der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen[7] einräumen sollten und dass eine Ad-hoc-Ermächtigung zur Einreichung solcher Klagen in erster Linie für Berufsverbände vorgesehen werden sollte, die Verfahren zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen von Unternehmen betreiben;
10. fordert, dass nur eine eindeutig begrenzte Anzahl von Personen die Möglichkeit erhält, sich an Verbandsklagen zu beteiligen, und dass die Festlegung der Mitglieder dieses Personenkreises im Falle einer Opt-in-Gruppenklage und die Festlegung im Falle einer Sammelklage, die von qualifizierten und im Voraus bezeichneten oder ad-hoc ermächtigten qualifizierten Einrichtungen erhoben worden ist, innerhalb eines eindeutig festgelegten Zeitraums ohne unnötige Verzögerung und unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, die einen späteren Zeitpunkt vorsehen, erfolgen muss; betont, dass nur der tatsächlich erlittene Schaden ersetzt werden darf; stellt fest, dass im Falle einer erfolgreichen Klage der zugesprochene Schadensersatz an den identifizierten Personenkreis oder an die von diesem Kreis benannte Person ausgezahlt werden muss und dass die qualifizierte Einrichtung allenfalls für die Aufwendungen entschädigt werden kann, die ihr durch die Rechtsverfolgung entstanden sind, wobei die qualifizierte Einrichtung weder mittelbar noch unmittelbar für die Entgegennahme von Schadensersatz benannt werden darf;
11. betont, dass im Falle einer erfolgreichen isolierten Klage eine nachfolgende behördliche Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes nicht ausgeschlossen ist; bekräftigt ferner, dass im Hinblick darauf, die Unternehmen anzuhalten, die Opfer ihres rechtswidrigen Handelns so rasch und so effizient wie möglich zu entschädigen, die Wettbewerbsbehörden aufgefordert werden, bei der Festlegung des Bußgelds, das dem Unternehmen auferlegt werden soll, dem geleisteten oder noch zu leistenden Schadensersatz Rechnung zu tragen; stellt fest, dass dies jedoch weder das Recht des Opfers auf umfassende Entschädigung für den erlittenen Schaden noch die Notwendigkeit, den abschreckenden Charakter für Bußgelder aufrecht zu erhalten, beeinträchtigen sollte und auch nicht zu einer länger anhaltenden Unsicherheit in Bezug auf die Wirksamkeit von Abrechnungen für Unternehmen führen sollte; fordert den Rat und die Kommission ausdrücklich auf, diese Grundsätze in Bezug auf Geldbußen in die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 aufzunehmen und sie im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen der allgemeinen Rechtsgrundsätze weiter zu verbessern und zu präzisieren;
12. stellt fest, dass es eine gewisse Prima-facie-Bewertung der Vorteile einer Gruppenklage auf einer Vorstufe geben sollte, und betont, dass Kollektivkläger nicht besser oder schlechter gestellt werden dürfen als Individualkläger; fordert, dass im Rahmen kollektiver Rechtsdurchsetzungsmechanismen der Grundsatz gelten muss, dass die Klage führende Partei Nachweise für ihre Klage erbringen muss, sofern die geltenden nationalen Rechtsvorschriften keine Erleichterung der Beweislast vorsehen oder den Zugang zu Informationen und Nachweisen, über die die beklagte Partei verfügt, erleichtern;
13. fordert, dass die Kommission gehalten ist, den Opfern von Wettbewerbsverletzungen im Nachgang einer Untersuchung Zugang zu den für die Ausübung einer Schadensersatzklage erforderlichen Informationen gewährt, und betont, dass nach Artikel 255 des EG-Vertrags und nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe vorgesehen ist, wonach der Zugang nur nach den Bedingungen gemäß dieser Verordnung und insbesondere deren Artikel 4 verweigert werden kann; vertritt deshalb die Auffassung, dass die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 entsprechend auslegen oder eine Änderung dieser Verordnung vorschlagen muss; betont ferner, dass die Behörden bei der Gewährung des Zugangs zu Dokumenten dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen des Beklagten oder von Dritten besondere Aufmerksamkeit widmen müssen, und stellt fest, dass Leitlinien in Bezug auf die Regelung von Kronzeugenbestimmungen erforderlich sind;
14. vertritt die Auffassung, dass ein nationales Gericht durch die Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörden eines anderen Mitgliedstaats nicht gebunden werden sollte, und zwar unbeschadet der Bestimmungen, die eine bindende Wirkung von Beschlüssen vorsehen, die von einem Mitglied des Europäischen Netzes der nationalen Wettbewerbsbehörden unter Anwendung von Artikel 81 oder 82 des Vertrags in Zusammenhang mit derselben Klage gefasst wurden; stellt fest, dass Ausbildungs- und Austauschprogramme zu einer Konvergenz der Entscheidungen führen sollten, damit die Anerkennung von Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden zur Norm werden kann;
15. betont, dass bewusstes Handeln stets eine Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch sein muss und dass der Verstoß gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht zumindest fahrlässig begangen worden sein muss, sofern es keine Vermutung oder widerlegbare Vermutung eines schuldhaften Verhaltens in den nationalen Rechtsvorschriften im Falle eines Verstoßes gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht gibt, mit der eine konsistente und kohärente Durchsetzung des Wettbewerbsrechts gewährleistet wird;
16. begrüßt, dass Entschädigungen auf einen Ausgleich der Verluste und des entgangenen Gewinns einschließlich übermäßiger Aufwendungen und Zinsen ausgerichtet sind, und fordert die Festschreibung dieser Definition des Schadensbegriffs für kollektive Rechtsbehelfsmechanismen auf Gemeinschaftsebene;
17. begrüßt die Arbeiten der Kommission an einem unverbindlichen Orientierungsrahmen zur Berechnung des Schadensersatzes, der nützlicherweise Leitlinien zu den Informationen enthalten könnte, die erforderlich sind, um die Berechnung durchzuführen und derartige Berechnungen nach Möglichkeit auf Mechanismen der alternativen Streitbeilegung anzuwenden;
18. stellt fest, dass die Ausarbeitung eines gemeinsamen gemeinschaftlichen Ansatzes in Bezug auf die Abwälzung von Vorteil ist und befürwortet die Zulässigkeit des Einwands der Abwälzung durch den Beklagten als einen Einwand in dem Sinne, dass der Nachweis für den Einwand stets vom Beklagten zu erbringen ist und die Gerichte die Möglichkeit haben, auf bewährte einzelstaatliche Rechtsvorschriften in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Kausalität und Zuverlässigkeit zurückzugreifen, um in jedem Einzelfall zu gerechten Entscheidungen zu gelangen; regt an, dass Leitlinien in Bezug auf das Ausmaß vorgeschlagen werden, in dem der mittelbare Käufer und insbesondere der letzte mittelbare Käufer sich auf die widerlegbare Vermutung verlassen kann, dass ihm der rechtswidrige Preisaufschlag vollständig angelastet wurde;
19. begrüßt den Umstand, dass die Verjährungsfrist im Falle ständiger oder fortgesetzter Wettbewerbsverstöße mit dem Zeitpunkt der Einstellung der Zuwiderhandlung oder dem Zeitpunkt, an dem vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass das Opfer Kenntnis von der Zuwiderhandlung hat, beginnen soll, und zwar je nachdem, welcher Zeitpunkt später liegt; weist darauf hin, dass Verjährungsvorschriften auch der Rechtssicherheit dienen und dass deshalb im Falle einer unterlassenen Einreichung einer öffentlichen oder privaten Klage eine Verjährungsfrist von fünf Jahren gelten muss; begrüßt ferner, dass die Dauer der Verjährungsfrist für Einzelklagen nach innerstaatlichem Recht bestimmt werden soll, und fordert, dass dies auch für Folgeklagen gelten soll; stellt fest, dass die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Aussetzung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist nicht angetastet werden dürfen;
20. begrüßt den Umstand, dass die Mitgliedstaaten ihre jeweils eigenen Bestimmungen über die Zuteilung der Kosten festlegen sollen; überlässt es den Mitgliedstaaten, zu beurteilen, inwieweit sie gewährleisten möchten, dass die asymmetrische Aufteilung der Mittel zwischen dem Klageführer und dem Beklagten in Rechtsstreitigkeiten kein Grund dafür sein kann, berechtigte Schadensersatzforderungen zu stellen, und stellt fest, dass der Zugang zur Justiz auch durch energische Maßnahmen zur Unterbindung von Missbräuchen unter anderem durch leichtfertige, böswillige oder so genannte „Blackmailing-Aktionen“ ausgewogen gestaltet werden muss;
21. weist darauf hin, dass die Anwendung des Kronzeugenprogramms maßgeblich zur Aufdeckung von Wettbewerbsverstößen beiträgt und daher die private Rechtsverfolgung an erster Stelle ermöglicht, und fordert die Ausarbeitung von Kriterien, um die Attraktivität der Anwendung des Kronzeugenprogramms aufrechtzuerhalten; betont, dass trotz der Bedeutung einer Anwendung des Kronzeugenprogramms eine vollständige Entlassung des Kronzeugen aus der zivilrechtlichen Solidarhaftung dem Rechtssystem widerspricht und lehnt deshalb eine solche Entlassung als für viele Opfer benachteiligend entschieden ab;
22. fordert die Kommission auf, in erster Linie zu vermeiden, dass Kartell- und Wettbewerbsverfahren eingestellt werden, und dafür Sorge zu tragen, dass alle wichtigen Verfahren mit einer eindeutigen Entscheidung ordnungsgemäß abgeschlossen werden, damit das Recht der Opfer, Schadensersatzforderungen zu erheben, nicht ausgehöhlt, sondern erleichtert wird;
23. weist nachdrücklich darauf hin, dass es bei allen Gesetzgebungsverfahren im Bereich der kollektiven Rechtsdurchsetzung im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens beteiligt werden muss;
24. fordert, dass vor einem entsprechenden Legislativvorschlag eine unabhängige Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt wird;
25. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene zu übermitteln.
BEGRÜNDUNG
Der Berichterstatter begrüßt, dass die Kommission mit ihrem Weißbuch von zahlreichen Vorschlägen in ihrem Grünbuch aus dem Jahr 2005 Abstand genommen hat, die eine "Amerikanisierung" der privaten Rechtsdurchsetzung in Europa bewirkt hätten. Der Berichterstatter ist bei der Ausarbeitung des Berichts von einer Prämisse ausgegangen: Jeder Geschädigte muss das Recht haben, seinen erlitten Schaden erstattet zu erhalten; allerdings dürfen die Kollektivkläger grundsätzlich nicht besser gestellt werden als der Individualkläger.
Der Berichterstatter bezweifelt, dass privatrechtliche Rechtsdurchsetzungsmechanismen in den Mitgliedstaaten unterentwickelt sind, da im Nachgang zu der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zahlreiche Mitgliedstaaten das "private enforcement" gestärkt haben. Im Vordergrund muss aber weiterhin die behördliche Durchsetzung des EG-Wettbewerbsrechts stehen, da Kartellbehörden öffentlich-rechtliche Ausforschungsinstrumente zur Verfügung stehen, die Privaten nicht übertragen werden können; privatrechtliche Durchsetzung wirkt insoweit komplementär.
Zudem hat der Berichterstatter Zweifel an der Kompetenz der Kommission für ihre Vorschläge. Sicherlich kann die Kommission ihre Maßnahmen im Bereich des nationalen Schadensersatz- und Prozessrechts nicht auf Art. 83 des Vertrages stützen. Ob und inwieweit auf Art. 95 oder 65 des Vertrages zurückgegriffen werden kann, muss noch eingehend geprüft werden.
Die Kompetenzfrage stellt sich auch für ein horizontales Instrument. Der Berichterstatter schlägt vor, die Mitteilung der Generaldirektion Verbraucherschutz zum Thema kollektive Rechtsdurchsetzungsmechanismen abzuwarten, um dann in eine Diskussion über ein horizontales Instrument für kollektive Rechtsdurchsetzungsinstrumente einzusteigen. Die Mitteilung wird auf zwei Studien beruhen, die Aufschluss geben sollen über bestehende kollektive Rechtsdurchsetzungsmechanismen in den Mitgliedstaaten und möglichen Hindernissen im Binnenmarkt, die aus der unterschiedlichen nationalen Rechtsetzung resultieren. Die von der Kommission geschilderten Probleme im Bereich des Wettbewerbsrechts treten auch in anderen Bereichen auf, so dass es geboten erscheint, keine sektoralen Regelungen einzuführen. Vielmehr sollte vorsichtig abgewogen werden, ob und inwieweit ein horizontaler Ansatz gewählt werden muss, um die Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten in Europa zu verbessern. Ziel aller Maßnahmen auf europäischer Ebene muss sein, eine Zersplitterung des Prozessrechts zu vermeiden.
Der Berichterstatter entnimmt der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass auch indirekte Abnehmer klageberechtigt sein müssen. Zur Anspruchsverfolgung können Verbands- und/oder Gruppenklagen in Gestalt einer isolierten Klage (stand-alone) oder Folgeklage (follow-on) zur Verfügung stehen.
Mit einer Verbandsklage können qualifizierte Einrichtungen betraut werden. Der Berichterstatter ist der Auffassung, dass eine qualifizierte Einrichtung in Anlehnung an Art. 3 der Richtlinie 98/27/EG über Unterlassungsklagen bestimmt werden sollte. Dies ist notwendig, um missbräuchliche Rechtsverfolgungen auszuschließen. Ad-hoc Ermächtigungen sind primär für Verbände in Betracht zu ziehen, die die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatz für Unternehmen betreiben, die ihrerseits Opfer von Wettbewerbsverletzungen sind. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind von Verstößen gegen die EG-Wettbewerbsregeln gleichermaßen betroffen wie Verbraucher.
Der Berichterstatter fordert aber, dass sich an der Verbandsklage nur ein klar identifizierter Personenkreis beteiligen darf; eine Identifizierbarkeit ist nicht ausreichend. Es muss ferner klargestellt werden, dass mit Klageerhebung die Identifizierung abgeschlossen sein muss. Das Weißbuch suggeriert, dass die Verbandsklage als opt-out Modell ausgestaltet werden soll, was aus verfassungsrechtlichen Gründen in zahlreichen Mitgliedstaaten unzulässig wäre. Die Identifizierung ist unerlässlich im Hinblick auf die Höhe des geltend zu machenden Schadensersatzes und die Verteilung desselbigen.
Es müssen die tatsächlich erlittenen Verluste ersetzt werden. Die aus dem common law abgeleitete cy-pres Doktrin (Verteilung so nah wie möglich) widerspricht diesem Prinzip, da nicht der tatsächlich erlittene Schaden ausgekehrt wird. Teile des eingeklagten Schadensersatzes dürfen auch nicht in den Händen des Verbandes belassen werden, weil dies den Anreiz des Verbandes zu evtl. unberechtigten Klagen erhöht und dem Kompensationsgedanken zuwiderläuft. Aufwendungen für die Rechtverfolgung können erstattet werden.
Der Berichterstatter spricht sich auch für die Zulässigkeit einer opt-in Gruppenklage aus. Die Kommission muss noch genaue Kriterien benennen, etwa dass bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung das opt-in erfolgen muss. Zudem muss die Wahl eines Klageinstruments den Zugang zu den verbleibenden Instrumenten verschließen, um eine Mehrfachinanspruchnahme des Beklagten auszuschließen.
Die Kommission möchte mit ihrem Vorschlag von dem auch in Art. 2 Verordnung 1/2003 festgeschriebenen Grundsatz abkehren, wonach die Partei, die die Zuwiderhandlung rügt, den Vorwurf beweisen muss. Ein Beklagter kann aber nicht dazu verpflichtet werden, Beweismaterial für den Kläger zu liefern. Eine Informationsasymmetrie zwischen Kläger und Beklagtem ist zwar nicht zu leugnen, in Prozessrechtsverhältnissen indes geradezu typisch. Gerade bei der Frage des Zugangs zu Beweismitteln kommt es entscheidend darauf an, dass die Kollektivkläger nicht besser gestellt werden dürfen als der Individualkläger. Anstatt unbekannte Offenlegungspflichten auf europäischer Ebene einzuführen, sollte es dabei bleiben, dass die Mitgliedstaaten den Zugang zu Beweismitteln entsprechend den Vorgaben des nationalen Rechts bestimmen. Aus diesem Ansatz droht auch kein Forum shopping, denn weit reichende Offenlegungspflichten erhöhen die Kosten des Rechtsstreits enorm und halten von Klagen ab. Bei Folgeklagen muss es Opfern zudem möglich sein, Akteneinsicht in Kommissionsdokumente zu erhalten, es sei denn, zwingende schutzwürdige Interessen wären gefährdet. Der Berichterstatter ist der Ansicht, dass dieses Recht aus Art. 255 EG und der Transparenzverordnung 1049/2001 resultiert und durch den Änderungsvorschlag KOM (2008) 229 nicht eingeschränkt wird.
Der Berichterstatter weist darauf hin, dass die Bindungswirkung von Entscheidungen einer nationalen Wettbewerbsbehörde (NCA) nur die Feststellung des Verstoßes gegen das EG-Wettbewerbsrecht betrifft. Das Vorliegen von Kausalität etc. muss von dem angerufenen Gericht erkannt werden. Die Bindungswirkung von Entscheidungen der Kommission ist in Art. 16 Verordnung 1/2003 festgelegt. Auch die Kommission erkannte im Entwurf zur Verordnung 1/2003 (KOM 2000 (582)) an, dass "Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden ... außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats keine Rechtswirkung" haben. Gründe für eine Abweichung von dem Prinzip, wonach eine administrative Entscheidung eines Staates nur in dessen Hoheitsgebiet Geltung haben kann, sind nicht ersichtlich. Entscheidungen von NCAs dürfen also nur innerstaatlich Bindungswirkung entfalten. Den Mitgliedstaaten bleibt es aber unbenommen, die Bindungswirkung ausländischer NCAs anzuerkennen.
Der Berichterstatter fordert einen mindestens fahrlässigen Wettbewerbsverstoß. Für eine Abkehr vom Verschuldenserfordernis besteht kein Grund und ist außerdem Voraussetzung für die Verhängung eines Bußgeldes gem. Art. 23 der Verordnung 1/2003.
Der Berichterstatter teilt die Auffassung der Kommission, dass Verluste sowie entgangener Gewinn einschließlich Zinsen erstattet werden müssen. Eine Überkompensation darf es aber nicht geben, dies soll auch nicht nur ein Minimumstandard sein und muss europaweit festgeschrieben werden, um ein forum shopping zu vermeiden. Zwar erkannte der Gerichtshof in der Rs. Manfredi die Zulässigkeit innerstaatlicher Vorschriften für Strafschadensersatz an. Diese Aussage trifft aber nur in "Ermangelung einschlägiger Gemeinschaftsvorschriften" zu. Die Gemeinschaftsgesetzgeber können daher Strafschadenszahlungen für die Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts ausschließen.
Für die Berechung des Schadensersatzes wäre ein nicht-bindender Orientierungsrahmen hilfreich. Gleichwohl wird die Berechung der Praxis erhebliche Probleme bereiten, weil hierfür auf komplexe wirtschaftswissenschaftliche Modelle zurückgegriffen werden muss.
Die Frage nach der Zulässigkeit der Schadensabwälzung ist einer pauschalen Bewertung nicht zugänglich, da aufgrund mangelnder Kenntnis der Vertriebskette die Prozessparteien den Nachweis der Weiterreichung des Schadens nur schwer werden erbringen können. Der Berichterstatter spricht sich zwar für die Zulässigkeit des Einwands aus, lehnt allerdings die von der Kommission vorgeschlagene widerlegliche Vermutungsregel ab, wonach der Schaden in vollem Umfang an die indirekten Abnehmer weitergeleitet sein soll. Beweiserleichterungen dürfen nur in Ausnahmefällen vorgesehen werden, deren Voraussetzungen die Kommission indes nicht belegen konnte. Vielmehr gibt es keine wissenschaftlichen Belege, dass der Schaden in der Regel an den indirekten Abnehmer weitergereicht wird. Darüber hinaus droht im Falle der Nichterweislichkeit der Weiterwälzung eine Mehrfachinanspruchnahme des Beklagten, da dieser aufgrund der Vermutungsregel an die indirekten Abnehmer und mangels Beweisbarkeit der Schadensabwälzung an die direkten Abnehmer Schadensersatz wird zahlen müssen. Ein mindestens doppelter Schadensersatz aber ist eine Sanktion, die nur die öffentliche Hand durchsetzen darf. Daher muss es bei dem Grundsatz bleiben, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründeten Voraussetzungen vortragen muss. Diese Lösung trägt der Rechtsprechung des EuGH Rechnung, wonach jedermann der Anspruch auf Schadensersatz zustehen soll. Durch die Formulierung "grundsätzlich" ist sichergestellt, dass den nationalen Gerichten Spielräume verbleiben, um im Einzelfall von einer tatsächlichen Weiterreichung auszugehen (etwa für sog. cost-plus Verträge). Zudem muss es, wie die Kommission im Arbeitsdokument unter dem Stichwort "remoteness" vorträgt (Rn. 205), den Gerichten unbenommen bleiben, auf Grundlage gewachsener Regeln des nationalen Deliktsrechts die Verteilung einzelner Schadensposten fein zu justieren.
Der Berichterstatter stimmt mit der Kommission überein, dass die Verjährung bei dauernder oder fortgesetzter Wettbewerbsverletzung mit dem Tag beginnt, an dem die Zuwiderhandlung endete und hiervon vernünftigerweise Kenntnis erlangt wurde. Allerdings ist zu bedenken, dass ohne Kenntniserlangung ein Anspruch niemals verjähren kann. Dies kann nicht gewollt sein, weil die Verjährung Rechtssicherheit schaffen soll. Daher muss eine absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren festgeschrieben werden. Der Berichterstatter befürwortet, dass sich die Verjährungsfrist für stand-alone Klagen nach nationalem Recht richtet. Für follow-on Klagen sind keine Gründe ersichtlich, eine mindestens 2-jährige Verjährungsfrist festzulegen, so dass sich auch diese Frist nach nationalem Recht richten muss. Schließlich ist die Hemmung der Verjährung während der behördlichen Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes ausreichend, einen Neubeginn bedarf es nicht. Denn den Opfern droht durch die Hemmung kein Rechtsverlust, fördert allerdings die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden.
Der Berichterstatter möchte wie auch die Kommission die nationalen Bestimmungen zur Kostentragung nicht ändern, da der in den Mitgliedstaaten bewährte Grundsatz, wonach die unterlegene Partei die Kosten zu tragen hat, von unbegründeten Klagen abhält. Daher sollte die Kommission die Mitgliedstaaten auch nicht über soft-law Instrumente ermutigen, ihre Kostentragungsbestimmungen anzupassen. Die Kommission sollte auch keine Vorgaben zur Finanzierung von Schadensersatzklagen machen, da dies eine nicht gewollte Klageindustrie fördern würde.
Der Berichterstatter erkennt, dass das Kronzeugenprogramm maßgeblich zur Aufdeckung von Kartellrechtsverstößen beiträgt und die private Rechtsverfolgung somit erst ermöglicht. Daher müssen Kriterien erarbeitet werden, wie die Attraktivität des Kronzeugenprogramms vor dem Hintergrund des Kompensationsprinzips gesichert werden kann. Die Komplexität dieser Frage verbietet vorschnelle Lösungen. Es bleibt auch offen, wie sich die Vorschläge des Weißbuches mit dem Vorschlag zum neuen Vergleichsverfahren vertragen.
STELLUNGNAHME des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (3.12.2008)
für den Ausschuss für Wirtschaft und Währung
zum Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts
(2008/2154(INI))
Verfasserin der Stellungnahme: Gabriela Creţu
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz ersucht den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Währung, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. fordert die Kommission auf, im Hinblick auf ein höheres Maß an Rechtssicherheit und mehr Verbraucherschutz die Möglichkeit zu prüfen, die Einführung einer angemessenen Mischung legislativer und nichtlegislativer Maßnahmen mit gemeinsamen Bestimmungen und Mechanismen vorzuschlagen, mit denen Einzelpersonen, die einen Schaden aufgrund einer Verletzung des Wettbewerbsrechts erleiden, ein Anspruch auf umfassende Entschädigung gewährt wird;
2. begrüßt die von der Kommission vorgelegte Zusammenstellung von Vorschlägen in Bezug auf Verbandsklagen, die von qualifizierten Einrichtungen wie Verbraucherverbänden, staatlichen Stellen oder Berufsverbänden erhoben werden, zusammen mit der Möglichkeit von Opt-in-Verbandsklagen, die dazu beitragen sollten, eine Entschädigung der meisten Geschädigten zu gewährleisten; vertritt jedoch die Auffassung, dass Verbandsklagen, denen das Verdienst zukommt, für die Beklagten eine „ein für allemal geltende“ Regelung herbeizuführen und damit die Unsicherheit zu verringern, weiter geprüft werden sollten;
3. unterstützt die Auffassung, dass Verbandsklagen und Opt-in-Verbandsklagen sich dahingehend gegenseitig ergänzen sollten, dass sie ein eindeutiges Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Interessen von Einzelverbrauchern und denjenigen von Verbrauchergruppen herbeiführen;
4. unterstützt den Einsatz von Opt-in-Verbandsklagen, betont jedoch, dass gewährleistet werden muss, dass der Verbraucher stets frei muss entscheiden können, ob er sich einer Verbandsklage anschließt oder nicht, und zwar frei von jeder unerwünschten externen Einmischung in diese Entscheidung;
5. fordert die Kommission auf, hinsichtlich der Berechnung des Schadenersatzes zusätzliche Anleitungen auf Gemeinschaftsebene bereitzustellen; lehnt den so genannten Schadenersatz mit Strafwirkung ab, da ein gewährter Schadenersatz nicht höher ausfallen sollte als der tatsächlich erlittene Schaden;
6. vertritt die Auffassung, dass in Bezug auf Verbandsklagen zwei eindeutige Voraussetzungen erfüllt sein sollten, bevor solche Klagen eingereicht werden können:
a) eine geeignete nationale Zulassungsstelle, bei der es sich um einen nationalen Richter, einen Bürgerbeauftragten oder eine vergleichbare Stelle handeln könnte, sollte eine Art Feststellung oder Prüfung der Begründetheit und der Erfolgsaussichten eines Verfahrens durchführen;
b) im Vorfeld sollte gegenüber den Parteien angeregt oder empfohlen werden, eine Einigung mit Hilfe eines alternativen Streitbeilegungsverfahrens zu erzielen;
vertritt die Auffassung, dass keine dieser beiden Voraussetzungen zu einer ungerechtfertigten Verzögerung des Verfahrens oder zu Beeinträchtigungen für die Parteien führen sollte;
7. unterstützt die Auffassung, dass die Kosten von Rechtsverfahren Kläger nicht davon abhalten sollten, sorgfältig begründete Klagen zu erheben, und fordert deshalb die Mitgliedstaaten auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise die Zulässigkeit von Ausnahmeregelungen oder eine Begrenzung der Höhe der Gerichtskosten, um die Kosten in Verbindung mit Schadenersatzklagen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts zu reduzieren; vertritt jedoch die Auffassung, dass die Kommission sich eingehender mit der Frage befassen muss, wie solche Klagen von den Klägern genau finanziert werden könnten, und dass sie verschiedene Finanzierungsmodelle untersuchen muss, damit der Zugang zur Justiz gewährleistet wird;
8. vertritt die Auffassung, dass die Bestimmungen über den Zugang der Kläger zu Beweismitteln verstärkt werden sollten, damit sie die Möglichkeit bekommen, den erforderlichen Zugang zu Unterlagen von Wettbewerbsbehörden zu erhalten, um den Schadenersatz möglichst präzise ermitteln zu können, sofern dieser Zugang die Untersuchungen der Behörden nicht gefährdet;
9. vertritt die Auffassung, dass die Kommission im Hinblick auf beschleunigte außergerichtliche Schlichtungsverfahren und Kostensenkungen außergewöhnliche Beilegungsvereinbarungen fördern sollte;
10. unterstützt die vorgeschlagene Umkehrung der Beweislast zugunsten der indirekten Käufer aufgrund der Annahme, dass sie alle Mehrkosten tragen, die durch die betreffenden unlauteren Praktiken hervorgerufen werden;
11. vertritt die Auffassung, dass nach der Feststellung eines Verstoßes gegen Artikel 81 oder 82 EG-Vertrag das Verschuldenserfordernis bei den Geschädigten zu Schwierigkeiten führt und verhindert, dass sie einen angemessenen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten; unterstützt deshalb den Vorschlag, endgültigen Beschlüssen der einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden unionsweit bindende Wirkung zu verleihen;
12. fordert die Kommission auf, einen widerspruchsfreien Ansatz zwischen den Bestimmungen über Verbandsklagen in Bezug auf das Wettbewerbsrecht und den im allgemeinen Rahmen des Verbraucherschutzes vorgesehenen Bestimmungen anzunehmen.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
2.12.2008 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
19 1 14 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Gabriela Creţu, Mia De Vits, Janelly Fourtou, Evelyne Gebhardt, Martí Grau i Segú, Małgorzata Handzlik, Malcolm Harbour, Christopher Heaton-Harris, Anna Hedh, Edit Herczog, Eija-Riitta Korhola, Alexander Graf Lambsdorff, Lasse Lehtinen, Toine Manders, Catiuscia Marini, Arlene McCarthy, Catherine Neris, Bill Newton Dunn, Zita Pleštinská, Zuzana Roithová, Heide Rühle, Leopold Józef Rutowicz, Salvador Domingo Sanz Palacio, Christel Schaldemose, Andreas Schwab, Eva-Britt Svensson, Marianne Thyssen, Jacques Toubon, Barbara Weiler |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Emmanouil Angelakas, Wolfgang Bulfon, Brigitte Fouré, Joel Hasse Ferreira, Anja Weisgerber |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
Maddalena Calia |
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STELLUNGNAHME des Rechtsausschusses (22.1.2009)
für den Ausschuss für Wirtschaft und Währung
zum Weißbuch über Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts
(2008/2154(INI))
Verfasser der Stellungnahme: Francesco Enrico Speroni
VORSCHLÄGE
Der Rechtsausschuss ersucht den federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Währung, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. begrüßt, dass ein Weißbuch ausgearbeitet wurde, das auf Gemeinschaftsebene eine Lösung für die Gewährleistung des Zugangs zu Gerichten für Anspruchsberechtigte anbieten soll, womit allgemeinpolitische Ziele (in diesem Fall Gewährleistung eines breiteren Zugangs zu Gerichten durch Anwendung der Wettbewerbspolitik und Unterbindung von Missbrauch durch die Unternehmen) verfolgt, gleichzeitig jedoch auch fadenscheinige und unbedachte Rechtsstreitigkeiten vermieden werden sollen;
2. vertritt die Ansicht, dass alle Vorschläge zur Einführung von Mechanismen zur kollektiven Entschädigung wegen Verstößen gegen das EG-Wettbewerbsrecht
a) Opfern von Verstößen gegen diese Vorschriften den Ersatz der von ihnen erlittenen Schäden ermöglichen sollten;
b) neben bereits in einigen Mitgliedstaaten vorhandene alternative Rechtsschutzformen (vgl. etwa Verbandsklagen und sog. test cases) treten und sie nicht ersetzen sollten;
c) auf einem Schema beruhen sollten, das auch bei anderen vergleichbare Sachverhalte betreffenden Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich des Rechtsschutzes für Verbraucher zur Anwendung kommen kann; vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, dass die Kommission prüfen sollte, ob ein horizontaler Ansatz gewährt werden sollte, um Schadensersatzansprüche leichter durchsetzen zu können;
d) Bestimmungen zur Vermeidung jener negativen Folgen enthalten sollten, die diesbezüglich in anderen Rechtskontexten, insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika festgestellt wurden;
3. hält es für angebracht, dass alle Mechanismen für kollektive Schadenersatzklagen
a) jede als Bestrafung konzipierte Entschädigung oder jede Entschädigung ausschließen sollten, die unverhältnismäßig zu den tatsächlich erlittenen Schäden sind;
b) insbesondere im Fall kollektiver Klagen von der Art, wie sie von der Kommission angesprochen werden, und ohne die Verfahren ungebührlich zu verzögern, vorschreiben, dass Klagen einer Prüfung der Begründetheit durch eine geeignete nationale Zulassungsstelle (wie einen nationalen Richter, einen Bürgerbeauftragten oder eine vergleichbare Stelle) unterzogen werden, ehe sie eingereicht werden können;
c) insbesondere im Fall kollektiver Klagen von der Art, wie sie von der Kommission angesprochen werden, und ohne die Verfahren ungebührlich zu verzögern oder die Parteien zu benachteiligen, vorschreiben oder empfehlen, dass die Parteien versuchen, eine Beilegung durch alternative Streitbeilegungsverfahren zu erzielen, ehe eine Klage eingereicht wird;
d) weiterhin an dem Grundsatz festhalten, dass die Partei, die die Zuwiderhandlung rügt, den Vorwurf beweisen muss, um sog. „fishing expeditions“ zu vermeiden, sofern die Mitgliedstaaten nicht eine Beweiserleichterung vorsehen;
e) an dem Grundsatz festhalten, wonach die unterliegende Partei die Kosten trägt, sofern ein Mitgliedstaat nicht unterschiedliche Vorschriften für die Kostenzuweisung festgelegt hat;
f) diejenigen, die Parteien auf der Grundlage einer Streitanteilsvergütung vertreten, verpflichten, ihre Mandanten klar darüber aufzuklären, dass sie die Kosten tragen werden, wenn sie vor Gericht unterliegen, falls der Mitgliedstaat, in dem die Klage erhoben wird, die Möglichkeit von Streitanteilsvergütungsregelungen vorsieht;
g) eine spätere Teilnahme (opt-in) und Verbandsklagen, die von qualifizierten Einrichtungen erhoben werden, ermöglichen;
4. vertritt die Ansicht, dass das angerufene Gericht schon zu Beginn des Verfahrens mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden muss, damit es sich vorab zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit des Falles äußern kann; ist weiterhin der Ansicht, dass das Gericht im allgemeinen über weitreichende Befugnisse verfügen sollte, damit es das Verfahren flexibel führen und sich somit an die Umstände des jeweiligen Falles anpassen kann;
5. hält die Zulassung der Teilnahme von Verbraucherschutzverbänden oder von Vertretern von Verbraucherschutzorganisationen an kartellrechtlichen Verfahren, die von den dafür zuständigen Behörden eingeleitet wurden, für angemessen;
6. ist der Auffassung, dass die Gewährung eines Nachlasses auf die wegen eines Verstoßes fällige Geldbuße zu Gunsten des Unternehmens, das dafür den geschädigten Bürgern eine angemessene Abfindung bietet, diesen verfahrensrechtlich und materiell zum Vorteil gereichen könnte, wobei eine verbindlich vorgeschriebene Streitbeilegung kein Mittel sein darf, die Parteien von rechtlichen Schritten abzuhalten;
7. erwartet, dass vor jedem Legislativvorschlag eine unabhängige Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt wird.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
20.1.2009 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
21 0 0 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Carlo Casini, Bert Doorn, Monica Frassoni, Giuseppe Gargani, Neena Gill, Klaus-Heiner Lehne, Katalin Lévai, Antonio López-Istúriz White, Manuel Medina Ortega, Hartmut Nassauer, Aloyzas Sakalas, Eva-Riitta Siitonen, Francesco Enrico Speroni, Diana Wallis, Rainer Wieland, Jaroslav Zvěřina, Tadeusz Zwiefka |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Brian Crowley, Eva Lichtenberger, József Szájer, Jacques Toubon |
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ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
2.3.2009 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
27 0 0 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Mariela Velichkova Baeva, Paolo Bartolozzi, Zsolt László Becsey, Pervenche Berès, Sharon Bowles, Manuel António dos Santos, Elisa Ferreira, José Manuel García-Margallo y Marfil, Jean-Paul Gauzès, Donata Gottardi, Gunnar Hökmark, Karsten Friedrich Hoppenstedt, Sophia in ‘t Veld, Gay Mitchell, Sirpa Pietikäinen, John Purvis, Eoin Ryan, Antolín Sánchez Presedo, Olle Schmidt, Margarita Starkevičiūtė |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Mia De Vits, Harald Ettl, Werner Langen, Klaus-Heiner Lehne, Gianni Pittella |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2) |
Françoise Castex, Hans-Peter Mayer |
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