BERICHT über den Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten in Anschluss an seinen Empfehlungsentwurf an die Europäische Kommission in der Beschwerdesache 185/2005/ELB

2.4.2009 - (2009/2016(INI))

Petitionsausschuss
Berichterstatter: Miguel Angel Martínez Martínez

Verfahren : 2009/2016(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A6-0201/2009
Eingereichte Texte :
A6-0201/2009
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu dem Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten in Anschluss an seinen Empfehlungsentwurf an die Europäische Kommission in der Beschwerdesache 185/2005/ELB

(2009/2016(INI))

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Sonderberichts des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament,

–   gestützt auf Artikel 195 Absatz 1 Unterabsatz 2 des EG-Vertrags,

–   gestützt auf den Beschluss 94/262/EGKS, EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten[1], insbesondere dessen Artikel 3 Absatz 7,

–   unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere deren Artikel 21,

–   in Kenntnis des Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis, insbesondere dessen Artikel 5 Absatz 3,

–   gestützt auf Artikel 195 Absatz 2 erster Satz seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Petitionsausschusses (A6‑0201/2009),

A. in der Erwägung, dass laut dem Gerichtshof der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters, der in Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist,

B.  in der Erwägung, dass eine Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters eine Diskriminierung aus diesen Gründen darstellt, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind,

C. in der Erwägung, dass die Kommission nach Auffassung des Bürgerbeauftragten es versäumt hat, ihre Behandlung von freiberuflichen Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, angemessen zu begründen, und dass sie auch weiterhin an ihrer derzeitigen Politik betreffend die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern festhält,

D. in der Erwägung, dass dies nach Ansicht des Bürgerbeauftragten einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstellt,

E.  in der Erwägung, dass das Parlament als das einzige gewählte Organ der Union dafür zuständig ist, die Unabhängigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten bei der Wahrnehmung seiner Pflichten gegenüber den europäischen Bürgern zu wahren und zu schützen und die Umsetzung seiner Empfehlungen zu überwachen,

1.  schließt sich den kritischen Anmerkungen des Europäischen Bürgerbeauftragten und seiner Empfehlung in Bezug auf die Politik der Kommission bei der Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, an;

2.  fordert die Kommission auf, ihre derzeitige Politik, die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, effektiv zu verbieten, zu ändern; ist jedoch nicht der Auffassung, dass angesichts des Sachverhaltes dieses Beschwerdefalls eine Entschädigung angezeigt ist;

3.  verweist darauf, dass das Parlament nach Erhalt eines ähnlichen Empfehlungsentwurfs von Seiten des Bürgerbeauftragten sofort gehandelt und seine Vorgehensweise in Bezug auf die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, geändert und die anwendbaren Bestimmungen so ausgelegt hat, dass sie nicht zu einer Diskriminierung führen;

4.  ist der Auffassung, dass eine Änderung der anwendbaren Bestimmungen und eine Beseitigung der altersbedingten Diskriminierung aus dem Einstellungsprozess ein Europäisches Organ nicht verpflichtet, Aushilfskonferenzdolmetscher, die über 65 Jahre alt sind, einzustellen, aber, sofern eine solche Änderung durchgesetzt würde, die Regelung der Kommission in Einklang mit einem allgemeinen Grundsatz des EU-Rechts bringen würde; ist ferner der Auffassung, dass dies in Anbetracht des Mangels an Dolmetschern in bestimmten Amtssprachen die Fähigkeit des Organs stärken würde, die bestmögliche Dienstleistung zu gewährleisten, wie dies im Parlament unter Beweis gestellt wurde;

5.  fordert die Kommission auf, mit dem Parlament bei der Überarbeitung der anwendbaren Vorschriften für die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern und sonstigen Bediensteten zusammen zu arbeiten, um zu gewährleisten, dass jegliche Diskriminierung vermieden wird;

6.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Europäischen Bürgerbeauftragten zu übermitteln.

  • [1]  ABl. L 113 vom 4.5.1994, S. 15.

BEGRÜNDUNG

Am 16. Januar 2005 reichte der Beschwerdeführer in der Beschwerdesache 186/2005/ELB eine Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten ein.

Der Beschwerdeführer war mehr als 35 Jahre lang als freiberuflicher Aushilfskonferenzdolmetscher tätig und übersetzte in die französische Sprache aus dem Niederländischen, Englischen, Deutschen, Italienischen und Spanischen. Freiberufliche Dolmetscher werden für spezielle Konferenzen und Sitzungen eingestellt.

Im Jahre 2004, als er 65 wurde, erhielt er von den beiden EU-Institutionen keine Angebote mehr. Er wandte sich an den Bürgerbeauftragten mit der Beschwerde, er werde diskriminiert. Der Bürgerbeauftragte leitete eine Untersuchung ein.

Die Kommission bestätigte, dass sie freiberufliche Konferenzdolmetscher, die über 65 Jahre alt sind, anders behandelt, da sie neuen, jungen Dolmetschern Möglichkeiten bieten müsse. Dies überzeugte den Bürgerbeauftragten nicht. Er räumte ein, dass eine Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters zuweilen unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein mag, zum Beispiel wenn bei bestimmten Sprachen ein Mangel an Dolmetschern besteht. In diesem Falle sei daher ein vollständiges Arbeitsverbot für Dolmetscher, die über 65 Jahre alt sind, unverhältnismäßig und kontraproduktiv in Bezug auf eine gute Verwaltungspraxis.

Gemäß Artikel 21 der Charta der Grundrechte sind Diskriminierungen aus verschiedenen Gründen, z.B. wegen des Alters, verboten. Ferner ist laut dem Europäischen Gerichtshof der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters gemäß Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[1] als ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen. Gemäß dem Grundsatz des Verbots der Diskriminierung darf die Kommission Bürger wegen ihres Alters nicht unterschiedlich behandeln, sofern sie nicht nachweist, dass diese Behandlung objektiv gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Die Kommission hat die Einschätzung des Bürgerbeauftragten zurückgewiesen, sie betreibe Diskriminierung, und es somit abgelehnt, seine Empfehlungen umzusetzen. Der Bürgerbeauftragte blieb bei der Auffassung, dass die Kommission es versäumt habe, ihr Verbot der Einstellung von Dolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, angemessen zu begründen. Dies stelle einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar. Infolge dessen richtete der Bürgerbeauftragte den Entwurf einer Empfehlung an die Kommission.

In einer ähnlichen Untersuchung zu den Gepflogenheiten des Europäischen Parlaments in Bezug auf die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, richtete der Bürgerbeauftragte eine ähnliche Empfehlung an das Parlament, das dessen Standpunkt akzeptierte und seine Vorgehensweise in Bezug auf die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, änderte. Es stützt nun seine Einstellungspolitik lediglich auf die berufliche Fähigkeit von Dolmetschern und die dienstlichen Erfordernisse. Es ist zu beachten, dass eine Änderung der Bestimmungen für die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, in diesem Sinne nicht bedeutet, dass die Organe verpflichtet sind, solche Aushilfskonferenzdolmetscher einzustellen, dass sie aber vorgenommen werden sollte, um jede Form von Diskriminierung aus dem Einstellungsverfahren zu entfernen, einen allgemeinen Grundsatz des EU-Rechts umzusetzen und den bestmöglichen Dolmetschdienst in allen Amtssprachen der EU zu gewährleisten.

Die Kommission ist weiterhin nicht der Auffassung des Bürgerbeauftragten, sie habe gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoßen, als sie Aushilfskonferenzdolmetscher, die über 65 Jahre alt sind, nicht beschäftigte. Sie verwies darauf, dass gemäß Artikel 119 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften[2] die Beschäftigung von Vertragsbediensteten endet, wenn der Bedienstete das Alter von 65 Jahren erreicht. Unter diesen Umständen, so die Kommission, und aus rein rechtlichen Gründen könne sie ihre Einstellungspolitik nicht ändern.

Da die Kommission auf die Bemühungen des Bürgerbeauftragten nicht positiv reagierte, bekräftigte der Bürgerbeauftragte seine Empfehlung an die Kommission wie folgt:

„Die Kommission könnte ihre derzeitige Politik, ein Verbot für die Einstellung von Aushilfskonferenzdolmetschern, die über 65 Jahre alt sind, zu verhängen, ändern und den Beschwerdeführer für die ihm aufgrund der Anwendung dieser Politik in seinem Falle entstandenen Verluste entschädigen.“

Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten wirft dieser Fall eine bedeutsame Grundsatzfrage auf. Nach seiner Auffassung verstößt die Kommission gegen den Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters, indem sie ein absolutes Einstellungsverbot für freiberufliche Aushilfskonferenzdolmetscher, die über 65 Jahre alt sind, verhängt. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar, dessen Bedeutung die Vorlage eines Sonderberichts beim Europäischen Parlament rechtfertigt.

  • [1]  Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.
  • [2]  Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

31.3.2009

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

16

0

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Sir Robert Atkins, Victor Boştinaru, Michael Cashman, Proinsias De Rossa, Carlos José Iturgaiz Angulo, Marcin Libicki, Miguel Angel Martínez Martínez, Manolis Mavrommatis, Mairead McGuinness, Willy Meyer Pleite, Diana Wallis, Rainer Wieland

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Margie Sudre, Tatjana Ždanoka

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 178 Abs. 2)

Elspeth Attwooll, Ian Hudghton