BERICHT über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über eine Makrofinanzhilfe für Georgien
13.11.2009 - (KOM(2009)0523 – C7‑0269/2009 – 2009/0147(CNS)) - *
Ausschuss für internationalen Handel
Berichterstatter: Vital Moreira
(Vereinfachtes Verfahren – Artikel 46 Absatz 1 der Geschäftsordnung)
ENTWURF EINER LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über eine Makrofinanzhilfe für Georgien
(KOM(2009)0523 – C7‑0269/2009 – 2009/0147(CNS))
(Verfahren der Konsultation)
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Vorschlags der Kommission an den Rat (KOM(2009)0523),
– gestützt auf Artikel 308 des EG-Vertrags, gemäß dem es vom Rat konsultiert wurde (C7‑0269/2009),
– unter Hinweis auf den Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zum Konflikt in Georgien vom September 2009 (Bericht Tagliavini),
– gestützt auf Artikel 55 und Artikel 46 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für internationalen Handel (A7‑0060/2009),
1. billigt den Vorschlag der Kommission;
2. fordert den Rat auf, es zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;
3. fordert den Rat auf, es erneut zu konsultieren, falls er beabsichtigt, den Vorschlag der Kommission entscheidend zu ändern;
4. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
BEGRÜNDUNG
1. Ziele des Vorschlags
Die Kommission schlägt vor, Georgien eine Makrofinanzhilfe in Höhe von maximal 46 Mio. EUR in Form von Zuschüssen zu gewähren. Die Finanzhilfe soll zur Finanzierung des öffentlichen Haushaltsdefizits verwendet und in zwei Tranchen ausgezahlt werden (die erste Tranche vor Ende 2009 und die zweite Anfang 2010). Mit ihr soll ein Beitrag zur Deckung des vom Internationalen Währungsfonds ermittelten verbleibenden Außenfinanzierungsbedarfs Georgiens in den Jahren 2009–2010 geleistet werden. Die Mittel sollen direkt dem georgischen Staatshaushalt zufließen, um den dringenden Haushaltsbedarf decken zu helfen.
2. Hintergrund
Georgien ist seit dem Ausbruch des militärischen Konflikts mit Russland im August 2008, der mit direkten und indirekten Schäden einherging und überdies zu einer großen Anzahl Binnenflüchtlinge geführt hat, von einer schweren Rezession betroffen. Darüber hinaus hatte die weltweite Finanzkrise, die im Herbst 2008 ausbrach, eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Georgiens zur Folge. Mit der vorgeschlagenen Hilfe soll der Wiederaufbau Georgiens nach dem bewaffneten Konflikt mit Russland unterstützt und außerdem ein Beitrag dazu geleistet werden, die Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise in Georgien abzufedern.
Die vorgeschlagene Makrofinanzhilfe soll parallel zu der mit dem IWF geschlossenen und im September 2008 gebilligten Bereitschaftskreditvereinbarung durchgeführt werden. Die Zahlungen der EG sind an die Inanspruchnahme der IWF-Mittel gekoppelt und stehen damit in direktem Zusammenhang mit der Umsetzung der vereinbarten makroökonomischen und strukturellen Maßnahmen durch den Empfänger und mit dem Tempo der wirtschaftlichen Erholung.
Auf der Geberkonferenz am 22. Oktober 2008 in Brüssel wurden Georgien von den Mitgliedstaaten und anderen bilateralen Gebern und multilateralen Kreditgebern Hilfszahlungen in beträchtlicher Höhe zugesagt, darunter bis zu 500 Mio. Euro von der EG. Zu den Finanzierungsquellen der EG gehören sowohl die programmgemäßen Mittel aus dem Budget des Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstruments (ENPI) als auch Kriseninstrumente, beispielsweise das Instrument für Stabilität, humanitäre Hilfe und eine Makrofinanzhilfe. Die Makrofinanzhilfe ergänzt andere Unterstützungsinstrumente, denn sie leistet Georgien kurzfristig makroökonomische Unterstützung im Kontext des vom IWF gestützten Wirtschaftsprogramms, während die Haushaltsunterstützung im Rahmen des ENPI zwar auch zur Deckung des Finanzierungsbedarfs Georgiens beiträgt, aber an spezifische sektorale Reformen geknüpft ist.
Während der ersten Überprüfung der Bereitschaftskreditvereinbarung (Dezember 2008) beschlossen die georgischen Behörden dennoch, die zweite im Rahmen der Bereitschaftskreditvereinbarung vom IWF bereitgestellte Tranche nicht abzurufen (aufgrund der recht guten Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen im Jahr 2009 und der Befürchtung, das Vertrauen der Investoren in ihr Land zu beschädigen). Die Kommission verschob deshalb die Vorlage des endgültigen Vorschlags für die Gewährung einer Makrofinanzhilfe auf einen späteren Zeitpunkt, da sie nur in Ergänzung zu IWF-Mitteln gewährt werden darf.
Allerdings verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation Georgiens in der Folgezeit erneut, und die georgischen Behörden beschlossen, mögliche Außenfinanzierungsquellen in Anspruch zu nehmen. In Anbetracht der zweiten und dritten Überprüfung der Bereitschaftskreditvereinbarung (im März bzw. August 2009) und der Tatsache, dass ein Großteil der von den Gebern in Aussicht gestellten Hilfen noch einer Bestätigung oder Terminierung bedarf, bestätigte die Kommission, dass die auf der Geberkonferenz zugesagte Makrofinanzhilfe gewährt wird, um Georgien bei der Deckung seines Finanzierungsbedarfs behilflich zu sein.
3. Terminliche Zwänge
Dieser Vorschlag für eine Makrofinanzhilfe wurde dem Parlament (wie alle vorherigen derartigen Vorschläge) gemäß Artikel 308 des EG-Vertrags, also nach dem Verfahren der Konsultation, vorgelegt. Zwar ist für die Stellungnahme des Parlaments in diesem Artikel keine Frist vorgesehen, aber das Parlament ist bislang stets sehr zügig tätig geworden, wenn es darum ging, Makrofinanzhilfen zu gewähren.
Der vorliegende Vorschlag wurde am 16. Oktober 2009 von der Kommission angenommen (und dem Parlament am 20. Oktober 2009 übermittelt). Da jedoch die Auszahlung der ersten Tranche bereits vor Ende 2009 vorgesehen ist, muss der Rat seinen Beschluss auch noch vor Ende 2009 und das Parlament seine Stellungnahme dementsprechend zu einem noch früheren Zeitpunkt annehmen (die Kommission hat informell zu verstehen gegeben, dass die Stellungnahme in der Plenartagung vom 23. bis 26. November 2009 angenommen werden sollte). Mithin wurden dem Parlament faktisch weniger als anderthalb Monate für die Annahme seines Standpunkts eingeräumt (während der Rat das Parlament in dem Zeitraum, in dem dieser Entwurf eines Berichts vom Berichterstatter fertiggestellt wird, noch nicht einmal offiziell konsultiert hat), und das ist im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens schlichtweg inakzeptabel. Selbst wenn beispielsweise ein von der Kommission vorgelegter Entwurf von Durchführungsmaßnahmen in einem Regelungsverfahren mit Kontrolle zurückgewiesen wird, steht dem Parlament eine Frist von mindestens drei Monaten[1] zu. Dies zeigt, dass der Respekt gegenüber dem Parlament als gesetzgebendem Organ vollständig fehlt, denn in Bezug auf die Befugnisse der Organe kann es keine Begründung für Ausnahmen geben. Selbst wenn die Vorbereitung derartiger Vorschläge nicht allein von der Kommission abhängt, war ihr doch sehr wohl bekannt, dass die erste Tranche bereits 2009 ausgezahlt werden sollte und der entsprechende Beschluss folglich mit ausreichendem Vorlauf vor dem Jahresende angenommen werden müsste.
Wird der Beschluss bis Ende 2009 jedoch nicht angenommen, können die EG-Mittel in diesem Haushaltsjahr nicht an Georgien überwiesen werden. Angesichts der Umstände und der strategischen Bedeutung Georgiens für die EU im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) und der neu begründeten Östlichen Partnerschaft sollte alles daran gesetzt werden, dem Anliegen der Kommission fristgerecht nachzukommen. Es sei jedoch nochmals betont, dass dies nicht bedeutet, dass das Parlament die durch den verspätet übermittelten Vorschlag der Kommission erzwungene Frist ohne weiteres akzeptiert, sondern die Fristsetzung unter diesen außergewöhnlichen Umständen lediglich duldet.
4. Gründe für die Nichteinreichung von Änderungsanträgen
Der Berichterstatter hat bislang keine Änderungsanträge zu dem Vorschlag eingereicht, und zwar nicht etwa, weil der Vorschlag für einen Beschluss perfekt wäre, sondern weil die Lage äußerst schwierig ist.
Erstens dürfte es aus Verfahrensgründen unmöglich sein, bei dem gegenwärtigen Zeitplan einen Bericht mit Änderungen anzunehmen, was wiederum bedeuten würde, dass dem georgischen Haushalt im Jahr 2009 keine Mittel zufließen.
Zweitens bedeuten diese „verfahrensbedingten Umstände“ nicht, dass ein vollständiges Einverständnis mit dem Vorschlag vorläge. Beispielsweise kann der Feststellung, „der EG-Vertrag sieht für den Erlass dieses Beschlusses nur die in Artikel 308 genannten Befugnisse vor“ (Erwägung 10), nicht zugestimmt werden. Der Grund für die Bezugnahme auf Artikel 308 anstelle von Artikel 181 a liegt nicht in dem Vertrag, sondern ist der dem Vertrag von Nizza beigefügten Erklärung Nr. 10 geschuldet, in der es heißt, dass „Zahlungsbilanzhilfen für Drittländer nicht unter Artikel 181 a fallen“. Das Parlament hat Artikel 308 bereits 2003[2] als unangemessen bezeichnet und seinem Bedauern über den Beschluss Ausdruck verliehen, dem Vertrag von Nizza eine solche Erklärung hinzuzufügen.
Außerdem ist der Vorschlag sehr allgemein, und die meisten Einzelheiten sollen in dem Memorandum of Understanding geregelt werden. Zugleich könnte der Vorschlag nach Ansicht des Berichterstatters jedoch durch mehrere Änderungen in puncto Klarheit, Transparenz und Rechenschaftspflicht verbessert werden (im Hinblick auf die damit verknüpften Bedingungen, auf die Forderung nach einer Hinzuziehung externer Rechnungsprüfer für eine unabhängige Bewertung, auf die spezifischen Anforderungen an die georgische Regierung usw.). Beispielsweise könnte als Bedingung genannt werden, dass die unabhängige Ex-post-Bewertung der Georgien gemäß dem Beschluss 2006/41/EG des Rates vom 24. Januar 2006 gewährten Makrofinanzhilfe abgeschlossen sein sollte, bevor die Laufzeit der neuen Finanzhilfe nach dem vorliegenden Vorschlag beginnt. Insbesondere mit Blick auf den Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission zum Konflikt in Georgien[3] vom September 2009 (Bericht Tagliavini) hegt der Berichterstatter Bedenken angesichts der Tatsache, dass die EU einerseits Finanzhilfe leistet und andererseits gemutmaßt wird, Georgien habe seinen Verteidigungshaushalt im Jahr 2008 erhöht. Allerdings ist infolge des militärischen Konflikts zwischen Russland und Georgien aus dem Jahr 2008 der Bedarf an Unterstützung gemäß den Prioritäten des Aktionsplans im Rahmen der ENP weiter gestiegen, und das bedeutet nicht nur Unterstützung für die makrofinanzielle Stabilisierung, den wirtschaftlichen Wiederaufbau und Wiederherstellungsmaßnahmen, sondern auch Unterstützung für die Wiederansiedlung von Binnenflüchtlingen, die demokratische Entwicklung, die friedliche Beilegung der internen Konflikte Georgiens usw. Deshalb braucht Georgien unsere Unterstützung, doch es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Kommission in dem Memorandum of Understanding und der Zuschussvereinbarung durch die Festlegung entsprechender Bedingungen gewährleistet, dass die Hilfe wirklich für den beabsichtigten Zweck und nicht für militärische Zwecke eingesetzt wird.
Drittens muss nochmals gesagt werden, dass sich der Berichterstatter schlechterdings in sehr kurzer Zeit mit dem vorliegenden Vorschlag befassen musste.
Der Berichterstatter teilt voll und ganz die Ansicht, dass Georgien eine außerordentliche Makrofinanzhilfe gewährt werden muss, stand jedoch vor einer schwierigen Entscheidung. Sollte die Empfehlung lauten, die Stellungnahme des Parlaments im Interesse eines Landes, das bereits so sehr gelitten hat, so schnell wie möglich anzunehmen? Oder sollte auf die institutionellen Befugnisse des Parlaments gepocht und der inakzeptable Zeitplan für die Annahme eines Legislativvorschlags zurückgewiesen werden, wodurch Georgien faktisch um die Hilfe gebracht würde, derer es dringend bedarf und auf die es schon sehr lange wartet.
Aus den genannten Gründen wird vorgeschlagen, den Vorschlag ohne Änderungen anzunehmen. Allerdings behält sich der Berichterstatter das Recht vor, nach der Prüfung des Vorschlags im Ausschuss und der Aussprache mit dem Rat und der Kommission Änderungsanträge einzureichen.
5. Aufgaben des Parlaments bei der Gewährung einer Makrofinanzhilfe
In Übereinstimmung mit früheren Entschließungen des Europäischen Parlaments soll betont werden, dass ein derart wichtiges Instrument wie die Makrofinanzhilfe nicht einfach als „außerordentlich“ betrachtet werden kann. Es kann daher nicht angehen, dass solch ein Instrument keine ordnungsgemäße Rechtsgrundlage hat und weiterhin stets auf einer Ad-hoc-Entscheidung des Rates beruht. Notwendig ist vielmehr, eine im Verfahren der Mitentscheidung zu beschließende Rahmenverordnung über die Makrofinanzhilfe, um Transparenz, Rechenschaftspflicht, Überwachung und Berichterstattung zu verbessern. Im Übrigen bilden nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Artikel 209 Absatz 1 bzw. Artikel 212 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die anwendbare Rechtsgrundlage für eine Entscheidung über die Gewährung einer Makrofinanzhilfe, je nachdem, ob das Empfängerland von den Organen der Europäischen Union als Entwicklungsland eingestuft wird oder nicht. In beiden Fällen gilt das ordentliche Gesetzgebungsverfahren. Artikel 213 des AEUV sollte auf Entscheidungen über die Gewährung einer Makrofinanzhilfe keine Anwendung finden.
Überdies sollte die Rolle des Parlaments gestärkt werden. Insbesondere sollte die Kommission ihre Berichterstattung an das Parlament über die tatsächliche Umsetzung dieser Finanzhilfe verbessern und dem Parlament – zusätzlich zu dem in Artikel 5 des Vorschlags vorgesehenen Jahresbericht – einen Ex-post-Bewertungsbericht vorlegen.
6. Zusagen des Rates und der Kommission
Selbst wenn der Ausschuss den Vorschlag für eine Makrofinanzhilfe ohne Änderungen annehmen sollte, werden der Rat und die Kommission aufgefordert, den oben genannten Bedenken in Form von Erklärungen gegenüber dem Parlament Rechnung zu tragen.
- [1] Artikel 5a Absatz 3 Buchstabe c des Beschlusses 1999/468/EG des Rates.
- [2] P5_TA(2003)0233.
- [3] http://www.ceiig.ch/Report.html
VERFAHREN
Titel |
Makrofinanzhilfe für Georgien |
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Bezugsdokumente – Verfahrensnummer |
KOM(2009)0523 – C7-0269/2009 – 2009/0147(CNS) |
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Datum der Konsultation des EP |
30.10.2009 |
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Federführender Ausschuss Datum der Bekanntgabe im Plenum |
INTA |
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Mitberatende(r) Ausschuss/Ausschüsse Datum der Bekanntgabe im Plenum |
AFET |
BUDG |
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Nicht abgegebene Stellungnahme(n) Datum des Beschlusses |
AFET 21.10.2009 |
BUDG 21.10.2009 |
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Berichterstatter(-in/-innen) Datum der Benennung |
Vital Moreira 29.9.2009 |
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Vereinfachtes Verfahren – Datum des Beschlusses |
10.11.2009 |
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Prüfung im Ausschuss |
10.11.2009 |
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Datum der Annahme |
10.11.2009 |
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Datum der Einreichung |
13.11.2009 |
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