BERICHT über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank
21.5.2010 - (05551/2010 – C7‑0014/2010 – 2009/0141(CNS)) - *
Ausschuss für Wirtschaft und Währung
Berichterstatter: Ramon Tremosa i Balcells
ENTWURF EINER LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank
(05551/2010 – C7‑0014/2010 – 2009/0141(CNS))
(Besonderes Legislativverfahren – Konsultation)
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis des Vorschlags der Kommission an den Rat (KOM(2009)0500),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Parlament und den Rat mit dem Titel „Auswirkungen des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon auf die laufenden interinstitutionellen Beschlussfassungsverfahren“ (KOM(2009)0665),
– in Kenntnis des Vorschlags für eine Verordnung des Rates (05551/2010),
– gestützt auf Artikel 127 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat konsultiert wurde (C7‑0014/2010),
– gestützt auf Artikel 55 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A7‑0167/2010),
1. billigt den Vorschlag für eine Verordnung des Rates in der geänderten Fassung;
2. fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag gemäß Artikel 293 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union entsprechend zu ändern;
3. fordert den Rat auf, es zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;
4. fordert den Rat auf, es erneut zu konsultieren, falls er beabsichtigt, den Vorschlag entscheidend zu ändern;
5. beauftragt seinen Präsidenten, dem Rat, der Kommission und den nationalen Parlamenten den Standpunkt des Parlaments zu übermitteln.
Änderungsantrag 1 Vorschlag für eine Verordnung Erwägung 1 a (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Geänderter Text |
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(1a) Schon lange vor der Finanzkrise hat sich das Europäische Parlament regelmäßig für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle auf der Ebene der Union tätigen Akteure ausgesprochen und auf deutliche Schwachstellen in der Aufsicht der Union über die immer stärker zusammenwachsenden Finanzmärkte hingewiesen (in seinen Entschließungen vom 13. April 2000 zu der Mitteilung der Kommission „Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“1, vom 25. November 2002 zu den aufsichtsrechtlichen Vorschriften in der Europäischen Union2, vom 11. Juli 2007 zu der Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005-2010 – Weißbuch3, vom 23. September 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zu Hedge-Fonds und Private Equity4, vom 9. Oktober 2008 mit Empfehlungen an die Kommission zu Lamfalussy-Folgemaßnahmen: künftige Aufsichtsstruktur5, vom 22. April 2009 zu dem geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit - Solvabilität II6, und vom 23. April 2009 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen7). |
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___________ 1 ABl. C 40 vom 7.2.2001, S. 453. 2 ABl. C 25 E vom 29.1.2004, S. 394. 3 ABl. C 175 E vom 10.7.2008, S. xx. 4 ABl. C 8 E vom 14.1.2010, S. 26. 5 ABl. C 9 E vom 15.1.2010, S. 48. 6 Angenommene Texte, P6_TA(2009)0251. 7 Angenommene Texte, P6_TA(2009)0279. |
Änderungsantrag 2 Vorschlag für eine Verordnung Erwägung 8 a | |
Vorschlag des Rates |
Geänderter Text |
(8a) Die in dieser Verordnung festgelegten Maßnahmen für die Erhebung von Informationen sind für die Erfüllung der Aufgaben des ESRB notwendig und sollten den Rechtsrahmen des Europäischen Statistischen Systems (ESS) und des Europäischen Zentralbanksystems (ESZB) im Bereich der Statistik unberührt lassen. Daher sollte diese Verordnung die Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäische Statistiken und die Verordnung (EG) Nr. 2533/98 des Rates vom 23. November 1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank unberührt lassen. |
(8a) Der EZB sollte die Aufgabe übertragen werden, dem ESRB statistische Unterstützung zu leisten. Die Erhebung und Verarbeitung von Informationen entsprechend dieser Verordnung, die für die Wahrnehmung der Aufgaben des ESRB notwendig sind, sollten daher gemäß Artikel 5 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und der EZB und gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2533/98 des Rates vom 23. November 1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank1 erfolgen. Dementsprechend sollten vertrauliche statistische Informationen, die von der EZB oder dem ESZB gesammelt werden, mit dem ESRB geteilt werden. |
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______ 1ABl. L 318 vom 27.11.1998, S. 8. |
Änderungsantrag 3 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 a (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1a. Der Präsident der Europäischen Zentralbank ist der Vorsitzende des ESRB. Seine/ihre Amtszeit entspricht seiner bzw. ihrer Amtszeit als Präsident/in der EZB. |
Änderungsantrag 4 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 b (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1b. Der erste stellvertretende Vorsitzende wird von den Mitgliedern des Verwaltungsrats der EZB für die gleiche Amtszeit, in die seine Mitgliedschaft im Verwaltungsrat fällt, und unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Vertretung der Mitgliedstaaten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Euro-Zone gewählt. Wiederwahl ist zulässig. |
Änderungsantrag 5 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 c (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1c. Der zweite stellvertretende Vorsitzende ist der Vorsitzende des Gemeinsamen Ausschusses der Europäischen Aufsichtsbehörden (nachstehend „Gemeinsamer Ausschuss“), der nach Artikel 40 der Verordnung (EU) Nr. …/2010 [ESMA], von Artikel (EU) Nr. …/2010 [EIOPA] und der Verordnung (EU) Nr. …/2010 [EBA] eingerichtet wird. |
Änderungsantrag 6 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 d (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1d. Vor der Amtsübernahme erläutern der Vorsitzende und der erste stellvertretende Vorsitzende des ESRB dem Europäischen Parlament in einer öffentlichen Anhörung, wie sie ihre Aufgaben gemäß dieser Verordnung wahrnehmen wollen. Der zweite stellvertretende Vorsitzende wird vom Europäischen Parlament als Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses angehört. |
Änderungsantrag 7 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 e (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1e. Der Vorsitzende führt den Vorsitz in den Sitzungen des Verwaltungsrates und des Lenkungsausschusses. |
Änderungsantrag 8 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 f (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1f. Ist der Vorsitzende verhindert, führen die stellvertretenden Vorsitzenden entsprechend der Rangfolge den Vorsitz im Verwaltungsrat bzw. im Lenkungsausschuss. |
Änderungsantrag 9 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 g (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1g. Können die stellvertretenden Vorsitzenden ihre Aufgaben nicht wahrnehmen, so werden gemäß Absatz 1 Buchstaben b und c neue stellvertretende Vorsitzende gewählt. |
Änderungsantrag 10 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 h (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1h. Der Vorsitzende vertritt den ESRB nach außen. |
Änderungsantrag 11 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 1 – Absatz 1 i (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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1i. Der Vorsitzende wird zu einer jährlich stattfindenden Anhörung im Europäischen Parlament eingeladen, die anlässlich der Veröffentlichung des jährlich erscheinenden Berichts des ESRB in einem anderen Kontext als dem währungspolitischen Dialog zwischen dem Europäischen Parlament und dem Präsidenten der EZB stattfindet. |
Änderungsantrag 12 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 2 – Einleitung | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
Die Europäische Zentralbank stellt ein Sekretariat und leistet dem ESRB dadurch analytische, statistische, logistische und administrative Unterstützung. Dessen Auftrag im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung XXXX umfasst insbesondere folgende Aufgaben: |
Die EZB stellt ein Sekretariat und leistet dem ESRB dadurch analytische, statistische, logistische und administrative Unterstützung. Das Sekretariat bezieht auch fachliche Auskünfte von der Europäischen Aufsichtsbehörde, den nationalen Zentralbanken und den nationalen Aufsichtsbehörden. Es ist ebenfalls für sämtliche Personalfragen zuständig. Sein in Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. …/2010 [ESRB] genannter Auftrag umfasst insbesondere folgende Aufgaben: |
Änderungsantrag 13 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 2 – Buchstabe e | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
(e) die Unterstützung der Arbeit des Verwaltungsrats, des Lenkungsausschusses und des Beratenden Fachausschusses. |
(e) die Unterstützung der Arbeit des Verwaltungsrats, des Lenkungsausschusses und des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses. |
Änderungsantrag 14 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 2 – Buchstabe e a (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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(ea) die Bereitstellung von Informationen für die Europäischen Aufsichtsbehörden, wenn solche angefordert werden. |
Änderungsantrag 15 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 3 – Absatz 1 | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
1. Die EZB stellt ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen für die Erfüllung ihrer Aufgaben als Sekretariat. |
1. Die EZB sorgt für ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen für die Erfüllung der Aufgaben des Sekretariats sowie für hochqualifiziertes Personal und entspricht damit weitgehend dem breiten Aufgabenbereich des ESRB und der Zusammensetzung des Verwaltungsrates. Die EZB sorgt für eine angemessene Finanzierung des Sekretariats aus eigenen ihren Mitteln. |
Änderungsantrag 16 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 3 – Absatz 2 | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
(2) Der Leiter des Sekretariats wird nach Anhörung des Verwaltungsrats des ESRB von der EZB bestellt. |
(2) Der Leiter des Sekretariats wird auf Vorschlag des Verwaltungsrats des ESRB von der EZB bestellt |
Änderungsantrag 17 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 3 – Absatz 2 a (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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2a. Kein Mitglied des Sekretariats darf gemäß Artikel 8 der Verordnung (EU) …/... [ESRB] und entsprechend den Zielvorgaben von Artikel 6 dieser Verordnung Informationen preisgeben, die unter das Berufsgeheimnis fallen, auch nicht nach Beendigung seines Dienstverhältnisses. |
Änderungsantrag 18 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 4 – Absatz 2 | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
2. Der Leiter des Sekretariats oder sein Vertreter nimmt an den Sitzungen des Verwaltungsrats, des Lenkungsausschusses und des Beratenden Fachausschusses des ESRB teil. |
2. Der Leiter des Sekretariats oder sein Vertreter nimmt an den Sitzungen des Verwaltungsrats, des Lenkungsausschusses und des Beratenden Wissenschaftlichen Ausschusses des ESRB teil. |
Änderungsantrag 19 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 5 – Absatz 2 a (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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2a. Das Sekretariat kann für die Aufgaben des ESRB relevante Einzelinformationen und Informationen in allgemeiner oder zusammengefasster Form über Finanzinstitute und -märkte von der Europäischen Aufsichtsbehörde und in den in Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. …/... [ESRB] genannten Fällen von den nationalen Aufsichtsbehörden, den nationalen Zentralbanken, sonstigen Behörden der Mitgliedstaaten oder – auf der Grundlage eines begründeten Antrags – direkt von den Finanzinstituten anfordern. |
Änderungsantrag 20 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 5 – Absatz 2 b (neu) | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
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2b. Die Informationen gemäß Absatz 2 können aggregierte Daten und Einzeldaten des Europäischen Wirtschaftsraums, der Union, des Euroraums und der Mitgliedstaaten umfassen. Daten aus den Mitgliedstaaten werden nur auf der Grundlage eines begründeten Antrags eingeholt. Bevor Daten angefordert werden, berücksichtigt das Sekretariat zunächst sowohl die vom Europäischen Statistischen System als auch vom ESRB erstellten, verbreiteten und fortgeführten Statistiken und konsultiert dann die entsprechende Europäische Finanzaufsichtsbehörde, um die Verhältnismäßigkeit der Anforderung sicherzustellen. |
Änderungsantrag 21 Vorschlag für eine Verordnung Artikel 7 | |
Vorschlag des Rates |
Vorschlag des Rates |
Der Rat überprüft diese Verordnung drei Jahre nach dem in Artikel 8 genannten Zeitpunkt auf der Grundlage eines Berichts der Kommission und entscheidet nach Stellungnahme der EZB und der Europäischen Aufsichtsbehörden, ob die vorliegende Verordnung geändert werden muss. |
Das Europäische Parlament und der Rat überprüfen diese Verordnung bis …* auf der Grundlage eines Berichts der Kommission und entscheiden nach Stellungnahme der EZB, ob die Ziele und die Organisation des ESRB geändert werden müssen. |
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In dem Bericht sollte insbesondere bewertet werden, ob |
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(a) es angemessen ist, die Struktur des Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS) zu vereinfachen und zu stärken, um die Kohärenz zwischen der Makro- und der Mikroebene sowie zwischen den Europäischen Aufsichtsbehörden zu verbessern; |
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(b) es angemessen ist, den Europäischen Aufsichtsbehörden größere Regulierungsbefugnisse einzuräumen; |
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(c) die Entwicklung des ESFS im Einklang mit den globalen Entwicklungen auf diesem Gebiet verläuft; |
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(d) innerhalb des ESFS ausreichend Vielfalt und Kompetenz besteht; |
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(e) Rechenschaft und Transparenz im Hinblick auf die Veröffentlichungsanforderungen angemessen sind. |
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______ * Drei Jahre nach Inkrafttreten dieser Verordnung. |
BEGRÜNDUNG
Die Europäische Union (EU) schafft derzeit einen Rahmen für die Wahrung der Finanzstabilität. Ein integrierter EU-Finanzmarkt, der in den meisten EU-Ländern von großen paneuropäischen Gruppen dominiert wird, kann nicht reibungslos funktionieren, wenn die Überwachung zersplittert auf nationaler Ebene erfolgt. Die EU braucht eine neue Finanzarchitektur mit einer integrierten Mikroaufsicht, einschließlich eines Transfers von Zuständigkeiten auf die EU. Zusätzlich dazu hätte man im Zuge der europäischen Makroaufsicht entdecken können, dass eine nichtnachhaltige Kreditzunahme, Immobilienblasen und hohe Leistungsbilanzdefizite zu Risiken für die makroökonomische Stabilität und die Finanzstabilität führen würden. Europa muss unbedingt Sachverstand auf dem Gebiet der Makroaufsicht entwickeln, um Systemrisiken zu entdecken, d.h. mit anderen Worten Risiken für die Finanzstabilität auf europäischer Ebene ermitteln, erforderlichenfalls Warnungen herausgeben und die Folgemaßnahmen gewährleisten.
Selbst wenn weitere Finanzkrisen unvermeidbar sind, sollten die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen in Zukunft weniger verheerend sein, wie es bei der gegenwärtigen Krise der Fall war, deren reale Auswirkungen mit denen der Großen Depression verglichen werden können. Europa braucht einen legislativen und institutionellen Rahmen, um die Insolvenz von systemrelevanten Finanzinstitutionen zu bewältigen. Ein neues Organ für die Makroaufsicht, der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB), und ein neues Organ für die Mikroaufsicht, das Europäische System von Finanzaufsichtsbehörden (ESFS) werden geschaffen werden. Ihre Effizienz ist eng mit dem Prestige der EZB verknüpft, da der neue ESRB nicht in der Lage sein wird, Maßnahmen oder Sanktionen gegen Mitgliedstaaten oder Finanzinstitute zu verhängen und seine Warnungen nicht verbindlich sein werden. Ihre Effizienz hängt von dem hohen Ansehen der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem anerkannten Sachverstand seiner Bediensteten ab. Die Rolle der EZB wird für die europäische Makroaufsicht von wesentlicher Bedeutung sein.
In den letzten Jahren hat eine Geldpolitik mit sehr niedrigen Zinssätzen zu Blasen bei den materiellen Gütern und finanziellen Vermögenswerten geführt, deren Zerplatzen die Krise ausgelöst hat, unter der wir jetzt leiden. Das letztliche Ziel der Aufsichtsstruktur besteht darin, derart dramatischen Situationen in der Zukunft vorzubeugen, Finanzstabilität zu gewährleisten und die Verbraucher zu schützen. Die Vorbeugung oder Milderung von Systemrisiken, des Ausfallens oder Unvermögens eines beträchtlichen Teils des Finanzsektors wird die Auswirkungen künftiger Krisen für die reale Wirtschaft und die europäischen Bürger verringern.
In den letzten beiden Jahrzehnten war die europäische Geldpolitik sehr effektiv, was die Kontrolle der Inflation betrifft. Die klare visuelle Darstellung der Zielvorgabe „Preisstabilität“ (beispielsweise eine klare Zielvorgabe von 2 % für die jährliche Inflationsrate) ging ebenfalls mit einem eindeutigen und mächtigen Instrument der Geldpolitik, dem Zinssatz, einher. In diesem Sinne haben die Ausweitung des Freihandels und die generelle Ausbreitung weltweiter Produktionsnetze in den letzten zwanzig Jahren mit dem damit einhergehenden deflationären Druck ebenfalls zur Mäßigung des Preisanstiegs in den Industrienationen beigetragen.
Man könnte argumentieren, dass die Zinsen jahrelang künstlich niedrig waren im Vergleich zu den Marktzinsen, die das Angebot an Kredit und die Nachfrage nach Investitionen frei bestimmt hätten. Dieser Tatbestand könnte eine der wichtigsten Ursachen der gegenwärtigen Krise gewesen sein: Sie würden die Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer soweit verzerrt haben, dass sie zu einer übermäßigen Verschuldung veranlasst wurden, um den Verbrauch zu finanzieren, und ebenfalls in exzessivem Umfang zu investieren. Doch es gibt auf jeden Fall einen sehr breiten Konsens über die Wirksamkeit der Geldpolitik.
Allerdings hat die Globalisierung der Wirtschaft, die insbesondere bei den Kapitalbewegungen sehr intensiv ist, die Finanzmärkte weitgehend verändert. Die Zentralbanken haben an ihrer traditionellen Zielvorgabe, der Kontrolle der Inflation, festgehalten und zu diesem Zweck den Zinssatz eingesetzt. Doch die Freiheit des Kapitalverkehrs hat die Verknüpfung zwischen dem Geld- und dem Finanzsektor in außerordentlichem Maße verstärkt. Diese neue Situation hat die Zentralbanken in zunehmendem Maße gezwungen, ein neues Ziel auf ihre Tagesordnung zu setzen: die Stabilisierung der Finanzmärkte.
Die zeitgleiche Verwirklichung beider Zielvorgaben (Preisstabilität und Stabilität der Finanzmärkte) ist nur mit einem Instrument unmöglich, dem Zinssatz, wie mächtig dieses Instrument auch sein kann. Der Zinssatz hat sich als effizientes Instrument zur Kontrolle der Inflation erwiesen, er ist jedoch nicht nützlich gewesen, um die Kreditexpansion und die Immobilienblasen in mehreren Ländern zu verhindern.
Es ist ein neues Instrument notwendig, und während der letzten beiden Jahre ist ein breiter Konsens dahingehend entwickelt worden, dass dieses Instrument Folgendes sein sollte: eine EU-weite Regulierung und Aufsicht der Banken und Finanzsysteme. Selbst wenn es über viele Jahre hinweg eine Finanzregulierung gegeben hat, hat diese sich in der neuen globalisierten Welt als unangemessen und unzureichend erwiesen. Aufsicht und Regulierung sind die einzige wichtige Zuständigkeit, die die nationalen Zentralbanken nach der Einführung des Euro für sich selbst vorbehalten haben. Damit stehen heute die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit, die Regulierung mit einer europäischen Dimension zu verbessern, außer Zweifel.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank wurde anlässlich eines Vortrags in Singapur im Jahre 2005[1] zur Entstehung von Blasen bei den Preisen für materielle Güter oder Vermögenswerte befragt. Er gab zur Antwort, dass eine Blase entdeckt werden kann, wenn beispielsweise eine bestimmte Art von Kredit oder der Preis bestimmter Vermögenswerte beginnt, signifikant von seinem historischen Trend abzuweichen, und er sprach sich dafür aus, den Anstieg der Zinsen dazu einzusetzen, die Entstehung der Blase zu verhindern. Die entsprechenden Kosten schlagen sich in einem Anreiz für die Versicherungen nieder, mit dem die schlimmsten Szenarien beendet werden. Diese Maßnahme scheint vernünftig, doch angesichts der Erfahrung mit der jüngsten Finanzkrise scheint sie weniger geeignet zu sein: Das Finanzsystem kann sich auf die Zinsschwankungen einstellen, indem es beispielsweise die Bedingungen in Kreditverträgen ändert (für Hypothekarkredite kann der Zeitraum der Amortisierung verlängert werden).
Unter diesen Umständen zeigt die Änderung des Zinssatzes wenig Wirkung im Sinne einer Schrumpfung der Blasen: Wenn die Zinsen nicht beträchtlich angehoben werden (in diesem Falle würde die Wirtschaft insgesamt Schaden davontragen), würden immer noch künstlich niedrige Zinsen weiterhin die Blasen nähren, die weiter bestehen würden. In diesem Sinne ist eine bessere Aufsicht erforderlich. Das System von dynamischen Vorschriften der spanischen Zentralbank beispielsweise hat nicht die Entstehung einer riesigen Immobilienblase in Spanien verhindert: Der Betrag der akkumulierten Schulden der Bauträger bei den spanischen Banken entspricht 30 % des spanischen BIP im Jahre 2009 (325.000 Millionen €).
Die notwendigen Verbesserungen bei der Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte sind die Grundlage der Debatte über die Gesamtheit der neuen Finanzarchitektur, die die europäischen Organe derzeit errichten und bei denen der vorliegende Bericht nur ein geringfügiger Teil ist. Die Kontrolle des Ausmaßes an Hebelwirkung wäre eine geeignete Maßnahme für die Institutionen, die zu groß sind, als dass sie in Konkurs gehen könnten: Ein kleineres Maß an Hebelwirkung ist für sie ein Anreiz, darüber nachzudenken, ob sie an ihrer Größe festhalten oder sich in kleinere Einheiten aufteilen wollen, die den traditionellen Aktivitäten von Handelsbanken angepasst sind.
Das Ausmaß an Hebelwirkung zwingt deshalb dazu, das Maß an Hebelwirkung für die Kreditinstitute zu verringern: entweder um die Kredite zu verringern, die für den Wohnungsbau bestimmt sind, oder um ihre Kapitalbasis aufzustocken, damit sie in der Lage sind, das Übermaß an Verlusten zu bewältigen, die zum Platzen der Blase führen. Den nationalen Aufsichtsbehörden ist es nicht gelungen, die Akkumulation von Risiken in mehreren nationalen Systemen zum Erliegen zu bringen.
Bei den verschiedenen Vorschlägen zur Regulierung der Finanzmärkte gibt es zwei gemeinsame Elemente: Zum einen wäre es erforderlich, das hohe Maß an Hebelwirkung zu verringern, d.h. das Verhältnis Vermögen insgesamt/Kapital zu verringern, und zum anderen wäre es notwendig, den Kapitalbedarf der Finanzinstitute zu erhöhen. Dies ist wichtig, um über eine geeignete Kapitalbasis zu verfügen und die möglichen Verluste zu bewältigen, die bei künftigen Finanzkrisen entstehen könnten. Wir sollten uns vor Augen halten, dass die wichtigste Funktion des Finanzsystems darin besteht, das Sparkapital in Richtung Investitionen zu lenken. Bei diesem Prozess ist es unmöglich, die Finanzinstitute davon abzubringen, Risiken einzugehen: Selbst wenn die Risiken jetzt einer besseren Aufsicht unterliegen, wird die Möglichkeit neuer Spekulationsblasen nicht verschwinden.
Im konkreten Falle der Banken werden – solange die Geschäfte von Handels- und Investitionskrediten vermischt sind – die großen Banken veranlasst sein, ihr Kapital für den Kauf und Verkauf von Finanzanlagen einzusetzen, statt die Realwirtschaft zu unterstützen und die Einlagen in Darlehen für Familien und Unternehmen umzuwandeln. In der Praxis sind die Banken nicht verpflichtet, auf eine andere Weise zu handeln.
Aus diesem Grunde ist im Zusammenhang mit der neuen Regulierung Flexibilität erforderlich, damit man in der Lage ist, die Hebelwirkung zu verringern, wenn alarmierende Zeichen entdeckt werden. In den ersten Jahren des Zeitraums 1996-2006 hätten die Lichter orange oder rot aufleuchten müssen, als die Kreditexpansion in Spanien zu einem sehr hohen Anstieg führte: Während eines Zeitraums von zehn Jahren nahm die Kreditvergabe jährlich in einem Rhythmus von 20 % zu. In diesem Falle wäre es notwendig gewesen, gegen die Finanzinstitute (ob klein oder groß) vorzugehen, die sich stärker für Hypothekarkredite engagierten und damit ihr Leverage-Limit begrenzten.
Andererseits ist die Überwachung des Finanzsektors auf europäischer Ebene die Schlüsselfrage für die Effizienz einer guten Regulierungspolitik unter Berücksichtigung des Versagens der national orientierten Analyse mehrerer Krisenindikatoren. Der Präsident der EZB erklärte im November 2008 auf der Fünften Zentralbankkonferenz der EZB: „(...) Es gab Warnzeichen, sogar schon 2006, dass die globalen Märkte „für die Perfektion bepreist” waren und dass selbst eine kleine Änderung der Bedingungen die Finanzmärkte ernsthaft stören könnte (...). Wir wussten, dass sich ein Sturm zusammenbraute, doch wir wussten zugegebenermaßen nicht genau, wo der Sturm sich entwickelte. Genauso wenig wussten wir, was den Sturm auslösen würde oder wann er kommen würde.[2]”
In diesem Sinne werden die Vorstellungen, die mit dem Bericht Larosière lanciert wurden und von denen viele in dem heute zur Diskussion stehenden Aufsichtspaket enthalten sind, eine kompetente Politik der Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte ermöglichen. Der Kern des Erfolgs wird in dem Verbund zwischen der Mikro- und der Makroaufsicht und dem flüssigen Informationsfluss zwischen beiden Ebenen bestehen. Auf diese Weise wird dem Sekretariat des ESRB eine wichtige Rolle dabei zukommen, den effizienten und schnellen Austausch von Daten zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren sicherzustellen, wobei die notwendige Vertraulichkeit immer zu wahren ist. Entsprechend der ursprünglichen Konzeption bildet die Behörde für die Mikroaufsicht und der ESRB eine Einheit und werden eng zusammenarbeiten. Mit der neuen Struktur sollte die EU auch in der Lage sein, den Donner vor dem Sturm zu hören und rechtzeitig zu reagieren.
- [1] „Vermögenspreisblasen und Geldpolitik”
Rede von Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB, MAS-Vortrag, 8. Juni 2005, Singapur.
http://www.ecb.int/press/key/date/2005/html/sp050608.en.html - [2] „Unterbewertetes Risiko und Unsicherheit: Einige Überlegungen über die Marktturbulenzen“
Rede von Jean-Claude Trichet, Präsident der EZB auf der Fünften EZB-Zentralbankkonferenz, Frankfurt am Main, 13. November 2008
http://www.ecb.int/press/key/date/2008/html/sp081113_1.en.html
VERFAHREN
Titel |
Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Funktionsweise des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken auf die Europäische Zentralbank |
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Bezugsdokumente - Verfahrensnummer |
05551/2010 – C7-0014/2010 – KOM(2009)0500 – 2009/0141(CNS) |
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Datum der Konsultation des EP |
2.2.2010 |
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Federführender Ausschuss Datum der Bekanntgabe im Plenum |
ECON 8.2.2010 |
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Berichterstatter(-in/-innen) Datum der Benennung |
Ramon Tremosa i Balcells 20.10.2009 |
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Prüfung im Ausschuss |
23.11.2009 |
23.2.2010 |
23.3.2010 |
27.4.2010 |
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Datum der Annahme |
10.5.2010 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
33 3 0 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Burkhard Balz, Sharon Bowles, Udo Bullmann, Pascal Canfin, Nikolaos Chountis, George Sabin Cutaş, Leonardo Domenici, Derk Jan Eppink, Diogo Feio, Vicky Ford, José Manuel García-Margallo y Marfil, Jean-Paul Gauzès, Sven Giegold, Sylvie Goulard, Othmar Karas, Astrid Lulling, Arlene McCarthy, Ivari Padar, Antolín Sánchez Presedo, Olle Schmidt, Edward Scicluna, Peter Simon, Peter Skinner, Theodor Dumitru Stolojan, Ramon Tremosa i Balcells |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Pervenche Berès, Carl Haglund, Syed Kamall, Philippe Lamberts, Catherine Stihler, Pablo Zalba Bidegain |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Andrea Cozzolino, Michel Dantin, Frank Engel, Christa Klaß, Elisabeth Morin-Chartier |
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Datum der Einreichung |
21.5.2010 |
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