BERICHT über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter: die Zukunft des dualen Systems
11.10.2010 - (2010/2028(INI))
Ausschuss für Kultur und Bildung
Berichterstatter: Ivo Belet
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im digitalen Zeitalter: die Zukunft des dualen Systems
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 14 und Artikel 106 Absatz 2 des EU-Vertrags,
– unter Hinweis auf das dem Vertrag von Amsterdam beigefügte Protokoll Nr. 29 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten[1],
– unter Hinweis auf Artikel 11 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2],
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2010/13/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)[3];
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. September 1996 zur Rolle der öffentlichen Fernsehdienste in einer multimedialen Gesellschaft[4],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. September 2008 zu Medienkonzentration und -pluralismus in der Europäischen Union[5],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Dezember 2008 zur Medienkompetenz in der digitalen Welt,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 2. Juli 2009 über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk,
– unter Hinweis auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen über Medienpluralismus in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (SEK(2007)0032),
– in Kenntnis der Empfehlung Nr. R (96) 10 vom 11. September 1996 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten betreffend die Garantie der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
– unter Hinweis auf die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 25. Januar 1999 über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk[6];
– in Kenntnis der Empfehlung Nr. CM/Rec(2007)2 vom 31. Januar 2007 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten betreffend Medienpluralismus und Vielfalt der Medieninhalte,
– in Kenntnis der Empfehlung Nr. CM/Rec(2007) 3 vom 31. Januar 2007 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten betreffend den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien in der Informationsgesellschaft,
– in Kenntnis der Empfehlung Nr. 1878 (2009) vom 25. Juni 2009 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats betreffend die Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Ministerkomitees des Europarats vom 27. September 2006 zur Garantie der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Mitgliedstaaten,
– gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Kultur und Bildung (A7-0286/2010),
A. in der Erwägung, dass in einer europäischen demokratischen Gesellschaft die Teilnahme der Bürger an der öffentlichen Debatte und der Zugang zu Informationen in der digitalen Welt von einem lebhaften und wettbewerbsorientierten Pressesektor abhängig sind,
B. in der Erwägung, dass Rundfunkmedien zu den Hauptinformationsquellen zählen, die den Bürgern in den EU-Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, und als solche ein wichtiger Faktor sind, um die Werte und Meinungen der Menschen herauszubilden,
C. in der Erwägung, dass sowohl der öffentlich-rechtliche als auch der private Rundfunk eine entscheidende Rolle in Bezug auf die europäische audiovisuelle Produktion, die kulturelle Vielfalt und Identität, Information, Pluralismus, sozialen Zusammenhalt, die Förderung der Grundfreiheiten und das Funktionieren von Demokratie spielen müssen,
D. in der Erwägung, dass die öffentlich-rechtlichen Sender bei der Stimulierung und Nutzung technischer Entwicklungen eine Vorreiterrolle spielen, um der Öffentlichkeit ihre Inhalte über innovative Medien und Vertriebstechniken anzubieten,
E. in der Erwägung, dass die audiovisuelle Landschaft der EU einzigartig ist und charakterisiert ist durch das sogenannte „duale System“, das auf einer wirklichen Ausgewogenheit von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Sendern beruht,
F. in der Erwägung, dass ein wirkliches duales System mit einem echten ausgewogenen Konzept zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern im allgemeinen Interesse liegt,
G. in der Erwägung, dass das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Sendern ein breites frei zugängliches Programmspektrum gewährleistet hat, das allen EU-Bürgern zugute kommt und zu Medienpluralismus, kultureller und sprachlicher Vielfalt, Wettbewerb zwischen den Herausgebern (hinsichtlich der Qualität und der Vielfalt der Inhalte) und Meinungsfreiheit beiträgt,
H. in der Erwägung, dass die EU der Rolle des dualen Systems, um zur Schaffung und Verbreitung von EU-Inhalten beizutragen, besondere Bedeutung beimisst,
I. in der Erwägung, dass Änderungen in der audiovisuellen Landschaft in den letzten Jahren mit der Entwicklung digitaler Technologien, proprietären kostenpflichtigen Plattformen und neuen Online-Medienakteuren Auswirkungen auf das traditionelle duale Rundfunksystem und den Wettbewerb zwischen den Herausgebern (hinsichtlich der Qualität und der Vielfalt der Inhalte) hatten, die die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender veranlasst haben, ihre Aktivitäten zu differenzieren und an neue Verbreitungsplattformen zu denken,
J. in der Erwägung, dass die Verbreitung der neuen Technologien die Art und Weise verändert haben, wie europäische Bürger Zugang zu den Medien und zu Informationen erhalten,
K. in der Erwägung, dass traditionelle Grenzen im Mediensektor im Online-Umfeld nicht länger beibehalten werden können, da die traditionellen Medien nicht überleben können, wenn sie nicht im Einklang mit den Zielen der Digitalen Agenda der EU in neue Plattformen expandieren (wie SMS-Dienste, Webseiten und Anwendungen für Smartphones),
L. in der Erwägung, dass Zeitungen und Zeitschriften wesentliche Bestandteile einer pluralistischen und vielfältigen europäischen Medienlandschaft sind und bleiben sollten,
M. in der Erwägung, dass Telekomprovider, Internetprovider und Suchmaschinen eine weiterhin wachsende Rolle in dem neuen Medienumfeld spielen,
N. in der Erwägung, dass im digitalen Zeitalter – das gekennzeichnet ist durch mehr Wahlmöglichkeiten für den Verbraucher, aber auch durch die Gefahr der Zersplitterung der Zuhörerschaft, zunehmende Medienkonzentration, den Aufstieg vertikal integrierter Medienunternehmen, einen Wechsel zu Bezahldiensten und Verschlüsselung – der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu beiträgt und beitragen sollte, einen öffentlich-rechtlichen Raum im digitalen Zeitalter zu erhalten und hochwertige, sozial wertvolle Programme und objektive Informationen anzubieten,
O. in der Erwägung, dass in bestimmten Mitgliedstaaten der öffentlich-rechtliche Rundfunk gesellschaftlich noch nicht stark genug verwurzelt ist und nicht über angemessene Ressourcen verfügt,
P. in der Erwägung, dass öffentlich-rechtliche Sender in einigen Mitgliedstaaten sowohl finanziell als auch politisch mit größeren, ihre politische Unabhängigkeit, ihre Wirtschaftlichkeit und sogar ihre finanzielle Basis gefährdenden Problemen konfrontiert sind, die die Existenz des dualen Systems selbst unmittelbar gefährden,
Q. in der Erwägung, dass kommerzielles Fernsehen in jüngster Zeit aufgrund rückläufiger Werbeeinnahmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist,
R. in der Erwägung, dass es ausschließlich den Mitgliedstaaten obliegt, gemäß den Prinzipien des Amsterdamer Protokolls den Auftrag öffentlich-rechtlicher Sender zu definieren und für die Finanzierung ihrer öffentlich-rechtlichen Sender zu sorgen,
S. in der Erwägung, dass die öffentlich-rechtlichen Medien eine ausreichende öffentliche Finanzierung, die Beteiligung an wichtigen neuen Technologien und Plattformen sowie ein stabiles und vorhersehbares Regelungsumfeld erfordern, damit sie in der Lage sind. mit einem Angebot an kulturellen oder informativen Inhalten von hoher Qualität ihren Auftrag zu erfüllen und als solche Medienkompetenz zum Wohl der Allgemeinheit ausdrücklich zu entwickeln,
T. in der Erwägung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren unter den Mitgliedstaaten verbessert werden kann,
U. in der Erwägung, dass die Einhaltung europäischer Standards in Sachen Meinungsfreiheit, Medienpluralismus sowie Unabhängigkeit, Auftrag und Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Medien für alle Mitgliedstaaten eine Priorität darstellen sollte,
V. in der Erwägung, dass der EU derzeit keine unmittelbaren Instrumente zur Verfügung stehen, mit denen Bedrohungen der öffentlich-rechtlichen Medien und des dualen Systems in den Mitgliedstaaten oder spezifischen Regionen der EU beobachtet oder auf sie reagiert werden kann,
1. bekräftigt sein Engagement für das duale Rundfunksystem, in dem private und öffentlich-rechtliche Medien ihre jeweiligen Rollen unabhängig von politischem und wirtschaftlichem Druck spielen, und fordert, dass der Zugang zum höchsten Sendeniveau ungeachtet der Zahlungsfähigkeit der Verbraucher gewährleistet sein muss;
2. unterstreicht insbesondere die grundlegende Rolle eines wirklich ausgewogenen europäischen dualen Systems bei der Förderung von Demokratie, sozialem Zusammenhalt und Integration sowie Meinungsfreiheit mit einem Schwerpunkt auf der Bewahrung und Förderung von Medienpluralismus, Medienkompetenz, kultureller und sprachlicher Vielfalt und Einhaltung der europäischen Standards in Bezug auf Pressefreiheit;
3. stellt fest, dass das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien in starkem Maße dazu beigetragen hat, das Angebot von Inhalten zu erneuern und zu diversifizieren, und sich positiv auf die Qualität ausgewirkt hat;
4. bekräftigt die Notwendigkeit, einen starken und lebendigen unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu erhalten und ihn gleichzeitig an die Anforderungen des digitalen Zeitalters anzupassen, und beharrt auf konkreten Maßnahmen, die zur Erreichung dieses Zieles zu ergreifen sind;
5. betont in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im digitalen Zeitalter die spezifische Aufgabe hat, einen öffentlichen Raum zu pflegen, indem Medieninhalte hoher Qualität von allgemeinem Interesse über alle einschlägigen Plattformen allgemein zugänglich gemacht werden;
6. fordert die Mitgliedstaaten auf, ausreichende Mittel zu gewährleisten, um die öffentlich-rechtlichen Sender in die Lage zu versetzen, die neuen digitalen Technologien zu nutzen und für die breite Öffentlichkeit die Vorteile von modernen audiovisuellen Diensten zu sichern;
7. fordert diesbezüglich, dass die öffentlich-rechtlichen Anbieter so organisiert sind, dass sie attraktive und hochwertige Inhalte online anbieten, um die Jugendlichen zu erreichen, die Medien fast ausschließlich über das Internet konsumieren;
8. fordert die Mitgliedstaaten auf, gegen die digitale Spaltung - z.B. zwischen Stadt und Land - anzugehen und sicherzustellen, dass mit der Digitalisierung jeder/m Einzelnen in allen Regionen ein gleichberechtigter Zugang zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglicht wird;
9. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, die Umstellung vom analogen zum digitalen Fernsehen für die Nutzer zu erleichtern;
10. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, die Aufgaben von öffentlich-rechtlichen Sendern zu definieren, so dass sie ihre Unterschiedlichkeit durch eine Verpflichtung zu einer originellen audiovisuellen Produktion und zu einem Programm und einem Journalismus von hoher Qualität ungeachtet kommerzieller Erwägungen oder politischer Einflussnahme, was gerade ihr Alleinstellungsmerkmal ist, erhalten können; weist darauf hin, dass diese Aufgaben so genau wie möglich definiert werden sollten, jedoch unter gebührender Berücksichtigung der Programmautonomie der Sender;
11. erinnert daran, dass öffentlich-rechtliche Sender gemäß dem Grundsatz technischer Neutralität im Rahmen des ihnen übertragenen Auftrags die Gelegenheit haben müssen, ihre Dienste, einschließlich neuer Dienste, auf allen Plattformen anzubieten;
12. hebt die Tatsache hervor, dass das Fehlen rechtlicher Bestimmungen zu den Internet-Aktivitäten von öffentlich-rechtlichen Sendern in einigen Mitgliedstaaten die Eignung dieser Branche, sich auf neue Plattformen auszudehnen, beeinträchtigen könnte;
13. erinnert daran, dass terrestrische Übertragungsplattformen, die auf offenen und interoperablen Standards beruhen, eine zentrale Rolle im dualen Rundfunksystem spielen und in idealer Weise geeignet sind, die Nutzer mit kostenfreien Grunddiensten und leicht zugänglichen audiovisuellen Mediendiensten zu versorgen, die die Zersplitterung der lokalen Märkte besser bewältigen können und dabei lokalen kulturellen und sozialen Erwartungen gerecht werden;
14. anerkennt die Rundfunk-Mitteilung der Kommission vom Juli 2009, die das Recht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anerkennt, auf allen wichtigen Vertriebsplattformen vertreten zu sein, und die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten bekräftigt, Aufgaben, Finanzierung und Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festzulegen, und anerkennt gleichzeitig die Verantwortung der Kommission, offensichtliche Fehler zu kontrollieren, und fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Richtlinien umzusetzen, damit ein Gleichgewicht bei den angebotenen digitalen Mediendiensten bestehen bleibt, um einen lauteren Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern zu gewährleisten und dadurch eine lebendige Medienlandschaft im Online-Umfeld zu erhalten;
15. begrüßt die Anerkennung des Grundsatzes der technischen Neutralität und der Notwendigkeit, die redaktionelle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu achten und dabei ihren Bedarf an stabiler und sicherer Finanzierung gebührend zu berücksichtigen;
16. verweist jedoch auf die enormen Kosten (bestehender) Ex-ante-Tests und betont seine Unterstützung für verhältnismäßige Bewertungen;
17. verweist auf die Bedeutung der Empfehlungen und Erklärungen des Europarates, denen alle EU-Mitgliedstaaten zugestimmt haben und die europäische Standards in Bezug auf Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Medienpluralismus sowie die Unabhängigkeit, Organisation, Aufgabe und Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien vor allem in der Informationsgesellschaft festlegen und dadurch die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wahren;
18. erinnert die Mitgliedstaaten an ihre Verpflichtungen zu diesen europäischen Standards und empfiehlt ihnen, für eine angemessene, verhältnismäßige und stabile Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien zu sorgen, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Aufgabe zu erfüllen, ihre politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu garantieren, und zu einer integrativen Informations- und Wissensgesellschaft mit repräsentativen qualitativ hochwertigen Medien, die allen zugänglich sind, beizutragen;
19. fordert die Kommission auf, die Mitgliedstaaten zu ermutigen. bewährte Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen auszutauschen (nationale Medienbehörden, Stakeholder, Management der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, unabhängige Regulierer und Vertreter der Zuschauer und der Nutzer);
20. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Medienregulierungsbehörden mit dem Zusammenschluss der europäischen Medienaufsichtsbehörden (EPRA) zu verstärken und den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren in Bezug auf ihre jeweiligen nationalen Rundfunksysteme auszuweiten;
21. erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass die Mitglieder von Rundfunkräten öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten aufgrund ihrer Kompetenz und Vertrautheit mit der Medienbranche ernannt werden sollten;
22. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle ein Mandat, zusammen mit den notwendigen Mitteln, zu erteilen, damit sie Daten erhebt und Recherchen durchführt zu der Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten diese Standards angewendet haben, um zu prüfen, ob die Standards die erwünschte Wirkung gezeitigt haben, und fordert nachdrücklich, dass die Mitgliedstaaten zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie diesen Verpflichtungen nicht nachkommen;
23. fordert die Kommission auf, dem dualen System als einem Teil des EU-Besitzstandes im Zusammenhang mit den Beitrittsverhandlungen eine höhere Priorität einzuräumen, und verlangt ausdrücklich, dass die von den Kandidatenländern diesbezüglich gemachten Fortschritte beobachtet werden;
24. fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, das Thema der Unterfinanzierung öffentlich-rechtlicher Sender angemessen zu behandeln, vor allem im Hinblick auf den spezifischen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, möglichst vielen Zuschauern/Zuhörern auf allen neuen Medienplattformen zugänglich zu sein;
25. stellt fest, dass transparente Eigentumsverhältnisse privater Sendeanstalten in allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden müssen, und fordert die Kommission auf, Fortschritte in dieser Richtung zu beobachten und zu unterstützen;
26. fordert die Mitgliedstaaten auf, die politische Einmischung hinsichtlich der Organisation und des Inhalts von Diensten, die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angeboten werden, zu beenden;
27. begrüßt die Schlussfolgerungen der auf Ersuchen der Kommission erstellten unabhängigen Studie über die Festlegung von Indikatoren, um den Pluralismus von EU-Medien zu messen;
28. ermutigt zur Einführung der Beobachtungsstelle für Medienpluralismus, die ein wirksames Instrument darstellt, um Gefährdungen des Medienpluralismus zu erkennen;
29. verweist auf die Finanzinstrumente, die die EIB anbietet, und ermutigt die öffentlich-rechtlichen Sender, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, sich für die Erneuerung ihrer Infrastruktur, insbesondere im Zusammenhang mit Digitalisierung und Innovation, bei der EIB um ein Darlehen mit weichen Konditionen zu bewerben;
30. ermutigt die verschiedenen Akteure zur Intensivierung ihrer Zusammenarbeit, um das duale System zu schützen, und ermutigt insbesondere die öffentlich-rechtlichen und privaten Sender, untereinander und mit Herausgebern in Sachen gemeinsame Nutzung von Inhalten und innovative Projekte zusammenzuarbeiten und Wege der Zusammenarbeit ausfindig zumachen;
31. fordert die Kommission auf, eine Initiative auf den Weg zu bringen, die unterschiedliche Medienakteure zusammenführt, um dazu beizutragen, mögliche Bereiche der Zusammenarbeit ausfindig zu machen, den Austausch bewährter Verfahren zu erleichtern sowie wichtige Fragen zu behandeln;
32. weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass der Gemeinde- bzw. Bürgerrundfunk, insbesondere in kleineren Kommunen, Schwierigkeiten hat, sich langfristig zu finanzieren (z.B. durch Werbung); ist der Auffassung, dass hier die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden können, um flächendeckend regionalen Gemeinde- bzw. Bürgerrundfunk einzurichten;
33. ermutigt die Kommission, das Urheberrecht an das neue digitale Zeitalter anzupassen und den Rundfunkanstalten zu erlauben, weiterhin ein breites Spektrum an hochwertigen europäischen Inhalten bereitzustellen und spezifische Mittel und Wege in Betracht zu ziehen, um die Wiederverwendung von Archiv-Inhalten zu erleichtern und erweiterte kollektive Lizenzsysteme sowie einfache Systeme für zentrale Anlaufstellen für die Abklärung der Rechte einzurichten;
34. erwartet den Bericht über die Durchführung der Bestimmungen der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMS) in Bezug auf die für europäische Programme eingeräumte Sendezeit, da es bestimmte Mitgliedstaaten unterlassen haben, diesbezüglich tätig zu werden;
35. fordert die Kommission nachdrücklich auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Zusammensteller der Inhalte den bestehenden Rechtsrahmen einhalten, und fordert sie auf, Mittel und Wege in Betracht zu ziehen, wie Suchmaschinen und Internetanbieter zur Finanzierung der Erstellung von Inhalten beitragen könnten;
36. betont, wie wichtig die Medienerziehung für eine verantwortliche Nutzung der von den Zusammenstellern der Inhalte erbrachten Dienste ist;
37. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
BEGRÜNDUNG
Der Rundfunk ist ein einzigartiger Sektor. Er beeinflusst die Werte und Meinungen der Menschen und stellt für die meisten EU-Bürger immer noch die Hauptinformationsquelle dar. Daher hat er besondere Bedeutung für Schutz und Förderung der Grundfreiheiten und der Demokratie, zu denen auch der soziale Schutz gehört.
1. Das duale System als Teil des Besitzstandes der EU
Wie in der Richtlinie[1] über audiovisuelle Mediendienste dargelegt, wird die audiovisuelle Landschaft der EU durch das sogenannte „duale System“ charakterisiert. Das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Sendern hat zu einer großen Programmvielfalt geführt. Es trägt zu Medienpluralismus, kultureller und sprachlicher Vielfalt, Wettbewerb zwischen den Herausgebern (was Qualität und Vielfalt angeht) sowie Meinungsfreiheit bei.
Dazu gehört auch ein starker, lebensfähiger und gut ausgestatteter öffentlich-rechtlicher Rundfunk. In einem gut funktionierenden dualen System können die öffentlich-rechtlichen Sender das Marktniveau heben.
2. Die Verpflichtung der EU hinsichtlich der Rolle der öffentlich-rechtlichen Sender
Im Protokoll Nr. 29 des EUV[2] hat sich die EU zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten verpflichtet, da es „unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft ist, den Pluralismus in den Medien zu wahren“.
Die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde in der Entschließung des Rates über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekräftigt[3]. Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei der Förderung der kulturellen Vielfalt wurde im Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen von 2005 anerkannt.
Die Mitgliedstaaten einigten sich außerdem im Forum des Europarats auf einen Korpus von Empfehlungen[4].
3. Das duale System in der digitalen Ära – ein System unter Druck
Leider ist die Rundfunklandschaft in Europa weit von der idealen Situation eines ausgewogenen dualen Rundfunksystems entfernt, das auf zwei gleich starken Säulen ruht.
Die öffentlich-rechtlichen Medien und das duale System an einem Punkt ohne Wiederkehr
Im dem Wandel unterworfenen Umfeld der digitalen Medien stehen öffentlich-rechtliche Sender in manchen Mitgliedstaaten sowohl finanziell als auch politisch vor grundlegenden, existenzgefährdenden Problemen. ‚In den meisten beobachteten Ländern leiden öffentlich-rechtliche Sendeanstalten unter zunehmender Politisierung und wachsendem Druck, mangelhaften Finanzierungsmodellen und einem schwindenden Ruf [...]’[5]
Parallel zu dieser Entwicklung gaben verschiedene Privatsender Anlass zu einer Debatte über ihre Lauterkeit, da sie enge Verbindungen zu mächtigen Wirtschaftszusammenschlüssen unterhielten oder die Quellen ihrer Finanzierung ungewissen Ursprungs waren.
Nach dem Protokoll Nr. 29 des EUV ist die Finanzierung der Rundfunkanstalten Sache der einzelstaatlichen Behörden. Gleichwohl ist nun ein kritischer Punkt erreicht. Die öffentlich-rechtlichen Medien und folglich auch das duale System stehen in einigen Mitgliedstaaten am Rande der Existenzgefährdung. Die audiovisuelle Politik der EU darf nicht auf Eingriffe in Fällen von Überkompensation beschränkt werden. Will die EU ihre Verpflichtung dem dualen System gegenüber ernst nehmen, dann muss sie den Mangel sowohl an Finanzmitteln als auch an Unabhängigkeit der Redakteure und Manager der öffentlich-rechtlichen Anstalten berücksichtigen.
Vom dualen System zu einem Umfeld mit vielen Akteuren
Medienpolitik im Jahre 2010 darf sich nicht darauf beschränken, nur das Gleichgewicht von kommerziellen Sendern und öffentlich-rechtlichen Anstalten aufrechtzuerhalten. Im derzeitigen Medienumfeld spielen neue gewichtige Akteure wie die Anbieter von Telekommunikations- und Internetdiensten sowie Suchmaschinen eine immer größere Rolle. Auch „Bürgerjournalismus“ und nutzergenerierte Inhalte stellen eine Herausforderung für die traditionellen Medienakteure dar. Das duale Rundfunksystem hat sich zu einem Medienumfeld mit vielen Akteuren fortentwickelt.
Auf dem Weg zu einer neuen Medienökologie
In dem neuen digitalen Umfeld ist das kostenlose öffentliche Angebot der öffentlich-rechtlichen Anstalten ein Stachel im Fleisch zahlreicher kommerzieller Medienakteure. Ergebnis dessen ist eine wachsende Feindlichkeit der Verleger gegenüber Online-Diensten, die von öffentlichen Anbietern von Mediendiensten bereitgestellt werden. Daher gehört ein ausgewogenes Modell der Koexistenz im Internet zu den Hauptprioritäten nationaler und europäischer Medienpolitik in naher Zukunft.
Außerdem ist die Kommission in der überarbeiteten Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk[6] der Ansicht, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Lage sein sollten, die Möglichkeiten, die sich im Zuge der Digitalisierung und der Diversifizierung der Verbreitungsplattformen bieten, nach dem Grundsatz der Technologieneutralität zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen.
Mit der Mitteilung soll zur Koexistenz der verschiedenen Medienakteure beigetragen werden. Dazu wird gefordert, dass der Auftrag öffentlich-rechtlicher Anstalten dann, wenn diese erhebliche neue audiovisuelle Dienste ins Auge fassen, entsprechend geändert werden sollte oder eine Ex-ante-Bewertung vorzunehmen ist (in der ihr Stellenwert als öffentliche Anstalt ihrer Marktwirkung gegenübergestellt wird).
4. Überlegungen über die Zukunft
Wegen der unterschiedlichen rechtlichen und organisationstechnischen Sachverhalte in den Mitgliedstaaten lassen sich allgemeine, EU-weite Empfehlungen nur sehr schwer formulieren. „Eines für alle“ kommt hier als Ansatz eindeutig nicht in Frage.
Debatte auf allen Ebenen
Es gilt, zu intensiven nationalen Debatten über die Art und Weise der Schaffung einer gesunden Medienökologie anzuregen. Die überarbeitete Mitteilung sollte als Anreiz dazu betrachtet werden. Es könnte über die Definition von Mindestschwellen nachgedacht werden, die erforderlich sind, damit die vereinbarten Grundsätze in die Praxis umgesetzt werden können (ausreichende Mittelausstattung, unabhängige Governance, redaktionelle Unabhängigkeit). Die EU sollte eine Diskussion der Mitgliedstaaten auf unterschiedlichen Ebenen fördern.
Einhaltung europäischer Standards
Vorerst müssen die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen erfüllen, auf die sie sich im Rat und im Europarat geeinigt haben und zu denen sie sich bei ihrem EU-Beitritt bekannt haben. Dabei ist ein Monitoring-Verfahren möglich und wünschenswert.
In Beitrittsverhandlungen sollte die Kommission dem dualen System als Teil des Besitzstandes der EU höhere Priorität einräumen.
Finanzierung
Finanzielle Unterstützung könnte der öffentlich-rechtliche Rundfunk über EIB-Darlehen erhalten, um seine Infrastruktur für die Digitalisierung einzurichten oder zu erneuern.
Förderung von Zusammenarbeit – Herstellung einer „win-win“-Situation
Die einzelnen Akteure sollten zur Zusammenarbeit ermutigt werden. Die gemeinsame Nutzung audiovisueller Inhalte, der Austausch von Formaten und gegenseitige Verweise auf andere Plattformen könnten für die Beteiligten von Nutzen sein. Zusammenarbeit auf der Grundlage einer freiwilligen Beteiligung verschiedener Partner erfordert ein Umdenken, kann aber zu einer „win-win“-Situation führen. Die Behörden sollten Lösungen für mögliche Wettbewerbs- oder Copyright-Fragen im Interesse der Gesellschaft fördern.
Beitrag zu den Inhalten
Suchmaschinen sollten angeregt werden, zur Erstellung von Inhalten beizutragen, etwa durch die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Zusammensteller von Inhalten.
Bemühungen der Kommission um Gedanken zur Medienindustrie
Die Kommission muss die jeweiligen Medienakteure und Beteiligten im Bemühen um eine gesunde, lebensfähige Industrie zusammenführen. Die Medien sind die vierte Säule der Demokratie. Wesentliche Teile davon erleben harte Zeiten. Die Wahrung der Subsidiarität kann Hand in Hand mit einer Unterstützung langfristig angelegter Lösungen durch die EU gehen. „Das duale System war niemals ein statisches Endprodukt, sondern immer ein laufendes Projekt[7].“
- [1] Richtlinie 2010/13/EU (ABl. L 95, 15.4.2010, S. 1).
- [2] Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten (ABl. C 83 vom 30.3.2010, S. 312), früher bekannt als das Protokoll von Amsterdam..
- [3] Entschließung des Rates und der im Rat Vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 25. Januar 1999 (ABl. C 30 vom 5.2.1999, S. 1).
- [4] Empfehlung Nr. R(96)10 vom 11. September 1996 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten betreffend die Garantie der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Empfehlung Nr. CM/Rec(2007)2 vom 31. Januar 2007 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten betreffend Medienpluralismus und Vielfalt der Medieninhalte, Erklärung des Ministerkomitees des Europarats vom 27. September 2006 zur Garantie der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Mitgliedstaaten.
- [5] Open Society Institute, Television Across Europe, More Channels, Less Independence, 2008.
- [6] Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ABl. C 257, 27.10.2009, S. 1)
- [7] Doris Pack, Grundsatzrede, Konferenz in Warschau, „Future or Funeral”, 23.1.2010.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
28.9.2010 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
19 5 1 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Magdi Cristiano Allam, Maria Badia i Cutchet, Malika Benarab-Attou, Lothar Bisky, Piotr Borys, Jean-Marie Cavada, Santiago Fisas Ayxela, Ildikó Gáll-Pelcz, Cătălin Sorin Ivan, Petra Kammerevert, Morten Løkkegaard, Emma McClarkin, Doris Pack, Chrysoula Paliadeli, Marie-Thérèse Sanchez-Schmid, Marietje Schaake, Marco Scurria, Timo Soini, Emil Stoyanov, Hannu Takkula, László Tőkés, Helga Trüpel, Marie-Christine Vergiat, Sabine Verheyen, Milan Zver |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Ivo Belet |
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