BERICHT über Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen
8.11.2010 - (2009/2219(INI))
Ausschuss für internationalen Handel
Berichterstatterin: Tokia Saïfi
- ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
- BEGRÜNDUNG
- STELLUNGNAHME des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten
- STELLUNGNAHME des ENTWICKLUNGSAusschusses
- STELLUNGNAHME des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
- STELLUNGNAHME des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit
- ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
über Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf die Artikel 2, 3, 6 und 21 des Vertrags über die Europäische Union,
– gestützt auf die Artikel 153, 191, 207 und 218 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Artikel 12, 21, 28, 29, 31 und 32 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) und andere Instrumente der Vereinten Nationen im Bereich Menschenrechte, insbesondere den Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966), den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1965), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979), das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1989), die VN-Erklärung über die Rechte der indigenen Bevölkerungen (2007) und das Abschlussdokument des Millenniumsgipfels der Vereinten Nationen vom 20. bis 22. September 2010 in New York,
– unter Hinweis auf das Übereinkommens von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) und die auf der vierten Ministerkonferenz in Doha im November 2001 angenommene Erklärung, insbesondere deren Ziffer 31,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. September 1996 zu der Mitteilung der Kommission über die Berücksichtigung der Wahrung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte in den Abkommen zwischen der Gemeinschaft und Drittländern (KOM(1995)0216)[1] und auf seine Entschließung vom 14. Februar 2006 zu der Menschenrechts- und Demokratieklausel in Abkommen der Europäischen Union[2],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2001 zu Offenheit und Demokratie im Welthandel[3], in der es die die Einhaltung der grundlegenden Sozialnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) durch die WTO und die Anerkennung der Beschlüsse der IAO durch die Europäische Union, einschließlich etwaiger Aufforderungen, bei schwerwiegenden Verstößen gegen die grundlegenden Sozialnormen Sanktionen zu verhängen, fordert,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. April 2002 zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlaments: Rolle der Europäischen Union bei der Förderung der Menschenrechte und der Demokratisierung in Drittländern (KOM(2001)0252)[4],
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Die soziale Dimension der Globalisierung – der politische Beitrag der EU zu einer gleichmäßigen Verteilung des Nutzens“ (KOM(2004)0383),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. November 2005 zu der sozialen Dimension der Globalisierung[5],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Juli 2005 zur Ausbeutung von Kindern in Entwicklungsländern unter besonderer Berücksichtigung der Kinderarbeit[6],
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 14. Juni 2010 zum Thema Kinderarbeit[7],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Juli 2006 zu fairem Handel und Entwicklung[8],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Mai 2007 zu dem Thema „Europa im Zeitalter der Globalisierung – externe Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit“[9] als Antwort auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament mit dem Titel „Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt – ein Beitrag zur EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung“ (KOM(2006)0567),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern – Der Beitrag der Europäischen Union zur weltweiten Umsetzung der Agenda für menschenwürdige Arbeit“ (KOM(2006)0249),
– unter Hinweis auf die Ministererklärung des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2006 über Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit, in der die produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle als zentraler Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung anerkannt wurde,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Mai 2007 zu dem Thema „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“[10], in der es zur Förderung menschenwürdiger Arbeit die Einbeziehung von Sozialnormen in Handelsabkommen der Europäischen Union, insbesondere in bilaterale Abkommen, fordert,
– unter Hinweis auf die Agenda für menschenwürdige Arbeit und den Globalen Beschäftigungspakt der IAO, die auf der Internationalen Arbeitskonferenz am 19. Juni 2009 durch weltweite Zustimmung beschlossen wurden, und auf die Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung aus dem Jahr 2008,
– unter Hinweis auf das Brüsseler Übereinkommen von 1968, das durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen konsolidiert wurde[11],
– unter Hinweis auf das Allgemeine Präferenzsystem (APS), das seit dem 1. Januar 2006 in Kraft ist und den zollfreien Zugang bzw. Zollvergünstigungen für eine steigende Zahl von Produkten garantiert und außerdem neue Anreize für wenig entwickelte Länder mit besonderem Handels-, Finanz- und Entwicklungsbedarf umfasst,
– unter Hinweis auf alle Abkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten,
– unter Hinweis auf das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnete Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean (AKP) und der Europäischen Union und auf seine Neufassungen von 2005 und 2010,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Regionen und -Staaten, insbesondere auf jene vom 26. September 2002[12], vom 23. Mai 2007[13] und vom 12. Dezember 2007[14],
– unter Hinweis auf internationale Umweltschutzübereinkommen, z. B. das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, von 1987, das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle von 1989, das Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit von 2000 und das Protokoll von Kyoto von 1997,
– unter Hinweis auf Kapitel 13 des im Oktober 2009 zwischen der Europäischen Union und Südkorea unterzeichneten Freihandelsabkommens,
– unter Hinweis auf den Abschluss der Verhandlungen zwischen der Europäischen Union, Kolumbien und Peru über die Unterzeichnung eines mehrseitigen Handelsabkommens,
– unter Hinweis auf die am 14. Januar 2010 vom Europäischen Parlament veranstaltete Anhörung zu der Anwendung von Sozial- und Umweltnormen in Handelsverhandlungen,
– gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für internationalen Handel sowie der Stellungnahmen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, des Entwicklungsausschusses, des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (A7‑0312/2010),
A. in der Erwägung, dass der Zusammenhang zwischen Handel, Menschenrechten und Sozial- und Umweltnormen zu einem zentralen Aspekt in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen geworden und fester Bestandteil von Verhandlungen im Rahmen von Freihandelsabkommen ist,
B. in der Erwägung, dass es immer häufiger zu Wettbewerbsverzerrungen kommt und immer öfter ein Risiko von Umwelt- bzw. Sozialdumping besteht, und zwar insbesondere zu Lasten der in Europa ansässigen Unternehmen und Arbeitnehmer, die strengere sozial-, umwelt- und steuerrechtliche Normen einhalten müssen,
C. in der Erwägung, dass die EU in ihren Beziehungen zu Drittländern eine Strategie beschließen muss, die auf Gegenseitigkeit beruht, aber nach dem Entwicklungsniveau ihrer Partner differenziert ist, was sowohl ihre Forderungen im Sozial- und Umweltbereich als auch die Liberalisierung des Handels betrifft, damit die Voraussetzungen für einen gerechten und fairen internationalen Wettbewerb gegeben sind,
D. in der Erwägung, dass diese politischen Ziele nunmehr insofern hauptsächlich in bilateralen Gremien verfolgt werden, als die Aussichten, im Rahmen der WTO multilaterale Vorschriften für die Beziehungen zwischen Handel, Beschäftigung und Umwelt auszuarbeiten, nicht besonders vielversprechend sind,
E. in der Erwägung, dass das Verhältnis zwischen dem Handelsrecht und den Grundrechten gleichwohl neu austariert und der Dialog zwischen den wichtigsten internationalen Organisationen – hauptsächlich zwischen der IAO und der WTO – gestärkt werden sollte, um die internationale Politik kohärenter zu gestalten und den weltweiten Ordnungsrahmen zu verbessern,
F. in der Erwägung, dass es zahlreiche Gründe dafür gibt, Menschenrechtsklauseln und Sozial- und Umweltnormen in internationale Handelsabkommen aufzunehmen, die von dem Willen, für gerechten und fairen Handel zu sorgen und bestimmte gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, bis zu der stärker normativen Absicht reicht, für die allgemeinen Werte der Europäischen Union einzutreten und alle europäischen Politikbereiche kohärent zu gestalten,
G. in der Erwägung der Erklärung der Vereinten Nationen über das Recht auf Entwicklung von 1986, in der bekräftigt wird, dass das Recht auf Entwicklung ein unveräußerliches Menschenrecht ist, in dessen Rahmen allen Menschen und Völkern das Recht eingeräumt wird, an der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung teilzuhaben, ihren Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten und von ihr zu profitieren; in der Erwägung, dass die EU deshalb dieses Recht nicht untergraben darf, sondern vielmehr dazu verpflichtet ist, es in internationale Abkommen zu integrieren und als Richtschnur ihres politisches Handelns einzusetzen,
H. in der Erwägung, dass im Vertrag von Lissabon betont wird, dass sich die Europäische Union in ihrer Außenpolitik, deren fester Bestandteil der Handel ist, von den gleichen Grundsätzen leiten lassen sollte, die auch zu ihrer Gründung geführt haben; in der Erwägung, dass das europäische Sozialmodell, in dem die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums und verbesserte Arbeits- und Lebensbedingungen kombiniert sind, auch als Modell für andere Partner dienen kann; in der Erwägung, dass Handelsabkommen außerdem mit anderen internationalen Pflichten und Übereinkommen, deren Einhaltung die Vertragsstaaten nach ihrem nationalen Recht zugesagt haben, kompatibel sein müssen,
I. in der Erwägung, dass das Niveau der in der Europäischen Union geltenden Sozial- und Umweltnormen beibehalten und gewährleistet werden muss, dass diese auch von den auf dem europäischen Binnenmarkt tätigen ausländischen Unternehmen eingehalten werden,
J. in der Erwägung, dass Handelsabkommen einen Mehrwert generieren können, wenn die Menschenrechte und Sozial- und Umweltnormen in sie aufgenommen werden, weil dadurch die Interaktion mit der Zivilgesellschaft verbessert und die politische und soziale Stabilität stärker gefördert werden kann und überdies ein besseres Klima für den Handel geschaffen wird,
K. in der Erwägung, dass der Handel und die Wahrung von Menschenrechts-, Sozial- und Umweltnormen wichtige Aspekte bei der Sicherstellung von Frieden und Wohlstand in der Welt sind, aber nicht zur Lösung aller Probleme zwischen den Staaten auf der Welt taugen; jedoch auch in der Erwägung, dass politisch festgefahrene Situationen durch Stärkung der Handelsbeziehungen überwunden werden können, wenn dadurch gewährleistet wird, dass gemeinsame Interessen, insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, zur Konfliktbewältigung genutzt werden,
L. in der Erwägung, dass andere Länder bei der Aufnahme von Sozialnormen in Handelsabkommen mit gutem Beispiel vorangegangen sind,
M. in der Erwägung, dass das Allgemeine Präferenzsystem der Bedingung unterliegt, dass die Empfängerländer die Grundsätze der internationalen Menschenrechtskonventionen und die Kernarbeitsnormen einhalten, dass es eine Sonderregelung zu zusätzlichen Zollpräferenzen enthält, mit der die Ratifizierung und wirksame Umsetzung grundlegender internationaler Übereinkommen über Menschen- und Arbeitnehmerrechte, den Umweltschutz und verantwortungsvolle Staatsführung vorangebracht werden soll, und dass die Nichteinhaltung der Bedingungen die Aussetzung dieser Handelsregelung nach sich ziehen kann,
1. fordert dementsprechend, dass bei der zukünftigen Handelsstrategie der Europäischen Union der Handel nicht als Selbstzweck, sondern als Handhabe betrachtet werden sollte, mit dem die Werte und Handelsinteressen der EU vertreten werden können und auch der faire Handel gefördert werden kann, damit die wirksame Einbeziehung und Durchsetzung von Sozial- und Umweltnormen in Bezug auf alle Handelspartner der EU allgemein Anwendung findet; ist der Ansicht, dass die Europäische Union mit einer positiven Haltung an Verhandlungen herangehen, dabei aber durchaus auch auf rechtsverbindliche Formulierungen achten sollte; betont, dass die Aufnahme von Bestimmungen über die nachhaltige Entwicklung, insbesondere in bilaterale Abkommen, allen Vertragsparteien zugute kommen wird;
2. weist darauf hin, dass die Handelspolitik im Dienst der globalen Ziele der Europäischen Union steht, dass die Handelspolitik der Europäischen Union gemäß Artikel 207 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union „im Rahmen der Grundsätze und Ziele des auswärtigen Handelns der Union“ zu gestalten ist und dass sie gemäß Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union insbesondere „einen Beitrag zu globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern, zu freiem und gerechtem Handel, zur Beseitigung der Armut und zum Schutz der Menschenrechte, insbesondere der Rechte des Kindes, sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ zu leisten hat;
Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in multilateralen Handelsbeziehungen
3. fordert, dass die Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene zwischen der WTO und den wichtigsten Organen der Vereinten Nationen im Bereich Menschenrechte gestärkt wird; ist der Ansicht, dass engere Verbindungen zum Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und zu den Sonderverfahren besonders nützlich wären, was die Ausarbeitung eines multilateralen Handelsrahmens angeht, mit dem zur Achtung der Menschenrechte beigetragen wird; ist gleichfalls der Auffassung, dass den Gutachten des Hochkommissariats in den WTO-Panels und im WTO-Berufungsgremium in Fällen Rechnung getragen werden könnte, in denen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt werden;
4. hält es für durchaus sinnvoll, die Einhaltung der Menschenrechtsklauseln in internationalen Handelsabkommen durch eine allgemeine regelmäßige Prüfung im Menschenrechtsrat zu überwachen;
5. betont, dass die Vertiefung der Zusammenarbeit mit der IAO – dem Organ, das dafür zuständig ist, internationale Arbeitsnormen auszuarbeiten und auszuhandeln und deren rechtliche und praktische Anwendung zu überwachen – und die umfassende Beteiligung der IAO an der Tätigkeit der WTO von entscheidender Bedeutung sind;
a) fordert zu diesem Zweck, der IAO den Status eines offiziellen Beobachters in der WTO und das Rederecht auf Ministerkonferenzen der WTO zu gewähren;
b) regt an, in der WTO einen Ausschuss für Handel und menschenwürdige Arbeit nach dem Muster des Ausschusses für Handel und Umwelt einzurichten; fordert, dass beide Ausschüsse klar definierte Aufgaben und konkreten Einfluss erhalten;
c) schlägt vor, dass die IAO in relevanten Fällen, in denen es in Handelsstreitigkeiten um die Verletzung internationaler Arbeitsübereinkommen geht, in gleicher Weise wie das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte befasst werden kann;
d) ist der Ansicht, dass es einen Rechtsbehelf bei der IAO geben sollte, wenn ein WTO-Mitgliedstaat einen Beschluss des Streitbeilegungsorgans als Infragestellung der Beschlüsse der IAO zur Einhaltung der Arbeitsübereinkommen auffasst;
6. betont, dass sich die Ziele, einerseits ein offenes und diskriminierungsfreies multilaterales Handelssystem zu erhalten und fortzuführen und andererseits für den Umweltschutz und die Förderung der nachhaltigen Entwicklung einzutreten, gegenseitig verstärken müssen; hebt hervor, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel XX des GATT handelspolitische Maßnahmen zum Schutz der Umwelt beschließen dürfen, sofern diese Maßnahmen nicht zur willkürlichen oder durch nichts zu rechtfertigenden Diskriminierung missbraucht werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Bestimmung in vollem Umfang zu nutzen;
7. begrüßt, dass es den WTO-Ausschuss für Handel und Umwelt gibt, der ein maßgebliches Forum für die fortlaufende Zusammenführung und stärkere Vernetzung der Bereiche Umwelt und Handel sein sollte; wünscht, dass sich die Aufgaben und die Arbeit des Ausschusses so entwickeln, dass die größten Herausforderungen in den Bereichen Handel und Umwelt, vor denen die internationale Gemeinschaft steht, positiv angegangen werden;
8. hält es für außerordentlich wichtig, den Zugang zu umweltfreundlichen Gütern und Technologien zu verbessern, um die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, und fordert alle an den Verhandlungen beteiligten Parteien auf, ihre Bemühungen um einen schnellen Abschluss der Verhandlungen über den Abbau oder die Beseitigung tarifärer und nichttarifärer Handelshemmnisse bei Umweltgütern und ‑dienstleistungen zu verstärken, um neue Formen der Beschäftigungspolitik, die Schaffung von Arbeitsplätzen unter Einhaltung der IAO-Normen für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und die Wachstumsmöglichkeiten der europäischen Unternehmen und KMU zu fördern;
9. betont, dass Fortschritte bei den Verhandlungen über die anderen Punkte von Ziffer 31 der Doha-Erklärung erzielt werden müssen, die das Verhältnis zwischen den WTO-Regeln und den besonderen, in multilateralen Umweltübereinkommen (MEA) genannten handelspolitischen Verpflichtungen betreffen, und dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den MEA-Sekretariaten und den WTO-Ausschüssen vorangebracht werden muss, was im Hinblick auf die kohärente Fortentwicklung der Handels- und Umweltvorschriften von entscheidender Bedeutung ist;
10. ist der Ansicht, dass ein multilaterales Klimaschutzübereinkommen am besten geeignet wäre, negative externe Umwelteffekte im Zusammenhang mit CO2-Emissionen zu internalisieren, dieses Ziel jedoch in naher Zukunft wohl kaum erreicht werden dürfte; vertritt deshalb die Auffassung, dass die Europäische Union weiterhin prüfen sollte, ob sich für Branchen, in denen de facto ein Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen besteht, geeignete umweltpolitische Instrumente einführen ließen, mit denen die Versteigerungen im Rahmen des Systems für den Handel mit Emissionsberechtigungen ergänzt werden, insbesondere einen Mechanismus, mit dem die Kosten von CO2-Emissionen unter Einhaltung der WTO-Vorschriften einbezogen werden, weil mit einem solchen Mechanismus gegen das Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen in Drittländer vorgegangen werden könnte;
11. regt an, dass nach den Verhandlungen über ein Klimaschutzübereinkommen und dessen Unterzeichnung eine regelrechte Weltumweltorganisation gegründet wird, die dafür sorgt, dass die gegebenen Zusagen und die Umweltnormen auch wirklich eingehalten werden; ist der Ansicht, dass diese zukünftige Organisation beispielsweise in Fällen von Umweltdumping obligatorisch zu befassen wäre;
Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in bilateralen Handelsabkommen
12. unterstützt ausdrücklich die Praxis, rechtsverbindliche Menschenrechtsklauseln in internationale Übereinkommen der Europäischen Union aufzunehmen, stellt aber fest, dass die Herausforderungen in Bezug auf die Überwachung und Durchsetzung dieser Klauseln nach wie vor groß sind; bekräftigt, dass solche Klauseln auch in alle Handels- und sektorbezogenen Abkommen aufgenommen werden müssen, und zwar nach einem klaren und präzisen Konsultationsverfahren nach dem Muster des Artikels 96 des Cotonou-Abkommens; erklärt sich in diesem Zusammenhang erfreut über die Aufnahme einer solchen Klausel in die Freihandelsabkommen der neuen Generation;
13. betont, dass eine solche Klausel systematisch auch in die Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung in bilateralen Übereinkommen aufgenommen werden sollte;
14. stellt fest, dass künftige Handelsabkommen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise geschlossen werden können; ist der Ansicht, dass dies nicht dazu führen darf, dass Sozial- und Umweltnormen – insbesondere über Treibhausgasemissionen und die Entsorgung gefährlicher Abfälle – vernachlässigt werden, um andere Ziele zu erreichen;
15. fordert die Kommission unter Berücksichtigung der genannten Ziele auf, systematisch in alle Freihandelsabkommen, die sie mit Drittstaaten aushandelt, eine Reihe von Sozial- und Umweltnormen aufzunehmen, darunter
a) eine Liste der Mindestnormen, die von allen Handelspartnern der EU eingehalten werden müssen; im Bereich Soziales müssen diese Normen den acht Kernarbeitsnormen der IAO entsprechen, die in der Erklärung der IAO zu den grundlegenden Prinzipien und Rechten bei der Arbeit (1998) aufgeführt sind, wobei für die Industrieländer zu den acht Kernarbeitsnormen noch die vier vorrangigen Übereinkommen der IAO hinzukommen; in den Bereichen Umwelt und Menschenrechte müssen die Mindestnormen eingehalten werden, die in der Verordnung über ein Schema allgemeiner Zollpräferenzen in der Liste der Übereinkommen über den Umweltschutz bzw. die Grundsätze der verantwortungsvollen Staatsführung, aufgeführt sind;
b) eine Liste der zusätzlichen Normen, die schrittweise und flexibel nach Maßgabe der Entwicklung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Situation des jeweiligen Partners eingeführt werden sollten, wobei als sozialpolitisches Fernziel anzustreben ist, dass die IAO-Agenda für menschenwürdige Arbeit vollständig umgesetzt wird;
16. betont, dass unter der Einhaltung dieser Normen zu verstehen ist, dass sie ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt werden und im gesamten Hoheitsgebiet tatsächlich Anwendung finden;
17. fordert, dass in allen zukünftigen Handelsabkommen das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit, insbesondere bei der Natursteingewinnung und ‑verarbeitung, festgeschrieben und ein einheitliches Europäisches Zertifizierungssystem festgelegt wird, mit für eingeführten Naturstein und daraus hergestellte Erzeugnisse in der gesamten Wertschöpfungskette der Nachweis geführt werden kann, dass dabei keine Kinder ausgebeutet werden – wie es im Sinne IAO-Übereinkommen 182 gefordert wird;
18. hebt hervor, dass im Rahmen von Freihandelsabkommen bedingte Liberalisierungen, beispielsweise die Verkürzung der Fristen für die Abschaffung von Beschränkungen oder der Zugang zu weiteren Märkten, in Betracht gezogen werden könnten, sofern die Umwelt- und Sozialnormen eingehalten werden;
19. hält es für wichtig, die Umsetzung des Übereinkommens ständig zu überwachen und dabei in allen Phasen offen und ohne Beschränkungen vorzugehen:
a) nimmt zur Kenntnis, dass Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung erfolgen, ist aber der Ansicht, dass diese Untersuchungen auch vor, während und nach den Verhandlungen durchgeführt werden sollten, damit eine fortlaufende Bewertung sichergestellt ist; hebt es außerdem als wichtig hervor, durchweg ergebnisorientiert vorzugehen; vertritt die Auffassung, dass bei den Verhandlungen den Prioritäten und bedenklichen Sachverhalten, die bei den Folgenabschätzungen zutage treten, stärker Rechnung getragen werden sollte;
b) fordert die Kommission auf, eventuelle Auswirkungen auf die Menschenrechte untersuchen zu lassen, um die Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung um nachvollziehbare, auf die Menschenrechte und die Umwelt- und Sozialnormen gestützte handelspolitische Indikatoren zu ergänzen;
c) fordert beide Parteien auf, regelmäßig Berichte über die allgemeinen Fortschritte bei der Verwirklichung der im Rahmen des Übereinkommens gegebenen Zusagen vorzulegen;
d) fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Parlamente der Partnerländer im Interesse einer Verbesserung der verantwortungsvollen Staatsführung und der demokratischen Kontrolle in den Entwicklungsländern in die Handelsverhandlungen einbezogen werden;
e) hält es für geboten, die Bürger in allen Phasen der Verhandlungen und bei den Folgemaßnahmen zu den Übereinkommen mitwirken zu lassen, und fordert in diesem Zusammenhang die Einrichtung von Foren für die nachhaltige Entwicklung oder die Gründung von Beiräten, in denen die Konsultation der Sozialpartner und der Vertreter der unabhängigen Zivilgesellschaft vorgesehen ist;
20. fordert, dass in den Handelsabkommen der EU in wirksamer Art und Weise für ein größtmögliches Maß an Transparenz gesorgt wird, strenge Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge erlassen werden und eine nach Ländern aufgeschlüsselte Berichterstattung seitens der Unternehmen sowohl in Industrie- als auch Entwicklungsländern vorgegeben wird, damit die illegale Kapitalflucht unterbunden wird;
21. fordert, dass die Union bei der Aushandlung von Handelsabkommen dem Recht auf Zugang zu den natürlichen Ressourcen Geltung verschafft und für die Rechte der einheimischen und indigenen Völker in Bezug auf den Zugang zu lebenswichtigen natürlichen Ressourcen eintritt; fordert die Kommission auf, die Problematik des Landerwerbs und ‑besitzes in Drittländern, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern, in die internationalen Handelsverhandlungen und Handelsabkommen einzubeziehen;
22. stellt fest, dass das Kapitel über die nachhaltige Entwicklung in bilateralen Übereinkommen, über die gegenwärtig verhandelt wird, verbindlich behandelt werden muss, seine Bedeutung aber noch gestärkt werden könnte, wenn es Folgendes vorsähe:
a) ein den Sozialpartnern offenstehendes Beschwerdeverfahren;
b) ein unabhängiges Gremium, das rasch und effizient Streitigkeiten im Zusammenhang mit sozialen oder ökologischen Problemen beilegt, beispielsweise einer Gruppe von Sachverständigen, die von beiden Parteien anhand ihrer Erfahrung auf den Gebieten Menschenrechte, Arbeitsrecht und Umweltrecht ausgewählt werden und deren Empfehlungen Teil eines durchdachten Verfahrens mit entsprechenden Durchführungsbestimmungen sein müssten;
c) ein Streitbeilegungsverfahren wie in den anderen Übereinkommensteilen, das Geldbußen, durch die die Situation in den betroffenen Bereichen verbessert werden soll, oder eine zumindest vorübergehende Aussetzung bestimmter im Abkommen geregelter Handelsvorteile vorsieht, falls die genannten Normen erheblich missachtet werden;
23. betont, dass die Übereinkommen um Begleitmaßnahmen ergänzt werden müssen, etwa um Maßnahmen zur technischen Unterstützung und Kooperationsprogramme, mit denen die Durchführungskapazitäten verbessert werden sollen, insbesondere im Hinblick auf die grundlegenden Menschenrechtskonventionen und die Sozial- und Umweltnormen;
Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in unilateralen Handelsbeziehungen: APS und APS+
24. hält die 27 Übereinkommen, deren Ratifizierung und wirksame Umsetzung erforderlich ist, damit das APS+ genutzt werden kann, für ein einzigartiges Paket von Übereinkommen über Normen in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsrecht, Umweltschutz und verantwortungsvolle Staatsführung; betont, dass sich das APS+ bislang zwar positiv und sichtbar auf die Ratifizierung der Übereinkommen, aber in geringerem Maße auf deren Durchführung ausgewirkt hat, und ist deshalb der Ansicht, dass die Begleitmaßnahmen zur Verbesserung der Durchführungskapazitäten stärker in den Vordergrund gerückt werden sollten; vertritt außerdem die Auffassung, dass die Kommission, um die Glaubwürdigkeit des APS+ zu sichern, Untersuchungen durchführen muss, wenn übereinstimmende Hinweise darauf vorliegen, dass bestimmte Länder die 27 Übereinkommen nicht umsetzen, und gegebenenfalls Präferenzen aussetzen muss;
25. vertritt die Auffassung, dass die Menschenrechtsklauseln und das APS+ in Übereinkommen der Europäischen Union mit Drittländern, insbesondere in Bezug auf die Folgemaßnahmen, stärker miteinander verknüpft werden könnten;
26. fordert die Kommission auf, bei der Überarbeitung des APS darauf hinzuarbeiten, dass es vor allem den Ländern zugute kommt, die am stärksten darauf angewiesen sind, und dass die Ursprungsbestimmungen vereinfacht werden, damit die Länder, die von der Initiative „Alles außer Waffen“ und der Sonderregelung APS+ profitieren, den größtmöglichen Nutzen aus den ihnen gewährten Präferenzen ziehen können; fordert, dass Vergleichsmaßstäbe, Mechanismen und transparente Kriterien für die Gewährung und den Entzug von Präferenzen im Rahmen dieses Systems ausgearbeitet werden; fordert außerdem, dass das Europäische Parlament am gesamten Prozess umfassend beteiligt wird, insbesondere in Bezug auf den Vorschlag des Rates, der die Liste der Empfängerländer, die Einleitung von Untersuchungen oder die vorübergehende Aussetzung der Sonderregelung APS+ betrifft;
27. fordert die Kommission auf, rasch einen Vorschlag für eine Verordnung über ein Einfuhrverbot der EU in Bezug auf Waren vorzulegen, die unter Verletzung grundlegender Menschenrechtsnormen durch moderne Formen der Sklaverei, Zwangsarbeit, insbesondere Zwangsarbeit besonders schutzloser Gruppen, hergestellt wurden;
28. fordert, von der Kommission auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission während Verhandlungen über internationale Handelsabkommen umfassend über alle relevanten Themen informiert zu werden;
29. fordert die Kommission auf, in Anbetracht der durch den Vertrag von Lissabon erweiterten Befugnisse des Parlaments einen effizienten Informationsfluss sicherzustellen und dem Parlament in Gestalt seiner entsandten Vertreter stets Beobachterstatus und folglich jederzeit Zugang zu allen relevanten Sitzungen und Dokumenten zu gewähren;
30. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- [1] ABl. C 320 vom 28.10.1996, S. 261.
- [2] ABl. C 290 E vom 29.11.2006, S. 107.
- [3] ABl. C 112 E vom 9.5.2002, S. 326.
- [4] ABl. C 131 E vom 5.6.2003, S. 147.
- [5] ABl. C 280 E vom 18.11.2006, S. 65.
- [6] ABl. C 157 E vom 6.7.2006, S. 84.
- [7] Schlussfolgerungen des Rates vom 14.6.2010 zur Kinderarbeit, 10937/1/10.
- [8] ABl. C 303 E vom 13.12.2006, S. 865.
- [9] ABl. C 102 E vom 24.4.2008, S. 128.
- [10] ABl. C 102 E vom 24.4.2008, S. 321.
- [11] ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.
- [12] ABl. C 273 E vom 14.11.2003, S. 305.
- [13] ABl. C 102 E vom 24.04.2008, S. 301.
- [14] ABl. C 323 E vom 18.12.2008, S. 361.
BEGRÜNDUNG
Die Aufnahme einer Menschenrechtsklausel oder auch die Anwendung von Sozial- und Umweltnormen in Handelsverhandlungen sind vielschichtige Probleme, über die sich die internationale Gemeinschaft uneins ist. Einerseits beklagen die Länder des Nordens das Sozial- und Umweltdumping der Schwellenländer, das eine Wettbewerbsverzerrung im Handel darstellt, andererseits unterstellen die Länder des Südens jenen des Nordens, ihre wirtschaftliche Entwicklung behindern zu wollen und dabei unter Rückgriff auf die Anwendung der genannten Normen eine Art versteckten Protektionismus zu betreiben.
Es wird also deutlich, dass es äußerst schwierig ist, in multilateralen Gremien und erst recht in der WTO unaufgeregt über Normen zu verhandeln, während Sozialklauseln immer häufiger Eingang in bilaterale Handelsabkommen finden.
Gegenwärtig ist ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen den Regeln des internationalen Handels und anderen internationalen Rechtsnormen festzustellen. Deshalb muss über neue Wege nachgedacht und auf eine wirkliche Zusammenarbeit der internationalen Organisationen (WTO und IAO) hingearbeitet werden.
Die Europäische Union spielt bei der Suche nach einem neuen weltweiten Ordnungsrahmen eine entscheidende Rolle und muss zu diesem Zweck auf eine bessere Abstimmung der Politik in den internationalen Institutionen hinwirken.
Die Europäische Union überarbeitet gerade ihre Handelsstrategie und muss sich deshalb darüber klar werden, was für eine Handelspolitik sie betreiben möchte. Will sie sich wirklich klar gegen den Protektionismus aussprechen, muss sie auch darauf achten, dass der internationale Handel fair gestaltet wird und von gegenseitigem Nutzen ist.
Die Europäische Union muss in ihrer Politik und insbesondere in der Handelspolitik ihre Handelsinteressen vertreten, dabei aber auch ihre eigenen Normen und Werte einhalten und durchsetzen.
Von diesen Gedanken müssen sich die einzelnen europäischen Organe leiten lassen, wenn sie eine anspruchsvolle, entschlossene und dialogorientierte neue Handelspolitik einleiten und praktizieren wollen.
Allerdings ist stets zu bedenken, dass die auf Industrie und Handel ausgerichteten europäischen Gesellschaften in Europa Sozial- und Umweltnormen genau einhalten müssen. Hält die Europäische Union zwingende Normen tatsächlich ein, kann sie dies auch von ihren Handelspartnern und insbesondere von den Schwellenländern verlangen und Anforderungen an die Qualität und die Nachhaltigkeit stellen, insbesondere bei Lebensmitteln, die in die EU eingeführt werden, um den fairen und gerechten Handel zu schützen.
In diesem Sinne verkörpern die anspruchsvollen Normen des europäischen Binnenmarkts in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutz ein besonderes europäisches Modell, das auf internationaler Ebene und in multilateralen Gremien als Inspirationsquelle dienen und sich in den laufenden Verhandlungen über bilaterale Handelsabkommen niederschlagen sollte. Auf diese Weise könnte die Union in noch größerem Maße dafür sorgen, mit ihrer Außenpolitik im Wege der Handels- und Entwicklungspolitik tatsächlich zu einer gesellschaftlichen Entwicklung in den Drittländern beizutragen, mit denen sie Handelsbeziehungen unterhält.
Indem die Union auf diese Herausforderungen reagiert und einige entsprechende Vorschläge vorlegt, könnte sie bewirken, dass ihre Handelspolitik von den Bürgern (gegenwärtig werden Ablehnung und Befürchtungen gegenüber Handelsverhandlungen geäußert) wieder positiv gesehen wird, und einen Beitrag zu der Diskussion über gleiche Wettbewerbsbedingungen leisten. Bekanntermaßen wird die Öffnung der Märkte von der Gesellschaft akzeptiert und als vorteilhaft empfunden, sofern dadurch zur Verbesserung des Lebensniveaus beigetragen werden kann. In gleicher Weise werden der Aufschwung des Handels und der Liberalismus als positiv wahrgenommen, sofern dadurch soziale und ökologische Rechte nicht in Frage gestellt werden. Die Europäische Union muss also die Balance zwischen restriktiver und liberaler Handelspolitik sowie einen Kompromiss zwischen der Verteidigung ihrer Handelsinteressen und der Forderung finden, dass universelle Werte eingehalten werden, die in der Anwendung verbindlicher Sozial- und Umweltnormen ihren Ausdruck finden.
Dieser Kompromiss wird der Union nur gelingen, wenn sie einen Dialog mit ihren Partnern ins Leben ruft und eine gemeinsame Form für die Vermittlung ihrer Werte findet. Das Europäische Parlament hat bei diesen Bemühungen um Transparenz und Dialog in Anbetracht der ihm durch den Vertrag von Lissabon übertragenen Kompetenzen eine Schlüsselrolle inne. In diesem Sinne muss es für die Verhandlungen ein politisches und moralisches Mandat vorgeben. Es muss dazu Stellung nehmen, ob die Union ihre Handelsinteressen verteidigen sollte, und es muss sich gleichzeitig dazu äußern, ob ein normativer Rahmen erforderlich ist. Das Parlament muss offene und bürgernahe Diskussionen voranbringen. Es muss als Organ bekräftigen, dass die Achtung menschlichen Lebens und der menschenwürdigen Arbeit überall und für alle gleichermaßen gilt und dass die Umwelt- und Sozialrechte (Rechte der Gewerkschaften, Kampf gegen Kinderarbeit usw.) einen universellen Aspekt haben.
An die soeben dargelegte Problematik kann auf verschiedenen Ebenen, nämlich multilateral, bilateral und unilateral, herangegangen werden.
I. Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in multilateralen Handelsbeziehungen
Es ist, wie zuvor beschrieben, von überragender Bedeutung, eine kohärente Politik der internationalen Institutionen zu fördern und eine neue Weltordnungspolitik zu betreiben, die von der Welthandelsorganisation, der Internationalen Arbeitsorganisation und einer (künftigen?) Weltumweltorganisation koordiniert wird. Es ist bekanntermaßen schwierig, nicht handelsbezogene Normen in die Rechtsvorschriften für den internationalen Handel aufzunehmen. Auch werden bestimmte Grundsätze in Bezug auf die Einhaltung von Sozialnormen wohl eher durch die Stärkung des Dialogs mit der IAO Berücksichtigung finden können. In diesem Sinne müsste die Rolle der IAO gestärkt werden, und die IAO müsste mit einem Gremium zur Auslegung von Normen ausgestattet werden. Es sollte nicht nur empfohlen werden, dass die Einhaltung der grundlegenden Normen der IAO für verbindlich erklärt wird, sondern die IAO müsste im Rahmen der Beilegung internationaler Streitigkeiten wie Handelsstreitigkeiten auch mit Fragen der grundlegenden Arbeitnehmerrechte befasst werden können (indem die IAO vorab durch die WTO mit der Angelegenheit befasst wird).
Zwar ist die Berücksichtigung der Sozialnormen im Bereich Handel noch recht schwach ausgeprägt, aber im Bereich Umweltschutz werden die Handelsmaßnahmen, die in multilateralen Umweltübereinkommen (MEA) zur Erreichung der im multilateralen Konsens als legitim angesehenen umweltpolitischen Ziele gefordert werden und die kein einfaches verstecktes Handelshemmnis sind, nunmehr wohl als Ausnahmen gemäß Artikel XX des GATT angesehen.
Was die Umweltpolitik anbelangt, wäre es angezeigt, eine eigene Weltorganisation zu gründen. Erhielte diese Organisation – die als Weltumweltorganisation (WUO) bezeichnet werden könnte – ein nach dem Muster der WTO gegenüber anderen internationalen Organisationen klar definiertes und abgegrenztes Mandat, das ihr ein Handeln auf der Grundlage gemeinsam beschlossener Grundsätze ermöglicht, könnte sie die Aufgabe haben, Umweltnormen auszuarbeiten und einzuführen. Die WUO könnte demnach auch mit Fällen von Umweltdumping befasst werden.
Im Zusammenhang mit den Menschenrechten müsste schließlich eine verstärkte Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene zwischen der WTO und den im Bereich Menschenrechte wichtigsten Organen der Vereinten Nationen bewirkt werden. So könnte den Gutachten des Hochkommissariats in den WTO-Panels und im WTO-Berufungsgremium Rechnung getragen werden, wenn schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen festgestellt würden.
II. Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in bilateralen Handelsabkommen
Ob diese Normen im Rahmen bilateraler Handelsabkommen verbindlich Anwendung finden müssen, ist eine besonders heikle Frage, durch die besonders deutlich wird, ob die Europäische Union in der Lage ist, die Anwendung und Einhaltung dieser Normen durchzusetzen.
In den unlängst abgeschlossenen oder laufenden bilateralen Verhandlungen hält die Union daran fest, Sozialnormen in Freihandelsabkommen aufzunehmen, stößt dabei aber bisweilen auf Ablehnung bei bestimmten Ländern, die diese Normen für protektionistische Hemmnisse halten. Die Union ist außerdem mit Schwierigkeiten mit Ländern konfrontiert, die zwar die IAO-Übereinkommen unterzeichnet haben, Gewerkschaftsrechte jedoch nicht achten.
Dennoch lassen sich, wie an den Verhandlungen über Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung erkennbar ist, konkrete Tendenzen in Freihandelsabkommen feststellen. Ein Grundsatz bei bestimmten Freihandelsabkommen ist die Zusage der Vertragsparteien, die Menschenrechte zu achten und eine nachhaltige Wirtschaft aufzubauen, die auf dem Schutz und der Förderung der Arbeitnehmerrechte und der Umwelt beruht.
Damit jedoch die Kapitel über die nachhaltige Entwicklung von beiden Vertragsparteien eingehalten werden können, müsste über die Einführung von Mechanismen der gegenseitigen Überwachung und von Anreizen nachgedacht werden. So könnten an Bedingungen geknüpfte Liberalisierungen in Betracht gezogen werden, beispielsweise die Verkürzung der Fristen für die Abschaffung von Beschränkungen oder der Zugang zu weiteren Märkten, in Abhängigkeit von der Einhaltung bestimmter Umwelt- bzw. Sozialnormen. Außerdem müsste es eine Art „Schieberegler“ geben, um die Anforderungen je nach dem Land und seiner wirtschaftlichen Lage zu variieren, das heißt, graduell und flexibel vorzugehen, was die Anforderungen betrifft, die Sozial- und Umweltnormen einzuhalten.
Vor allem müssen auch Schiedsstellen und Foren des Austauschs und des Dialogs gestärkt werden, durch die die Zivilgesellschaft stärker eingebunden und dank deren Wirken mittelfristig ein größerer Einfluss auf die Innenpolitik der Partnerländer gewonnen werden kann. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, gemeinsame bilaterale Beobachtungsstellen einzurichten, um den Regierungen, dem Europäischen Parlament, den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft im weiteren Sinne ein Forum für den Meinungsaustausch zu bieten. Schließlich muss die Kommission aufgefordert werden, Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die Menschenrechte durchzuführen, um die Untersuchungen zu den Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung um nachvollziehbare handelspolitische Indikatoren zu ergänzen, die sich auf die Menschenrechte und die Umwelt- und Sozialnormen stützen.
III. Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in unilateralen Handelsbeziehungen: APS und APS+
Mit den Instrumenten APS und APS+ können die Grundsätze und Grundrechte der Europäischen Union in den Vordergrund gerückt werden. Allerdings ist das APS, mit dem die Union einseitig Handelspräferenzen gewähren kann, zu einem sehr bürokratischen Instrument mit wenig transparenten Kriterien in Bezug auf die Gewährung und den Entzug von Präferenzen geworden. Außerdem müsste die Union bei der Überarbeitung der APS-Verordnung das System besser an den Empfängern ausrichten und dabei unter anderem deren Entwicklungsniveau berücksichtigen und dafür sorgen, dass die Einhaltung der Zusagen dieser Länder im Hinblick auf die Menschenrechte und die Umwelt- und Sozialnormen überwacht wird. Die Kommission könnte auch die Möglichkeit prüfen, einen Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Union und den Ländern, die in den Genuss des APS kommen, zu schaffen, um Studien, die Überwachung strittiger Fälle und mehr Begleitmaßnahmen zu fördern.
STELLUNGNAHME des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (7.10.2010)
für den Ausschuss für internationalen Handel
zu dem Thema „Menschenrechte, Sozial- und Umweltstandards in internationalen Handelsabkommen“
(2009/2219(INI))
Berichterstatter: David Martin
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ersucht den federführenden Ausschuss für internationalen Handel, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. weist darauf hin, dass die wirtschaftlichen und sozialen Rechte seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) im Jahr 1948 integraler Bestandteil der Menschenrechte sind; betrachtet es als Aufgabe der EU, den am wenigsten entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern, mit denen sie internationale Abkommen, einschließlich Handelsabkommen, unterzeichnet, zu helfen, diese Rechte zu verwirklichen;
2. ersucht die Kommission, Handelsabkommen nur unter der Bedingung zu schließen, dass diese Abkommen Demokratie- und Menschenrechtsklauseln sowie Bestimmungen über Sozial-, Gesundheits- und Umweltnormen enthalten; bekräftigt erneut seine Forderung an die Kommission und an den Rat, den genannten Klauseln und Bestimmungen, die bereits in den bestehenden internationalen Abkommen enthalten sind, Geltung zu verschaffen und folglich einen geeigneten Mechanismus im Geist der Artikel 8, 9 und 96 des Abkommens von Cotonou vorzusehen;
3. fordert, dass bei allen Handelsverhandlungen und Handelsabkommen der Europäischen Union mit Drittländern eine Menschenrechtsklausel aufgenommen und eine vorherige Folgenabschätzung für die geplanten Abkommen unter Berücksichtigung der Menschenrechtslage bei allen Vertragsparteien dieser Abkommen vorgenommen wird; ist der Auffassung, dass zu dieser Analyse auch Treffen mit den Menschenrechtsbeauftragten, die in den betreffenden Ländern tätig sind, notwendig sind;
4. vertritt die Auffassung, dass die interne und die externe Politik der EU gerade im Bereich der Menschenrechte konsequent sein und zu jeder Zeit den in Titel V Kapitel 1 des EU-Vertrags verankerten Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der universellen Geltung, Unveräußerlichkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten genügen müssen; betont in diesem Zusammenhang, dass die internationale Glaubwürdigkeit der EU als Fürsprecherin der Menschenrechte davon abhängt, ob sie dafür sorgen kann, dass die multinationalen EU-Unternehmen bei ihren Tätigkeiten außerhalb Europas, besonders in Entwicklungsländern, die Menschenrechte und die Sozial- und Umweltschutznormen einhalten; verlangt die unverzügliche Durchführung der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der Folge der Europäischen Charta der Grundfreiheiten; ist davon überzeugt, dass die EU die Europäische Menschenrechtskonvention, wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte empfohlen, bei ihren Tätigkeiten in Drittstaaten anwenden muss;
5. ersucht die Kommission als Vertreterin der Union und der Mitgliedstaaten, bei der WTO und deren Mitgliedern die Notwendigkeit geltend zu machen, dass die Menschenrechte und die Sozial-, Gesundheits- und Umweltnormen bei den Handelsverhandlungen und insbesondere bei der Aushandlung des Doha-Abkommens berücksichtigt werden, und konkret dafür zu sorgen, dass sie bei der Durchführung der Handelsabkommen umgesetzt und gefördert werden; ersucht die Kommission, bei der WTO und deren Mitgliedern darauf hinzuwirken, dass die Delegationen der IAO und das Sekretariat des Internationalen Arbeitsamtes sowie die Sekretariate der multilateralen und internationalen Umweltübereinkommen in einer ersten Phase als Beobachter zugelassen werden;
6. fordert, dass die Union bei der Aushandlung von Handelsabkommen dem Recht auf Zugang zu den natürlichen Ressourcen Geltung verschafft und für die Rechte der einheimischen und indigenen Völker bezüglich des Zugangs zu lebenswichtigen natürlichen Ressourcen eintritt; ersucht die Kommission, die Problematik des Landerwerbs und -besitzes in Drittländern, insbesondere in den am wenigsten entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern, in die internationalen Handelsverhandlungen und Handelsabkommen einzubeziehen;
7. fordert die Kommission auf, die Entschließung des Parlaments vom 10. März 2010 zum APS+ umzusetzen; ersucht sie daher, ein einheitlicheres und gerechteres Benchmarking-System für alle Länder zu entwickeln, die im Rahmen dieses Systems unterstützt werden, um die Erfolge und auch die Rückschläge bei der Entwicklung der sozialen und politischen Menschenrechte, die die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und ökologischen Rechte umfassen, auf klare, transparente und unparteiische Weise zu überwachen;
8. ist jedoch der Auffassung, dass ein einseitiges Beharren auf der praktischen Geltung universeller Menschenrechte daran vorbeigeht, dass deren Umsetzung auch finanzielle Mittel erfordert, welche unter den gegebenen Bedingungen nicht allein von den Schwellen- und den Entwicklungsländern aufgebracht werden können;
9. hebt hervor, dass das TRIPS-Übereinkommen das Recht auf Gesundheit stützen soll; vertritt die Auffassung, dass die EU dafür sorgen sollte, dass Handelsübereinkommen, in denen „Trips-Plus“-Bestimmungen übernommen werden, im Einklang mit allen Menschenrechten stehen und aktiv das Recht auf Gesundheit, besonders in Entwicklungsländern, stützen sollten;
10. ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass das Parlament bei zukünftigen Rechtsvorschriften auf einer Regelung bestehen sollte, wonach Handelsvorteile, einschließlich solcher, die aus Freihandelsabkommen hervorgehen, vorübergehend von der Kommission allein ausgesetzt werden können, sofern hinlängliche Nachweise für Verstöße gegen die Menschenrechte oder Arbeitnehmerrechte vorliegen, oder vom Hohen Vertreter/Vizepräsidenten oder von der Kommission auf Antrag einer bestimmten Anzahl von Mitgliedstaaten und/oder des Europäischen Parlaments ausgesetzt werden können;
11. ist davon überzeugt, dass die EU die Einhaltung der Menschenrechtsklauseln ihrer Handelsabkommen wirkungsvoll überwachen und durchsetzen muss; hebt die Bedeutung der Möglichkeit hervor, im Fall von Verletzungen der Menschenrechte und besonders der Arbeitnehmerrechte Handelspräferenzen auf Zeit oder auf Dauer auszusetzen; fordert die Kommission auf, Auskunft darüber zu geben, ob die Einsetzung einer Schlichtungsstelle mit verbindlichen Befugnissen und die internationale strafrechtliche Verfolgung multinationaler Unternehmen möglich ist;
12. betont, dass Mittel dazu geschaffen werden sollten, mutmaßliche schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte und der Arbeitnehmerrechte intensiver zu überwachen; schlägt in diesem Zusammenhang vor zu erwägen, EU-Vertreter (nach dem jetzigen Stand Vertreter der Kommission oder in Zukunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes) an den gemäß den UN-Sonderverfahren durchgeführten Untersuchungsmissionen zu beteiligen, sofern es Auswirkungen auf die EU-Handelsabkommen gibt;
13. verweist ungeachtet der begrüßenswerten Einführung von Sozial-, Menschenrechts- und Umweltklauseln in internationalen Handelsabkommen auf die Tatsache, dass es sich um Mindestanforderungen und ein Instrument neben anderen handelt, und hebt hervor, dass ihr protektionistischer Missbrauch unbedingt verhindert werden muss, weshalb ein Ansatz zur Umsetzung dieser Klauseln auf Konsultationen und die demokratische Einbeziehung aller Parteien in den Entscheidungsprozess abzielen sollte;
14. fordert die Kommission auf, rasch einen Vorschlag für eine Verordnung vorzulegen, die den EU-Import von Waren untersagt, die unter Verletzung grundlegender Menschenrechtsnormen durch moderne Formen der Sklaverei, Zwangsarbeit, insbesondere Zwangsarbeit besonders schutzloser Gruppen wie Kinder, hergestellt wurden, und ist der Auffassung, dass in dieser Verordnung auf die Rechte verwiesen werden sollte, die in der Internationalen Konvention über die Rechte des Kindes und in der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit niedergelegt sind; betont, dass solch eine Verordnung es der EU ermöglichen würde, speziellen Vorwürfen nachzugehen, wenn ausreichende Nachweise einer Verletzung dieser internationalen Normen vorliegen; fordert die Kommission auf, bis zum Inkrafttreten einer solchen Verordnung die Kontrolle der Einfuhren zu verstärken und die Einhaltung der ethischen Normen in der Lieferkette in Staaten, die in die EU exportieren, zu überwachen;
15. fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 des Rates vom 27. Juni 2005 betreffend den Handel mit bestimmten Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zu Folter oder zu anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verwendet werden könnten[1], anzuwenden und ihre Bestimmungen in allen internationalen Handelsabkommen verbindlich vorzusehen;
16. ist der Auffassung, dass soziale Rechte universelle Rechte sind, die jedoch nicht nur proklamiert werden dürfen, sondern deren konkrete Umsetzung auch gefördert werden muss; fordert daher die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gerade die ärmsten Länder der Welt bei der Umsetzung dieser Rechte solidarisch zu unterstützen;
17. fordert die Kommission auf, die EU-Exportverordnungen daraufhin zu überprüfen, welche Möglichkeiten sie für einen Transfer von nach europäischen Normen hergestellten Technologien an repressive Regimes bieten, darunter auch für den Transfer von Mobiltelefonen, Kommunikationsnetzen und Software für Internet-Scanning und Internet-Zensur, für die zivile und militärische Verwendung von Gütern und für die Erfassung und Erkundung von Daten (Data Mining) einschließlich persönlicher Daten; ersucht die Kommission, eine Verordnung über ein neues Lizenzvergabesystem vorzuschlagen, falls diese Überprüfung ergibt, dass gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind;
18. fordert regelmäßige Bewertungen der auf Menschenrechte bezogenen Verpflichtungen, die in internationalen Handelsabkommen vorgesehen sind;
19. fordert die Kommission auf, die Ausfuhrregelungen der EU im Bereich des Verkaufs, der Lieferung, der Weitergabe oder der Ausfuhr von Rüstungsgütern und dazugehörigen Gütern aller Art, einschließlich Munition, Ausrüstung und Ersatzteile, an Länder oder Regime, die sie wahrscheinlich zur internen Repression gegen die Zivilgesellschaft und zu Verletzungen der Menschenrechte einsetzen, zu überprüfen;
20. fordert, bei parallelem Eintreten für Menschenrechte, Entwicklungshilfe und internationale Handelsabkommen, den regionalen Entwicklungsprozess nachhaltig im Sinn der UN-Millenniumsziele zu stärken;
21. legt den Vertretern der EU (derzeit Vertreter der Kommission oder in Zukunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes) nahe, ihre Kenntnisse über Menschenrechtssituationen gemeinsam mit den Wirtschaftsakteuren zu nutzen;
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
5.10.2010 |
|
|
|
||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
50 1 0 |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Gabriele Albertini, Bastiaan Belder, Frieda Brepoels, Elmar Brok, Michael Gahler, Marietta Giannakou, Ana Gomes, Andrzej Grzyb, Heidi Hautala, Richard Howitt, Anneli Jäätteenmäki, Ioannis Kasoulides, Tunne Kelam, Nicole Kiil-Nielsen, Andrey Kovatchev, Wolfgang Kreissl-Dörfler, Vytautas Landsbergis, Krzysztof Lisek, Sabine Lösing, Barry Madlener, Mario Mauro, Kyriakos Mavronikolas, Willy Meyer, Francisco José Millán Mon, Alexander Mirsky, María Muñiz De Urquiza, Norica Nicolai, Raimon Obiols, Kristiina Ojuland, Pier Antonio Panzeri, Ioan Mircea Paşcu, Alojz Peterle, Libor Rouček, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Nikolaos Salavrakos, Jacek Saryusz-Wolski, Adrian Severin, Marek Siwiec, Ernst Strasser, Zoran Thaler, Inese Vaidere, Graham Watson, Boris Zala |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Reinhard Bütikofer, Carlo Casini, Nikolaos Chountis, Monica Luisa Macovei, Marietje Schaake, György Schöpflin, Dominique Vlasto |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Marie-Christine Vergiat |
|||||
- [1] ABl. L 200 vom 30.7.2005, S.1.
STELLUNGNAHME des ENTWICKLUNGSAusschusses (25.10.2010)
für den Ausschuss für internationalen Handel
zu dem Thema „Menschenrechte, Sozial- und Umweltstandards in internationalen Handelsabkommen“
(2009/2219(INI))Berichterstatter: Filip Kaczmarek
VORSCHLÄGE
Der Entwicklungsausschuss ersucht den federführenden Ausschuss für internationalen Handel, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. weist darauf hin, dass in Artikel 208 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt ist, dass „bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, [...] den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung“ zu tragen ist; weist ferner darauf hin, dass die EU demzufolge vor der Unterzeichnung von Handelsabkommen verpflichtet ist, die gesamten Auswirkungen auf die Entwicklung eingehend zu prüfen und vor allem der Beseitigung der Armut Rechnung zu tragen;
2. erinnert an die Erklärung der Vereinten Nationen über das Recht auf Entwicklung von 1986, in der bekräftigt wird, dass das Recht auf Entwicklung ein unveräußerliches Menschenrecht ist, in dessen Rahmen allen Menschen und Völkern das Recht eingeräumt wird, an der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung teilzunehmen, ihren Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten und von ihr zu profitieren; ist daher der Ansicht, dass die EU dieses Recht nicht untergraben darf, sondern vielmehr dazu verpflichtet ist, es in internationale Abkommen zu integrieren und als Leitlinie europäischer Politiken zu verfolgen;
3. bedauert, dass weltweit nach wie vor kein ganzheitlicher Ansatz dafür existiert, wie die Unternehmen ihren Verpflichtungen betreffend die Menschenrechte nachkommen sollen, was es einigen Staaten und Unternehmen ermöglicht, diese zu umgehen; fordert die Kommission auf, auf OECD-Ebene Maßnahmen zur Rationalisierung und zum Benchmarking privater Initiativen im Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen zu ergreifen, insbesondere durch die Ausarbeitung eines einzigen Referenzdokuments zu entsprechenden Regeln und Verfahrensweisen, die ein sozial verantwortungsbewusstes Unternehmen einhalten sollte;
4. begrüßt Freihandelsabkommen und jegliche Bemühungen zur Förderung des Handels mit und zwischen Entwicklungsländern als zuverlässige Grundlage für eine stabile und nachhaltige Entwicklung; begrüßt insbesondere die Schaffung regionaler Freihandelszonen, die bei Beachtung der WTO-Bestimmungen durch Zollermäßigungen eine Möglichkeit zur Förderung des Handels zwischen den Entwicklungsländern bieten;
5. weist darauf hin, dass die Fischerei, insbesondere die handwerkliche Fischerei, und die damit verbundenen Wirtschaftszweige in vielen Entwicklungsländern eine wesentliche Rolle bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit, der Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Erzielung von Staatseinnahmen und die Durchführung von Exporten sowie für die Aufrechterhaltung lokaler Gemeinschaften spielen; hält es für wesentlich, dass die Interessen der lokalen Bevölkerung und ihre souveränen Rechte über die natürlichen Ressourcen berücksichtigt werden; bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass es durch illegale Fischerei zu einer Abwanderung kommen und somit die nachhaltige Entwicklung ernsthaft in Gefahr gebracht werden kann; weist deshalb mit Nachdruck darauf hin, dass die EU durch den Abschluss von Fischereiabkommen mit den Entwicklungsländern dazu beiträgt, die einheimische Fischereiindustrie (mit besonderem Fokus auf kleinen und mittleren Fischern und Fischereibetrieben) zu fördern, die Fischbestände zu überwachen, gegen Überfischung und illegale Fischerei vorzugehen, die biologische Vielfalt zu bewahren sowie die Erhöhung von Hygiene- und Gesundheitsstandards zu unterstützen und zu fördern;
6. fordert die EU auf, durch ihre Handelsabkommen die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen aktiv zu unterstützen, um somit ein weltweites Handelsumfeld anzustreben, das sich bei sozialen und ökologischen Fragen stärker an ethischen Werten orientiert;
7. fordert die Kommission auf, darauf zu bestehen, dass die Einhaltung der ILO‑Kernarbeitsnormen eine Voraussetzung für den Abschluss von Handelsabkommen ist, und die umfassende Einhaltung von Programmen zu unterstützen, durch die die Rechte der Arbeitnehmer und die Umwelt geschützt werden, wie zum Beispiel die Initiative für Transparenz in der Rohstoffindustrie oder der Kimberly-Prozess in der Diamantindustrie; begrüßt in diesem Zusammenhang die Verabschiedung des neuen US-amerikanischen Gesetzes über „Konfliktmineralien“ und fordert die Kommission und den Rat auf, die Möglichkeit einer vergleichbaren Legislativinitiative zu prüfen;
8. fordert, dass die Handelsabkommen der EU in wirksamer Art und Weise für ein größtmögliches Maß an Transparenz, strenge Standards beim öffentlichen Beschaffungswesen und nach Ländern aufgeschlüsselte Berichterstattung seitens der Unternehmen sowohl in Industrie- als auch Entwicklungsländern sorgen, damit so illegale Kapitalflucht unterbunden wird;
9. weist darauf hin, dass die Auswirkungen des Klimawandels zwar vor allem in den Entwicklungsländern spürbar sind, dass aber die Industrienationen die Hauptverantwortung dafür tragen sollten; ist daher der Ansicht, dass die Handelsbeziehungen der EU nicht nur darauf ausgerichtet sein müssen, Umweltschäden zu vermeiden, sondern dass sie aktiv zu einer weltweit nachhaltigen Entwicklung beitragen sollten;
10. verweist auf die enormen Unterschiede, die in Bezug auf Kapazitäten und Potenzial zwischen den Industrieländern und den ärmsten Nationen bestehen; fordert daher die Kommission auf, im Rahmen ihres Ansatzes für die Aushandlung von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen besser auf die Bedürfnisse der AKP-Staaten einzugehen und dafür Sorge zu tragen, dass Länder, die sich gegen die Unterzeichnung eines Wirtschaftspartnerschaftsabkommens entscheiden, nicht benachteiligt werden;
11. fordert die Kommission auf, im Hinblick auf die Durchsetzung der Menschenrechte die in Instrumenten wie dem Allgemeinen Präferenzsystem und dem Cotonou-Abkommen enthaltenen Auflagenbindungen besser zu nutzen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, Drittländer bei der Einrichtung von Justizbehörden, die Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung ziehen können, verstärkt zu unterstützen;
12. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die Parlamente der Partnerländer im Interesse einer verbesserten Governance und der demokratischen Kontrolle in den Entwicklungsländern in die Handelsverhandlungen einbezogen werden.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
25.10.2010 |
|
|
|
||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
15 2 0 |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Michael Cashman, Nirj Deva, Leonidas Donskis, Catherine Grèze, Eva Joly, Filip Kaczmarek, Franziska Keller, Gay Mitchell, Bill Newton Dunn, Birgit Schnieber-Jastram |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Eduard Kukan, Judith Sargentini, Horst Schnellhardt, Patrizia Toia |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Eider Gardiazábal Rubial, Jolanta Emilia Hibner, Paul Rübig |
|||||
STELLUNGNAHME des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (3.5.2010)
für den Ausschuss für internationalen Handel
zu Menschenrechten, Sozial‑ und Umweltstandards in internationalen Handelsabkommen
(2009/2219(INI))
Verfasser der Stellungnahme: Richard Howitt
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten ersucht den federführenden Ausschuss für internationalen Handel, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. ruft die Europäische Union auf, die Grundsätze gesteuerten und fairen Handels, die die Entwicklung ihrer eigenen Mitgliedstaaten und erfolgreicher Entwicklungsländer, einschließlich der „asiatischen Tiger“, gekennzeichnet haben, aufrechtzuerhalten, wobei Protektionismus und jeder Versuch, die legitimen Wettbewerbsvorteile der Entwicklungsländer, die weder die Menschen‑ und Arbeitsrechte noch die gewerkschaftlichen Rechte verletzen, zu untergraben, zurückgewiesen werden, aber eine andere als die gegenwärtige Auslegung des Artikels XXIV des WTO-Abkommens angewendet wird, um die Möglichkeit zu schaffen, das schutzbedürftige Verarbeitungsgewerbe und andere Sektoren von Handelsabkommen auszunehmen, wo dies gerechtfertigt ist;
2. bekräftigt, dass bei allen Handelsabkommen zur Bedingung gemacht werden muss, dass alle Parteien die Kernübereinkommen der IAO-Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte ratifiziert, umgesetzt und wirksam angewendet haben, und dass der Abschnitt über nachhaltige Entwicklung den gleichen bindenden Status wie die Marktzugangsbestimmungen hat und dem gleichen Streitbeilegungsmechanismus unterworfen ist;
3. fordert nachdrücklich, dass die Kommission, auch wenn sie effizient mit der IAO und anderen Vertragsorganen zusammenarbeitet, weiterhin ihrer Verantwortung gerecht werden sollte, die Auswirkungen der Handelsverhandlungen auf Sozial-, Umwelt- und Menschenrechte – unter besonderer Berücksichtigung der Förderung menschenwürdiger Arbeit für alle – zu prüfen sowie Gewerkschaften als anerkannte Sozialpartner und Nichtregierungsorganisationen aus der EU und aus Drittstaaten in den Bereichen Umwelt und Soziales in einer transparenten Art und Weise in allen Phasen der Verhandlungen und der Umsetzung von Handelsabkommen zu konsultieren und ihnen ein eindeutiges Recht einzuräumen, Bedenken oder Vorbehalte zur Sprache zu bringen, damit die Kommission selbst diese prüft und gegebenenfalls Maßnahmen trifft;
4. fordert, dass bei zukünftigen Handelsabkommen und der Überprüfung der APS+-Verordnung bestehende Schwächen im Hinblick auf die Konsistenz, Transparenz und ein faires Verfahren überwunden werden, indem transparente Kriterien und Maßstäbe in Bezug auf die Einhaltung von Arbeits-, Umwelt- und Menschenrechten in Partnerländern angewendet werden, gegebenenfalls einschließlich konkreter Verbesserungsvorschläge;
5. begrüßt, dass Nachhaltigkeitsprüfungen durchgeführt werden, bedauert aber, dass nicht konsequent auf ihre Ergebnisse reagiert wird, wie in Westafrika, den Mittelmeerstaaten sowie in Kolumbien und anderen Regionen Amerikas; fordert, die Nutzung der Einflussmöglichkeiten der EU stärker zu betonen, um im Vorfeld des Abschlusses von Handelsabkommen und während ihrer nachfolgenden Umsetzung auf konkrete Verbesserungen in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsnormen, nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung hinzuwirken;
6. erkennt an, dass im Umfeld einer Wirtschaftskrise, die die Zahl der Arbeitslosen in den OECD-Ländern voraussichtlich um acht Millionen in zwei Jahren erhöhen wird, über gegenwärtige und zukünftige Handelsabkommen verhandelt wird, dass Verlagerung ins Ausland einen großen Teil der Arbeitsplatzverluste erklärt, etwa in Irland und Portugal (ein Viertel), in Dänemark (ein Sechstel) sowie in Estland und Slowenien (ein Siebentel) und dass die Handelspolitik der EU die Vermeidung eines unverhältnismäßigen oder überschnellen Rückgangs der EU-Marktanteile und der Beschäftigungsraten in allen Sektoren anstreben sowie – gegebenenfalls – einen umfassenderen Marktzugang für EU-Exporteure gewährleisten sollte; fordert, dass Handelsabkommen unter Berücksichtigung des Anwendungsbereichs des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung abgeschlossen werden, um eine angemessene Höhe der Unterstützung für die nachfolgende Restrukturierung zu leisten;
7. fordert, dass bei den Handelsverhandlungen der EU Rechte und Pflichten für Investoren und Unternehmen, wie sie im vom früheren deutschen EU-Ratsvorsitz mit der IAO, der OECD und der UNO angeregten „Heiligendamm-Prozess“ niedergelegt wurden, gefördert werden; weist darauf hin, dass in Übereinstimmung mit den neuen Regeln verantwortungsvoller Investitionstätigkeit auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags von Lissabon der Abschnitt über nachhaltige Entwicklung alle in den Freihandelsabkommen festgelegten Bestimmungen zu Investitionen beinhalten muss; ist der Ansicht, dass bei allen Handelsabkommen die Beachtung der OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen, die Dreigliedrige Grundsatzerklärung der IAO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik, die „Global Compact“-Initiative der Vereinten Nationen und die Empfehlungen des Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte zur Auflage zu machen ist;
8. fordert, dass Beschwerden über soziale Probleme zum Gegenstand von Entscheidungen wirklich unabhängiger Experten gemacht werden, einschließlich repräsentativer Organisationen von Arbeitnehmern und gemeinnütziger Organisationen, wobei wenigstens einer der Experten ein Sachverständiger der IAO sein sollte; fordert ferner, dass ihre Empfehlungen Teil eines bestimmten Verfahrens sein müssen, das eine angemessen schnelle Behandlung der aufgeworfenen Fragen erlaubt, so dass die Erwägungen der Sachverständigen nicht auf die Veröffentlichung von Berichten und Empfehlungen begrenzt sind, sondern auch in Bestimmungen zur laufenden Nachbesserung und Revision ihren Niederschlag finden, so dass insbesondere der Druck auf alle Regierungen, die auf ihren Hoheitsgebieten Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte zulassen, aufrecht erhalten bleibt;
9. fordert nachdrücklich, dass jede Einbeziehung von „Modus IV“ betreffend die vorübergehende Entsendung von Beschäftigten in Handelsabkommen von der Einhaltung grundlegender Arbeitsnormen, einschließlich der Bestimmungen zu Aufenthaltsdauer, Mindestlöhnen und Lohntarifverträgen, nationalen Arbeitsnormen sowie von der Einhaltung von Kollektivverträgen in Partnerländern abhängig gemacht wird;
10. fordert, dass die EU die Ausweitung des WTO-Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik auf alle handelsbezogenen Aspekte der nachhaltigen Entwicklung, einschließlich der Einhaltung der grundlegenden Arbeitsnormen, und die Änderung der „Begriffsbestimmung von Subvention“ in dem WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen unterstützt, um die Einhaltung der grundlegenden Arbeitsnormen und die Achtung der Menschenrechte in freien Exportzonen zu gewährleisten; fordert die Delegation der EU in Genf auf, die informelle Gruppe der „Freunde der Arbeit“ neu zu beleben und weiterzuführen, die sie zur Förderung der Arbeitsnormen in der WTO gegründet hat;
11. fordert, dass bei allen zukünftigen Handelsabkommen das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit insbesondere bei der Natursteingewinnung und -verarbeitung festgehalten und ein einheitliches Europäisches Zertifizierungssystem einbezogen wird, das gewährleistet, dass eingeführter Naturstein und seine Produkte nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des IAO‑Übereinkommens 182 hergestellt wurden.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
28.4.2010 |
|
|
|
||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
24 21 3 |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Regina Bastos, Edit Bauer, Jean-Luc Bennahmias, Pervenche Berès, Mara Bizzotto, Martin Callanan, David Casa, Alejandro Cercas, Ole Christensen, Philip Claeys, Derek Roland Clark, Sergio Gaetano Cofferati, Marije Cornelissen, Tadeusz Cymański, Frédéric Daerden, Proinsias De Rossa, Sari Essayah, João Ferreira, Pascale Gruny, Thomas Händel, Marian Harkin, Roger Helmer, Stephen Hughes, Liisa Jaakonsaari, Danuta Jazłowiecka, Ádám Kósa, Jean Lambert, Veronica Lope Fontagné, Olle Ludvigsson, Elizabeth Lynne, Thomas Mann, Elisabeth Morin-Chartier, Csaba Őry, Siiri Oviir, Rovana Plumb, Konstantinos Poupakis, Sylvana Rapti, Licia Ronzulli, Elisabeth Schroedter, Jutta Steinruck, Traian Ungureanu |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Raffaele Baldassarre, Filiz Hakaeva Hyusmenova, Véronique Mathieu, Gesine Meissner, Ria Oomen-Ruijten, Evelyn Regner, Csaba Sógor, Emilie Turunen, Gabriele Zimmer |
|||||
STELLUNGNAHME des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (28.4.2010)
für den Ausschuss für Internationalen Handel
über Menschenrechte, Sozial- und Umweltnormen in internationalen Handelsabkommen
(2009/2219(INI))
Verfasser der Stellungnahme: Thomas Ulmer
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit ersucht den federführenden Ausschuss für internationalen Handel, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. ist der Ansicht, dass im Zusammenhang mit internationalen Handelsabkommen Maßnahmen zur Einhaltung wichtiger Umwelt- und Gesundheitsnormen sowie der Normen über bestimmte Aspekte der Tiergesundheit ergriffen werden sollten;
2. stellt fest, dass internationale Handelsabkommen durch verbindliche Verpflichtungen bessere Umwelt- und Menschenrechtsnormen bewirken können, sofern diese Verpflichtungen ordnungsgemäß ausgeführt, überwacht und durchgesetzt werden;
3. fordert die Kommission mit Nachdruck auf, auf eine vertragliche Festlegung der Umwelt‑, Menschenrechts‑ und Gesundheitsnormen in bilateralen Handelsabkommen hinzuarbeiten – auch in denjenigen, die sie derzeit mit Südkorea, Peru, Kolumbien, Indien, den AKP-Staaten, dem Golf-Kooperationsrat und einer Reihe von Ländern der Europäischen Nachbarschaftspolitik aushandelt –, und den Arbeitnehmerrechten, dem Schutz von Kindern und Frauen, den Klimaschutznormen, der Produktsicherheit und der Verbraucherinformation dabei besondere Aufmerksamkeit zu schenken;
4. stellt fest, dass Klimaschutzmaßnahmen, Klimaschutzpolitik und internationaler Handel zunehmend in Interaktion treten, und fordert die Welthandelsorganisation auf, die Bekämpfung des Klimawandels verstärkt in ihr Arbeitsprogramm aufzunehmen und in dieser Hinsicht konkrete Vorschriften und Standards festzulegen;
5. ist der Ansicht, dass die Welthandelsorganisation die Einhaltung von Verpflichtungen überwachen sollte, und verlangt, dass die Kommission als Vertreterin der Europäischen Union bei der Welthandelsorganisation eng an dieser Überwachung beteiligt wird;
6. fordert eine Harmonisierung von Umweltnormen und gesundheitsbezogenen Anforderungen als das weltweit zu erreichende Endziel, und verweist nachdrücklich auf die Notwendigkeit, bei der Umsetzung internationaler Handelsabkommen diese Normen auf regionaler Ebene weiterzuentwickeln und zu verbessern;
7. ist der Ansicht, dass die Einhaltung von Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsnormen eine Voraussetzung für Verhandlungen über internationale Handelsabkommen sein sollte;
8. fordert die Einführung einer Streitschlichtungsstelle mit verbindlichen Befugnissen;
9. spricht sich für die Gewährung von Präferenzen gegenüber Schwellenländern aus, sofern diese sich entschlossen zeigen, die europäischen Sozial‑, Umwelt‑ und Gesundheitsnormen einzuhalten; definiert „Schwellenländer“ als diejenigen Länder, die nicht mehr alle typischen Merkmale von Entwicklungsländern aufweisen und bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie durch die Belebung der Wirtschaftstätigkeit in absehbarer Zeit die typischen Strukturmerkmale eines Entwicklungslandes überwinden können;
10. verlangt, dass die Kommission die Welthandelsorganisation (WTO) auffordert, in Streitfällen nicht ausschließlich unter handelspolitischen Gesichtspunkten zu entscheiden; ist der Auffassung, dass die Zulässigkeit länderübergreifender Maßnahmen zum Umwelt- und Gesundheitsschutz nicht davon abhängen sollte, ob solche Eingriffe nach Ansicht der WTO zu Störungen des Freihandels führen würden;
11. stellt fest, dass künftige Handelsabkommen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanzkrise geschlossen werden können; ist der Ansicht, dass dies nicht dazu führen darf, dass Sozial- und Umweltnormen – insbesondere über Treibhausgasemissionen und die Entsorgung gefährlicher Abfälle – vernachlässigt werden, um andere Ziele zu erreichen;
12. weist darauf hin, dass anspruchsvolle EU-Normen im Umweltschutz und bei den Arbeitnehmerrechten Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen darstellen können, die mit Produkten und Dienstleistungen aus Drittländern konkurrieren, in denen die entsprechenden Normen niedriger sind; ist der Ansicht, dass die Verbesserung und Durchsetzung dieser Normen in Drittländern durch die Verknüpfung der internationalen Handelsabkommen mit entsprechenden Auflagen fairere Wettbewerbsbedingungen für die europäischen Unternehmen schaffen und gleichzeitig den Umweltschutz sowie die Menschen‑, Sozial‑ und Arbeitnehmerrechte in diesen Drittländern verbessern würden;
13. ist der Ansicht, dass die Welthandelsorganisation und ihre Mitgliedstaaten sich darauf verständigen sollten, einen offenen Weltmarkt für umweltfreundliche Waren, Dienstleistungen und Technologien zu schaffen, um so den internationalen Handel zu stärken und „grünen“ Technologien und Investitionen in der gesamten Weltwirtschaft freien Verkehr zu ermöglichen;
14. fordert die Kommission auf, darauf zu dringen, dass bei den Handelsgesprächen im Rahmen der Doha-Runde der Welthandelsorganisation ein Übereinkommen über Umweltgüter und -leistungen verabschiedet wird, das zum Ziel hat, den Handel mit wichtigen klimafreundlichen Technologien zu liberalisieren;
15. fordert die Kommission auf, regelmäßige Bewertungen der Handelsabkommen vorzunehmen und das Parlament regelmäßig über diese Bewertungen auf dem Laufenden zu halten, wobei auch darauf zu achten ist, dass eine Zusammenarbeit mit nationalen wie internationalen Regulierungsgremien, mit Gewerkschaften und mit nichtstaatlichen Organisationen stattfindet, um die Einhaltung von Umwelt‑, Gesundheits‑ und Sozialnormen zu gewährleisten;
16. betont, dass der Bereich Handel und die Wahrung von Menschenrechten, Sozial- und Umweltnormen ein wichtiges Gut bei der Sicherstellung von Frieden und Wohlstand in der Welt sind, aber nicht als Lösung aller Probleme zwischen den Staaten herangezogen werden können; weist jedoch darauf hin, dass politisch festgefahrene Situationen durch Stärkung der Handelsbeziehungen überwunden werden können und dass dabei gewährleistet wird, dass als Mittel der Konfliktbewältigung gemeinsame Interessen, insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, bestimmt werden.
17. fordert die Kommission auf, es auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung über die Beziehungen zwischen dem Europäischen Parlament und der Kommission während Verhandlungen über internationale Handelsabkommen zu jeder Zeit umfassend über alle relevanten Themen zu informieren;
18. fordert die Kommission auf, in Anbetracht der durch den Lissabon-Vertrag erweiterten Befugnisse des Parlaments einen effizienten Informationsfluss sicherzustellen und dem Parlament in Gestalt seiner entsandten Vertreter Beobachterstatus und somit jederzeit Zugang zu allen relevanten Sitzungen und Dokumenten zu gewähren.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
27.4.2010 |
|
|
|
||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
52 0 0 |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
János Áder, Elena Oana Antonescu, Kriton Arsenis, Pilar Ayuso, Paolo Bartolozzi, Sandrine Bélier, Sergio Berlato, Martin Callanan, Nessa Childers, Chris Davies, Esther de Lange, Anne Delvaux, Edite Estrela, Elisabetta Gardini, Françoise Grossetête, Satu Hassi, Dan Jørgensen, Karin Kadenbach, Christa Klaß, Holger Krahmer, Jo Leinen, Corinne Lepage, Peter Liese, Linda McAvan, Radvilė Morkūnaitė-Mikulėnienė, Miroslav Ouzký, Vladko Todorov Panayotov, Gilles Pargneaux, Antonyia Parvanova, Andres Perello Rodriguez, Mario Pirillo, Frédérique Ries, Anna Rosbach, Oreste Rossi, Dagmar Roth-Behrendt, Daciana Octavia Sârbu, Carl Schlyter, Richard Seeber, Theodoros Skylakakis, Catherine Soullie, Anja Weisgerber, Glenis Willmott, Sabine Wils, Marina Yannakoudakis |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Matthias Groote, Marisa Matias, Michèle Rivasi, Michail Tremopoulos, Thomas Ulmer, Anna Záborská |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Barbara Matera, Søren Bo Søndergaard |
|||||
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
26.10.2010 |
|
|
|
||
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
22 2 4 |
||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
William (The Earl of) Dartmouth, Kader Arif, David Campbell Bannerman, Daniel Caspary, Marielle De Sarnez, Harlem Désir, Christofer Fjellner, Joe Higgins, Yannick Jadot, Bernd Lange, Vital Moreira, Tokia Saïfi, Helmut Scholz, Gianluca Susta, Keith Taylor, Jan Zahradil, Pablo Zalba Bidegain |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Catherine Bearder, George Sabin Cutaş, Béla Glattfelder, Małgorzata Handzlik, Salvatore Iacolino, Elisabeth Köstinger, Jarosław Leszek Wałęsa |
|||||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Jean-Pierre Audy, Ricardo Cortés Lastra, Jelko Kacin, Vytautas Landsbergis, Evžen Tošenovský |
|||||