BERICHT mit einem Vorschlag für eine Empfehlung des Europäischen Parlaments an den Rat zu den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen
13.12.2010 - (2010/2268(INI))
Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten
Berichterstatterin: Ana Gomes
VORSCHLAG FÜR EINE EMPFEHLUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS AN DEN RAT
zu den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den von Ana Gomes im Namen der S&D-Fraktion eingereichten Vorschlag für eine Empfehlung an den Rat zu den laufenden Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen (B7‑0615/2010),
- in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vom 15. Oktober 2007 zur Eröffnung der Debatte über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen sowie in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./19. Juni und 29./30. Oktober 2009 zu Fragen der Migration,
- in Kenntnis der von Kommissionsmitglied Ferrero-Waldner und dem Staatssekretär für europäische Angelegenheiten El Obeidi am 23. Juli 2007 gemeinsam unterzeichneten Vereinbarung,
- unter Hinweis auf die laufenden Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen,
- unter Hinweis auf den im November 2004 auf den Weg gebrachten „HIV-Aktionsplan für Bangasi“,
- unter Hinweis auf die derzeitige praktische Zusammenarbeit in Migrationsfragen zwischen der EU und Libyen und die am 4. Oktober 2010 von der Kommission und Libyen unterzeichnete Agenda für die Zusammenarbeit in Migrationsfragen,
- unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,
- unter Hinweis auf die Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 und das Protokoll vom 31. Januar 1967 betreffend den Status von Flüchtlingen,
- unter Hinweis auf verschiedene Menschenrechtsinstrumente, die Libyen unterzeichnet hat, wie etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1970), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1970), das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1968), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1989), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1989), das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1993) und die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (2004),
- unter Hinweis auf die Resolution Nr. 62/149 der Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations General Assembly (UNGA)) vom 18. Dezember 2007 zu einem Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe und auf die Resolution Nr. 63/168 der UNGA vom 18. Dezember 2008 zur Umsetzung der Resolution Nr. 62/149 der Generalversammlung,
- unter Hinweis auf die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker und deren Protokoll über die Einrichtung des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Rechte der Völker, die Libyen am 26. März 1987 bzw. 19. November 2003 ratifiziert hat,
- unter Hinweis auf das Übereinkommen der Afrikanischen Union zur Regelung der besonderen Aspekte der Flüchtlingsprobleme in Afrika vom September 1969, dessen Vertragspartei Libyen seit dem 17. Juli 1981 ist,
- unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
- unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 18. Januar 2007 zur Todesstrafe für medizinisches Personal in Libyen[1] und vom 17. Juni 2010 zu den Hinrichtungen in Libyen[2],
- gestützt auf Artikel 121 Absatz 3 und Artikel 97 seiner Geschäftsordnung,
- in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A7-0368/2010),
A. in der Erwägung, dass Libyen ungeachtet der fortdauernden autoritären Herrschaft und der systematischen Verletzung internationaler Übereinkommen zu Menschenrechten und Grundfreiheiten seine politischen und Handelsbeziehungen mit Mitgliedstaaten der EU ausgebaut hat und im Mittelmeerraum und in Afrika bei zahlreichen Fragen mit Auswirkungen auf Sicherheit und Stabilität, insbesondere Migration, öffentliche Gesundheit, Entwicklung, Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, Klimawandel, Energie und kulturelles Erbe, als Partner der EU fungiert,
B. in Kenntnis der Tatsache, dass mehrere EU-Mitgliedstaaten enge Beziehungen zu Libyen unterhalten, bei denen nationale Unternehmen und Banken als Vehikel für libysche Finanzinvestitionen in Europa dienen, und in der Erwägung, dass Italien am 30. August 2008 ein Freundschaftsabkommen mit Libyen unterzeichnet hat, das die Beziehungen in verschiedenen Bereichen regelt, einschließlich der Zusammenarbeit bei der Steuerung der Migration und finanzieller Entschädigungen für Krieg und Kolonialherrschaft; unter Hinweis darauf, dass das italienische Parlament am 9. November 2010 die Regierung um eine Revision dieses Vertrags ersucht hat,
C. in der Erwägung, dass sich das Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen, das derzeit ausgehandelt wird, über viele Bereiche erstreckt, von der Stärkung des politischen Dialogs über die Steuerung der Migration, den Ausbau der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen bis zur Verbesserung der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen; unter Hinweis darauf, dass von dem Rahmenabkommen erwartet wird, dass es eine Gelegenheit bietet, den politischen Dialog zwischen Libyen und der EU zu intensivieren,
D. in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Ablehnung der Todesstrafe zu den Grundsätzen der EU gehören, und in der Erwägung, dass sich das Parlament nachdrücklich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzt, dass es mehrfach nachdrücklich die Aufhebung der Todesurteile und die Freilassung der fünf bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes aus dem Gefängnis gefordert hat, die mehrere Jahre lang in Libyen in Haft waren, und dass es die Hinrichtungen libyscher und nicht libyscher Bürger verurteilt, die in Libyen stattgefunden haben,
E. in der Erwägung, dass Libyen das Übereinkommen der Afrikanischen Union zur Regelung der besonderen Aspekte der Flüchtlingsprobleme in Afrika ratifiziert hat, in dessen Artikel 8 hervorgehoben wird, dass dieses Übereinkommen in Afrika als rechtskräftige Ergänzung der Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951 gilt und dass seine Mitglieder mit dem UNHCR zusammenarbeiten sollten; in der Erwägung, dass Libyen allerdings die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951 nicht ratifiziert hat, die das einzige internationale Übereinkommen ist, das eine umfassende Definition des Begriffs „Flüchtling“ enthält und von verbindlichen Schutzmaßnahmen und einem besonderen Mechanismus für die Überwachung durch das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen begleitet werden soll,
F. in der Erwägung, dass stichhaltige Belege vorliegen, dass Libyen eine Praxis der weit verbreiteten Diskriminierung gegen Wanderarbeitnehmer auf der Grundlage ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft übt, insbesondere seine rassische Verfolgung von afrikanischen Wanderarbeitnehmern, und in der Erwägung, dass das Europäische Parlament zutiefst besorgt ist über Akte sexueller Gewalt gegen Frauen, über die berichtet wurde,
G. in der Erwägung, dass nach Artikel 19 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der EU niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder ausgeliefert werden darf, wenn die ernsthafte Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht,
H. in der Erwägung, dass Libyen am 13. Mai 2010 in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt wurde und verschiedene Menschenrechtsinstrumente ratifiziert hat, und in der Erwägung, dass Libyen folglich an konkrete internationale rechtliche Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte gebunden ist, dass es aber bislang noch keine konkreten Maßnahmen zur Verbesserung seiner Menschenrechtsbilanz ergriffen und keine echte Zusammenarbeit mit den Sonderverfahren und Vertragsorganen der Vereinten Nationen aufgenommen hat; in der Erwägung, dass die Menschenrechte zwar unteilbar sind, dass aber Libyer und Ausländer in Libyen trotz einiger Wirtschafts- und Wohlfahrtsvergünstigungen, die auf die Verteilung des Nationaleinkommens durch den Staat zurückgehen, die meisten bürgerlichen und politischen Rechte nicht genießen, insbesondere freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht auf ein faires Verfahren, Arbeitnehmerrechte, Rechte der Frauen und freie Wahlen, und in der Erwägung, dass Fälle von willkürlicher Inhaftierung, Folter, unfreiwilligem Verschwinden und Diskriminierung von Migranten keine Seltenheit sind,
I. in der Erwägung, dass die Ausübung der staatlichen Macht in Libyen nicht in Rechtsstaatlichkeit oder demokratischer Rechenschaftspflicht verankert ist und zu willkürlichem und unvorhersehbarem Verhalten gegenüber Ausländern und ausländischen Interessen führt, wie etwa in dem Fall aus jüngster Zeit, bei dem Schweizer Geschäftsleute und Ausländer ohne Bekanntgabe der Identität wegen allgemeiner Straftaten hingerichtet wurden,
1. richtet sich vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit den folgenden Empfehlungen an den Rat:
a) nimmt zur Kenntnis, dass der Rat kürzlich entschieden hat, endlich einer beschränkten Anzahl von Mitgliedern des Parlaments zu gestatten, das der Kommission erteilte Mandat, ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen auszuhandeln, zu lesen; bedauert allerdings die Verzögerung bei dieser Entscheidung und fordert, dass dem EP Zugang zu den Mandaten aller internationalen Abkommen, die derzeit ausgehandelt werden, im Einklang mit Artikel 218 Absatz 10 AEUV gewährt wird, wonach das Parlament in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend zu unterrichten ist;
b) begrüßt die Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und Libyen als einen Schritt zur Entwicklung neuer Beziehungen der EU im Mittelmeerraum und in Afrika; hält die Zusammenarbeit mit Libyen für nützlich für die Behandlung von Fragen wie Sicherheit und Stabilität, Migration, öffentliche Gesundheit, Entwicklung, Handel, Klimawandel, Energie und Kultur;
c) fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, Libyen dringend zu empfehlen, die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 und deren Protokoll von 1967 zu ratifizieren, einschließlich uneingeschränkter Zusammenarbeit mit dem UNHCR, um Migranten einen angemessenen Schutz und angemessene Rechte zu garantieren, und ein Asylgesetz zu verabschieden, durch das der Status von Flüchtlingen und ihre Rechte entsprechend anerkannt werden, insbesondere das Verbot von Kollektivausweisungen und der Grundsatz der Nichtzurückweisung;
d) erinnert den Rat und die Kommission daran, dass sie verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass die Außenpolitik der EU in vollständigem Einklang mit der Charta der Grundrechte steht, insbesondere ihrem Artikel 19, nach dem Kollektivausweisungen verboten sind und durch den der Grundsatz der Nichtzurückweisung gewährt wird;
e) fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf zu verlangen, dass die libyschen Staatsorgane eine Vereinbarung unterzeichnen, durch die dem UNHCR ein rechtmäßiger Aufenthalt im Land gewährt und es mit dem Mandat ausgestattet wird, die gesamte Bandbreite seiner Tätigkeiten im Bereich Zugang und Schutz zu entfalten;
f) fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf sicherzustellen, dass das Rückübernahmeabkommen mit Libyen nur für illegale Einwanderer in Betracht gezogen werden könnte, wodurch diejenigen ausgeschlossen würden, die sich als Asylbewerber, Flüchtlinge oder Personen, die Schutz benötigen, bezeichnen, und betont erneut, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung für alle Menschen gilt, die der Gefahr der Todesstrafe, unmenschlicher Behandlung oder Folter ausgesetzt sind;
g) fordert den Rat auf, für Flüchtlinge, die über das UNHCR in Libyen identifiziert werden, eine Umsiedlung gemäß der vereinbarten Agenda für die Zusammenarbeit in Migrationsfragen vom 4. Oktober 2010 anzubieten;
h) fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Unterstützung für die Tätigkeiten des UNHCR zu verstärken und bei den libyschen staatlichen Stellen für die Einhaltung internationaler humanitärer Standards für Migranten ohne Papiere im Land einzutreten, einschließlich des systematischen Zugangs des UNHCR zu Gewahrsamszentren;
i) fordert den Rat und die Kommission auf, Libyen unter Einbeziehung des UNHCR, der IOM, des ICMPD und anderer Fachagenturen Unterstützung anzubieten, um sich mit dem Problem des Menschenhandels in der Region auseinanderzusetzen, wobei dem Schutz von Frauen und Kindern besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, einschließlich Unterstützung zur Integration legaler Migranten und zur Verbesserung der Bedingungen für Migranten, die illegal im Land angetroffen werden; begrüßt insofern die Vereinbarung über eine Agenda für die Zusammenarbeit in Migrationsfragen, die zwischen den Kommissionsmitgliedern Malmström und Füle und den libyschen Staatsorganen im Oktober 2010 unterzeichnet wurde;
j) fordert die Kommission nachdrücklich auf, gegenüber dem Parlament alle detaillierten Informationen im Zusammenhang mit den Finanzierungsinstrumenten für Außenmaßnahmen, die für das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Libyen benutzt werden, offen zu legen;
k) fordert den Rat nachdrücklich auf, Libyen zu empfehlen, sich zu einem Moratorium bei der Todesstrafe im Einklang mit den von der UNGA am 18. Dezember 2007 und 18. Dezember 2008 angenommenen Resolutionen im Hinblick auf die Abschaffung der Todesstrafe zu verpflichten, Statistiken zu den Personen zu veröffentlichen, die seit 2008 in Libyen hingerichtet wurden, und die betroffenen Personen und die Straftaten, wegen derer sie verurteilt wurden, zu nennen; fordert die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission auf, die politische Priorität, die die EU der Abschaffung der Todesstrafe beimisst, unter Beweis zu stellen und dazu das Thema bei libyschen staatlichen Stellen systematisch aufzugreifen;
l) fordert den Rat auf, darauf zu bestehen, dass in das Rahmenabkommen eine Klausel über den Internationalen Strafgerichtshof aufgenommen wird, die dazu führt, dass Libyen das Römische Statut ratifiziert;
m) fordert den Rat auf, Libyen eine Zusammenarbeit bei Programmen vorzuschlagen, durch die regionale Synergien in den Bereichen nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz, beispielsweise zu Klimawandel, Wasserknappheit und Wüstenbildung, gestärkt werden;
n) fordert den Rat und Kommission auf, während der Verhandlungen über das Rahmenabkommen für eine Beteiligung Libyens an der Partnerschaft Europa-Mittelmeer und den Tätigkeiten und Hauptprojekten der Union für den Mittelmeerraum einzutreten;
o) fordert die Kommission auf, ihrer Verpflichtung gemäß Artikel 218 AEUV in vollem Umfange nachzukommen, indem sie das Parlament ordnungsgemäß darüber informiert, was die EU im Bereich „nukleare Zusammenarbeit“ mit Libyen im Rahmen des Kapitels „Energie“ in den Verhandlungen über das Rahmenabkommen anstrebt, einschließlich aller politischen und sicherheitsrelevanten Auswirkungen;
p) beglückwünscht die libyschen Gesundheitsbehörden und Gesundheitsfachkräfte zu der bemerkenswerten Verbesserung bei den medizinischen und wissenschaftlichen Kapazitäten für den Umgang mit HIV-AIDS, die durch den gemeinsam durch die EU und Libyen umgesetzten Bengasi-Aktionsplan erreicht wurde, und unterstützt die Ausweitung einer solchen Zusammenarbeit auf andere Infektionskrankheiten und auf weitere medizinische Zentren in Libyen; fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, spezialisierte Gesundheitsversorgung auf libysche Patienten auszuweiten, auch durch die Erleichterung einer befristeten Behandlung in spezialisierten Einrichtungen in Europa;
q) vertritt die Auffassung, dass das Rahmenabkommen Unterstützung für den Aufbau institutioneller Kapazitäten als Mittel zur Stärkung der Zivilgesellschaft einschließen, die Modernisierung, demokratische Reformen, unabhängige Medien und eine unabhängige Justiz fördern und eine Öffnung für Möglichkeiten der Geschäftstätigkeit, der Hochschulforschung, von NRO und anderen libyschen Akteuren fördern sollte;
r) fordert den Rat und die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass der Schwerpunkt von Programmen zu Gunsten des Handels auf die tatsächliche Unterstützung von Unternehmen, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen, gelegt wird, um ihr Exportpotenzial optimal auszuschöpfen;
s) fordert den Rat und die Kommission auf, Libyen zu ermuntern, seine Zusagen in vollem Umfang einzuhalten, die es gegeben hat, als es dem UNHRC beitrat, und deshalb Libyen nachdrücklich aufzufordern, ständige Einladungen an diejenigen auszusprechen, die gemäß den Sonderverfahren der Vereinten Nationen ernannt wurden, wie an den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen, den Sonderberichterstatter über Folter, den Sonderberichterstatter über freie Meinungsäußerung und den Sonderberichterstatter über zeitgenössische Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz sowie an die Arbeitsgruppe zum erzwungenen und unfreiwilligen Verschwinden und die Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen, wie dies in der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung zu Libyen gefordert wird; fordert in dem gleichen Geist einen ungehinderten Zugang zum Land für eine unabhängige Kontrolle der Menschenrechtslage insgesamt;
t) fordert den Rat auf, dafür zu sorgen, dass Schengen-Visa für Libyer ohne unnötige Verzögerungen ausgestellt werden, andere Maßnahmen zur Erleichterung der Verfahren zu prüfen und die libyschen Staatsorgane dazu zu bewegen, Visa für Europäer, die in Libyen wohnen oder einer Geschäftstätigkeit nachgehen, zu vereinfachen;
u) empfiehlt, eine EU-Delegation in Tripolis sobald möglich einzurichten;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und zur Information der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu übermitteln.
- [1] ABl. C 244E vom 18.10.2007, S. 208.
- [2] Angenommene Texte, P7_TA(2010)0246.
BEGRÜNDUNG
Europa kann Libyen nicht ignorieren, und ihm kann die Entwicklung des Landes nicht gleichgültig sein. Libyen verfügt über strategische Bedeutung für die EU, liegt am südlichen Rand des Mittelmeeres und nimmt an dem 5+5-Dialog teil. Als Mitglied der Afrikanischen Union teilt Libyen ein Interesse der EU an der Umsetzung der gemeinsamen strategischen Partnerschaft Afrika-EU und an der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika. Libyen spielt eine Rolle in der regionalen und weltweiten Sicherheit, einschließlich bei der Bekämpfung der Verbreitung von Extremismus und bei der Meeresordnungspolitik. Mit 6 Millionen Einwohnern verfügt Libyen über die größten nachgewiesenen Erdölreserven in Afrika, und es ist Europas drittgrößter Lieferant der gesamten Energieeinfuhren (Erdöl und Erdgas). Die wirtschaftliche Verknüpfung ist eine Tatsache: Die EU ist der größte Handelspartner Libyens, verantwortlich für 70 % seines gesamten Handelsvolumens im Jahr 2009. Libyen ist auch ein Schlüsselland für den Transit von Migranten und Flüchtlingen, die versuchen, Europa zu erreichen. Europa und Libyen teilen ein Interesse an der Erhaltung des gemeinsamen kulturellen Erbes. Verschiedene EU-Mitgliedstaaten haben intensive Beziehungen zu Libyen, bei denen viele Unternehmen und Banken als Vehikel für libysche Finanzinvestitionen in Europa dienen. Mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten haben in jüngster Zeit Abkommen mit Libyen unterzeichnet: Frankreich im Jahr 2008 über Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung von Kernkraft; Italien im Jahr 2009 einen Freundschafts-, Partnerschafts- und Kooperationsvertrag.
Im Jahr 2007 unterzeichneten die EU und Libyen eine Vereinbarung, wodurch die Freilassung von fünf bulgarischen Krankenschwestern und eines palästinensischen Arztes, die in Libyen inhaftiert waren, besiegelt wurde, und brachten den Bengasi-Aktionsplan auf den Weg, um Libyen dabei zu unterstützen, mit dem Problem HIV-AIDS fertig zu werden. Die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen wurden im Jahr 2008 auf der Grundlage eines Mandats aufgenommen, das der Rat der EU der Kommission erteilt hatte. Dem Europäischen Parlament wurde trotz der ihm durch den Vertrag von Lissabon übertragenen Befugnisse immer noch nicht Zugang zum Inhalt dieses Mandats gewährt.
Die Tatsache, dass Libyen auf sein Atomprogramm im Dezember 2003 verzichtete und sich bereit erklärte, Entschädigungen für die Opfer der Terroranschläge Lockerbie und UTA zu zahlen, haben entscheidend dazu beigetragen, dass das Land seinen Status als Paria und Unterstützer von Terrorismus ablegen konnte, der es in die Isolation geführt hatte und Grund für Sanktionen der Vereinten Nationen (Embargo in den Bereichen Handel, Waffen und Zivilluftfahrt) und amerikanische Bombenangriffe auf Tripolis und Bengasi im Jahr 1986 war.
Wegen seiner Abhängigkeit von Erdöl- und Erdgasexporten strebt Libyen danach, seine internationalen Beziehungen auszubauen, nachdem es massiv in Afrika (seine Beziehungen zur arabischen Welt sind voller Widersprüche) und in internationale Organisationen investiert hat. Die Modernisierung und Diversifizierung seiner Wirtschaft wird ein günstigeres Umfeld für Geschäfte und Investitionen erfordern. Allerdings sind die umfangreichen politischen Reformen, die ein solches Umfeld erfordern wird, unwahrscheinlich, solange die autokratische Ausübung der Staatsmacht in Libyen fortbesteht.
Schon seit mehr als 40 Jahren wird Libyen von einem diktatorischen Regime reagiert, in dem die Macht in einem einzigen Mann, Oberst Gaddafi, konzentriert ist, dem dienstältesten afrikanischen und arabischen Führer. Die Libyer genießen kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung sowie bezuschusste Wohnungen, und sie kommen in einem gewissen Maße in den Genuss einer sozialen Verteilung des Einkommens aus Erdöl. Aber trotz der Wachstumsraten des BIP bleibt die Entwicklung hinter anderen Ländern mit Ölreichtum zurück, und die libysche Wirtschaft ist eine der am wenigsten diversifizierten Volkswirtschaften in der Region; ausländische Investitionen sind immer noch von den unvorhersehbaren Entscheidungen des Führers abhängig.
Das libysche Volk verfügt nicht über grundlegende Menschenrechte und Grundfreiheiten, obwohl seinen Staat spezifische internationale Verpflichtungen zur Achtung der Menschenrechte treffen: Vor kurzem wurde Libyen in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt, und es hat einige rechtlich verbindliche internationale Instrumente ratifiziert.
Die Todesstrafe wird regelmäßig vollstreckt. In den vergangenen Jahren waren mindestens fünf europäische Staatsangehörige (die bulgarischen Krankenschwestern) in der Todeszelle. Im Jahr 2010 wurden 18 Menschen hingerichtet, von denen mehrere Ausländer waren, aber ihre Identität, Staatsangehörigkeit und die Straftaten, deren sie beschuldigt wurden, wurden von den libyschen Staatsorganen nicht bekannt gegeben.
Die Tatsache, dass die Staatsmacht weder in Rechtsstaatlichkeit noch in demokratisch rechenschaftspflichtigen Institutionen verankert ist, hat zu willkürlichem und unvorhersehbarem Verhalten gegenüber Ausländern und ausländischen Interessen in Libyen geführt, wie etwa in dem Fall eines Schweizer Geschäftsmanns aus jüngster Zeit. Libyer und Ausländer in Libyen verfügen nicht über die meisten bürgerlichen und politischen Rechte, insbesondere freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht auf ein faires Verfahren, Arbeitnehmerrechte, Rechte der Frauen, freie und faire, regelmäßige und allgemeine Wahlen, und Fälle von willkürlicher Inhaftierung, Folter und unfreiwilligem Verschwinden sind keine Seltenheit.
Libyen braucht ausländische Arbeitskräfte. Fast 2 Millionen Ausländer – was einem Drittel der einheimischen Bevölkerung entspricht – arbeiten in Libyen. Allerdings ist die Diskriminierung gegen Migranten weit verbreitet, und Libyen erkennt weder einen besonderen Status von Menschen, die legal im Land arbeiten, an, noch erleichtert es die Überweisungen in ihre Heimatländer. Frauen sind besonders oft Opfer von Diskriminierung, Ausbeutung und Menschenhandel.
Libyen verfügt auch nicht über ein Asylgesetz, weswegen die Notwendigkeit, Menschen Schutz zu gewähren, die vor Verfolgung fliehen, rechtlich nicht anerkannt ist. Libyen hat zwar die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen von 1951 nicht unterzeichnet, aber es hat das afrikanische Übereinkommen über den Schutz von Flüchtlingen ratifiziert, weswegen es dem UNHCR gestattete, mehrere Jahre lang im Land tätig zu sein. Vor kurzem aber verfügte es unverhofft die Schließung seines Büros. Darüber ist das Europäische Parlament äußerst besorgt, wie es in seiner Entschließung vom 17. Juni 2010 zum Ausdruck brachte.
In der libyschen Verfassung heißt es, dass „die Auslieferung politischer Flüchtlinge ... verboten“ ist. Dennoch hat Libyen mehrfach Menschen, die illegal im Land angetroffen wurden, in ihre Heimatländer trotz ernster Gefahren für ihr Leben abgeschoben. Vor der Schließung des Büros des UNHCR in Tripolis waren 8 950 Flüchtlinge und 3 680 Asylbewerber in Libyen registriert. Die meisten stammten aus Eritrea, dem Irak, Somalia, dem Sudan, Äthiopien und dem Tschad. Etwa 3 700 sind palästinensische Flüchtlinge.
Die EU verlangt ein „Rückübernahmeabkommen“ als Teil des Rahmenabkommens, aber Tripolis hat nicht die Absicht, es zu akzeptieren. Angesichts der systematischen Missachtung der Menschenrechte in Libyen und des Fortbestehens von Folter und Todesstrafe ist es unverantwortlich, dass der Rat und die Kommission ein solches Abkommen zur Zwangsrückführung von Menschen nach Libyen anstreben.
Dies ist aber die Praxis Italiens nach dem Freundschaftsabkommen, was einen Verstoß gegen die rechtlichen EU-Verpflichtungen darstellt. Von Italien unterstützte Patrouillen Libyens im Mittelmeer zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung haben die Anzahl der in Italien anlandenden Migranten zwar verringert, dies ging aber auf Kosten der Menschenrechte: Im Jahr 2009 wurden fast 1 000 Menschen durch Italien nach Libyen zurückgeführt, nachdem sie auf See gerettet oder aufgegriffen worden waren. Nach Angaben des italienischen Innenministers gab es in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 eine Verringerung der Anlandungen um 96 % im Vergleich zum Jahr 2009. Ein Zwischenfall aus jüngster Zeit (12. September 2010) hat verdeutlicht, wie das Leben von Migranten gefährdet wird: Ein italienisches Fischerboot vor der libyschen Küste wurde von einer libyschen Patrouille beschossen, die ein Boot benutzte, das von Italien gestiftet worden war. Libyen entschuldigte sich, aber der italienische Innenminister sagte, dass die Libyer „das Fischerboot vielleicht mit einem Boot mit illegalen Migranten verwechselt“ hätten, als ob in diesem Fall, ein Beschuss gerechtfertigt gewesen wäre.
Nach internationalen Protesten gegen die Pläne, dass Libyen Hunderte von Flüchtlingen/Migranten vergangenen Juni nach Eritrea abschieben würde, beschlossen die libyschen Staatsorgane, alle illegalen Personen (deren Zahl in die Tausende geht) in den 18 Abschiebegewahrsamzentren des Landes – in denen die Lebens- und Gesundheitsbedingungen im Allgemeinen katastrophal sind – freizulassen und ihnen eine Frist von drei Monaten zu geben, um ihre Anwesenheit im Land zu legalisieren. Da aber Arbeitsplätze Mangelware und die rechtlichen Möglichkeiten begrenzt sind, können die meisten dieser Menschen kaum in den Straßen überleben, und viele streben die Rückführung in ihre Heimat an.
Die Regierungsführung in Libyen ist schlecht, und die staatlichen Organe und die Institutionen der Zivilgesellschaft sind außerordentlich schwach. Weder Justiz noch Medien sind unabhängig. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren Versuche, die Verwaltungskapazitäten zu stärken, ein günstigeres Umfeld für Geschäftstätigkeiten zu schaffen und eine gewisse Öffnung für Möglichkeiten für die Zivilgesellschaft zu erreichen.
Die Zusammenarbeit zwischen der EU und Libyen kann entscheidend dazu beitragen, die Kapazitäten Libyens auszubauen. Ein erfolgreiches Beispiel ist der Bengasi-Aktionsplan, durch den Libyen eine bemerkenswerte Verbesserung bei den medizinischen und wissenschaftlichen Kapazitäten zum Umgang mit HIV-AIDS erreicht hat, wodurch infizierte Kinder und Erwachsene gerettet werden konnten. Die Libyer würdigen die Ergebnisse und äußerten den Wunsch, eine solche Zusammenarbeit mit der EU auf die Behandlung anderer Infektionskrankheiten und auf weitere medizinische Zentren auszuweiten. Die EU-Mitgliedstaaten sollten ermuntert werden, libyschen Patienten Unterstützung im Bereich der Gesundheitsversorgung zu leisten, einschließlich durch die Erleichterung einer befristeten Behandlung in spezialisierten Institutionen in Europa.
Die meisten Probleme, die bei der Entwicklung Libyens auftreten, können nur im Kontext regionaler Zusammenarbeit gelöst werden, denn die Steuerung der Migration und die Bekämpfung des Klimawandels und der Ausdehnung der Wüstengebiete sind miteinander verknüpft. Dadurch, dass es in Isolation handelte, hat Libyen einige dieser Probleme noch verschärft, wie etwa beim „Großen, von Menschenhand geschaffenen Fluss“, durch den unwiederbringliche Grundwasserschichten zerstört werden. Die EU muss sich dafür verwenden, dass Libyen regionale Synergien aufbaut, um sich mit Bedrohungen zu befassen, die ernste Auswirkungen über Libyen hinaus haben.
Das Rahmenabkommen, das derzeit zwischen der EU und Libyen ausgehandelt wird, könnte nützlich sein, um eine strategische Richtung und Struktur für den Ausbau der bestehenden Beziehungen vorzugeben, wobei sichergestellt werden muss, dass sie unter vollständiger Achtung europäischer Werte und Grundsätze geführt werden und gemeinsame EU-Interessen fördern. Das bilaterale Abkommen über die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Libyen bei der zivilen Nutzung der Kernkraft muss bewertet werden um sicherzustellen, dass es im Einklang mit den EU-Verpflichtungen und den Grundsätzen der IAEO zur Bekämpfung der Verbreitung von Kernwaffen und zur Gewährleistung von Sicherheit steht. Was den Freundschaftsvertrag zwischen Italien und Libyen angeht, so hat das italienische Parlament am 9. November 2010 seine Revision gefordert um zu gewährleisten, dass er im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Italiens und der italienischen Verfassung steht, insbesondere hinsichtlich des Rechts auf Asyl und des Rechts auf Leben.
Das Europäische Parlament sollte empfehlen, dass die Verhandlungen mit Libyen durch den Rat und die Kommission insbesondere anhand folgender Leitlinien überprüft werden:
- Sicherstellung, dass Libyen mit dem UNHCR einen „accord de siege“ unterzeichnet, und Forderung nach der Ratifizierung der Genfer Konvention von 1951 durch Libyen.
- Forderung, dass Libyen ein Moratorium bei der Todesstrafe beschließt.
- Demarchen bei den libyschen Staatsorganen hinsichtlich der Aussicht, die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu akzeptieren.
- Es ist absolut inakzeptabel, dass der Rat und die Kommission weiterhin ein „Rückübernahmeabkommen“ mit Libyen anstreben. Dies widerspricht den Grundwerten und der Menschenrechtscharta der EU. Bemühungen um die Externalisierung der Steuerung von Migrationsflüssen darf nicht die Toleranz der EU gegenüber Praktiken der sog. „Push-back-policy“ oder irgendwelche anderen Praktiken umfassen, die das Leben von Migranten/Flüchtlingen gefährden.
- Die EU sollte die libyschen Behörden ermuntern und unterstützen, um den Status legaler Migranten zu verbessern, Migranten den Zugang zu Aufenthaltsgenehmigungen zu gewähren und den Menschenhandel zu bekämpfen. Die Unterstützung für die Verbesserung von Zentren für Menschen, die illegal im Land angetroffen werden, muss eine Priorität für die EU sein.
- Der Rat und die Kommission sollten die libyschen Staatsorgane dazu drängen, Gespräche über die wichtigsten Menschenrechtsprobleme zu führen, insbesondere durch die nachdrückliche Forderung einer Revision der Rechtsvorschriften, die das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit beschränken, der Freilassung von Häftlingen, die ohne ordentliches Verfahren festgehalten werden, von Untersuchungen über Folter oder Misshandlung von Häftlingen, Ausbeutung und sexuellen Mitgebrauch von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten sowie über die Verantwortung für das Verschwinden von Menschen, außergerichtliche Hinrichtungen und körperliche Strafen, wie etwa Auspeitschen und Amputationen, nach Einstellung aller Zwangsausweisung von Flüchtlingen oder Migranten in Länder, in denen die Gefahr ihrer Verfolgung besteht, von Rechenschaft und Bereitstellung von Rechtsmitteln für Familien von Menschen, die verschwunden sind oder in der Haft getötet wurden, wie etwa die Opfer des Abu Selim-Gefängnisses, nach Aufhebung aller Diskriminierungen gegen Frauen, wie etwa die Gesetze über Ehe, Scheidung, sexuelle Beziehungen außerhalb der Ehe und Erbschaft, und der Bekämpfung der Straflosigkeit, insbesondere dadurch, dass eine Rechenschaftspflicht der Streitkräfte eingeführt und die Agentur für die innere Sicherheit der gerichtlichen Aufsicht unterstellt wird.
Abschließend ist zu sagen, dass Libyens strategische Bedeutung zusammen mit den vielen Problemen, die es aufwirft, die Notwendigkeit einer umfassenden EU-Politik gegenüber Libyen unterstreichen. Die EU muss mit Libyen Gespräche über eine große Bandbreite von Themen aufnehmen. Dieses Rahmenabkommen muss auch ein wesentliches Hilfsmittel zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit, der Achtung der Menschenrechte, des Schutzes von Migranten und Flüchtlingen und einer nachhaltigen Entwicklung in Libyen sein.
VORSCHLAG FÜR EINE EMPFEHLUNG B7-0615/2010 (10.11.2010)
gemäß Artikel 121 Absatz 3 der Geschäftsordnung
von Ana Gomes im Namen der S&D-Fraktion
zu den laufenden Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen vom 15. Oktober 2007 zur Eröffnung der Debatte über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 18./19. Juni und 29./30. Oktober 2009 zu Fragen der Migration,
– unter Hinweis auf die laufenden Verhandlungen zwischen der EU und Libyen über ein Rahmenabkommen, unter Hinweis auf die vor kurzem unterzeichnete Agenda für die Zusammenarbeit in Migrationsfragen und unter Hinweis auf die gegenwärtige Zusammenarbeit zwischen der EU und Libyen in den Bereichen Migration und HIV/AIDS,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948,
– unter Hinweis auf die Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 und das Protokoll vom 31. Januar 1967 betreffend den Status von Flüchtlingen,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Afrikanischen Union zur Regelung der besonderen Aspekte der Flüchtlingsprobleme in Afrika vom September 1969,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Juni 2010 zu den Hinrichtungen in Libyen,
– gestützt auf Artikel 121 Absatz 1 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Libyen ungeachtet der fortdauernden diktatorischen Herrschaft seine politischen und Handelsbeziehungen mit Mitgliedstaaten der EU ausgebaut hat und im Mittelmeerraum und in Afrika bei zahlreichen Fragen, insbesondere Migration, Entwicklung, Klimawandel, Sicherheit und Stabilität, einschließlich Maßnahmen gegen eine weitere Verbreitung des Extremismus, und Energieversorgungssicherheit als Partner der EU fungiert,
B. in der Erwägung, dass das Rahmenabkommen, das derzeit ausgehandelt wird, sich über viele Bereiche erstreckt, von der Stärkung des politischen Dialogs über den Ausbau der Handelsbeziehungen bis zur Verbesserung der Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen,
C. in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Ablehnung der Todesstrafe zu den Grundsätzen der EU gehören, und dass sich das Europäische Parlament nachdrücklich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzt,
D. in der Erwägung, dass Libyen zwar nicht die UN-Flüchtlingskonvention von 1951, jedoch das Übereinkommen der Organisation für Afrikanische Einheit zur Regelung der spezifischen Aspekte der Flüchtlingsprobleme in Afrika ratifiziert hat, in dessen Artikel 8 hervorgehoben wird, dass das Übereinkommen in Afrika als rechtskräftige regionale Ergänzung des Abkommens der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 gilt, und dass die Mitgliedstaaten mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeiten sollten,
E. in der Erwägung, dass nach Artikel 19 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder ausgeliefert werden darf, wenn die ernsthafte Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht,
F. in der Erwägung, dass Libyen neben anderen Menschenrechtsabkommen den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1970), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1970), das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1968), das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1989), das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (1989), das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1993) und die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (2004) ratifiziert hat,
G. in der Erwägung, dass Libyen ungeachtet andauernder ernsthafter Verstöße gegen die Menschenrechte vor kurzem in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen aufgenommen wurde,
H. in der Erwägung, dass Libyen den obigen beiden Erwägungsgründen zufolge an konkrete internationale rechtliche Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte gebunden ist,
1. richtet sich vor dem Hintergrund der laufenden Verhandlungen über das Rahmenabkommen mit den folgenden Empfehlungen an den Rat:
a. fordert den Rat auf, dem Parlament gemäß Artikel 218 Absatz 10 AEUV, wonach das Parlament in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend zu unterrichten ist, Zugang zu dem Mandat der Kommission zu gewähren, Verhandlungen über ein Rahmenabkommen zwischen der EU und Libyen aufzunehmen;
b. fordert den Rat und die Kommission auf, darauf zu bestehen, dass Libyen die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ratifiziert, und empfiehlt, Libyen Unterstützung anzubieten, damit die entsprechenden flankierenden Maßnahmen umgesetzt werden;
c. fordert den Rat und die Kommission auf, zu verlangen, dass die libyschen Staatsorgane dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen einen rechtmäßigen Aufenthalt im Land gewähren und es mit dem Mandat ausstatten, die einschlägigen Schutzmaßnahmen zu treffen;
d. fordert den Rat auf, das angestrebte Rückübernahmeabkommen mit Libyen aufzugeben, da die Abschiebung von Personen in Länder, in denen die Menschenrechte nachweislich dauerhaft verletzt werden und die Todesstrafe vollstreckt wird, gegen die gesetzlichen Verpflichtungen der EU zum Schutz der Menschenrechte verstoßen würde; fordert den Rat zudem auf, für Flüchtlinge, die in Libyen ausfindig gemacht werden, ein Programm für die Umsiedlung in einen Mitgliedstaat der EU anzubieten, und Maßnahmen vorzuschlagen, um das Problem des Menschenhandels in der Region anzugehen, wobei dem Schutz von Frauen und Kindern besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist;
e. fordert den Rat auf, auf ein Abkommen über die Aussetzung der Vollstreckung der Todesstrafe in Libyen hinzuarbeiten, das auf deren Abschaffung abzielt, und die libyschen Staatsorgane aufzufordern, Informationen und Statistiken zu den Personen zu veröffentlichen, die in Libyen seit 2008 hingerichtet wurden;
f. fordert den Rat auf, regionale Synergien in den Bereichen nachhaltige Entwicklung und Umweltschutz, beispielsweise zu Klimawandel, Wasserknappheit und Wüstenbildung, zu stärken;
g. vertritt die Auffassung, dass das Rahmenabkommen Unterstützung für den Aufbau institutioneller Kapazitäten als Mittel zur Stärkung der Zivilgesellschaft einschließen, die Modernisierungsbemühungen Libyens fördern, demokratische Reformen und eine Öffnung des politischen Raums unterstützen sollte;
h. empfiehlt die Einrichtung einer EU-Delegation in Tripolis;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diese Empfehlung dem Rat und zur Information der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu übermitteln.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
9.12.2010 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
52 0 0 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Gabriele Albertini, Frieda Brepoels, Arnaud Danjean, Michael Gahler, Marietta Giannakou, Ana Gomes, Andrzej Grzyb, Takis Hadjigeorgiou, Richard Howitt, Anneli Jäätteenmäki, Ioannis Kasoulides, Nicole Kiil-Nielsen, Maria Eleni Koppa, Andrey Kovatchev, Wolfgang Kreissl-Dörfler, Eduard Kukan, Alexander Graf Lambsdorff, Vytautas Landsbergis, Krzysztof Lisek, Sabine Lösing, Ulrike Lunacek, Mario Mauro, Kyriakos Mavronikolas, Alexander Mirsky, María Muñiz De Urquiza, Norica Nicolai, Ria Oomen-Ruijten, Pier Antonio Panzeri, Ioan Mircea Paşcu, Vincent Peillon, Alojz Peterle, Bernd Posselt, Hans-Gert Pöttering, Cristian Dan Preda, Fiorello Provera, Nikolaos Salavrakos, Jacek Saryusz-Wolski, Werner Schulz, Charles Tannock, Inese Vaidere, Graham Watson |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Elena Băsescu, Emine Bozkurt, Hélène Flautre, Lorenzo Fontana, Kinga Gál, Liisa Jaakonsaari, Elisabeth Jeggle, Indrek Tarand, Traian Ungureanu, Janusz Władysław Zemke |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Eleni Theocharous |
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