BERICHT über die europäische Straßenverkehrssicherheit 2011–2020

8.7.2011 - (2010/2235(INI))

Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr
Berichterstatter: Dieter-Lebrecht Koch


Verfahren : 2010/2235(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0264/2011

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zur europäischen Straßenverkehrssicherheit 2011–2020

(2010/2235(INI))

Das Europäische Parlament,

–    in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System“ (KOM(2009)0279),

–    in Kenntnis des Weißbuchs der Kommission „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM(2011)0144),

–    in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011–2020“ (KOM(2010)0389),

–    in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates vom 2. und 3. Dezember 2010 zur Mitteilung der Kommission „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011–2020“ (16951/10),

–    in Kenntnis der Evaluierungsstudie[1] der Kommission zum 3. Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit,

–   in Kenntnis der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen mit dem Titel „Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011–2020“ (CdR 296/2010),

–   in Kenntnis der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses mit dem Titel „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit“ (CESE 539/2011),

–    in Kenntnis der Resolution Nr. 64/255 der VN-Generalversammlung vom 10. Mai 2010 zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit weltweit,

–    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. September 2005 zum Europäischen Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit: Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010: eine gemeinsame Aufgabe[2],

    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 27. April 2006 zur Straßenverkehrssicherheit: Verbreitung des eCall-Systems unter den Bürgern[3],

–    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Januar 2007 zum 3. Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit – Halbzeitbewertung[4],

–    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. April 2009 zum Aktionsplan im Bereich der intelligenten Verkehrssysteme[5],

–    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. April 2009 zu einem Aktionsplan zur Mobilität in der Stadt[6],

–    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Mai 2010 zu Sanktionen für schwerwiegende Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr[7],

–    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 6. Juli 2010 zu einer nachhaltigen Zukunft für den Verkehr[8],

–   gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr (A7-0264/2011),

A.  in der Erwägung, dass im Jahr 2009 mehr als 35 000 Menschen bei Unfällen auf den Straßen der Europäischen Union getötet und mehr als 1 500 000 Menschen verletzt wurden,

B.  in der Erwägung, dass auf jeden tödlichen Unfall statistisch nochmals 4 Unfälle, die zu bleibenden Behinderungen führen, sowie 10 schwere Verletzungen und 40 leichte Verletzungen entfallen;

C.  in der Erwägung, dass die gesellschaftlichen Folgekosten der Straßenverkehrsunfälle auf 130 Mrd. EUR jährlich geschätzt werden;

D.  in der Erwägung, dass das im 3. Aktionsprogramm aufgestellte Ziel der Halbierung der Anzahl der Unfalltoten im Straßenverkehr der EU bis Ende 2010 nicht erreicht wurde, jedoch eine erhebliche Senkung der Verkehrstoten in der EU zu verzeichnen war;

E.   in der Erwägung, dass es in der EU immer noch eine relativ hohe gesellschaftliche Toleranz gegenüber Straßenverkehrsunfällen gibt und der Straßenverkehr jedes Jahr Opfer in einer Größenordnung fordert, die 250 Abstürzen mittelgroßer Verkehrsflugzeuge entspricht;

F.  unter dem Hinweis darauf, dass es zum einen immer höherer Anstrengungen für eine zusätzliche Senkung der Straßenverkehrsopfer bedarf und dass sich zum anderen keine Gleichgültigkeit einstellen darf, je weiter die Gesamtzahl sinkt;

G.  in der Erwägung, dass Straßenverkehrssicherheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist;

H. in der Erwägung, dass lediglich 27,5 % der im 3. Aktionsprogramm anvisierten Maßnahmen vollständig umgesetzt wurden und dass wesentlich ehrgeizigere Ziele und Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrsicherheit als die bislang von der Kommission vorgeschlagenen erforderlich sind;

I.   in der Erwägung, dass der legislative Rahmen für auf wissenschaftlichen Daten basierende Verordnungen und Richtlinien noch nicht ausgeschöpft ist und dass umgesetztes europäisches Recht dazu beitragen kann, Leben zu retten;

J.   in der Erwägung, dass viele legislative Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wie zum Beispiel die Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur bereits beschlossen wurden und in den nächsten Jahren in Kraft treten werden;

K.  in der Erwägung, dass die Kommission es versäumt hat, vor Ablauf des 3. Aktionsprogramms für die Straßenverkehrssicherheit einen Entwurf für ein neues Aktionsprogramm vorzulegen;

L.   in der Erwägung, dass die Wahrscheinlichkeit, im Straßenverkehr getötet zu werden, pro zurückgelegtem Kilometer für Fußgänger 9 Mal, für Radfahrer 7 Mal und für Motorradfahrer 18 Mal so hoch ist wie für die Insassen eines Pkw;

M.  in der Erwägung, dass sich ca. 55 % der tödlichen Unfälle auf Landstraßen, 36 % in städtischen Gebieten und 6 % auf Autobahnen ereignen;

N.  in der Erwägung, dass inklusive Pendlerfahrten zur und von der Arbeit 60% der tödlichen Arbeitsunfälle Straßenverkehrsunfälle sind;

O.  in Erwägung, dass die Zahl der Verkehrstoten immer stärker sinkt, die der Unfälle mit Todesfolge bei den Motorradfahrern aber stagniert und vielerorts steigt;

P.   in der Erwägung, dass der öffentliche Personenverkehr um ein Vielfaches sicherer ist als der motorisierte Individualverkehr;

R.  in der Erwägung, dass der tote Winkel von Lastkraftwagen eine tödliche Gefahr für Fahrradfahrer und Fußgänger darstellt;

S.   in der Erwägung, dass sich die Europäische Union einem demografischen Wandel gegenüber sieht und die Mobilitätsbedürfnisse älterer Menschen besondere Beachtung finden müssen;

T.   in der Erwägung, dass neue technische Entwicklungen – u. a. im Hinblick auf Hybrid-Fahrzeuge und die Elektrifizierung der Antriebe – neue Herausforderungen an die Rettungskräfte stellen;

U.  in der Erwägung, dass europäische, nationalstaatliche, regionale und lokale Maßnahmen Hand in Hand gehen müssen;

V.  in der Erwägung, dass die Richtlinie über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur (2008/96/EG) die Durchführung von Straßensicherheitsaudits und Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen der regelmäßigen Straßenwartung vorschreibt; jedoch in der Erwägung, dass diese Richtlinie nur auf die Straßenverkehrsinfrastruktur des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) Anwendung findet, sodass ihre Bestimmungen für zahlreiche Fern- und Nebenstraßen nicht gelten;

W. in der Erwägung, dass regelmäßige Überprüfungen aller europäischen Straßen durch die zuständigen Stellen ein wesentliches Element der Vorbeugung möglicher Gefahren für Verkehrsteilnehmer darstellen;

X.  in der Erwägung, dass die verfügbaren Daten zu Unfall- und Verletzungsursachen von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit sind, wie unter anderem die Veronica-Projekte gezeigt haben;

Grundlagen

1.   begrüßt die vorliegende Mitteilung der Kommission; fordert die Kommission jedoch auf, die vorgestellten Ansätze bis Ende 2011 zu einem vollwertigen Aktionsprogramm weiterzuentwickeln, welches einen detaillierten Maßnahmenkatalog mit klaren Zeitplänen und Monitoring-Instrumenten für eine regelmäßige Erfolgskontrolle sowie eine Halbzeit-Auswertung umfasst;

2.  stimmt der Auffassung der Kommission zu, dass für die Erhöhung der Verkehrssicherheit ein kohärenter, ganzheitlicher und integrierter Ansatz erforderlich ist, und fordert die Einbeziehung der Belange der Straßenverkehrssicherheit in alle relevanten Politikbereiche wie die Erziehungspolitik, die Gesundheitspolitik, die Umweltpolitik, die Sozialpolitik und die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit;

3.  fordert die Kommission auf, die Rahmenbedingungen für sicherere und umweltfreundlichere Verkehrsarten wie Fußgänger‑, Fahrrad‑, Bus- oder Schienenverkehr zu verbessern, damit diese umfassender genutzt werden;

4.   schlägt als vorrangige Maßnahme die Benennung eines Koordinators/einer Koordinatorin für die Straßenverkehrssicherheit der EU – innerhalb der Europäischen Kommission – bis 2014 vor, der/die folgende Aufgaben wahrnehmen soll:

· Förderung – als anerkannte Persönlichkeit auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit – laufender und Initiierung innovativer neuer Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit mittels seiner/ihrer Erfahrung, Fachkenntnisse und Fähigkeiten,

· Koordinierung der Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit innerhalb der Kommission und unter den Mitgliedstaaten,

· Erleichterung der Vorbereitung, Durchführung und Durchsetzung wirksamer und kohärenter Politiken im Bereich der Straßenverkehrssicherheit im Einklang mit den Zielen der EU auf hoher politischer Ebene,

· Überwachung bestimmter Projekte wie beispielsweise der Harmonisierung der Indikatoren, Daten und – soweit möglich – der Straßenverkehrssicherheitspläne der Mitgliedstaaten,

· Förderung des Austausches bewährter Verfahren sowie der Durchführung der Bestimmungen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit in Zusammenarbeit mit allen Akteuren, den Mitgliedstaaten und deren regionalen und lokalen Behörden,

· Vermittlung zwischen den einschlägigen politischen und akademischen Ebenen, um einen multidisziplinären Ansatz zu ermöglichen;

5.  fordert die Kommission auf, ein Kooperationsforum von Staatsanwälten, Polizeibehörden, Opfergruppen und Beobachtungsstellen der Straßenverkehrssicherheit zum Austausch bewährter Verfahren und zur Ausweitung der Zusammenarbeit für eine bessere Durchsetzung des Straßenverkehrsrechts sowohl auf nationaler als auch auf staatenübergreifender Ebene zu schaffen;

6.   unterstreicht, dass der ordnungsgemäßen Umsetzung und besseren Durchsetzung bereits beschlossener Gesetze und Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist; weist gleichzeitig darauf hin, dass der Spielraum für legislative Maßnahmen auf EU-Ebene noch nicht ausgeschöpft wurde;

7.  bedauert, dass die EU-Mittel für Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit in den letzten Jahren signifikant gekürzt wurden, und fordert die Kommission auf, diesem Trend entgegenzuwirken;

8.  unterstützt nachdrücklich das Ziel, bis 2020 die Gesamtzahl der Unfalltoten im Straßenverkehr in der EU gegenüber 2010 zu halbieren, und fordert darüber hinaus für diesen Zeitraum weitere klare und messbare Ziele, darunter insbesondere die Verringerung der Anzahl der im Straßenverkehr

· getöteten Kinder bis 14 Jahre um 60 % sowie

· getöteten Fußgänger und Radfahrer um 50 % sowie

· lebensgefährlich verletzten Personen um 40 % auf Basis einer zügig zu entwickelnden und EU-weit einheitlichen Definition;

Ethische Aspekte

9.   betont, dass jeder Bürger der EU nicht nur ein Anrecht auf seine individuelle Verkehrsteilnahme und auf sicheren Straßenverkehr, sondern vor allem auch die Pflicht hat, durch sein Verhalten zur Straßenverkehrssicherheit beizutragen; ist der Auffassung, dass die öffentlichen Stellen und die EU die ethische und politische Pflicht haben, Maßnahmen und Aktionen anzunehmen, um sich mit diesem gesellschaftlichen Problem zu befassen;

10. bekräftigt seine Auffassung, dass es einer ergänzenden, langfristigen Strategie bedarf, die über den Zeithorizont der vorliegenden Mitteilung hinausgeht und die die Vermeidung aller Todesopfer im Straßenverkehr („Vision Zero“) zum Ziel hat; ist sich bewusst, dass dies ohne die umfassende Nutzung von Technologie in Straßenfahrzeugen und die Entwicklung angemessener Netzwerke für intelligente Verkehrssysteme nicht machbar ist; fordert die Kommission auf, die Kernelemente dieser Strategie zu entwickeln und sie innerhalb der nächsten drei Jahre vorzulegen;

11. weist darauf hin, dass die Achtung vor dem Leben und dem Menschen in einem gemeinsamen Kultur- und Werteprozess sichtbar werden muss, in dem die Straße bewusst als gemeinsamer Lebensraum des Menschen angesehen wird;

12. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den 3. Sonntag im November offiziell als Welttag des Gedenkens an Verkehrsunfallopfer anzuerkennen, wie es die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation bereits getan haben, um die Öffentlichkeit verstärkt auf diese Problematik aufmerksam zu machen;

Bewährte Praktiken und Umsetzung in nationale Pläne

13. fordert die Kommission auf, größere Anstrengungen zu unternehmen, um den Austausch von Wissen und bewährten Praktiken unter den Mitgliedstaaten zu forcieren, damit diese stärker in nationale, regionale und lokale Verkehrssicherheitspläne einfließen können, um Anreize für eine größtmögliche methodologische Unterfütterung der Maßnahmen zu bieten und damit zur Schaffung eines europäischen Raums der Straßenverkehrssicherheit beizutragen;

14. fordert die Kommission auf, die Europäische Verkehrssicherheitscharta zu evaluieren und die Schaffung ähnlicher Chartas auf regionaler und lokaler Ebene anzuregen;

15. betont, dass klare, quantifizierbare Ziele zusätzliche Impulse und Ansporn für die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit geben und unabdingbare Elemente für Leistungsvergleiche zwischen den Mitgliedstaaten sowie für Monitoring und die Evaluierung von Maßnahmen darstellen; ist der Auffassung, dass der Versuch unternommen werden sollte, den Beitrag der einzelnen Mitgliedstaaten zur Zielerreichung im Jahr 2020 zu quantifizieren; meint, dass dieser Beitrag als Orientierungshilfe für die Schwerpunktlegung der nationalen Verkehrssicherheitspolitiken dienen sollte;

16. unterstützt die Kommission, auf die Erstellung von nationalen Plänen für die Straßenverkehrssicherheit durch die Mitgliedstaaten hinzuwirken; fordert, die Aufstellung und Veröffentlichung dieser Pläne gemäß harmonisierter, gemeinsamer Leitlinien verbindlich vorzuschreiben; betont jedoch, dass den Mitgliedstaaten ein weitreichender Spielraum gelassen werden sollte, um die jeweiligen Maßnahmen, Programme und Zielsetzungen den unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten anzupassen;

17. fordert die Kommission auf, unverzüglich ein Schwerpunkt-Jahr für einen sichereren kommerziellen Straßentransport auszurufen;

18. fordert die Kommission auf, ein Handbuch bewährter Verfahren im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge von Unfallopfern direkt am Unfallort mit dem Ziel zu erstellen, sie besser und schneller medizinisch zu versorgen, was für das Überleben von Schwerstverletzten ausschlaggebend ist;

19. fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern eine Strategie zur Verringerung der Unfälle von Arbeitnehmern auf dem Arbeitsweg zu erarbeiten; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, die Ausarbeitung von Straßenverkehrssicherheitsplänen in den Unternehmen zu fördern und anzuregen; fordert die Kommission auf, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Europäische Charta für die Straßenverkehrssicherheit dazu benutzt werden kann, um denjenigen Unternehmen eine Bescheinigung ausstellen zu können, die Straßenverkehrssicherheitspläne für ihre Arbeitnehmer anwenden;

Verbesserung der Indikatoren und Daten

20. hält qualitativ hochwertige und vergleichbare Daten, die sich auf alle Verkehrsteilnehmer einschließlich Radfahrer und Fußgänger beziehen, für eine Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Straßenverkehrssicherheitspolitik;

21. fordert die Kommission auf, eine Studie zu den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Verkehrstoten und –verletzten auf die Gesellschaft in den EU-Mitgliedstaaten in Auftrag zu geben;

22. fordert die Kommission auf, bis Ende 2013 einen Satz zusätzlicher, harmonisierter Indikatoren als Teil des SafetyNet-Projekts anzuwenden, mit denen ein verbessertes Monitoring sowie aussagekräftige Leistungsvergleiche zwischen den Mitgliedstaaten durchgeführt werden können;

23. fordert die Kommission auf, bis 2012 einen Vorschlag zur Verbesserung der Datenlage im Hinblick auf Unfall- und Verletzungsursachen sowie die anonymisierten Daten zur Schwere der erlittenen Verletzungen und deren weiteren Verlauf auszuarbeiten; fordert zudem, eine von der Europäischen Union geförderte detaillierte und multidisziplinäre Unfallforschung in repräsentativen Verkehrsräumen aller Mitgliedstaaten voranzutreiben;

24. fordert die Kommission auf, innerhalb von zwei Jahren harmonisierte Definitionen der Begriffe „lebensgefährlich Verletzte“, „Schwer-“ und „Leichtverletzte“ zu erarbeiten, um eine Vergleichbarkeit der Maßnahmen und ihrer Ergebnisse in den Mitgliedstaaten zu ermöglichen;

25. fordert die Entwicklung einer echten EU-Beobachtungsstelle für den Straßenverkehr, deren Aufgabe es wäre, eine Zusammenfassung der bestehenden Initiativen zur Erhebung von Daten zu erstellen, Vorschläge zur Verbesserung des Austausches von Daten vorzulegen sowie Daten aus bestehenden Datenbanken sowie Wissen aus EU-Projekten wie SafetyNet, Veronica oder DaCoTa zu bündeln und – verständlich aufbereitet und jährlich aktualisiert – für jedermann zugänglich zu machen;

26. fordert die Mitgliedstaaten auf, bereits bestehende Verpflichtungen zur Übermittlung von Daten einzuhalten und konkrete Fortschritte für den Austausch von Daten bei grenzüberschreitenden Verkehrsvergehen zu machen; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Systeme zur Datenerhebung anzugleichen, indem bis spätestens 2014 eine Software zur Übermittlung sensibler Daten in Echtzeit zur Anwendung kommt;

Handlungsfelder

Ausbildung und Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer verbessern

27. betont, dass Verkehrssicherheit in hohem Maße von Vorsicht, Rücksichtnahme und gegenseitigem Respekt sowie von der Einhaltung der geltenden Vorschriften abhängt, was unmittelbar mit der Notwendigkeit zusammenhängt, die Qualität der Ausbildung in den Fahrschulen und des Verfahrens zum Erwerb einer Fahrerlaubnis systematisch zu erhöhen;

28. ist der Ansicht, dass das Konzept des lebenslangen Lernens auch im Straßenverkehr einen höheren Stellenwert bekommen sollte, und unterstützt daher die Tätigkeit der Zentren für sicheres Fahren als eine wirksame Form der systematischen Schulung von Fahrern in allen beruflichen und die Freizeit betreffenden Kontexten; vertritt die Auffassung, dass Verkehrserziehung und Schulungsprogramme für Straßenverkehrsteilnehmer bereits in einem frühen Alter in der Familie und in der Schule – unter Einbeziehung des Fahrradverkehrs, des Fußgängerverkehrs und der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel – beginnen sollten;

29. fordert Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung von Fahranfängern wie etwa das begleitende Fahren ab dem Alter von 17 Jahren oder die Einführung eines abgestuften Fahrerlaubnissystems beim Führerscheinerwerb, das fahrpraktische Trainingselemente auch nach Erhalt der Fahrerlaubnis vorsieht; fordert außerdem die Einführung eines obligatorischen Sicherheitstrainings für junge und neue Verkehrsteilnehmer, um verschiedene Gefahrensituationen praktisch zu erproben;

30. fordert, bei Fahrerausbildung und ‑training – als einer der wichtigsten Punkte der Verkehrserziehung von Fahranfängern und zur Erreichung und Verbesserung der Straßenverkehrssicherheitsziele – dringend das Augenmerk auf die wichtigsten Ursachen von Todesfällen und schweren Verletzungen im Straßenverkehr wie überhöhte Geschwindigkeit, Missbrauch von Alkohol, Drogen und bestimmten Medikamenten, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, Nicht-Anlegen des Sicherheitsgurtes oder anderer schützender Ausrüstung, wie etwa des Sturzhelms für Zweiradfahrer, sowie auf die Nutzung mobiler Kommunikationsgeräte während der Fahrt und auf Übermüdung zu richten;

31. ist davon überzeugt, dass eine bessere Ausbildung von Fahranfängern hinsichtlich der Rolle, welche die Reifen für die Verkehrssicherheit spielen, und der Notwendigkeit, Grundregeln für eine sachgerechte Wartung und Verwendung der Reifen zu beachten, vonnöten ist; fordert die Mitgliedstaaten daher zu einer angemessenen und zügigen Umsetzung der Führerscheinrichtlinie und der darin enthaltenen Vorschriften betreffend Kenntnisse über Reifen und die Grundlagen der Fahrzeugwartung im Allgemeinen als obligatorischer Teil der Führerscheinprüfung auf;

32. ist der Ansicht, dass bei der Fahrausbildung für Autofahrer zweirädrigen Fahrzeugen mit Antriebssystem sowie der Sichtbarkeit von zweirädrigen Fahrzeugen mit Antriebssystem erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden muss;

33. fordert, dass die Ladungssicherung im privaten Transport einen höheren Stellenwert bei der Führerscheinausbildung und ‑prüfung bekommt;

34. fordert obligatorische Auffrischungskurse in Erster Hilfe für alle Führerscheininhaber alle zehn Jahre;

35. fordert die Mitgliedstaaten auf, als wirksamste Zusatzstrafe zu Geldsanktionen spezielle Strafpunktesysteme für die gefährlichsten Verstöße einzuführen;

36. empfiehlt den Einsatz von Atemalkohol-Messgeräten (Alcolocks) in Fahrzeugen von besonders alkoholauffälligen Verkehrsteilnehmern als eine Maßnahme der Reintegration;

37. fordert einen Augentest für alle Inhaber von Führerscheinen der Klassen A und B alle zehn Jahre sowie für über 65-jährige Führerscheininhaber alle fünf Jahre; fordert die Mitgliedstaaten auf, auf der Grundlage ihrer Unfallstatistiken für die entsprechenden Altersgruppen eine obligatorische ärztliche Untersuchung für Fahrer ab einem bestimmten Alter einzuführen, um festzustellen, ob diese körperlich, geistig und psychisch nach wie vor in der Lage sind zu fahren;

38. fordert die Kommission auf, alle drei Jahre Kampagnen zu einem bestimmten Thema aus dem Bereich der Straßenverkehrssicherheit durchzuführen und dazu systematisch die Kommunikationskanäle zu nutzen, die als Ergebnis der Umsetzung der Charta für Straßenverkehrssicherheit entstanden sind;

39. fordert die Kommission auf, als Teil der Maßnahmen zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit zu versuchen, die Anzahl der tödlichen Unfälle an Bahnübergängen, die oft durch unsachgemäßes Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer einschließlich zu hoher Risikobereitschaft, mangelnder Aufmerksamkeit und des Nicht-Verstehens von Verkehrszeichen verursacht werden, zu verringern;

Straßenverkehrsvorschriften harmonisieren und durchsetzen

40. fordert die konsequente Harmonisierung der Straßenverkehrszeichen und ‑regeln bis 2013; weist darauf hin, dass die Straßenverkehrszeichen in einwandfreiem Zustand gehalten werden müssen, damit sichergestellt ist, dass sie deutlich sichtbar und eindeutig lesbar sind, und dass sie, wenn dies aufgrund ihres Zustands notwendig ist, rechtzeitig ausgetauscht werden müssen;

41. fordert die Kommission auf, möglichst rasch Spezifikationen für intelligente Verkehrssysteme (IVS) in Bezug auf vorrangige Maßnahmen im Bereich der Sicherheit und Gefahrenabwehr im Straßenverkehr gemäß Artikel 3 Buchstaben b bis f der Richtlinie 2010/40/EU über intelligente Verkehrssysteme anzunehmen;

42. hält die wirksame Durchsetzung der geltenden Vorschriften für eine zentrale Säule der EU-Straßenverkehrssicherheitspolitik; fordert einen besseren Austausch über Verstöße gegen die einzelnen Straßenverkehrsordnungen der Mitgliedsstaaten untereinander und deren Verfolgung nach geltendem nationalen Recht und fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten auf, jährliche nationale Zielvorgaben für Kontrollen in den Bereichen Geschwindigkeitsübertretungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch und Anlegen des Sicherheitsgurtes sowie Tragen von Sturzhelmen aufzustellen und konsequent für deren Durchführung zu sorgen;

43. verweist auf die wichtige Rolle, die die Organisation Tispol beim Austausch von bewährten Praktiken für die Durchsetzung von Straßenverkehrsvorschriften spielt;

44. weist mit Nachdruck darauf hin, dass für die Umsetzung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Verordnung Nr. 561/2006 sowie Verordnung 3821/85/EG), die eine enorme Bedeutung für die Straßenverkehrssicherheit haben, ein harmonisiertes und wirksames Konzept für Kontrollen erforderlich ist; fordert daher die Kommission erneut dazu auf, den Forderungen des Parlaments in seiner Entschließung vom 18. Mai 2010 zu Sanktionen für schwerwiegende Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr nachzukommen;

45. fordert die Kommission auf, die Rechtsvorschriften zu den Lenk- und Ruhezeiten so zu überarbeiten, dass zugelassen wird, dass Fernfahrer im Gütertransport ihre wöchentliche Ruhezeit immer dann zuhause nehmen können, wenn dies möglich ist, ohne dass die Ziele der Europäischen Union im Bereich der Straßenverkehrssicherheit beeinträchtigt werden; meint, dass eine Vereinheitlichung der Beschränkungen des Güterverkehrs in der gesamten Europäischen Union notwendig ist;

46. begrüßt die Festlegung des Standpunkts des Rates zur grenzübergreifenden Durchsetzung der Richtlinie über Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, die einen weiteren Schritt hin zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit und einen klaren EU-Mehrwert darstellt; nimmt die auf der Tagung des Rates im Dezember abgegebenen schriftlichen Erklärungen der Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten zur Kenntnis; bedauert jedoch, dass die Richtlinie aufgrund der Änderung der Rechtsgrundlage nicht für alle Mitgliedstaaten und EU-Bürger gelten wird; ist besorgt darüber, dass der Standpunkt des Rates den Anwendungsbereich der Richtlinie erheblich einschränkt, und fordert den Rat auf, in zweiter Lesung eine befriedigende Einigung zu erzielen, die auch Bestimmungen zur Förderung der grenzübergreifenden Durchsetzung des Verkehrsrechts, EU-weiter Leitlinien zur Straßenverkehrssicherheit und der notwendigen Information der Verkehrsteilnehmer enthält;

47. fordert die Kommission auf, als ersten Schritt die Entwicklung von Techniken zur Ergreifung von Fahrern, die unter dem Einfluss von Drogen und Medikamenten stehen, welche ihre Fahrtauglichkeit beeinflussen, zu unterstützen und in einem zweiten Schritt EU-Rechtsvorschriften vorzuschlagen, die Fahrern, welche unter dem Einfluss von Drogen oder den oben genannten Medikamenten stehen, das Lenken von Fahrzeugen verbieten, und diese auch wirksam durchzusetzen;

48. fordert eine EU-weit harmonisierte Höchstgrenze für die Blutalkoholkonzentration; empfiehlt für Fahranfänger in den ersten beiden Jahren und für Berufskraftfahrer stets eine wissenschaftlich belegte Toleranzgrenze von 0,0 ‰;

49. fordert die Einführung von Kontrollsystemen, mit denen auch Geschwindigkeitsverstöße von Motorradfahrern systematisch festgestellt und geahndet werden können;

50. fordert, dass die Herstellung, die Einfuhr und der Vertrieb von Systemen, die Kraftfahrer vor Verkehrskontrollen warnen, europaweit verboten werden (z. B. Radarwarn- und Laserstörgeräte oder Navigationssysteme mit automatischer Ankündigung von Verkehrskontrollen);

51. fordert die Einführung eines EU-weiten Verbots des Verfassens und Versendens von SMS und E-Mails sowie des Surfens im Internet während des Führens eines Kraftfahrzeugs sowie dessen Durchsetzung durch die Mitgliedstaaten unter Einsatz der besten zur Verfügung stehenden Technologie;

52. fordert die Kommission auf, innerhalb von zwei Jahren einen Legislativvorschlag für einen harmonisierten Ansatz zu Winterreifen für Pkw, Busse und Lkw auf dem Gebiet der EU auszuarbeiten und dabei die Wetterbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen;

53. erwartet von der Kommission bis 2015 eine Überprüfung der Umsetzung der 3. Führerscheinrichtlinie und eine Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen und fordert, unter anderem der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der private Gebrauch von M1-Fahrzeugen über 3,5 t – das betrifft insbesondere Reisemobile – heute de facto nicht möglich ist; fordert, dass die Führerscheinausbildung für Reisemobile, die die 3,5‑t-Grenze nur unwesentlich überschreiten, nicht nur mit dem kommerziell orientierten C-Führerschein, sondern auch mit dem auf private Zwecke abgestimmten B-Führerschein möglich sein sollte;

54. empfiehlt den zuständigen Behörden nachdrücklich, in Wohngebieten und auf allen einspurigen Straßen in Stadtgebieten, die keine getrennte Fahrbahn für Radfahrer haben, zum besseren Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer generell eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h vorzuschreiben;

Sicherere Straßenverkehrsinfrastrukturen schaffen

55. unterstützt nachdrücklich den Ansatz der Kommission, generell EU-Fördermittel für diejenigen Infrastrukturen zu gewähren, die mit den EU-Richtlinien über die Straßenverkehrssicherheit und die Sicherheit von Tunneln konform sind, was den Bau untergeordneter Verkehrswege einschließt; fordert in diesem Zusammenhang, dass man sich schwerpunktmäßig um die Verminderung der gefährlichsten Abschnitte, der Unfallschwerpunkte und der höhengleichen Kreuzungen bemüht;

56. bekräftigt erneut, dass eine gut unterhaltene Straßenverkehrsinfrastruktur einen Beitrag zur Verringerung der Verkehrstoten und ‑verletzten leistet; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Straßeninfrastruktur durch regelmäßige Instandhaltung und durch innovative Maßnahmen wie zum Beispiel den Einsatz einer intelligenten Fahrbahnmarkierung, durch die der Sicherheitsabstand und die Wegrichtung angezeigt werden, sowie die passiv sichere Straßeninfrastruktur zu erhalten und zu entwickeln; betont, dass die Normen für die Beschilderung, insbesondere in Bezug auf Baustellen, eingehalten werden müssen, da sie für einen hohen Grad an Straßenverkehrssicherheit von ausschlaggebender Bedeutung sind;

57. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, der Straßenplanung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, die Durchführung bereits verfügbarer kostengünstiger Maßnahmen zu unterstützen und Forschung zu fördern, welche die politischen Entscheidungsträger in die Lage versetzt, besser zu verstehen, wie sich die Straßeninfrastruktur entwickeln sollte, damit die Verkehrssicherheit erhöht wird und die spezifischen Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung und schwächerer Verkehrsteilnehmer einbezogen werden können;

58. begrüßt die Tatsache, dass die Kommission den Schwerpunkt auf die schwächeren Verkehrsteilnehmer (Zweiräder, Fußgänger usw.) legt, deren Beteiligungsraten an Unfällen immer noch zu hoch sind; fordert die Mitgliedstaaten, die Kommission und die Industrie auf, bei der Gestaltung der Straßenverkehrsinfrastrukturen und ‑ausrüstungen diese Art von Verkehrsteilnehmern zu berücksichtigen, damit Straßen gebaut werden, die für alle Verkehrsteilnehmer sicher sind; fordert, dass Infrastrukturmaßnahmen zum Schutz von Fahrradfahrern und Fußgänger bei Planung und Instandhaltung von Straßen verstärkt in Betracht gezogen werden, z. B. Trennung der Verkehrsarten, Ausbau von Radwegenetzen und Barrierefreiheit und Querungen für Fußgänger;

59. fordert die Kommission auf, Straßenbaustellen sicherer zu machen, indem sie Leitlinien für die Planung und Ausstattung von Baustellen erlässt, die – soweit möglich – einer Normung auf europäischer Ebene unterliegen sollten, damit Kraftfahrer nicht in jedem Land mit unvertrauten Situationen konfrontiert werden; fordert Leitlinien, welche ordnungsgemäße Beschilderung, die Entfernung der ursprünglichen Fahrbahnmarkierung, den Einsatz von Schutzzäunen und ‑mauern, die Kennzeichnung des Fahrbahnverlaufs mit Blitzleuchten oder Kurvenschildern oder ‑markierungen, das Vermeiden sehr enger Kurven und die Gewährleistung der Sicherheit bei Nacht beinhalten sollten;

60. betont die Notwendigkeit eines geeigneten Fahrbahnbelags, der die Rutschgefahr vermindert, die Klimaleistung verbessert, eine hohe Wettertauglichkeit besitzt, die Sichtbarkeit verbessert sowie wenig Wartung benötigt und damit die Sicherheit der Infrastrukturnutzer erhöht;

61. fordert den umfassenden Einsatz von Tafeln, an denen die aktuelle Geschwindigkeit der Fahrzeuge angezeigt wird, sowie eine Verbesserung der Sichtbarkeit und Lesbarkeit von Verkehrszeichen, indem deren Überlagerung vermieden wird;

62. betont, wie wichtig es ist zu gewährleisten, dass auch die nationale Straßeninfrastruktur, die nicht zum TEN-V gehört, im Hinblick auf die Straßenverkehrssicherheit verbessert wird, und zwar insbesondere in denjenigen Regionen der EU, in denen die Infrastruktur und das Verkehrssicherheitsniveau qualitativ geringwertig sind;

63. fordert die Kommission auf, geeignete Maßnahmen zu identifizieren, die Unfälle auf Landstraßen, in ländlichen Gebieten und in Tunneln vermeiden und die Schwere der Schäden mindern, und fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Maßnahmen umzusetzen;

64. appelliert nachdrücklich an die Kommission und an die Mitgliedstaaten, ihre nationalen, regionalen und kommunalen Behörden aufzufordern, ihre Straßen so zu konzipieren, dass sie keine Gefahr für zweirädrige Fahrzeuge mit Antriebssystem darstellen; weist darauf hin, dass die gängigen Schutzplanken am Straßenrand eine tödliche Gefahr für Motorradfahrer darstellen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, an kritischen Streckenabschnitten eine zügige Nachrüstung mit Ober- und Unterzug (einschließlich des Ersatzes der bestehenden Schutzplanken) und mit andersartigen alternativen Fahrzeugrückhaltesystemen entsprechend der Norm EN 1317 mit dem Ziel einzuleiten, die Folgen von Unfällen für alle Verkehrsteilnehmer zu verringern; weist auf die Gefahr von Bitumenflickstellen für Motorradfahrer hin, deren Haftreibewert im Vergleich zur normalen Asphaltoberfläche erheblich geringer ist;

65. fordert die Kommission auf, Leitlinien für die Förderung bewährter Praktiken bei Verkehrsberuhigungsmaßnahmen, die auf Innovationen in den Bereichen Physik und Optik beruhen, zu unterstützen, und unter anderem aus EU-Mitteln kofinanzierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte auf die Verkehrsberuhigung anzuwenden, damit die Anzahl der Unfälle sowie die Lärm- und Luftverschmutzung verringert werden;

66. fordert die Mitgliedstaaten auf, eine Karte mit den gefährlichsten Stellen ihres Straßennetzes zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren, die den Bürgern vorgestellt und den Navigationssystemen an Bord der Fahrzeuge zur Verfügung gestellt wird;

67. ist der Auffassung, dass die Konzepte „selbsterklärende Straße“ und „verzeihender Straßenrand“ elementare Bestandteile einer Politik für die Straßenverkehrssicherheit sind und dementsprechend mit europäischen Mitteln und dem kontinuierlichen Austausch von bewährten Praktiken gefördert werden sollten;

68. fordert die Mitgliedstaaten auf, bei Bau und Sanierung von Straßeninfrastruktur einen Rüttelrand vorzusehen;

69. weist auf den besonderen Gefahrenschwerpunkt an Bahnübergängen hin und fordert die Mitgliedstaaten auf, bei Neubau und Rekonstruktion niveauungleiche Querungen zu schaffen oder bei untergeordneten Straßenkreuzungen Vollschranken zu installieren;

70. weist auf die Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur und die Notwendigkeit einer ausreichenden Zahl von sicheren Parkplätzen an den Autobahnen hin; unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten und der Einführung einer harmonisierten Sanktionsregelung und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sowohl eine ausreichende Zahl von Parkplätzen (Quantitätskriterium) als auch genügend sichere Parkplätze, die den sozialen Mindeststandards entsprechen und über Wartungs- und Versorgungsdienste verfügen, (Qualitätskriterium) für den professionellen Güterfernverkehr zur Verfügung zu stellen; verlangt, dass diese Parkplätze in der Phase der Planung bzw. Erneuerung der Straßeninfrastruktur berücksichtigt werden und dass für die hierzu benötigten Mittel eine Kofinanzierung von EU-Programmen wie z. B. TEN‑V in Anspruch genommen werden kann;

71. fordert, dass auf unfallträchtigen Autobahnabschnitten ein Überholverbot für Lkw gelten soll;

72. fordert die Mitgliedstaaten und die Straßenbetreiber auf, sachgerecht konzipierte Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, welche die Sicherheit erhöhen, indem sie gut mit Verkehrszeichen ausgestattet, gut beleuchtet und damit insbesondere für Motorrad- und Fahrradfahrer benutzerfreundlicher sind;

Sicherere Fahrzeuge in Verkehr bringen

73. empfiehlt, den Einbau von Atemalkohol-Messgeräten (Alcolocks) – mit einer geringen, wissenschaftlich belegten Toleranzgrenze – in alle neuen Fahrzeuge des gewerblichen Personen- und Gütertransports verpflichtend vorzuschreiben; ersucht die Kommission, bis 2013 einen Vorschlag für eine Richtlinie für den Einbau von Alcolocks vorzulegen, einschließlich der einschlägigen Spezifikationen für ihre technische Durchführung;

74. fordert die Kommission auf, auch weiterhin den Schwerpunkt auf die Verbesserung der passiven Sicherheit von Fahrzeugen zu legen, beispielsweise durch Crash-Management-Systeme auf dem neuesten Stand der Technik, und insbesondere die Kompatibilität zwischen großen und kleinen Pkw sowie zwischen schweren Nutzfahrzeugen und Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen zu verbessern; fordert, dass weiterhin die Minderung der Schwere der Zusammenstöße mit schwachen Verkehrsteilnehmern im Mittelpunkt stehen sollte; fordert die Kommission auf, eine Überprüfung der EU-Vorschriften zum vorderen Unterfahrschutz dahingehend vorzuschlagen, dass die optimale Energieabsorption sowie die erforderliche Höhe der Unterfahrschutzsysteme ermittelt werden, um die Personenkraftwagenfahrer beim Aufprall effektiv zu schützen;

75. fordert die Kommission auf, innerhalb von zwei Jahren einen Bericht zu der Frage vorzulegen, inwieweit ein verbesserter Insassenschutz durch verstärkte A‑, B- und C-Säulen der Fahrzeuge die Rundumsicht für den Fahrer beeinträchtigt und ob sich dies auf die Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer auswirkt;

76. fordert die Kommission auf, innerhalb von zwei Jahren einen Bericht zu den sicherheitsrelevanten Aspekten der Elektromobilität – das beinhaltet auch „E-Bikes“ und „Pedelecs“ – vorzulegen;

77. fordert die Kommission auf, bis 2013 einen Vorschlag zu unterbreiten, um sicherzustellen, dass jedes neue Auto als Standardausrüstung ein verbessertes Sitzgurt-Erinnerungssystem für die Vorder- und Rücksitze mit auditiven und visuellen Warnungen besitzt;

78. fordert die Kommission auf, den Nutzen des Einbaus von Müdigkeitswarnern zu bewerten und gegebenenfalls verpflichtend vorzuschreiben;

79. fordert die Fahrzeughersteller auf, bei der Entwicklung von Elektroautos und anderen neuen Antriebstechnologien ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, im Falle eines Unfalls sowohl Insassen als auch Helfer und Rettungsdienste wirksam vor neuen Gefahrenquellen zu schützen;

80. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Einfuhr von Kfz- und Zweirad-Zubehör‑, Bau- und Ersatzteilen wirksam und gründlich auf ihre Tauglichkeit und Erfüllung hoher europäischer Verbraucherschutzstandards hin zu überwachen;

81. fordert die Kommission auf, einen möglichen Zusammenhang zwischen verbesserter Sicherheitstechnik des Fahrzeugs und einer verminderten Risikowahrnehmung des Fahrers eingehend zu untersuchen und dem Europäischen Parlament innerhalb von zwei Jahren einen Bericht zu diesem Thema vorzulegen;

82. fordert von der Kommission die Schaffung eines einheitlichen europäischen Raumes für regelmäßige technische Kontrollen von allen motorisierten Straßenfahrzeugen und ihren sicherheitsrelevanten elektronischen Fahrzeugsystemen; erwartet, dass die Basis für diese Kontrollen höchste vereinheitlichte Prüfstandards bilden; erwartet, dass für die Prüfung und Ausstellung von Prüfzertifikaten unabhängige Prüfeinrichtungen zuständig sind, die nach einem harmonisierten Standard zertifiziert wurden; erwartet die gegenseitige Anerkennung dieser Prüfzertifikate;

83. fordert die Kommission auf, binnen zwei Jahren gemeinsame Standards für die technische Kontrolle nach schweren Unfällen zu definieren;

84. fordert die Kommission auf, die Erhöhung der Fahrzeugsicherheitsstandards, wie beispielsweise Fahrzeugtechnologie zur Vermeidung von Zusammenstößen, zu fördern; hebt die große Bedeutung von Intelligenten Verkehrssystemen (IVS) bei der Reduzierung von Verkehrstoten hervor; weist erneut auf das ökologische Potenzial intelligenter Fahrzeuge und intelligenter Straßen sowie auf die FuE-Pilotprojekte für V2V- und V2R-Systeme hin; fordert sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten auf, den Schwerpunkt auf die Anwendung von IVS – nicht nur entlang der Straßen, die Teil des TEN sind – zu legen;

85. fordert die Kommission auf, gemeinsame Standards für Fahrzeugreifen festzulegen, insbesondere für das Reifenprofil und den Reifendruck, und dementsprechende Kontrollen einzuführen; unterstützt die Aufnahme der Überprüfung von Reifen in die regelmäßige technische Überwachung der Fahrzeuge; unterstützt die bessere Durchsetzung von reifenbezogenen Vorschriften im Rahmen verstärkter Verkehrskontrollen; fordert die Kommission auf, die Spezifikationen zu Reifendruck-Kontrollsystemen (TPMS) vorzulegen, um einen sachgerechten Gebrauch von Reifen zu garantieren, was sowohl Vorteile für die Straßenverkehrssicherheit als auch für die Umwelt gewährleistet;

Moderne Technologien für Fahrzeuge, Infrastruktur und Notdienste nutzen

86. fordert, dass detaillierte Informationen über den Straßenzustand, über Straßenabschnitte, die besonders gefährlich sind oder ungewöhnliche Merkmale aufweisen, sowie über die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Verkehrsregeln (z. B. hinsichtlich Höchstgeschwindigkeiten und Höchstgrenzen für die Blutalkoholkonzentration) den Verkehrsteilnehmern vor und während der Fahrt – beispielsweise mit Hilfe Intelligenter Verkehrssysteme – zur Verfügung gestellt werden; erwartet, dass das Potenzial des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo in diesem Bereich voll ausgeschöpft wird;

87. fordert die Kommission auf, einen Legislativvorschlag – mit einem Zeitplan und einem detaillierten Zulassungsverfahren – bis Ende 2012 vorzulegen, der die schrittweise Einführung eines integrierten Unfalldatenschreibersystems mit standardisierter Auslesestelle, welche unfallrelevante Daten vor, während und nach einem Unfall aufzeichnet, zunächst in Leihfahrzeugen, später auch in gewerblich genutzten und in privaten Fahrzeugen vorsieht („Event Data Recording“); betont dabei aber die Notwendigkeit des Datenschutzes der einzelnen Personen und die ausschließliche Verwendung der Daten für die Unfallforschung;

88. fordert die Kommission auf, einen Vorschlag zur Ausstattung von Fahrzeugen mit „Intelligenten Geschwindigkeitsassistenz-Systemen“ auszuarbeiten, der einen Zeitplan, Zulassungsverfahren und die dafür nötige Straßeninfrastruktur einschließt;

89. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu unterstützen, die den Kunden einen Anreiz bieten, innovative Fahrzeugsicherheitstechnologien anzunehmen, von denen viele noch nicht obligatorisch sind, jedoch nachweisbare Sicherheitsvorteile mit sich bringen; fordert die Versicherungsgesellschaften auf, verstärkt Vorteile zu gewähren, wenn Sicherheitssysteme, die nachgewiesenermaßen Unfälle vermeiden oder deren Folgen mindern, in Fahrzeugen angewendet werden;

90. fordert die Kommission auf, eine Studie zu neuen Technologien, welche zu einer Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit beitragen, wie zum Beispiel zu innovativen Scheinwerfersystemen (wie z. B. präadaptiven Scheinwerfersystemen) durchzuführen;

91. fordert die Kommission auf, ihre Bewertung und Überprüfung der Richtlinie 2007/38/EG zu beschleunigen; fordert, dem technologischen Fortschritt Rechnung zu tragen und alle Lkw mit speziellen Rückspiegeln, Kamera-Monitor-Einrichtungen oder anderen technischen Instrumenten auszurüsten, bei denen kein toter Winkel auftritt, um insbesondere Unfälle mit Fahrradfahrern und Fußgängern zu verhindern, die sich im toten Winkel befinden;

92. begrüßt den Ansatz der Kommission, ein besonderes Augenmerk auf die Verbesserung der Sicherheit von Motorradfahrern zu richten;

93. hält die schrittweise, verpflichtende Einführung von Anti-Blockier-Systemen in alle neuen Motorräder für eine wichtige Maßnahme, um die Anzahl der schweren Motorradunfälle entscheidend zu verringern;

94. fordert die Mitgliedstaaten auf, durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen, dass alle gewerblichen Nutzfahrzeugen auferlegten Anforderungen in Bezug auf technische Vorrichtungen wie z. B. Fahrerwarnsignale bei Übermüdung und Ablenkung auf dem neuesten Stand sind;

95.  empfiehlt den Einbau von Klimaanlagen in alle neueren Lkw des internationalen Straßengüterverkehrs sowie in ältere Modellen entsprechend der technischen Durchführbarkeit; vertritt die Ansicht, dass diese Systeme auch funktionsfähig sein sollten, wenn der Motor abgestellt ist, damit sich der Fahrer im Fahrzeug in geeigneter Weise ausruhen kann; ersucht die Kommission, den Begriff „geeignete Schlafmöglichkeiten“ gemäß Artikel 8 Absatz 8 der Verordnung Nr. 561/2006 zu klären;

96. begrüßt die von der Kommission angekündigte Beschleunigung des Einsatzes von „eCall“ und fordert die Kommission auf, seine Ausweitung auf Motorräder, schwere Nutzfahrzeuge und Busse unter besonderer Beachtung der speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen innerhalb der nächsten zwei Jahre zu prüfen und gegebenenfalls vorzuschlagen;

97. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zur Unterstützung und zum Schutz der Mitarbeiter von Rettungsdiensten im Falle eines Unfalls auszuarbeiten, wie die Möglichkeit, vor Ort Informationen über den Motortyp des Fahrzeugs, die passive Sicherheitsausstattung wie Airbags oder die Verwendung eines bestimmten Materials sowie alle weiteren rettungsrelevanten technischen Informationen über jedes Fahrzeugmodell zu ermitteln oder abzurufen, um die Rettungsaktion zu beschleunigen;

Schwächere Straßenverkehrsteilnehmer schützen

98. fordert, dem Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer wie Motorradfahrern, Fußgängern, Arbeitern der Dienste für die Instandhaltung und Wartung der Straßen, Radfahrern, Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen als integraler Bestandteil der Straßenverkehrssicherheit mehr Rechnung zu tragen, u. a. durch innovative Technologien bei Fahrzeugen und Infrastrukturen; fordert, dass größeres Augenmerk auf die Bedürfnisse älterer Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität als Straßenverkehrsteilnehmer gerichtet wird; fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten auf, Programme zu entwickeln, die altersspezifischen Unfallgefahren vorbeugen und die aktive Teilnahme am Straßenverkehr für Senioren vereinfachen; empfiehlt den Einsatz von Schutzabsperrungen mit glatter Oberfläche und die Abgrenzung von Fahrbahnen für schwächere Verkehrsteilnehmer;

99. fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die lokalen Behörden auf, Projekte für sichere Schulwege zu fördern, um die Sicherheit von Kindern zu erhöhen; weist darauf hin, dass – zusätzlich zur Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und von Schülerlotsendiensten – die Eignung der Fahrzeuge, die als Schulbusse eingesetzt werden, und die berufliche Befähigung der Fahrer sichergestellt werden müssen;

100.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den Fahrrad- und Fußgängerverkehr als eigenständige Verkehrsarten und festen Bestandteil aller Verkehrssysteme zu unterstützen;

101.  fordert die Mitgliedstaaten auf,

1)  das Mitführen von Warnwesten für alle Fahrzeuginsassen verpflichtend vorzuschreiben sowie

2)  Fahrradfahrer zu ermuntern, insbesondere nachts außerhalb geschlossener Ortschaften Schutzhelme aufzusetzen und Warnwesten oder vergleichbare Kleidung zu tragen, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen;

102.  fordert die Kommission auf, einen Vorschlag vorzulegen, der für Fahrradhersteller verpflichtende Mindestanforderungen für die Fahrradbeleuchtung und reflektierende Elemente vorsieht;

103.  empfiehlt, Kinder bis zum Alter von drei Jahren in Fahrzeugen in rückwärtsgewandten Kindersitzen zu sichern;

104.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

  • [1]  „The preparation of the European Road Safety Action Program 2011–2020“.
  • [2]  ABl. C 227 E vom 21.9.2006, S. 609.
  • [3]  ABl. C 296 E vom 6.12.2006, S. 268.
  • [4]  ABl. C 244 E vom 18.10.2007, S. 220.
  • [5]  ABl. C 184 E vom 8.7.2010, S. 43.
  • [6]  ABl. C 184 E vom 8.7.2010, S. 50.
  • [7]  Angenommene Texte, P7_TA(2010)0175.
  • [8]  Angenommene Texte, P7_TA(2010)0260.

BEGRÜNDUNG

1. Hintergrund

Europas Straßen sind in den letzten Jahren erheblich sicherer geworden. Zwischen 2001 und 2009 ist die Anzahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr in der EU um 36 % gesunken; das 3. Europäische Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit hatte daran einen entscheidenden Anteil. Fast 80000 Menschenleben konnten seit 2001 durch diese Fortschritte gerettet werden. Auch wenn das Ziel einer Halbierung der Anzahl der jährlichen Verkehrstoten nicht erreicht wurde, machen diese Zahlen Mut. Vor allem aber sollten sie Ansporn sein für weitere Schritte. 2009 starben noch immer 35000 Menschen auf Europas Straßen, 1,5 Millionen wurden zum Teil schwer verletzt, oft mit bleibenden Behinderungen. Die sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten dieser Straßenverkehrsunfälle sind gewaltig (ca.130 Mrd. EUR im Jahr 2009). Der menschliche Verlust, die Trauer der Angehörigen, das Leid der Verletzten und die dramatischen Einschnitte in das Leben der Betroffenen kommen hinzu.

35000 Tote im Straßenverkehr – das entspricht im Luftverkehr den Abstürzen von ca. 250 vollbesetzten mittleren Verkehrsflugzeugen. Ein unvorstellbares Szenario. Die tödliche Gefahr im Straßenverkehr jedoch wird von der Gesellschaft noch immer weitgehend hingenommen oder verdrängt. Die alltägliche Tragödie auf den Straßen der EU bleibt weitgehend unbeachtet.

2. Die Mitteilung der Kommission

Kurz vor Ablauf des 3. Aktionsprogramms hat die Kommission eine Mitteilung vorgelegt, in der sie ihre strategischen Ziele bis 2020 darlegt.

Zentrales Ziel der Kommission ist erneut die Halbierung der Gesamtzahl der Unfalltoten im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2020 (Referenzjahr 2010).

Um dieses Ziel zu erreichen, setzt sich die Kommission sieben strategische Ziele:

· Verbesserung der Verkehrserziehung und der Qualität von Führerscheinerwerb und die Fahrschulausbildung

· Bessere Durchsetzung der Straßenverkehrsvorschriften

· Sicherere Infrastrukturen

· Verbesserte Sicherheitsmaßnahmen für Lkw und Pkw

· Entwicklung intelligenter Fahrzeuge

· Verbesserungen bei Notfalldiensten und erster Hilfe

· Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer, insbesondere der Motorradfahrer

Mit diesen Leitlinien möchte die Kommission einen allgemeinen Regelungsrahmen und Ziele vorgeben, nach denen die nationalen oder lokalen Strategien auszurichten sind. Gemäß Subsidiaritätsprinzip sollen die verschiedenen Maßnahmen auf der jeweils zweckmäßigsten Ebene nach dem Grundsatz der geteilten Verantwortung durchgeführt werden.

3. Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge

3.1 Bessere Koordinierung der Maßnahmen

Der Berichterstatter unterstützt im Grundsatz die von der Kommission anvisierten Zielsetzungen und die grob skizzierten Maßnahmen. Gleiches gilt für die Auffassung der Kommission, dass zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ein kohärenter, ganzheitlicher und integrierter Ansatz erforderlich ist, der alle Verkehrsteilnehmer und alle betroffenen Parteien umfasst und der Synergien mit anderen politischen Zielen berücksichtigt. Dies jedoch, sowie die Einbeziehung der Belange der Straßenverkehrssicherheit in alle relevanten Politikbereiche und die effiziente Verknüpfung der lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Ebene bei der Vorbereitung und Implementierung der Maßnahmen, erfordert ein Höchstmaß an Koordination. Mit den derzeitigen Strukturen auf EU-Ebene erscheint der konsequente Ausbau dieses integrierten Ansatzes unwahrscheinlich. Der Berichterstatter schlägt deshalb die Schaffung des Amtes eines Europäischen Koordinators für die Straßenverkehrssicherheit vor. Unterstützt von der Kommission sollten bei ihm die Fäden der verschiedenen Ansätze und Ebenen zusammenlaufen. Der Koordinator könnte vor allem hilfreiche Vermittlungsdienste für die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Ebenen leisten.

3.2 „Vision Zero“

Die anvisierte Halbierung der Anzahl der Unfalltoten bis 2020 wird ausdrücklich unterstützt. Dies bedeutet aber, dass 2020 immer noch ca. 15000 Menschen Straßenverkehrsunfällen zum Opfer fallen. Der Preis für die Mobilität der EU-Bürger wäre damit erschreckend hoch. Jeder Mensch, der bei einem Verkehrsunfall getötet oder verletzt wird, ist einer zu viel. Obwohl es keine absolute Sicherheit gibt, ist das Ziel einer bloßen Halbierung der Anzahl der Verkehrstoten – so ehrgeizig es für den genannten Zeitraum auch sein mag – aus ethischer Sicht fragwürdig. Die Kommission sollte daher endlich die Forderung des Europäischen Parlaments aufnehmen und langfristig das Ziel der vollständigen Vermeidung von Unfalltoten im Straßenverkehr ('Vision Zero') anvisieren, wie es bereits mehrere Staaten auf nationaler Ebene tun. Die EU muss anfangen, diese Vision zu konkretisieren und eine Strategie, deren Horizont über den 10-Jahres-Horizont hinausgeht, auszuarbeiten.

3.3 Ehrgeizigere Ziele und konkrete Maßnahmen

Innerhalb des Zeithorizonts der vorliegenden Mitteilung braucht die EU zudem ein weitaus konkreteres Bündel von Maßnahmen, um das ehrgeizige Ziel einer 50 %-igen Reduzierung der Straßenverkehrstoten auch zu erreichen. Dies vor allem, weil es mit zunehmenden Erfolgen immer schwieriger wird, eine zusätzliche Senkung der Zahl Verkehrstoten und Unfälle zu erzielen. Vor diesem Hintergrund bleiben viele angekündigte Maßnahmen der Kommission zu vage, zu wenig ambitioniert und werden den anstehenden Herausforderungen nicht gerecht.

Es ist bedauerlich, dass die Kommission es versäumt hat, vor Ablauf des 3. Aktionsprogramms einen Entwurf für ein neues, 4. Aktionsprogramm vorzulegen. Stattdessen präsentierte sie nur eine in ihrer Wirkung weitaus schwächere strategische Mitteilung. Dies ist als Bezugsrahmen unzureichend. Die Kommission sollte deshalb die vorgestellten Ansätze bis Ende 2011 zu einem vollwertigen neuen Aktionsprogramm weiterentwickeln, welches einen detaillierten Maßnahmenkatalog mit klaren Zeitplänen und Monitoring-Instrumenten für die Erfolgskontrolle enthält, sowie eine Halbzeit-Auswertung umfasst.

Darüber hinaus sollten auf EU-Ebene zwei weitere klare und messbare Ziele bis 2020 anvisiert werden:

          getöteten Kinder bis 14 Jahre um 60 % sowie

          der lebensgefährlich verletzten Personen um 40 %.

Für letzteres Ziel ist die Entwicklung einer europaweit harmonisierten Definition nötig. Eine mögliche Kategorie könnte zum Beispiel die Gruppe der lebensgefährlich Verletzten bilden, für die charakteristisch ist, dass sie nach einem Unfall intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Für die Entwicklung dieser Definition muss es eine konkrete Frist geben.

3.4 Verbesserung der Indikatoren und Daten zur Straßenverkehrssicherheit

Länderübergreifende Vergleiche und die Bewertung der Fortschritte oder der Effizienz der jeweiligen Maßnahmen im Bereich der Straßenverkehrssicherheit sind unabdingbar.

Sie sind nur mit qualitativ hochwertigen und vergleichbaren Daten und Indikatoren aus allen Mitgliedstaaten, sowie mit geeigneten Evaluierungsinstrumenten durchzuführen. Trotz erheblicher Fortschritte besteht hier Nachbesserungsbedarf. Es gab bereits zahlreiche von der EU finanzierte Forschungsprojekte, die an der Entwicklung verbesserter Indikatorensätze gearbeitet haben (z. B. SafetyNet). Die Ergebnisse dieser Forschungsprojekte sollten genutzt werden, um mit besseren und umfangreicheren Datensätzen einen tieferen Einblick in die Effekte und Wirkungsweise von Maßnahmen zu erlangen.

Erheblichen Bedarf an vergleichbaren Daten gibt es vor allem im Bereich der Analyse von Verletzungs- und Unfallursachen. Die EU sollte möglichst zügig den Anstoß für eine EU-weit harmonisierte Unfallursachenstatistik geben. Dazu zählen die Entwicklung einer harmonisierten Unfalldatenanalyse mittels eines standardisierten Formulars, sowie eine von der EU geförderte detaillierte Unfallforschung in repräsentativen Verkehrsräumen aller Mitgliedstaaten, um noch bessere Erkenntnisse zu erlangen. Bestehende Erfahrungen aus einzelnen Mitgliedstaaten könnten dafür genutzt werden.

Darüber hinaus sollten die erhobenen Daten aus allen Mitgliedsländern an einer zentralen Stelle verständlich aufbereitet und unter Wahrung eines hohen persönlichen Datenschutzniveaus weitestgehend öffentlich zugänglich sein.

3.5 Nationale und EU-weite Zielvorgaben

Klare quantifizierbare Zielsetzungen können ebenfalls zusätzliche Impulse und Ansporn für die Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit in den Mitgliedstaaten geben –vor allem, wenn harmonisierte Daten regelmäßige Leistungsvergleiche und die Evaluierung der jeweiligen nationalen Politiken ermöglichen und diese öffentlich gemacht werden. Die EU könnte hierbei die Pflicht für jeden Mitgliedstaat einführen, nationale Pläne für die Straßenverkehrssicherheit gemäß harmonisierter gemeinsamer Leitlinien aufzustellen und zu veröffentlichen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Pläne in Form von nationalen Zielen und Maßnahmen sollte gemäß dem Subsidiaritätsprinzip weitgehend in der Zuständigkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten verbleiben.

3.6 Verhalten im Straßenverkehr

Die Bürgerinnen und Bürger der EU haben ein Recht auf hohe Standards bei der Straßenverkehrssicherheit. Die Politik muss dazu ihren Beitrag leisten, insbesondere bei der Durchsetzung der Straßenverkehrsvorschriften.

Gleichzeitig besteht die Pflicht für jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer, persönlich zu einem sicheren Straßenverkehr beizutragen. Jeder kann mitwirken. Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsverhaltens sind dementsprechend von besonderer Bedeutung.

Dazu gehören zum Beispiel Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung der Führerscheinneulinge, wie etwa das begleitende Fahren ab 17, wie es derzeit mit Erfolg in Deutschland angewendet wird oder die Einführung eines Mehrphasenmodells beim Führerscheinerwerb, das fahrpraktische Trainingselemente auch nach Erhalt der Fahrerlaubnis vorsieht. Das Konzept des lebenslangen Lernens sollte sich im Straßenverkehr stärker durchsetzten. Nur wenn sich der Verkehrsteilnehmer kontinuierlich weiterbildet, kann er in Zukunft mit neuen Fahrzeugfunktionen und komplexeren Verkehrssituationen Schritt halten. Auch die mit dem Führerschein erworbenen Kenntnisse in Erster Hilfe sollten alle Verkehrsteilnehmer in regelmäßigen Abständen auffrischen müssen.

Es geht aber auch um die Implementierung verkehrspsychologischer Maßnahmen zur dauerhaften Verhaltensänderung von auffälligen Verkehrsteilnehmern, wie die durchgängige Einführung eines harmonisierten Punktesystems.

Zudem hat die EU eine sehr lobenswerte EU-Straßenverkehrssicherheitscharta, an der sich viele bereits mit Selbstverpflichtungen beteiligen. Die mit dieser Charta entstandenen Kommunikationsstrukturen zwischen den Beteiligten sollten ausgebaut und stärker für EU-weite Verkehrssicherheitskampagnen genutzt werden.

3.7 Konkrete Einzelmaßnahmen:

Neben den wiederholten Forderungen des Europäischen Parlaments schlägt der Berichterstatter eine Reihe von ergänzenden Maßnahmen vor, um die Straßenverkehrssicherheit in der EU weiter voranzubringen. Sie konzentrieren sich u. a. auf folgende Punkte:

· Reifendruck / Winterreifenpflicht

· Bereitstellung bergungsrelevanter Informationen für Helfer und professionelle Rettungskräfte

· Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung von Verkehrsteilnehmern

· Kampagnen zur Straßenverkehrssicherheit

· Maßnahmen zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer

· Technische Maßnahmen an Pkw, Nutzfahrzeugen

· Antiblockiersysteme für Motorräder

· Müdigkeitswarner

· Warnwesten nachts außerhalb geschlossener Ortschaften

· einheitliche Promillegrenze

· Pedelecs

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

21.6.2011

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

31

6

3

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Georges Bach, Izaskun Bilbao Barandica, Antonio Cancian, Michael Cramer, Luis de Grandes Pascual, Saïd El Khadraoui, Ismail Ertug, Carlo Fidanza, Jacqueline Foster, Jim Higgins, Ville Itälä, Dieter-Lebrecht Koch, Georgios Koumoutsakos, Werner Kuhn, Jörg Leichtfried, Marian-Jean Marinescu, Gesine Meissner, Mike Nattrass, Hubert Pirker, David-Maria Sassoli, Vilja Savisaar-Toomast, Olga Sehnalová, Debora Serracchiani, Brian Simpson, Keith Taylor, Silvia-Adriana Ţicău, Giommaria Uggias, Thomas Ulmer, Peter van Dalen, Dominique Vlasto, Artur Zasada, Roberts Zīle

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Philip Bradbourn, Frieda Brepoels, Spyros Danellis, Tanja Fajon, Markus Ferber, Jelko Kacin, Dominique Riquet, Laurence J.A.J. Stassen