EMPFEHLUNG zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an den Australian Customs and Border Protection Service

18.10.2011 - (09825/2011 – C7‑0304/2011 – 2011/0126(NLE)) - ***

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Berichterstatterin: Sophia in 't Veld
PR_NLE-AP_art90

Verfahren : 2011/0126(NLE)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0364/2011
Eingereichte Texte :
A7-0364/2011
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an den Australian Customs and Border Protection Service

(09825/2011 – C7‑0304/2011 – 2011/0126(NLE))

(Zustimmung)

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Entwurfs eines Beschlusses des Rates (09825/2011),

–   in Kenntnis des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an den Australian Customs and Border Protection Service im Anhang zu dem oben genannten Entwurf eines Beschlusses des Rates (10093/2011),

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer (KOM(2010)0492),

–   in Kenntnis der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2007 zu der SWIFT, dem Abkommen über Fluggastdatensätze und dem transatlantischen Dialog über diese Themen[1], der Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 22. Oktober 2008 an den Rat zu dem Abschluss des PNR-Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien[2], der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 5. Mai 2010 zum Start der Verhandlungen über Abkommen über Fluggastdatensätze mit den USA, Australien und Kanada[3], und der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. November 2010 zu einem sektorübergreifenden Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer[4],

–   unter Hinweis auf die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 19. Oktober 2010 zu der Mitteilung der Kommission über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer[5] und vom 15. Juli 2011 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an den Australian Customs and Border Protection Service[6],

–   unter Hinweis auf die Stellungnahme 7/2010 der Datenschutzgruppe nach Artikel 29 vom 12. November 2010 zu der Mitteilung der Kommission zu einem sektorübergreifenden Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer,

–   in Kenntnis des Ersuchens um Zustimmung (C7-0304/2011), das vom Rat gemäß Artikel 218 Absatz 6 Unterabsatz 2 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 82 Absatz 1 Unterabsatz 2 Buchstabe d und Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterbreitet wurde,

–   unter Hinweis auf Artikel 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–   gestützt auf Artikel 81 und Artikel 90 Absatz 7 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis der Empfehlungen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres sowie der Stellungnahme des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (A7-00364/2011),

1.  gibt seine Zustimmung zu dem Abschluss des Abkommens;

2.  vertritt die Ansicht, dass das Verfahren 2009/0186(NLE) hinfällig geworden ist, nachdem das PNR-Abkommen aus dem Jahr 2008 zwischen der Europäischen Union und Australien durch das neue PNR-Abkommen ersetzt wurde;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Regierung Australiens zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 287 E vom 29.11.2007, S. 349.
  • [2]  ABl. C 15 E vom 21.01.10, S. 46.
  • [3]  ABl. C 81 E vom 15.03.2011, S. 70.
  • [4]  Angenommene Texte, P6-TA(2010)0397.
  • [5]  ABl. C 357 vom 30.12.2010, S. 7.
  • [6]  Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

BEGRÜNDUNG

I. Hintergrund

Die Europäische Union verhandelt gegenwärtig mit Australien, Kanada und den Vereinigten Staaten über drei internationale Abkommen über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR). Fluggastdatensätze werden von den Fluggästen zur Verfügung gestellt und von den Fluggesellschaften erhoben und für ihre Flugschein-, Reservierungs- und Einchecksysteme verwendet. Aufgrund ihres kommerziellen Charakters enthalten die Fluggastdatensätze Informationen unterschiedlicher Art, von Namen, Anschriften, Reisepassnummern und Kreditkarteninformationen bis hin zu Informationen über andere Fluggäste, Reiserouten und Reisebüros.

Das gegenwärtige Abkommen mir Australien richtet sich nach den australischen Rechtsvorschriften für den Grenzschutz, die den australischen Zollbehörden das Recht geben, eine Risikobewertung der Fluggastdatensätze der internationalen Fluggesellschaften vorzunehmen, bevor die betreffenden Fluggäste nach Australien einreisen. Gemäß diesen Rechtsvorschriften sind die Fluggesellschaften verpflichtet, den Zollbehörden Zugang zu ihren Fluggastdatensätzen zu gewähren. Die Einhaltung dieser australischen Anforderungen durch die Fluggesellschaften kollidierte jedoch mit den EU-Vorschriften zum Datenschutz. Um diese Probleme zu lösen, nahm die Kommission Verhandlungen mit Australien auf, um die Bedingungen festzulegen, gemäß denen der Zugang zu den Fluggastdatensätzen zulässig sein würde.

Durch den Beschluss 2008/651/GASP/JI des Rates vom 30. Juni 2008 über die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen aus der Europäischen Union und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an die australische Zollbehörde wurde ein EU-Rechtsrahmen für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen durch die Fluggesellschaften geschaffen. Da im Rat nicht die zum Abschluss des Abkommens erforderliche Einstimmigkeit erreicht werden konnte, trat das Abkommen mit Wirkung vom 30. Juni 2008 in 17 EU-Mitgliedstaaten vorläufig in Kraft.[1]

Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 gilt für die Aushandelung internationaler Übereinkünfte das ordentliche Gesetzgebungsverfahren, das das Zustimmungsrecht des Europäischen Parlaments vorsieht. Nach Eingang des Ersuchens des Rates um Zustimmung am 15. Februar 2010 nahm das Europäische Parlament am 5. Mai 2010 eine Entschließung an, die Abstimmung über dieses Ersuchen um Zustimmung zurückzustellen. In seiner Entschließung forderte es die Kommission auf, einen kohärenten Ansatz für die Verwendung von Fluggastdatensätzen vorzulegen, der sich auf einheitliche Grundsätze stützt – unter Beachtung der zwei weiteren Abkommen über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen mit den Vereinigten Staaten und Kanada und der zunehmenden Zahl von Ersuchen um die Verwendung von Fluggastdatensätzen seitens Ländern wie Saudi-Arabien, Südkorea und Neuseeland.[2] Dieser Ansatz, getragen von Rat und Kommission, erschien als die pragmatische Herangehensweise an die steigende Zahl von Ersuchen von Staaten um die Weitergabe von Fluggastdatensätzen.

Auf der Grundlage einer Mitteilung über den allgemeinen Ansatz hinsichtlich der Weitergabe von Fluggastdatensätzen an Drittstaaten und der Zustimmung des Rates zu neuen Mandaten für Verhandlungen begannen die Kommission und Australien im Januar 2011 neue Verhandlungen. Die Kommission paraphierte das Abkommen und übersandte dem Rat am 19. Mai 2011 eine Empfehlung, das Abkommen zu unterzeichnen und abzuschließen. Der Rat nahm das Abkommen am 22. September 2011 an, und die Unterzeichnung erfolgte am 29. September 2011. Am selben Tage ging das Ersuchen des Rates um Zustimmung beim Parlament ein.

II. Bewertung des Abkommens über Fluggastdatensätze zwischen der EU und Australien

Es ist zu berücksichtigen, dass Drittländer souveräne Staaten sind, die die Einreisebestimmungen für Personen in ihr Staatsgebiet festlegen. Aus diesem Grunde kann die Europäische Union die Erhebung, Speicherung und Verwendung von Fluggastdatensätzen durch Drittstaaten nicht untersagen. Die Europäische Union befindet lediglich darüber, ob die Bedingungen für die Weitergabe dieser Daten den EU-Datenschutznormen entsprechen. In Ermangelung eines Abkommens werden die Drittstaaten fortfahren, Fluggastdatensätze von EU-Bürgern zu erheben und zu speichern.

Am 5. Mai 2010 und am 11. November 2010 legte das Parlament die Bedingungen für seine Zustimmung zu Abkommen mit Drittstaaten über die Weitergabe von Fluggastdatensätzen fest.

Dabei handelt es sich um folgende Kriterien:

1.  Die Notwendigkeit der massenhaften Erhebung und Speicherung von Fluggastdatensätzen muss deutlich gemacht und für jeden der angeführten Zwecke durch Beweise belegt werden.

2.  Die Verhältnismäßigkeit (d. h. dass dasselbe Ziel nicht auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden könnte) muss deutlich gemacht werden.

3.  Der Zweck muss eindeutig und konsequent begrenzt werden, auf der Grundlage eindeutiger rechtlicher Definitionen gemäß dem Rahmenbeschluss des Rates 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung und dem Rahmenbeschluss des Rates 2002/584/JI vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl.

4.  Die Weitergabe darf lediglich nach dem „Push“-Verfahren (d. h. gefilterte Daten werden von Fluggesellschaften an die ersuchenden Behörden von Drittstaaten weitergegeben) und nicht nach dem „Pull“-Verfahren (d. h. Drittstaaten haben unmittelbaren Zugriff auf Datenbanken in der EU) erfolgen.

5.  Fluggastdatensätze dürfen keinesfalls für die gezielte Extraktion von Daten oder die Erstellung von Personenprofilen verwendet werden.

6.  Bei der Weiterübermittlung von Daten durch das Empfängerland an Drittstaaten müssen die EU-Datenschutznormen eingehalten werden, was konkret durch die Feststellung der Angemessenheit zu erfolgen hat.

7.  Die jeweiligen Ergebnisse werden unverzüglich den entsprechenden zuständigen Stellen der EU und der Mitgliedstaaten mitgeteilt (Gegenseitigkeit).

8.  Die Rechtsgrundlage des Ratsbeschlusses über den Abschluss des Abkommens muss Artikel 16 AEUV einschließen.

Die meisten dieser Kriterien wurden in das von Rat angenommene Mandat für Verhandlungen aufgenommen.

Das Parlament hat den neuen Entwurf des Abkommens über Fluggastdatensätze zwischen der EU und Australien einer Bewertung daraufhin unterzogen, inwieweit diese Kriterien eingehalten wurden. Das Parlament ist zu der Schlussfolgerung gelangt, dass viele der genannten Kriterien erfüllt wurden, und wird deshalb dem Abschluss des Abkommens zustimmen.

Das Parlament ist hinsichtlich der folgenden Punkte zu einer positiven Einschätzung gelangt:

- Die Festlegung des Zwecks ist erheblich enger gefasst worden, sodass sie sich nunmehr nur auf die Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung terroristischer Angriffe und schwerwiegender grenzüberschreitender Verbrechen erstreckt. Das Abkommen enthält eindeutige Bestimmungen beider Begriffe auf der Grundlage der einschlägigen EU-Instrumente. Eine konsequente Überwachung der Anwendung des Abkommens wird aufzeigen, ob die Festlegung des Zwecks ausreichend genau ist und keinen Raum dafür bietet, Fluggastdatensätze für andere Zwecke zu nutzen.

- Die Weitergabe der Daten erfolgt ausschließlich nach dem „Push“-Verfahren, wobei pro Flug höchstens fünf Übertragungen vorgesehen sind.

- Das Abkommen sieht die Weitergabe relevanter und zweckdienlicher analytischer Informationen an die betreffenden Mitgliedstaaten sowie an Europol und Eurojust vor, sobald dies durchführbar ist.

- Die EU-Bürger haben in Australien das Recht auf wirksame Rechtsbehelfe bei Gericht oder Verwaltungsbehörden, und für die Sicherheitsvorkehrungen im Bereich des Datenschutzes hinsichtlich Zugang, Bereinigung, Löschung und Datensicherheit ist gesorgt.

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine Reihe von Kriterien nicht vollständig erfüllt wurde und einige Bedenken bestehen bleiben. Diese Bedenken sind auch für Abkommen über Fluggastdatensätze mit anderen Drittstaaten von Bedeutung.

Das Parlament weist darauf hin, dass den folgenden Kriterien nicht vollständig entsprochen wurde:

- Die Erstellung von Personenprofilen wird in dem Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt, aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die Kommission hat sich trotz wiederholter Ersuchen geweigert, eine rechtliche Definition des Profiling und ähnlicher automatisierter Suchverfahren zu liefern.

- Die Vorschriften für eine Weiterübermittlung entsprechen offenbar im Wesentlichen den Datenschutznormen der EU, insbesondere durch die vom Rat verlangte beigefügte Erklärung. Es bestehen jedoch nach wie vor Bedenken, ob die Bestimmungen für die Weiterübermittlung angemessen sind. Die enge Überwachung der Anwendung des Abkommens wird zeigen, ob eine weitere Verschärfung dieser Bestimmungen notwendig ist.

Das Parlament hat die folgenden verbleibenden Bedenken:

- Die Kommission hat die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der massenhaften Erhebung und Speicherung von Daten nur teilweise und nicht hinreichend deutlich gemacht. Durch Einzelberichte und Besuche von Delegationen des Parlaments vor Ort konnte die Verwendung von Fluggastdatensätzen für einige Zwecke geklärt werden. Die ausführliche Begründung eines jeden der angeführten Zwecke (Terrorismusbekämpfung und Kampf gegen das grenzüberschreitende Verbrechen) und aller Verarbeitungsverfahren (reaktiv, in Echtzeit und proaktiv), um die das Parlament ersucht hatte, steht jedoch noch aus.

- So wurde keine Begründung für die Langzeitspeicherung identifizierbarer Daten von Reisenden gegeben. Die Aufbewahrungsfrist von fünfeinhalb Jahren scheint recht willkürlich und nicht anhand spezifischer Anhaltspunkte gewählt. Dies widerspricht den rechtlichen Anforderungen der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit sowie der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere Urteilen von Verfassungsgerichten der Mitgliedstaaten zur Verhältnismäßigkeit der massenhaften Langzeitspeicherung personenbezogener Daten bei Fehlen jeglichen Verdachts und ohne Anklage. Aus diesem Grunde wird angenommen, dass der Rat nicht in der Lage sein wird, dem Abkommen einstimmig zuzustimmen, da einer oder mehrere Mitgliedstaaten sich der Stimme enthalten oder mit nein stimmen könnten. Dies macht den problematischen Charakter der Angelegenheit deutlich.

- Die Kommission hat alternative, weniger einschneidende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Nutzung von API- oder ESTA-Daten zur Identifizierung von Verdächtigen, nur unzureichend untersucht.

- Die Kommission hat es versäumt, um eine Stellungnahme der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zu dem konkreten Abkommen mit Australien zu ersuchen. Die Kommission hat nicht alle Empfehlungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten berücksichtigt und auch nicht erklärt, warum bestimmte Empfehlungen nicht übernommen wurden.

- Die geeignete Rechtsgrundlage des Abkommens sollte in jedem Falle in erster Linie Artikel 16 AEUV (Datenschutz) bilden. Dieser Artikel wird jedoch nicht als Teil der Rechtsgrundlage aufgeführt, es wird lediglich in der Einleitung allgemein und unverbindlich auf ihn verwiesen. Wie bereits dargelegt – und wie vom Europäischen Datenschutzbeauftragten in seiner Stellungnahme vom 15. Juli 2011 deutlich gemacht – ist der Zweck des Abkommens, sicherzustellen, dass die Weitergabe von Daten den Datenschutznormen der EU entspricht. Deshalb sollte das Abkommen nicht auf Artikel 82 Absatz 1 Buchstabe d und Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a aufbauen, sondern auf Artikel 16 AEUV. Wenn der Zweck eine Zusammenarbeit im polizeilich-rechtlichen Bereich wäre, könnte sich die EU theoretisch gegen die Erhebung von Fluggastdatensätzen durch Australien entscheiden. In diesem Fall handelt es sich jedoch um die souveräne Entscheidung eines Drittstaats und mithin nicht um eine politische Maßnahme der EU, da die EU hier nicht entscheiden kann. Somit ist die gewählte Rechtsgrundlage eindeutig nicht die richtige.

In öffentlichen Diskussionen nach der Annahme der Entschließungen ersuchte das Parlament um weitere Verfahrensgarantien in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den EU-Organen. Im Hinblick auf die Umsetzung von Artikel 218 AEUV über den Abschluss internationaler Übereinkünfte sowie die Anwendung von Artikel 23 (Beilegung von Streitigkeiten und Aussetzung des Abkommens) und Artikel 25 (Auflösung) des Abkommens über Fluggastdatensätze zwischen der EU und Australien ersuchte das Parlament insbesondere um eine öffentliche Verpflichtung der Kommission, Vorschläge für eine Aussetzung oder Auflösung des Abkommens auf Ersuchen des Parlaments vorzulegen. Die Kommission hat diese Zusicherung in einer öffentlichen Erklärung während der Plenarsitzung des Parlaments am 4. Juli 2011 gegeben.

Die Kommission wird ersucht, diese Verpflichtung durch einen Briefwechsel zwischen den Präsidenten der beiden Organe zu bestätigen.

  • [1]  Zehn EU-Mitgliedstaaten – Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Irland, Lettland, Malta, die Niederlande, Ungarn, Polen und Finnland – gaben Erklärungen ab, dass sie ihre eigenen verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Verfahren einhalten müssten.
  • [2]  Bisher haben elf Staaten bei der Kommission um den Zugang zu Fluggastdatensätzen ersucht.

MINDERHEITENANSICHT

gemäß Artikel 52 Absatz 3 der Geschäftsordnung

Jan Albrecht, Rui Tavares, Judith Sargentini, Gabriele Zimmer und Mikael Gustafsson

Das Abkommen zwischen der EU und Australien über die Weitergabe von Fluggastdatensätzen trägt nicht für die Einhaltung der Garantien Sorge, die das Parlament in seinen bisherigen Entschließungen verlangt hat. Diese Garantien stellen tatsächlich unverzichtbare Bedingungen dar.

Die Kommission hat weder Beweise für die Behauptung vorgelegt, dass die Speicherung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen für Strafverfolgungszwecke notwendig und angemessen sind, noch hat sie weniger einschneidende Alternativen ernsthaft ausgelotet.

Das Abkommen sieht eine ungerechtfertigte Speicherdauer von 5,5 Jahren vor. Außerdem enthält es keine angemessenen Sicherheitsvorkehrungen, um die diskriminierende Erstellung von Personenprofilen zu unterbinden. Dies gibt Anlass zur ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Abkommens mit der Charta der Grundrechte und mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des deutschen Bundesverfassungsgerichts.

Die Kommission hat das Ersuchen des Parlaments ignoriert, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte um eine Stellungnahme zu den Auswirkungen des Abkommens in Bezug auf die Grundrechte zu bitten. Ungeachtet dessen treffen die von der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und von den Juristischen Diensten des Rates und der Kommission hinsichtlich des Abkommens über Fluggastdatensätze mit den Vereinigten Staaten und hinsichtlich des Fluggastdatensatzsystems der EU geäußerten Bedenken auch auf das Abkommen mit Australien zu.

Die Verfasser betonen ihr Engagement für eine Zusammenarbeit mit Australien und anderen Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus, sind jedoch der Ansicht, dass die pauschale Speicherung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen sämtlicher Fluggäste nicht mit ihrer Vorstellung von einer offenen Gesellschaft vereinbar ist.

STELLUNGNAHME des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (12.10.2011)

für den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres

zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an den Australian Customs and Border Protection Service
(09825/2011 – C7-0304/2011 – 2011/0126(NLE))

Verfasserin der Stellungnahme: Monica Luisa Macovei

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KURZE BEGRÜNDUNG

Die Europäische Union hat 2008 in Anerkennung der Tatsache, dass der Informationsaustausch ein wesentliches Element der Terrorismusbekämpfung ist, ein Abkommen mit Australien über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung unterzeichnet. Das Abkommen ist seitdem vorläufig anwendbar.

Am 5. Mai 2010 beschloss das Europäische Parlament in einer Entschließung, dem endgültigen Abschluss des PNR‑Abkommens nicht zuzustimmen, und es beantragte eine Neuverhandlung des Abkommens auf der Grundlage bestimmter Kriterien. Das Parlament hat seine Entschlossenheit, die Terrorismusbekämpfung als Schlüsselkomponente des auswärtigen Handelns der Union zu betrachten und eine aktive Präventionspolitik zu verfolgen, bekräftigt, doch hat es auch erklärt, dass die Grundrechte zu schützen sind und die Achtung der Privatsphäre der Bürger der EU entsprechend den einschlägigen EU-Rechtsvorschriften sicherzustellen ist. Es hat ein neues Abkommen gefordert, mit dem u.a. angemessene Verfahren für eine unabhängige gerichtliche Überwachung eingeführt, Vorkehrungen für die Nutzung der PNR‑Daten – im „Push“-Verfahren – ausschließlich für Strafverfolgungs- und Sicherheitszwecke im Falle terroristischer Straftaten festgelegt werden sollen und die Verwendung der Daten für die Sammlung von personenbezogenen Daten und die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen unter allen Umständen untersagt werden soll.

Der neu ausgehandelte Entwurf eines Abkommens enthält mehrere neue Garantien betreffend die Übermittlung und Verarbeitung von PNR‑Daten: So hat jede Person u.a. das Recht, auf ihre PNR-Daten zuzugreifen, die Berichtigung ihrer PNR-Daten zu beantragen und einen Rechtsbehelf einzulegen; jegliche Verarbeitung sensibler Daten ist untersagt, und der Verstoß gegen die Datensicherheit wird mit wirksamen Strafen geahndet. Andere Garantien werden durch den neuen Entwurf verstärkt: So können Daten nur unter Einhaltung bestimmter Kriterien an einzelne Behörden von Drittstaaten weitergeben werden. Der Zweck der Vorbeugung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten wurde strikter und detaillierter festgelegt.

Die Verfasserin der Stellungnahme befürwortet ein Abkommen, das den gemeinsamen Kampf der EU und Australiens gegen den Terrorismus im Interesse der Sicherheit der Bürger bei gleichzeitiger Wahrung ihrer Rechte und der Rechtsstaatlichkeit verstärken würde. Das Abkommen sollte sich in einen weiter gefassten Rahmen der weltweiten und regionalen Bekämpfung des Terrorismus einfügen und Teil der EU-Strategie für die Bekämpfung des Terrorismus sein, da PNR‑Daten ein wichtiges Instrument im Kampf gegen terroristische Straftaten sind.

Angesichts vorstehender Überlegungen ist die Verfasserin der Stellungnahme der Auffassung, dass das neue Abkommen einen Rahmen für die gemeinsame Terrorismusbekämpfung bietet und gleichzeitig sicherstellt, dass die Rechte der unter das Abkommen fallenden Personen gewahrt werden.

******

Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten ersucht den federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, dem Parlament die Zustimmung vorzuschlagen.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

11.10.2011

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

51

8

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Gabriele Albertini, Bastiaan Belder, Elmar Brok, Arnaud Danjean, Michael Gahler, Marietta Giannakou, Ana Gomes, Richard Howitt, Anna Ibrisagic, Jelko Kacin, Ioannis Kasoulides, Evgeni Kirilov, Maria Eleni Koppa, Andrey Kovatchev, Paweł Robert Kowal, Wolfgang Kreissl-Dörfler, Eduard Kukan, Vytautas Landsbergis, Ryszard Antoni Legutko, Krzysztof Lisek, Sabine Lösing, Ulrike Lunacek, Barry Madlener, Mario Mauro, Kyriakos Mavronikolas, Willy Meyer, Francisco José Millán Mon, Alexander Mirsky, Norica Nicolai, Kristiina Ojuland, Ioan Mircea Paşcu, Bernd Posselt, Hans-Gert Pöttering, Cristian Dan Preda, Libor Rouček, Tokia Saïfi, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Jacek Saryusz-Wolski, Werner Schulz, Marek Siwiec, Inese Vaidere, Geoffrey Van Orden, Sir Graham Watson

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Laima Liucija Andrikienė, John Attard-Montalto, Tanja Fajon, Roberto Gualtieri, Liisa Jaakonsaari, Jaromír Kohlíček, Monica Luisa Macovei, Jacek Protasiewicz, Marietje Schaake, Helmut Scholz, György Schöpflin, Alf Svensson, Indrek Tarand, Traian Ungureanu, Renate Weber

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Jolanta Emilia Hibner

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

17.10.2011

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

25

7

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Jan Philipp Albrecht, Rita Borsellino, Simon Busuttil, Philip Claeys, Carlos Coelho, Tanja Fajon, Hélène Flautre, Kinga Göncz, Ágnes Hankiss, Anna Hedh, Salvatore Iacolino, Sophia in ‘t Veld, Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Juan Fernando López Aguilar, Monica Luisa Macovei, Véronique Mathieu, Claude Moraes, Jan Mulder, Georgios Papanikolaou, Carmen Romero López, Judith Sargentini, Birgit Sippel, Csaba Sógor, Rui Tavares, Axel Voss, Auke Zijlstra

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Edit Bauer, Anna Maria Corazza Bildt, Dimitrios Droutsas, Ana Gomes

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Albert Deß, Mikael Gustafsson, Gabriele Zimmer