BERICHT über Frauen in politischen Entscheidungsprozessen – Qualität und Gleichstellung
3.2.2012 - (2011/2295(INI))
Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter
Berichterstatterin: Sirpa Pietikäinen
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zu Frauen in politischen Entscheidungsprozessen – Qualität und Gleichstellung
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere die Artikel 21 und 23,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau aus dem Jahr 1979 (CEDAW),
– unter Hinweis auf die Erklärung und Aktionsplattform von Beijing, die am 15. September 1995 von der Vierten Weltfrauenkonferenz angenommen wurde, sowie auf die entsprechenden Abschlussdokumente, die im Rahmen der UN-Sondertagungen Peking +5 (2000), Peking +10 (2005) und Peking +15 (2010) angenommen wurden,
– unter Hinweis auf die vereinbarten Schlussfolgerungen der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zur „Gleichberechtigten Mitwirkung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen auf allen Ebenen“ aus dem Jahr 2006,
– unter Hinweis auf die vereinbarten Schlussfolgerungen 1997/2 der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau zu den Problembereichen der Aktionsplattform von Beijing 1996-1999,
– unter Hinweis auf die Entschließung der UN-Generalversammlung A/RES/58/142 zu Frauen und politischer Teilhabe,
– unter Hinweis auf den vom Europäischen Rat im März 2011[1] angenommenen Europäischen Pakt für die Gleichstellung der Geschlechter (2011-2020),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010–2015“ (COM(2010)0491),
– unter Hinweis auf den Beschluss der Kommission vom 19. Juni 2000 über die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in den von ihr eingesetzten Ausschüssen und Sachverständigengruppen[2] ,
– in Kenntnis der Empfehlung des Rates vom 2. Dezember 1996 über die ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen (96/694/EG)[3] ,
– unter Hinweis auf die am 12. März 2003 angenommene Empfehlung REC(2003)3 des Ministerkomitees des Europarates zur ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern am politischen und öffentlichen Entscheidungsprozess und auf die Ergebnisse der 2005 und 2008 durchgeführten Überprüfung der bei der Umsetzung dieser Empfehlung REC(2003)3 erzielten Fortschritte auf der Grundlage eines Fragebogens mit nach Geschlechtern aufgeschlüsselten Daten zur Beteiligung von Frauen und Männern am politischen und öffentlichen Entscheidungsprozess,
– unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE)1079 (1996) zur Erhöhung des Anteils von Frauen in der Parlamentarischen Versammlung, die Empfehlung 1413 (1999) zur ausgewogenen Vertretung im politischen Leben, die Entschließung 1348 (2003) zur ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in der Parlamentarischen Versammlung sowie die Empfehlung 1665 (2004) zur Beteiligung von Frauen an Wahlen und die Entschließung 303 (2010) zum Erzielen einer nachhaltigen Gleichstellung von Frauen und Männer am politischen Leben auf lokaler und regionaler Ebene,
– unter Hinweis auf die Entschließung 85 des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarats (1999), die Empfehlung 68 (1999) zur Beteiligung von Frauen am politischen Leben in den Regionen Europas und die Empfehlung 111(2002) zu den Stimmrechten von Frauen und demokratischen Anforderungen,
– unter Hinweis auf die von der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (‚Venedig-Kommission’) verabschiedete Erklärung zur Beteiligung von Frauen an Wahlen,
– unter Hinweis auf das Handbuch „Gender Budgeting: praktische Umsetzung“, vorbereitet von der Generaldirektion Menschenrechte und Rechtsangelegenheiten des Europarats (April 2009),
– unter Hinweis auf die am 27. Januar 2010 angenommene Empfehlung 1899 (2010) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur besseren Repräsentanz von Frauen in der Politik durch das Wahlsystem,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 2. März 2000 zu Frauen im Entscheidungsprozess[4],
– gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A7-0029/2012),
A. in der Erwägung, dass es ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern am politischen und öffentlichen Entscheidungsprozess gibt und Frauen in gewählten und designierten politischen Entscheidungspositionen auf der Ebene der Europäischen Union und in ihren Mitgliedstaaten eindeutig unterrepräsentiert sind; in der Erwägung, dass Frauen in den Halbzeitwahlen innerhalb des Europäischen Parlaments in alarmierender Weise unterrepräsentiert sind;
B. in der Erwägung, dass es auf nationaler Ebene innerhalb der EU und innerhalb ihrer Mitgliedstaaten, Parteien und Sozialpartner große Unterschiede bei der Beteiligung von Frauen am politischen Entscheidungsprozess und den Methoden, Strategien und kulturellen Verhaltensweisen und Instrumenten zur Bekämpfung von Missständen gibt;
C. in der Erwägung, dass der Anteil von Frauen im Europäischen Parlament zwar auf 35 % gestiegen ist, aber noch keine Parität erreicht wurde; in der Erwägung, dass Frauen in den Führungspositionen der Ausschüsse und Fraktionen noch unterrepräsentierter sind; in der Erwägung, dass der Anteil von Frauen in der Europäischen Kommission bei einem Drittel stagniert und noch nie eine Frau den Vorsitz der Kommission geführt hat;
D. in der Erwägung, dass den Statistiken zufolge und trotz zahlreicher ergriffener Maßnahmen eine fehlende Parität vorherrscht und die Vertretung von Frauen in politischen Entscheidungsprozessen in den letzten Jahren stagniert hat statt sich linear zu verbessern, wobei die ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen in den nationalen Parlamenten EU-weit unverändert bei 24 % Frauen und 76 % Männern liegt und Frauen nur 23 % aller Ministerposten besetzen[5];
E. in der Erwägung, dass es heutzutage de facto ein informelles Quotensystem gibt, in dem Männer Frauen vorgezogen werden und Männer für Entscheidungspositionen Männer wählen, was kein formalisiertes System ist, gleichwohl aber eine systematische und sehr reale tief verwurzelte Kultur der Vorzugsbehandlung von Männern;
F. in der Erwägung, dass die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in politischen Entscheidungsprozessen eine Sache der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit ist sowie eine unerlässliche Bedingung für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft; in der Erwägung, dass die anhaltende Unterrepräsentation von Frauen ein Demokratiedefizit ist, das die Legitimität von Entscheidungsprozessen sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene untergräbt;
G. in der Erwägung, dass Entscheidungsfindungen auf administrativen Vorbereitungen beruhen und die Anzahl von Frauen in administrativen Positionen, insbesondere in Führungspositionen, eine Frage der Gleichberechtigung ist und dafür sorgt, dass geschlechterspezifische Aspekte bei der Vorbereitung sämtlicher politischer Maßnahmen berücksichtigt werden;
H. in der Erwägung, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014, gefolgt von der Ernennung der nächsten Europäischen Kommission und die Ernennungen für die EU-„Top Jobs“ eine Chance darstellen, auf eine auf Parität beruhende Demokratie auf EU-Ebene hinzuarbeiten, sowie eine Chance für die EU, auf diesem Gebiet ein Vorbild zu sein;
I. in der Erwägung, dass das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau u. a. bestimmt, dass die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen, einschließlich positiver Aktionen, ergreifen sollten, um die Diskriminierung der Frau im politischen und öffentlichen Leben zu beseitigen;
J. in der Erwägung, dass die Parlamentarische Versammlung des Europarats zu Folgendem rät:
- Reformen in den Wahlsystemen zur Begünstigung der Vertretung von Frauen;
- Bestimmungen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Diskriminierung in Verfassungen und Wahlgesetzen mit der notwendigen Ausnahme, Maßnahmen der positiven Diskriminierung für das unterrepräsentierte Geschlecht zu ermöglichen;
- gleichstellungsorientierte Staatsbürgerkunde und Beseitigung von Geschlechterstereotypen und „unterbewusster“ Ablehnung von Kandidatinnen, insbesondere bei den Parteien, aber auch in den Medien;
K. in der Erwägung, dass die Erklärung und die Aktionsplattform von Beijing über Frauen in Macht- und Entscheidungspositionen die Tatsache betont, dass eine gleichberechtigte Teilhabe eine unbedingte Voraussetzung dafür ist, dass die Interessen von Frauen berücksichtigt werden, und notwendig ist, um die Demokratie zu stärken und deren Funktionieren zu fördern; in der Erwägung, dass sie ebenfalls bekräftigt, dass die aktive Beteiligung von Frauen, zu gleichen Bedingungen wie Männer, auf allen Ebenen des Entscheidungsprozesses für das Erreichen von Gleichberechtigung, dauerhafte Entwicklung, Frieden und Demokratie wesentlich ist;
L. in der Erwägung, dass es aufgrund von fortdauernden Geschlechterstereotypen immer noch eine scharfe Trennung in Führungspositionen in politischen Entscheidungsprozessen gibt, wobei Betreuungs- und Verteilungsaufgaben wie Gesundheit, Sozialhilfe und Umwelt mehr Frauen übertragen werden, während Männern mächtige, mit Ressourcen verbundene Aufgaben wie wirtschafts- und währungspolitische Angelegenheiten, Handel, Haushalt, Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten zugewiesen werden, was die Machtstruktur und die Verteilung von Ressourcen verzerrt;
M. in der Erwägung, dass Parteien, die Verantwortung für die Auswahl, die Rangfolge und die Nominierung der Kandidaten für Führungspositionen tragen, eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung einer gleichberechtigten Vertretung von Frauen und Männern in der Politik spielen und daher bewährte Verfahren unterstützen sollten, z. B. freiwillige Parteiquoten für Wahlen, die bereits von einigen Parteien in 13 EU-Mitgliedstaaten eingeführt worden sind;
N. in der Erwägung, dass die Studie „Corruption and women in government“ [Korruption und Frauen in der Regierung] der Weltbank aus dem Jahr 2008 zu dem Schluss kommt, dass das Korruptionsniveau in Regierungen niedriger ist, wenn mehr Frauen vertreten sind, da den Erkenntnissen dieser Studie zufolge Frauen höhere ethische Verhaltensstandards verfolgen und eine größere Sorge um das „Gemeinwohl“ zeigen;
O. in der Erwägung, dass umfassende vielfältige Strategien vonnöten sind, die in unverbindlichen Maßnahmen wie Ziele und freiwillige Parteiquoten, unterstützenden Maßnahmen wie Erziehung zur Gleichstellung der Geschlechter, Betreuung und Sensibilisierungskampagnen und rechtsverbindlichen Maßnahmen wie geschlechterspezifischen Wahlquoten bestehen, wobei zu bedenken ist, dass rechtsverbindliche Maßnahmen, die mit dem institutionellen und dem Wahlsystem vereinbar sind und Rangfolgeregelungen, Kontrollen und wirksame Sanktionen bei Nichteinhaltung beinhalten, sich als am wirksamsten erwiesen haben, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Politik zu erreichen;
P. in der Erwägung, dass der Zugang von Frauen zur Finanzierung von Wahlkampagnen aufgrund von Diskriminierung in den Parteien, dem Ausschluss von Frauen von finanziell gut ausgestatteten Netzwerken und eines niedrigeren Einkommens und geringerer Ersparnisse eingeschränkter ist;
Q. in der Erwägung, dass in Wahlsystemen, politischen Institutionen und Parteien Verfahren eine entscheidende Rolle spielen und große Auswirkungen auf die Wirksamkeit der angewandten Strategien und das Ausmaß haben, inwieweit die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Politik erreicht wird;
R. in der Erwägung, dass die Mitwirkung an und Führungspositionen von Frauen in politischen Entscheidungsprozessen immer noch durch zahlreiche Hindernisse beeinträchtigt werden, wie das Fehlen eines unterstützenden Umfelds in politischen Institutionen und in den Sozialsystemen, das Weiterleben geschlechtsspezifischer Stereotype und die Folgen der jüngsten Wirtschaftskrise und ihre negativen Auswirkungen auf Gleichstellungsfragen;
S. in der Erwägung, dass die niedrige Beteiligung von Frauen an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen hauptsächlich auf Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die ungleiche Verteilung der familiären Pflichten, die schwer auf den Schultern der Frauen lasten, und die weiterhin bestehende Diskriminierung bei der Arbeit und der beruflichen Bildung zurückzuführen ist;
Die Repräsentanz von Frauen in gewählten Positionen
1. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, wirksame politische Maßnahmen zur Geschlechtergleichstellung und vielfältige Strategien zu konzipieren und umzusetzen, um die Parität bei der Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen und bei Führungspositionen auf allen Ebenen, insbesondere in den Bereichen makroökonomische Politik, Handel, Arbeit, Haushalt, Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten zu erreichen und die Auswirkungen mittels geeigneter Gleichberechtigungsindikatoren zu messen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und dabei quantifizierte Ziele und Fristen, eindeutige Aktionspläne und regelmäßige Überwachungsmechanismen zu gewährleisten, denen verbindliche Korrekturmaßnahmen und deren Überwachung folgen, wenn die vorgegebenen Ziele nicht innerhalb der Fristen erfüllt werden;
2. begrüßt die in einigen Mitgliedstaaten gesetzlich eingeführten Paritätssysteme / Geschlechterquoten bei Wahlen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Einführung von Legislativmaßnahmen, z.B. positive Maßnahmen, für Fortschritte bei der Parität zu überdenken und die Wirksamkeit dieser Maßnahmen, wenn sie mit dem Wahlsystem vereinbar sind und wenn die Parteien für die Zusammensetzung der Wahlliste zuständig sind, mittels Reißverschlusssystemen, Überwachung und wirksamen Sanktionen zu gewährleisten, um eine ausgewogenere Teilhabe von Frauen und Männern am politischen Entscheidungsprozess zu ermöglichen;
3. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten außerdem dazu auf, die Parität auf allen Ebenen durchzusetzen durch eindeutige Antidiskriminierungsbotschaften, durch die Bereitstellung geeigneter Ressourcen, durch die Nutzung spezifischer Instrumente und durch die Förderung der erforderlichen Schulung von Beamten, die für die Aufstellung des Haushalts zuständig sind, in Gender Budgeting;
4. ruft die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, besonderes Augenmerk auf Bildungsprogramme zur Geschlechtergleichstellung zu legen, die auf die Zivilgesellschaft und insbesondere junge Menschen von klein auf gerichtet sind und in denen betont wird, dass die Rechte der Frauen Menschenrechte sind und Parität im politischen Leben wesentlich ist;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine von allen Parteien zu übernehmende Verpflichtung auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zur Ergreifung von Maßnahmen einzuführen, um die aktive Teilhabe und Beteiligung von Frauen am politischen Leben und an Wahlen zu fördern, um deine echte Parität in ihrer internen Beschlussfassung, bei ihren Nominierungen für gewählte Ämter und auf den Wahllisten der Parteien durch die Einführung von Quoten zu erreichen und, wenn dies mit dem Wahlsystem vereinbar ist und wenn die Parteien für die Zusammensetzung der Wahlliste zuständig sind, der Platzierung von Kandidatinnen auf diesen Listen besonderes Augenmerk zu widmen;
6. anerkennt die Rolle der Parteien als Schlüsselfaktoren bei der Förderung der Geschlechterparität; fordert daher die Mitgliedstaaten auf, von den nationalen Parteien zu verlangen, wenn dies mit dem Wahlsystem vereinbar ist und wenn die Parteien für die Zusammensetzung der Wahlliste zuständig sind, Quotensysteme und andere positive Maßnahmen einzuführen und umzusetzen, Rangfolgeregelungen bei den Listen der Kandidaten für regionale, nationale und EU-Wahlen anzuwenden sowie bei Nichteinhaltung wirksame Sanktionen zu verhängen und durchzusetzen; fordert die Mitgliedstaaten auf, für die Parteien auf der Parität der Geschlechter basierende Ziele als Voraussetzung für die Finanzierung zu setzen und sie damit zu verknüpfen;
7. fordert die Parteien in Europa auf, für die Kandidatenlisten für Parteigremien und Wahlen ein Quotensystem einzuführen, wenn dies mit dem Wahlsystem vereinbar ist und wenn die Parteien für die Zusammensetzung der Wahlliste zuständig sind, insbesondere in Bezug auf die Listen für die Europawahlen 2014; betrachtet das Verfahren zur Erstellung von Wahllisten durch Abwechslung von weiblichen und männlichen Kandidaten an der Spitze der Liste als den besten Weg, um die Teilhabe von Frauen an der Politik zu verbessern;
8. betont, wie notwendig konkrete Schritte sind, die geeignet sind, Parität bei den Wahlämtern in den nationalen Parlamenten und im Europäischen Parlament zu erreichen (wie die des Präsidenten, der Vizepräsidenten, Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden), beispielsweise indem als Ziel eine 50 %-Parität von Männern und Frauen in jedem dieser Ämter vorgegeben wird;
9. begrüßt die Absicht der Kommission, die Beteiligung von Frauen an den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament durch die finanziellen Programme „Grundrechte und Bürgerschaft“ und „Europa für die Bürger“ zu fördern; fordert die Kommission auf, in ihren Jahresarbeitsprogrammen dafür Sorge zu tragen, dass 2013-2014 ausreichend Mittel unter anderem für die Finanzierung geeigneter Sensibilisierungskampagnen in den Medien zur Förderung der Wahl von Frauen zur Verfügung stehen, und dafür zu sorgen, dass diese Mittel für Projektinitiativen der nationalen Parteien und der Organisationen der Zivilgesellschaft, die auf eine stärkere Mitwirkung von Frauen an Entscheidungsprozessen gerichtet sind, leicht zugänglich sind;
10. fordert die Kommission auf, Maßnahmen im Zusammenhang mit der Förderung der Parität in Entscheidungspositionen und politischen Aktivitäten zu fördern und zu finanzieren, wenn es darum geht, den nächsten Finanzierungszeitraum 2010-2020 für die oben genannten Programme oder deren Nachfolgeprogramme zu planen wie auch bei der Vorbereitung von Maßnahmen für das geplante Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger 2013;
11. fordert die Kommission auf, mindestens zwei Jahre vor jedem Wahlaufruf Kampagnen in die Wege zu leiten, die auf die Parität in den Wahllisten für das Europäische Parlament ausgerichtet sind, und die Mitgliedstaaten dazu anzuregen, entsprechende Aktionen bei ihren Kommunal- und Regionalwahlen durchzuführen;
Die Repräsentanz von Frauen in designierten Positionen
12. fordert die Mitgliedstaaten auf, sich für Parität einzusetzen, indem sie eine Frau und einen Mann als ihre Kandidaten für das Amt eines Mitglieds der Europäischen Kommission vorschlagen; fordert den Präsidenten der Kommission auf, bei der Bildung der Kommission die Parität zu erreichen; fordert die Kommission auf, dieses Verfahren öffentlich zu unterstützen; erinnert daran, dass das Parlament der ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in diesem Verfahren besonderes Augenmerk widmen sollte, und bekräftigt, wie wichtig die Berücksichtigung der gleichberechtigten Vertretung von Frauen und Männern bei der Zustimmung zur neuen Kommission nach Artikel 106 ist;
13. fordert die Kommission und den Rat auf, sich dazu zu verpflichten, das Paritätsziel in allen ihren Entscheidungsgremien durch die Einführung und Umsetzung von Quotensystemen und anderen positiven Maßnahmen bei der Einstellung von hochrangigen Beamten voranzubringen; fordert die nationalen Regierungen auf, sowohl Frauen als auch Männer für hochrangige Positionen auf EU-Ebene zu benennen;
14. nimmt die Verpflichtung der Kommission zur Kenntnis, die in ihrer Gleichstellungsstrategie für Frauen und Männer 2010-2015 zum Ausdruck kommt, Fortschritte in Richtung auf das Ziel von 40 % Angehörige des gleichen Geschlechts in ihren Ausschüssen und Sachverständigengruppen zu beobachten, und fordert die Institutionen, Gremien und Agenturen der EU auf, konkret tätig zu werden und Strategien zu konzipieren, die dazu dienen, eine ausgewogene Teilhabe an ihren Entscheidungsprozessen zu erreichen;
15. fordert die Mitgliedstaaten auf, positive Maßnahmen, einschließlich verbindlicher Legislativmaßnahmen, mit Blick auf die Gewährleistung von Parität in allen Leitungsgremien und bei der Vergabe öffentlicher Ämter, und Instrumente für ein Monitoring der Geschlechterzusammensetzung der zur Wahl stehenden Kandidaten und gewählten Abgeordneten zu entwickeln;
Maßnahmen zur Förderung der Teilnahme von Frauen am politischen Leben
16. ermutigt die Kommission und die Mitgliedstaaten, positive Maßnahmen wie Vorzugsbehandlungen umzusetzen, wenn ein Geschlecht unterrepräsentiert ist;
17. fordert die Mitgliedsstaaten auf, die Auswahlverfahren für Nominierungen von Männern und Frauen für die Benennung in Entscheidungspositionen transparenter zu gestalten, auch durch die Veröffentlichung von Lebensläufen sowie durch eine Auswahl auf Grundlage von Verdiensten, Kompetenzen und Repräsentativität;
18. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mehr Maßnahmen zur Unterstützung von Frauenorganisationen aufzulegen, auch indem ihnen eine angemessene Finanzierung zugesichert wird sowie Plattformen für die Zusammenarbeit eingerichtet und bei Wahlkampagnen geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt werden;
19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Frauennetzwerke zu erleichtern und Mentoring sowie geeignete Ausbildungsprogramme, den Austausch bewährter Verfahren und Programme mit einem besonderen Schwerpunkt auf Politikerinnen am Anfang ihrer Karriere zu fördern;
20. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass Frauen Zugang zur Vermittlung von Führungsqualitäten und Führungspositionen als Teil der Karriereförderung - erforderlichenfalls durch eine Vorzugsbehandlung - haben, um die Führungsqualitäten und -erfahrungen von Frauen zu vergrößern;
21. anerkennt die anderen Akteure als wichtigen Teil eines umfassenderen demokratischen Prozesses und fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Anstrengungen von Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften, der Privatwirtschaft und von Nichtregierungsorganisationen sowie aller Organisationen zu fördern, in die für gewöhnlich die mit der öffentlichen Verwaltung in Beziehung stehenden Beiräte eingegliedert sind, zur Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren Reihen, einschließlich einer ausgewogenen Beteiligung an Entscheidungsprozessen, zu fördern und zu begrüßen;
22. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Frauen und Männern zu ermöglichen, sich aktiv am politischen Entscheidungsprozess zu beteiligen, indem sie den Ausgleich und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Maßnahmen fördern wie die gleichmäßige Aufteilung der Kosten der Elternschaft auf die Arbeitgeber beider Elternteile und die Gewährleistung erschwinglicher und angemessener Dienstleistungen z.B. für die Betreuung von Kindern und älteren Menschen, und fordert die Kommission auf, den gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen, Mindesteinkommen und Freiheit von geschlechtsspezifischer Gewalt durch geeignete Gesetzesvorschläge in Form von Richtlinien zu unterstützen;
23. erinnert daran, wie wichtig eine Vorzugsbehandlung und spezielle Maßnahmen bei der Förderung der Vertretung von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und benachteiligter Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, Migrantinnen und Angehörige ethnischer und sexueller Minderheiten in Entscheidungspositionen sind;
24. nimmt die Bedeutung der Medien und der Erziehung bei der Förderung der Beteiligung von Frauen am politischen Leben und bei der Änderung gesellschaftlicher Haltungen zur Kenntnis; betont, wie wichtig es ist, die Medien und insbesondere öffentlich-rechtliche Sender für die Notwendigkeit zu sensibilisieren, eine faire und ausgewogene Berichterstattung über männliche und weibliche Kandidaten bei Wahlen zu gewährleisten, und die Medien zu überwachen, um geschlechtsspezifische Vorurteile und Mittel, diese zu bekämpfen, auszumachen und dadurch Bemühungen zu fördern, Stereotype zu beseitigen und die Vermittlung positiver Bilder von Frauen in Führungspositionen, einschließlich von Politikerinnen als Vorbilder, auf nationaler, regionaler und europäischer Ebene anzuregen;
25. fordert die Mitgliedstaaten, den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, durch Stärkung der Rolle und der Mittel des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) und durch die Erleichterung der Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen von Frauen bewährte Verfahren zu fördern und auszutauschen, die dazu beitragen, eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter in Entscheidungspositionen zu erreichen;
26. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, gegebenenfalls insbesondere durch die Einbeziehung des EIGE, nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten zu erheben, zu analysieren und zu verbreiten mit dem Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen in allen Bereichen (öffentlich und privat) und auf allen Führungsebenen zu überwachen und als Grundlage für weitere Maßnahmen, falls die gesetzten Ziele nicht erreicht werden; regt die Kommission an, auf EU-Ebene mittels der Nutzung ihrer Datenbank zu Frauen und Männern in Entscheidungspositionen weiterhin vergleichbare Daten zu erheben und zu verbreiten und diese Aufzeichnungen auf der Grundlage gemeinsamer Indikatoren zu einer europäischen Übersichtskarte der ausgewogenen Vertretung der Geschlechter weiterzuentwickeln, die die auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene beobachteten jährlichen Veränderungen hinsichtlich der ausgewogenen Vertretung der Geschlechter aufzeigt;
ist der Ansicht, dass diese Übersicht mindestens die folgenden Komponenten enthalten sollte:
- die in Prozentsätzen der Vertretung dargestellten und in der Gesetzgebung der Mitgliedstaaten und der europäischen Regionen mit gesetzgeberischen Befugnissen verankerten Ziele für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter zur Regulierung ihrer Wahlprozesse;
- die Prozentsätze der Vertretung beider Geschlechter in den europäischen, nationalen und regionalen Parlamenten sowie in den lokalen Einrichtungen;
- die Prozentsätze der Vertretung beider Geschlechter in den gewählten oder von den genannten gesetzgebenden Einrichtungen überwachten Exekutivorganen;
27. fordert die Kommission auf, dem Ausschuss des Europäischen Parlaments für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter einen Jahresbericht über Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen in der Europäischen Union vorzulegen;
28. fordert die Kommission und die Mitgliedsstaaten auf, die Auswirkungen der verschiedenen Wahlsysteme auf nationaler, lokaler und europäischer Ebene sowie der Maßnahmen und beispielhaften Praktiken, die auf verschiedenen Ebenen angewendet werden, im Hinblick auf eine ausgewogene Vertretung von Frauen zu bewerten;
Förderung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in der Außenpolitik
29. verweist auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter auf allen Ebenen bei der Ernennung von Personal des Europäischen Auswärtigen Dienstes; fordert den EAD auf, die Mitwirkung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen in den auswärtigen Beziehungen der Europäischen Union zu fördern und dafür Sorge zu tragen, dass es in allen die EU vertretenden Delegationen eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern gibt und die Zuweisung von Redezeiten in diesem Zusammenhang zwischen Frauen und Männern ausgewogen ist; weist auf die Notwendigkeit hin, die Zahl der Frauen zu erhöhen, die als Vermittlerinnen und Verhandlungsführerinnen in Prozessen, um die Lage in Bezug auf Menschenrechte und die Verhinderung von Korruption zu beobachten, sowie bei der Friedensschaffung und in anderen Verhandlungsprozessen wie internationalen Handels- und Umweltverhandlungen tätig sind;
30. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass zusätzlich zur Finanzierung allgemeiner Bildungsprogramme, die ein Bürgerbewusstsein für geschlechtsspezifische Fragen, die Beseitigung geschlechtsspezifischer Stereotype und „unterbewusster“ Ablehnung von Frauen fördern, spezielle Programme mit dem Schwerpunkt, die Teilnahme von Frauen an Wahlprozessen durch Ausbildung, Staatsbürgerkunde und Medieneinsatz sowie die Einbeziehung lokaler NRO zu erhöhen, eine angemessene finanzielle und technische Ausstattung erhalten;
31. fordert die Kommission und den EAD auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die ausgewogene Vertretung von Frauen auf allen Ebenen im politischen Leben in multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen, in den Regierungen und den nationalen Parlamenten und auch auf regionaler und lokaler Ebene sowie in lokalen Behörden zu fördern und ihre Zusammenarbeit mit anderen Akteuren auf internationaler Ebene wie UN WOMEN und der Interparlamentarischen Union auszubauen, um diese Ziele zu unterstützen;
32. fordert seine Fachabteilungen auf, dafür Sorge zu tragen, dass Informationsvermerke für Delegationen stets eine Geschlechterperspektive umfassen und Fragen hervorheben, die für die Gleichstellung von Frauen und Männern von Bedeutung sind;
33. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- [1] Anlage zu den Schlussfolgerungen des Rates vom 7. März 2011.
- [2] ABl. L 154 vom 27.6.2000, S. 34.
- [3] ABl. L 319 vom 10.12.1996, S. 11.
- [4] ABl. C 346 vom 4.12.2000, S. 82.
- [5] Vgl. die vierteljährliche Aktualisierung der Datenbank der Europäischen Kommission zu Frauen und Männern in der Beschlussfassung.
BEGRÜNDUNG
Hintergrund
Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der Macht und an Entscheidungsprozessen wird auf internationaler Ebene durch die Artikel 7 und 8 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) nachdrücklich vorangetrieben, wodurch die Vertragsstaaten verpflichtet sind, die Diskriminierung der Frau im politischen und öffentlichen Leben zu beseitigen, sowie durch Artikel 4, der die Annahme „zeitweiliger Sondermaßnahmen der Vertragsstaaten zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau“ gestattet.
„Frauen in Macht- und Entscheidungspositionen“ ist auch einer der 12 entscheidenden Bereiche der Pekinger Aktionsplattform von 1995, die Anlass zur Besorgnis geben. Gemäß der gemeinsamen Erklärung vom 19. September 2011 zur Verbesserung der politischen Mitwirkung von Frauen, die während der 66. Tagung der Generalversammlung in New York abgegeben wurde, ist die Mitwirkung von Frauen von grundlegender Bedeutung für die Demokratie und wesentlich, um nachhaltige Entwicklung und Frieden zu erreichen. In dieser Erklärung wird erneut bekräftigt, dass die aktive Mitwirkung von Frauen gleichberechtigt mit den Männern auf allen Entscheidungsebenen von zentraler Bedeutung ist, um Gleichstellung, nachhaltige Entwicklung, Frieden und Demokratie zu erreichen.
Die am 12. März 2003 angenommene Empfehlung des Europarates zur ausgewogenen Beteiligung von Frauen und Männern am politischen und öffentlichen Entscheidungsprozess schlägt eine Reihe von Maßnahmen vor, einschließlich positiver Maßnahmen, um eine ausgewogenere Mitwirkung von Frauen und Männern am politischen und öffentlichen Entscheidungsprozess zu erleichtern. In der Empfehlung 1899(2010) mit dem Titel „Verbesserte Repräsentanz von Frauen in der Politik durch das Wahlsystem“ ermutigt die Parlamentarische Versammlung des Europarates ihre Mitgliedstaaten, die Repräsentanz von Frauen durch die Einführung von Quoten zu erhöhen.
Auf der Ebene der Europäischen Union betont die Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010–2015, dass die Kommission „gezielte Initiativen zur Verbesserung des Geschlechtergleichgewichts in Entscheidungsprozessen prüfen“ und „beobachten wird, welche Fortschritte im Hinblick auf das Ziel, dass Frauen bzw. Männer mindestens 40 % der Mitglieder von Ausschüssen und Expertengruppen der Kommission stellen, gemacht werden“ und „Anstrengungen zur Förderung einer stärkeren Beteiligung von Frauen an den Wahlen zum Europäischen Parlament (auch als Kandidatinnen) unterstützen wird“.
Die Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen ist eine Frage von Qualität und Gleichheit. Eine ausgewogenere Mitwirkung der Geschlechter trägt zu diversifizierteren und damit besseren Entscheidungen bei. Die ausgewogene Vertretung der Geschlechter ist auch eine Sache der Gleichheit, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird. Entscheidungsprozesse beruhen auf verwaltungstechnischen Vorarbeiten, und dadurch gewährleistet die Zahl von Frauen in Verwaltungspositionen, insbesondere in Leitungsfunktionen, dass geschlechtsspezifische Aspekte bei der Vorbereitung aller politischen Maßnahmen berücksichtigt werden.
Die Repräsentanz von Frauen in gewählten Positionen
Frauen sind in Versammlungen, die politische Entscheidungen treffen, in allen EU-Mitgliedstaaten weiterhin unterrepräsentiert. Heute sind 24 % der Mitglieder in nationalen Parlamenten Frauen[1].
Auf regionaler Ebene stellen Frauen 31 % der Mitglieder regionaler Parlamente und 32 % der Regionalregierungen. Doch werden nur 15 % der Parlamente und 11 % der Regierungen von Frauen geleitet. In der gesamten EU hat sich die Verteilung der Geschlechter in den Regionalparlamenten seit 2004 kaum verändert. Die skandinavischen Länder haben den höchsten Frauenanteil in den nationalen Parlamenten, nämlich 42,3 %[2].
Das Europäische Parlament hat das ausgewogenste Geschlechterverhältnis, nämlich 35% Frauen und 60 % Männer.
Die Berichterstatterin betont die Tatsache, dass die Prozentsätze stagnieren und keine positive Tendenz zu erkennen ist. Dies könnte man auch durch traditionelle Hindernisse erklären, denen sich Frauen gegenübersehen, wie z. B. fehlende finanzielle Mittel, eine überwiegend von Männern geprägte Kultur, Stereotype, Schwierigkeiten, Familie und Politik zu vereinbaren. Eine der in Betracht gezogenen Maßnahmen besteht darin, EU-weit und auf der nationalen Ebene wirksame vielfältige Strategien zu entwerfen und umzusetzen, um das Engagement und die Mitwirkung von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen und bei Führungspositionen mittels quantifizierter Ziele, regelmäßiger Überwachungsmechanismen und klarer Aktionspläne zu vergrößern.
In Ländern mit Verhältniswahlsystemen werden sehr häufig Kandidatenquoten für die Parteienlisten angewendet, entweder freiwillig durch die Parteien oder zwangsweise aufgrund gesetzlicher Anforderungen. In den EU-Mitgliedstaaten schwankt die Quote zwischen 25% und 50 %. In Ländern mit Mehrheits- bzw. Pluralitätswahlsystemen wählen die Parteien nur einen Bewerber pro Partei und Wahlkreis aus, und daher ist es nicht möglich, gleichzeitig Männer und Frauen aufzustellen, wie dies in einem Verhältniswahlsystem der Fall ist.
Die Parteien sind für die Förderung von Frauen in der Politik von zentraler Bedeutung. Die Befugnis, Kandidaten zu suchen, auszuwählen und zu nominieren, liegt in den Händen der Parteien, unabhängig vom Wahlsystem. Daher ist es notwendig, dass sich Versuche, das Thema der unzureichenden Repräsentanz von Frauen in der Politik anzugehen, an die Parteien richten und an deren Ansichten zu Strategien für Parlamente mit integrativeren Entscheidungsbefugnissen. Folglich ermutigt dieser Bericht die nationalen Parteien, Maßnahmen in Betracht zu ziehen, um die Mitwirkung von Frauen zu erhöhen, und gegebenenfalls Quoten und Rangfolgeordnungen für ihre Kandidatenlisten für nationale und Europawahlen festzulegen und für den Fall, dass diese nicht eingehalten werden, Sanktionen vorzusehen. Ein Anreiz für die Parteien könnte die Anwendung von Paritätszielen als eine Voraussetzung für die Parteienfinanzierung sein.
Die Repräsentanz von Frauen in designierten Positionen
In den Regierungen der EU 27- Mitgliedstaaten stellen Frauen 24 % der ranghohen Minister (diejenigen, die Mitglieder des Kabinetts sind), 22 % der weniger hochrangigen ministerialen Ämter (Staatssekretärinnen), wobei der Gesamtanteil 23 %[3] beträgt. Abgesehen von geringen Schwankungen hat sich der Frauenanteil in den Regierungen in den letzten vier Jahren kaum verändert.
Die Europäische Kommission besteht aus 33 % weiblichen Kommissionsmitgliedern und 67 % männlichen Kommissionsmitgliedern. Im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) und im Ausschuss der Regionen (AdR) sind 21 % der Stellen von Frauen und 79 % von Männern[4] besetzt.
Die Berichterstatterin vertritt die Auffassung, dass auf nationaler Ebene aktive und konkrete Maßnahmen vorangebracht werden sollten, um ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in allen Leitungsgremien und bei der Vergabe öffentlicher Ämter zu gewährleisten. Der Bericht befürwortet die Parität als Ziel, wenn es um Bewerber für die künftige Kommission und hochrangige Positionen auf EU-Ebene geht. In Bezug auf die EU-Institutionen betont der Bericht, dass konkrete Maßnahmen und Strategien vonnöten sind, um eine ausgewogene Mitwirkung an deren Entscheidungsprozessen zu erreichen.
Maßnahmen zur Förderung der Teilnahme von Frauen am politischen Leben
Um die Teilnahme von Frauen am politischen Leben zu vergrößern, müssen strukturelle Hindernisse beseitigt werden, die Frauen daran hindern, sich politisch zu engagieren. Ein günstiges Umfeld für Frauen zu schaffen, sich am politischen Leben auf allen Ebenen zu beteiligen, ist eine weitere notwendige Maßnahme. Die Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben und Familie ist auf EU-Ebene als eine wichtige Priorität anerkannt, um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und um die Möglichkeiten von Frauen, am politischen Leben teilzunehmen, zu erleichtern.
Nach Ansicht der Berichterstatterin ist es wichtig, die Präsenz von Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund in Führungspositionen zu fördern. Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören, sind eine unterrepräsentierte Gruppe im Europäischen Parlament, und häufig leiden sie unter einer Kombination von geschlechtsspezifischen und ethnischen Formen der politischen Ausgrenzung. Sondermaßnahmen können erforderlich sein, um dieses Problem zu lösen. Um die Teilnahme junger Frauen am politischen und öffentlichen Leben in einigen Mitgliedstaaten besser zu fördern, wurden Mentoring-Programme als eine wirksame und innovative Methode aufgelegt. Mentoring sowie angemessene Ausbildungs- und Austauschprogramme bilden ebenfalls einige der Maßnahmen, die in diesem Teil des Berichts als ein Mittel empfohlen werden, um ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern in der Politik zu erreichen.
Weitere unterstützende Maßnahmen umfassen Finanzierung und Informationsaustausch. Die Mitgliedstaaten und die Kommission müssen gewährleisten, dass Frauen und Männer bei Wahlkampagnen die gleichen Chancen haben, indem sie öffentliche Mittel und den Zugang zu den staatlichen Medien bereitstellen Die Mitgliedstaaten und die Kommission sollten – gegebenenfalls auch durch die Einbeziehung des EIGE – verstärkt nach Geschlechtern aufgeschlüsselte Daten erheben, analysieren und verbreiten mit dem Ziel, die Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen zu überwachen. Ferner sollte es klare weitergehende Maßnahmen geben, wenn die Ziele verfehlt werden Die Berichterstatterin sähe es gerne, dass die Kommission weiterhin über die Entwicklung der Gleichstellung der Geschlechter Bericht erstattet. Als eine zusätzliche Maßnahme wäre ein Jahresbericht der Kommission an den Ausschuss des Parlaments für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter über Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter in Entscheidungsprozessen in der Europäischen Union sehr zu begrüßen.
Die Bedeutung der Medien und der Bildung, Frauen Mut zur Politik zu machen, verdient hervorgehoben zu werden. Unbedingt überwacht werden sollte, wie die Medien das Thema Frauen in Entscheidungsprozessen behandeln, um geschlechtsspezifische Vorurteile und Mittel, diese zu bekämpfen, auszumachen und dadurch Bemühungen zu fördern, Stereotype zu beseitigen und die Vermittlung positiver Bilder von Frauen in Führungspositionen in allen Bereichen des Lebens anzuregen.
Während die Parteien als Wächter für Frauen in Entscheidungsprozessen fungieren, sollte auch die Rolle anderer Akteure als wichtiger Teil des demokratischen Prozesses im weiteren Sinn anerkannt werden. Die Anstrengungen der Gewerkschaften, des Privatsektors und von Nichtregierungsorganisationen, um die Gleichstellung von Frauen und Männern in ihren Reihen zu erreichen, sind wertvoll.
Die Förderung einer ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in der Außenpolitik ist eines der Ziele dieses Berichts als eine Voraussetzung für stabile und transparente Demokratien. Die Bekämpfung der Marginalisierung von Frauen in der Politik sollte einer der Aspekte sein, der in den auswärtigen Beziehungen der EU in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren, die auf diesem Gebiet tätig sind, zu berücksichtigen und durch eine angemessene finanzielle und technische Unterstützung zu ergänzen ist.
- [1] Vgl. die vierteljährliche Aktualisierung der Datenbank der Europäischen Kommission über Frauen und Männern in Entscheidungspositionen (1. Quartal 2011);
- [2] Vgl die Statistiken der Interparlamentarischen Union (IPU) (<hhtp://ipu.org>).
- [3] Vgl. die vierteljährliche Aktualisierung der Datenbank der Europäischen Kommission über Frauen und Männern in Entscheidungspositionen.
- [4] Vgl. die vierteljährlich aktualisierte Datenbank der Europäischen Kommission.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
25.1.2012 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
26 3 2 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Regina Bastos, Emine Bozkurt, Andrea Češková, Marije Cornelissen, Iratxe García Pérez, Mikael Gustafsson, Mary Honeyball, Lívia Járóka, Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Nicole Kiil-Nielsen, Silvana Koch-Mehrin, Rodi Kratsa-Tsagaropoulou, Constance Le Grip, Astrid Lulling, Barbara Matera, Elisabeth Morin-Chartier, Antonyia Parvanova, Raül Romeva i Rueda, Joanna Senyszyn, Marc Tarabella, Angelika Werthmann, Marina Yannakoudakis |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Izaskun Bilbao Barandica, Anne Delvaux, Christa Klaß, Mariya Nedelcheva, Katarína Neveďalová, Antigoni Papadopoulou, Sirpa Pietikäinen, Rovana Plumb |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
William (The Earl of) Dartmouth |
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