BERICHT über Entwicklungsaspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf genetische Ressourcen: Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern

14.12.2012 - (2012/2135(INI))

Entwicklungsausschuss
Berichterstatterin: Catherine Grèze

Verfahren : 2012/2135(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0423/2012
Eingereichte Texte :
A7-0423/2012
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu Entwicklungsaspekten der Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf genetische Ressourcen: Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern

(2012/2135(INI))

Das Europäische Parlament,

- in Kenntnis des UN-Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) von 1992,

- in Kenntnis des Protokolls von Nagoya zum CBD von 2010 über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile,

- in Kenntnis des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft von 2001,

- in Kenntnis des Vertrags über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens von 2002,

- in Kenntnis der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, die am 13. September 2007 von der Generalversammlung angenommen wurde,

- in Kenntnis des ILO-Übereinkommens Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker von 1989,

- in Kenntnis des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) in der am 19. März 1991 in Genf angenommenen Neufassung,

- in Kenntnis des WTO-Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums von 1995,

- in Kenntnis des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR) von 2002 und das WHO-Rahmenübereinkommen bezüglich Grippeviren von 2011,

- unter Hinweis auf die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen[1],

- unter Hinweis auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Oktober 2010 zu den strategischen Zielen der EU für die 10. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) in Nagoya (Japan) vom 18. bis 29. Oktober 2010[2],

- in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Lebensversicherung und Naturkapital: Eine Biodiversitätsstrategie der EU für das Jahr 2020“ (COM(2011)0244),

- in Kenntnis der Aktivitäten und Berichte des zwischenstaatlichen Ausschusses für geistiges Eigentum, genetische Ressourcen, traditionelles Wissen und Folklore der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO),

- in Kenntnis des Sitzungsberichts der Gruppe technischer und juristischer Sachverständiger über traditionelles Wissen im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen im Rahmen der internationalen Regelung über den Zugang und den Vorteilsausgleich von 2009 (UNEP/CBD/WG-ABS/8/2),

- in Kenntnis der vom Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments in Auftrag gegebenen Studie mit dem Titel „Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf genetische Ressourcen und Bekämpfung von Armut“ von 2011,

- in Kenntnis der Ramsar-Konvention von 1971 über Feuchtgebiete,

- in Kenntnis des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen von 1973 (CITES),

- gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

- in Kenntnis des Berichts des Entwicklungsausschusses und der Stellungnahmen des Ausschusses für internationalen Handel und des Haushaltsausschusses (A7-0423/2012),

A. in der Erwägung, dass 70 % der in ländlichen und städtischen Gegenden lebenden Armen dieser Welt hinsichtlich ihres Überlebens und Wohlbefindens direkt von der biologischen Vielfalt abhängig sind;

B.  in der Erwägung, dass die Hauptziele des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) darin bestehen, die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu fördern und gegen die Hindernisse, die ihre Nutzung verhindern, anzugehen;

C. in der Erwägung, dass die Bereitsteller von genetischen Ressourcen und diejenigen, die über damit zusammenhängendes traditionelles Wissen verfügen, oft Entwicklungsländer mit großer biologischer Vielfalt sind;

D. in der Erwägung, dass die nationalen Gesetze über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsausgleich (ABS, access and benefit sharing), die im Zuge des CBD-Prozesses erlassen wurden, als Reaktion auf Bioprospektion und Biopiraterie entstanden sind;

E.  in der Erwägung, dass der Begriff „Biopiraterie“ für gewöhnlich als Praxis der Industrie zur Privatisierung und Patentierung des traditionellen Wissens oder genetischer Ressourcen indigener Völker ohne Genehmigung oder Entschädigung der Ursprungsländer definiert wird;

F.  in der Erwägung, dass das CBD Bioprospektoren vorschreibt, von Ursprungsländern oder lokalen und indigenen Gemeinschaften eine „vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung“ (PIC, prior informed consent) einzuholen, „einvernehmlich vereinbarte Bedingungen“ (MAT, mutually agreed terms) mit ihnen auszuhandeln und hinsichtlich der Bioprospektion einen Vorteilsausgleich mit Ursprungsländern und -gemeinschaften vorzunehmen;

G.  in der Erwägung, dass das System des Zugangs und Vorteilsausgleichs (ABS), das im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt entsteht, komplementär zur WTO und ihren Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen), der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dem Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) funktioniert;

H. in der Erwägung, dass die ABS-Governance sich auch in einer Reihe von Menschenrechtsinstrumenten findet, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966 und des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966;

I.   in der Erwägung, dass Artikel 27 Absatz 3 Buchstabe b des TRIPS-Übereinkommens der WTO Regierungen dazu ermächtigt, Pflanzen, Tiere und „rein“ biologische Verfahren von der Patentierbarkeit auszuschließen, während Mikroorganismen sowie nichtbiologische und mikrobiologische Verfahren zur Patentierung zugelassen sind;

J.   in der Erwägung, dass die Biodiversität eine breite Palette von Ökosystemleistungen bereitstellt, z. B. lokale Wasserversorgung, Ernährung, Rohstoffe für die Sicherung des Lebensunterhalts und die Klimaregulierung; und in der Erwägung, dass die Umweltschädigung neue Herausforderungen für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung zahlreicher Arten und genetischer Ressourcen als Grundlage für Ernährungssicherheit und nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung schafft;

K. in der Erwägung, dass der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), der im Rahmen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) ausgehandelt wurde, im Einklang mit dem CBD auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen in Ernährung und Landwirtschaft und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile abzielt;

L.  in der Erwägung, dass die OECD-Mitglieder sehr stark auf ausländische genetische Ressourcen, insbesondere für Kulturpflanzen, angewiesen sind, weshalb die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung von genetischen Ressourcen unbedingt notwendig ist;

M. in der Erwägung, dass Schätzungen zufolge drei Viertel der Weltbevölkerung auf traditionelle Naturmedizin angewiesen sind und ca. die Hälfte der synthetisch hergestellten Medikamente aus Naturprodukten stammen;

N. in der Erwägung, dass mehrere internationale Übereinkommen und Vereinbarungen, darunter das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) und die UNESCO-Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes traditionelles Wissen zum Gegenstand haben;

O. in der Erwägung, dass die Vertragsparteien nach Artikel 8 Buchstabe j des CBD verpflichtet sind, traditionelles Wissen zu respektieren, zu bewahren und zu pflegen und eine ausgewogene Aufteilung der sich aus der Nutzung dieses Wissens ergebenden Vorteile zu fördern;

P.  in der Erwägung, dass in der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker von 2007 deren Recht, ihr traditionelles Wissen zu erhalten, zu überwachen, zu schützen und weiterzuentwickeln, bekräftigt wird;

Q. in der Erwägung, dass die WIPO-Generalversammlung den zwischenstaatlichen Ausschuss 2009 angewiesen hat, ein internationales Instrument zu entwickeln, um genetische Ressourcen, traditionelles Wissen und Folklore zu schützen;

I.   Artenvielfalt und Millenniums-Entwicklungsziele

1.  weist darauf hin, dass zwischen dem Schutz der biologischen Vielfalt und dem Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele, insbesondere des Millenniums-Entwicklungsziels 1, nämlich der Ausmerzung der extremen Armut und des Hungers; eine direkte Verbindung besteht; betont, wie wichtig eine gesunde biologische Vielfalt sowie ein gesundes Ökosystem unter dem Blickwinkel der nachhaltigen Entwicklung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei ist;

2.  betont, dass das CBD beträchtlich von anderen internationalen Umweltverträgen abweicht, da Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit bei der Erhaltung und der Nutzung der biologischen Vielfalt eine explizite, wesentliche Rolle spielen;

3.  betont, dass es zwar keine allgemein anerkannte Definition für den Begriff „Biopiraterie“ gibt, dieser sich jedoch auf die Zweckentfremdung und/oder die unerlaubte kommerzielle Ausnutzung von traditionellem Wissen und genetischen Ressourcen beziehen kann, und dass weitere Maßnahmen zur Klärung und Konsolidierung der Rechtsterminologie erforderlich sind, insbesondere im Hinblick auf eine Definition des Begriffs „Biopiraterie“ auf der Grundlage zuverlässiger Daten;

4.  weist auf die Herausforderungen hin, mit denen Entwicklungsländer aufgrund von Rechten des geistigen Eigentums an genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen hinsichtlich des Zugangs zu Arzneimitteln, der Herstellung von Generika und des Zugangs von Landwirten zu Saatgut konfrontiert sind; betont dementsprechend, dass die Handelspolitik der EU im Zusammenhang mit den Rechten des geistigen Eigentums mit dem im EU-Vertrag verankerten Ziel der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung in Einklang stehen muss;

5.  erinnert daran, dass das CBD und das Nagoya-Protokoll den Hauptrahmen für die Governance bezüglich des ABS bilden; merkt an, dass die Governance in Bezug auf Rechte des geistigen Eigentums, genetische Ressourcen und die Armutsbekämpfung auch WTO, FAO, WHO und WIPO betreffen, wodurch sich weitere Herausforderungen bezüglich der Sicherstellung eines kohärenten Ansatzes für deren Unterstützung des CBD-Prozesses ergeben; fordert nachdrücklich, dass diese internationalen Institutionen den CBD-Prozess unterstützen und ihn nicht unterlaufen;

6.  bekräftigt , dass es die Meilensteine respektiert, die in Bezug auf den internationalen Schutz der Rechte indigener Völker auf ihre genetischen und sonstigen Ressourcen und ihr entsprechendes traditionelles Wissen – welche in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, im ILO-Übereinkommen Nr. 169, in Artikel 8 Buchstabe j des Übereinkommens über die biologische Vielfalt sowie im Protokoll von Nagoya verankert sind – festgelegt wurden; äußert sich besorgt über die genetische Verarmung, die eine Folge der fast ausschließlichen Beherrschung des Marktes durch industriell erzeugtes Saatgut ist, d. h. Saatgut, das zum Nachteil traditioneller Saatgutsorten durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt ist;

Landwirtschaft und Gesundheit

7.  weist darauf hin, wie wichtig eine große Auswahl an pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (GRFA) zur Gewährleistung besserer Ökosystemleistungen ist; betont, dass die Verwendung von GRFA für die Ernährungssicherheit, die Nachhaltigkeit in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt sowie zur Bekämpfung des Klimawandels unentbehrlich ist;

8.  weist darauf hin, dass die Erreichung des Millenniums-Entwicklungsziels 1 u. a. davon abhängt, wie wir landwirtschaftliche Ökosysteme bewirtschaften; betont in diesem Zusammenhang, dass eine Reduzierung der möglichen negativen Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt eine große pflanzengenetische Vielfalt erfordert, um bessere Ökosystemleistungen sicherstellen zu können, die Kulturpflanzenvielfalt es insbesondere aber auch armen und Kleinlandwirten ermöglicht, ihre Ernährung und ihre Einkommen zu diversifizieren; betont ebenso, dass die pflanzengenetische Vielfalt die Widerstandsfähigkeit in Bezug auf den Klimawandel verbessert;

9.  weist darauf hin, dass wilde Arten von Kulturpflanzen, die für die Ernährungssicherheit der Mitgliedstaaten der EU wichtig sind, in Entwicklungsländern weit verbreitet sind; fordert die EU auf, im Rahmen des UPOV-Übereinkommens auf die Einführung von Gesetzen, die negative Auswirkungen auf die Abhängigkeit der Landwirte von geerntetem Saatgut haben könnten, zu verzichten, da dies das Recht auf Nahrung in den Entwicklungsländern verletzen würde;

10. erinnert daran, dass Ausnahmeregelungen für Landwirte nach dem UPOV-Übereinkommen von besonderer Bedeutung für Entwicklungsländer sind, weil sie den Landwirten die Möglichkeit einräumen, Saatgut aus Neuzüchtungen aufzubewahren und für ihre Ernährung wieder auszusäen (wodurch die Ernährungssicherheit verbessert wird); bedauert jedoch, dass es zwar im Interesse der Entwicklungsländer wäre, Ausnahmeregelungen bezüglich der Rechte von Pflanzenzüchtern beizubehalten und zu erweitern, die Rechte der Landwirte in mehreren aufeinander folgenden Reformen des UPOV-Übereinkommens jedoch geschwächt wurden;

11. stellt fest, dass die FAO eine führende Rolle bei der Entwicklung spezieller ABS-Regelungen im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft einnimmt; ruft die EU dazu auf, die Bedürfnisse der Entwicklungsländer hinsichtlich der Sicherung eines angemessenen Vorteilsausgleichs in allen neuen sektoralen Mechanismen/Instrumenten im Rahmen der FAO sowie hinsichtlich der Sicherstellung der Vereinbarkeit und einer Erweiterung der Synergieeffekte mit dem CBD und dessen Nagoya-Protokoll zu unterstützen;

12. weist darauf hin, dass genetische Ressourcen unter anderem in Form von Kräuterarzneien erheblich zur pharmazeutischen Forschung und Entwicklung und einem besseren Zugang zu Arzneimitteln beitragen; bekräftigt, dass Rechte des geistigen Eigentums den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln nicht behindern dürfen, insbesondere, wenn sich diese Rechte auf genetische Ressourcen aus Entwicklungsländern stützen;

13. ruft die EU gemäß dem Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung auf, Entwicklungsländer und vor allem die am wenigsten entwickelten Länder nicht dazu zu drängen, durch bilaterale Vereinbarungen weitreichende Normen im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums, beispielsweise im Zusammenhang mit Saatgut und Arzneimitteln, zu akzeptieren;

14. betont, dass die Bekämpfung der Biopiraterie die Umsetzung und Ausweitung der bestehenden Vereinbarungen über den multilateralen Zugang und den Vorteilsausgleich in den Bereichen Landwirtschaft und Gesundheit erfordert, etwa des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR), zum Beispiel indem neue Möglichkeiten der Mittelbeschaffung für den Vorteilsausgleichsfonds erkundet werden, oder des Regierungstreffens der WHO zur Vorsorge gegen eine Influenzapandemie;

15. ist der Ansicht, dass künftige bilaterale Abkommen und multilaterale Übereinkommen mit dem Ziel der Harmonisierung, insbesondere jene über den Umfang der Ausnahmen und Einschränkungen von Patentrechten, sorgfältig unter dem Blickwinkel der Entwicklung zu prüfen sind, um globale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen im Sinne der Umsetzung von Absatz 6 der Erklärung von Doha über das TRIPS-Übereinkommen zu schaffen, lokales Wissen zu bewahren und hinsichtlich der Rechte von Pflanzenzüchtern den Zugang zu Saatgut sicherzustellen;

II. Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften bezüglich traditionellen Wissens

16. stellt fest, dass traditionelles Wissen das Wissen bezeichnet, über das spezifische indigene und lokale Gemeinschaften verfügen und das von verschiedenen Gesellschaftsschichten einer bestimmten Region oder eines bestimmten Landes geteilt wird; betont, dass traditionelles Wissen „immaterielle Werte“ beinhaltet, und dass die Erhaltung des Kulturerbes in allen seinen Ausdrucksformen, ob sozial, religiös, kulturell oder landschaftlich, in der Tat von höchster Bedeutung ist;

17. weist darauf hin, dass drei Viertel der Weltbevölkerung auf traditionelle Naturmedizin angewiesen sind; ist daher der Meinung, dass die Biopiraterie den Schutz traditionellen Wissens unbedingt erfordert, insbesondere im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen von wirtschaftlichem Wert für die Industrie;

18. weist auf die Gefahr hin, traditionelles Wissen lediglich von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus zu bewerten; hebt hervor, dass der bestehende Rahmen für Rechte des geistigen Eigentums nicht auf eine so vielschichtige Gruppe wie Menschen mit traditionellem Wissen angewendet werden kann; betont daher die Notwendigkeit der Ausarbeitung einer spezifischen internationalen Regelung für Rechte des geistigen Eigentums, die die Interessenvielfalt lokaler Gemeinschaften erhält und das Gewohnheitsrecht usw. widerspiegelt;

19. stellt mit Besorgnis fest, dass die Schwierigkeiten, vor denen Menschen mit traditionellem Wissen stehen, die Bereiche Überwachung und Durchsetzung betreffen, d. h. die Feststellung von Verstößen und das Ergreifen rechtzeitiger Abhilfemaßnahmen; bedauert diesbezüglich, dass das traditionelle Wissen in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen von keiner der Überwachungsmaßnahmen des Nagoya-Protokolls abgedeckt wird, da keine Verpflichtung zur Offenlegung der „Eckdaten“ des genutzten traditionellen Wissens besteht, und die Verpflichtung zur Vorlage einer international anerkannten Bescheinigung nicht für traditionelles Wissen in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen gilt, wodurch die Möglichkeiten zur Verfolgung von Biopiraterie in diesem Bereich eingeschränkt sind; ist der Ansicht, dass die EU bei der Umsetzung des Nagoya-Protokolls dem traditionellen Wissen mindestens das gleiche Schutzniveau zubilligen sollte wie den genetischen Ressourcen;

20. betont, dass die zum Schutz von genetischen Ressourcen und entsprechendem traditionellen Wissen aufgestellten Regelungen im Einklang mit internationalen Verpflichtungen zur Stärkung und Achtung der Rechte indigener Völker stehen müssen, die in der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) von 2007 und im ILO-Übereinkommen Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker von 1989 verankert sind;

21. erkennt an, dass geistiges Eigentum und das Patentsystem bei der Förderung von Innovation sowie des Transfers und der Verbreitung von Technologie zum gegenseitigen Vorteil von Akteuren und von Bereitstellern, Inhabern und Nutzern genetischer Ressourcen, ihrer Derivate und des entsprechenden traditionellen Wissens in einer dem Wohlstand und der Entwicklung förderlichen Weise eine Rolle spielen können, hebt jedoch gleichzeitig hervor, dass negative Auswirkungen der Rechte des geistigen Eigentums und des Patentsystems auf die Anwendung des traditionellen Wissens indigener Völker und ortsansässiger Gemeinschaften, ihrer Rechte und Praktiken und ihres Wissenssystems sowie ihrer Fähigkeit, ihr Wissen im Bereich der genetischen Ressourcen zu nutzen, weiterzuentwickeln, zu schaffen und zu schützen, vermieden werden müssen; weist darauf hin, dass unter bestimmten Umständen Verträge von indigenen Völkern oder ortsansässigen Gemeinschaften möglicherweise als praktikablere Lösung betrachtet werden, um gemeinsam davon zu profitieren und ihre Interessen zu schützen, gleichzeitig jedoch auch die Umwelt zu schützen und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nachteilen vorzubeugen, z. B. mit Hilfe von Schutzklauseln;

III. Bekämpfung der Biopiraterie – die richtige Richtung

22. weist darauf hin, dass Biopiraterie auf den Mangel an nationalen Regelungen und Durchsetzungsmechanismen in den Entwicklungsländern sowie auf einen mangelnden Mechanismus zur Erfüllungskontrolle in den Industrieländern zurückzuführen ist, der sicherstellen würde, dass die genetischen Ressourcen gemäß den PIC-Anforderung und den einvernehmlich vereinbarten Bedingungen sowie unter Einhaltung der nationalen ABS-Rechtsvorschriften der Bereitstellerländer erworben wurden; begrüßt diesbezüglich den von der Kommission vorgelegten Entwurf einer Verordnung, der die Umsetzung des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile zum Ziel hat; fordert zudem nachdrücklich, dass wirksame Mechanismen bereitgestellt werden müssen, die in Streitfällen die Einleitung rechtlicher Schritte und den Zugang zu Gerichten ermöglichen;

23. erinnert daran, dass die effektive Umsetzung des Protokolls von den Maßnahmen abhängt, die sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrieländern getroffen werden; merkt an, dass die Ausarbeitung von ABS-Rechtsvorschriften in Entwicklungsländern eine Voraussetzung für die Verpflichtung der Nutzerländer zur Einhaltung der PIC-Anforderung (vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung) ist; weist allerdings darauf hin, dass diese Forderung eine große Herausforderung für die Entwicklungsländer darstellt, da sie den Aufbau beträchtlicher juristischer und institutioneller Kapazitäten erfordert;

24. betont, dass die Ziele des CBD nur erreicht werden können, wenn ein ausgewogener und gerechter Vorteilsausgleich gewährleistet ist; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, das Nagoya-Protokoll rasch zu ratifizieren, um die Biopiraterie zu bekämpfen sowie die Ausgewogenheit und Gerechtigkeit beim Austausch genetischer Ressourcen zu verbessern; unterstreicht die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit der EU für die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbau juristischer und institutioneller Kapazitäten für Fragen des Zugangs und des Vorteilsausgleichs; ist der Meinung, dass Entwicklungsländer dabei unterstützt werden sollten, Datenbanken zu traditionellem Wissen aufzubauen und Patentanmeldesystemen zu verstehen;

25. wiederholt, dass, vor dem Hintergrund der jüngsten Entschließung zu der Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren[3], ein zu umfassender Patentschutz im Bereich Züchtung ein Innovations- und Fortschrittshindernis darstellen und für kleine und mittlere Züchter von Nachteil sein kann, indem ihnen der Zugang zu genetischen Ressourcen versperrt wird;

Verbesserung der Anforderungen an Datenbanken und Offenlegung im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen

26. verweist auf den Vorschlag der Entwicklungsländer für eine verbindliche Regelung zur Verpflichtung von Patentanmeldern dazu, (a) die Quelle und den Ursprung von in Erfindungen verwendeten genetischen Ressourcen und dem entsprechenden traditionellen Wissen offenzulegen, (b) den Nachweis der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung (PIC) durch die zuständigen Behörden im Bereitstellerland zu liefern und (c) den Nachweis eines ausgewogenen und gerechten Vorteilsausgleichs in Form eines internationalen Ursprungszeugnisses zu liefern;

27. bedauert den Mangel an eindeutigen Statistiken über Biopiraterie und Zweckentfremdung und fordert mehr EU-Forschung und Offenlegung von Informationen in diesem Bereich, um dem Abhilfe zu schaffen; betont darüber hinaus, dass bessere Daten zu Anzahl und Inhalten von ABS-Verträgen erforderlich sind; vertritt die Auffassung, dass diese durch die Einrichtung eines Benachrichtigungs- und Datenbanksystems über den CBD-Clearing-House-Mechanismus gesammelt werden könnten;

28. ist der Ansicht, dass ein verbindliches Instrument den sichersten Weg darstellt, um dafür zu sorgen, dass in dem von den Nutzerländern umgesetzten System der Rechte des geistigen Eigentums Maßnahmen hinsichtlich der biologischen Vielfalt vorgesehen werden; fordert, dass Schritte unternommen werden, damit die Genehmigung von Patenten an die Erfüllung einer verbindlichen Anforderung der Offenlegung des Ursprungs jedweder genetischen Ressource und jeglichen traditionellen Wissens in Patentanmeldungen gebunden wird; betont, dass eine solche Offenlegung einen Nachweis enthalten sollte, dass die betreffenden genetischen Ressourcen und das entsprechende traditionelle Wissen gemäß den anzuwendenden Vorschriften (z. B. vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung und einvernehmlich vereinbarte Bedingungen) erworben wurden;

29. betont, dass ein internationales Instrument, das Offenlegungsanforderungen und Datenbanken zum Schutz genetischer Ressourcen umfasst, kein Ersatz für einen wirksamen Mechanismus des Zugangs und Vorteilsausgleichs auf nationaler Ebene ist;

30. ist der Ansicht, dass die direkte Benachrichtigung durch Nutzer von Unternehmen, die genetische Ressourcen oder entsprechendes traditionelles Wissen, Konformitätsbescheinigungen und die Sondierung von juristischen Möglichkeiten innerhalb und außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit nutzen, ebenfalls wirksam dazu beitragen kann, die Biopiraterie in Schranken zu halten;

31. vertritt die Auffassung, dass ein klares und kohärentes System von Eigentumsrechten einen Beitrag zu der Schaffung von Wissen und dessen Verbreitung in Entwicklungsländern zugunsten von lokalem Unternehmertum, Forschung, Bildung und Armutsbekämpfung leisten würde;

Der Weg zu einem kohärenten globalen Verwaltungssystem

32. fordert nachdrücklich, dass das TRIPS-Übereinkommen der WTO mit dem Nagoya-Protokoll zum CBD vereinbar sein sollte, und hält es für unabdingbar, verbindliche Anforderungen zur Offenlegung des Ursprungs genetischer Ressourcen bei Patentverfahren einzuführen und folglich Überprüfungen zu ermöglichen, ob diese Ressourcen rechtmäßig und in Übereinstimmung mit der PIC-Anforderung und den einvernehmlich vereinbarten Bedingungen erworben wurden;

33. betont, dass diese Anforderungen durch eine Änderung des TRIPS-Übereinkommens der WTO oder im Rahmen der WIPO eingeführt werden könnten, und zwar im Kontext der fortgesetzten Diskussionen über die Einrichtung eines neuen Rechtsinstruments bzw. neuer Rechtsinstrumente auf internationaler Ebene für den wirksamen Schutz genetischer Ressourcen, traditionellen Wissens und Folklore; ruft insbesondere die EU dazu auf, im Einklang mit der PCD (Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung) die Forderung der Entwicklungsländer zu unterstützen, das TRIPS-Übereinkommen der WTO durch Einfügen eines neuen Artikels 29a über die Offenlegung des Ursprungs genetischer Ressourcen und/oder des entsprechenden traditionellen Wissens gemäß dem Nagoya-Protokoll zu ändern; begrüßt als einen ersten Schritt die Tatsache, dass im EU-Vorschlag für eine Verordnung über Zugang zu genetischen Ressourcen und Vorteilsausgleich vorgesehen ist, die Offenlegung des Ursprungs jeglicher genetischer Ressourcen und des entsprechenden traditionellen Wissens verbindlich vorzuschreiben;

34. fordert die Kommission auf, ihre Verhandlungsführer im zwischenstaatlichen Ausschuss (IGC) der WIPO und bei der Überprüfung des TRIPS-Abkommens zu beauftragen, das Protokoll von Nagoya als ihren Ausgangspunkt zu betrachten und sich bei den Verhandlungen darauf zu konzentrieren, den Rechtsrahmen des CBD[4] und sein Protokoll von Nagoya mit der WIPO, TRIPS, dem ITPGRFA[5] und dem UPOV[6] sowie in Bezug auf meeresgenetische Ressourcen mit dem UNCLOS[7] abzustimmen; stellt fest, dass das TRIPS-Abkommen am wenigsten entwickelte Länder vorübergehend ausschließt[8]; betont, dass dieser Ansatz in Bezug auf eine mögliche Überarbeitung aufgrund des CBD-Nagoya-Prozesses beibehalten werden muss;

35. begrüßt Initiativen, die eine Alternative zu rein handelsorientierten Einrichtungen darstellen, etwa das Globale Zentrum für Informationen über die biologische Vielfalt (GBIF), das den kostenlosen und freien Zugang zu Daten über die biologische Vielfalt durch eine weltweite Zusammenarbeit verschiedener Regierungen, Organisationen und anderer internationaler Akteure fördert;

36. erkennt die Arbeit des zwischenstaatlichen Ausschusses „Rechte des geistigen Eigentums und genetische Ressourcen“ der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) an, und empfiehlt, dass auf Ebene der EU ähnliche Maßnahmen ergriffen sowie kohärente Definitionen verwendet werden;

37. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.

  • [1]  ABl. L 213 vom 30.7.1998, S. 13.
  • [2]  ABl. C 371 E vom 20.12.2011, S. 14.
  • [3]  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2012 zur Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren, P7_TA(2012)0202.
  • [4]  Übereinkommen über die biologische Vielfalt.
  • [5]  Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft.
  • [6]  Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen.
  • [7]  Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.
  • [8]  Artikel 66 Absatz 1 TRIPS; Beschluss des TRIPS-Rates vom 29. November 2005.

BEGRÜNDUNG

Einführung

Der Schutz und Erhalt der genetischen Vielfalt ist ein Schlüsselelement für die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele. Genetische Ressourcen sind für nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit außerordentlich wichtig. Weiterhin ist die genetische Vielfalt eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Überleben der Arten und die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems. Daher stellt der Verlust genetischer Vielfalt als Teil des Erosionsprozesses der biologischen Vielfalt eine der größten Herausforderungen für die Menschheit dar.

Trotz ihrer lebenswichtigen Bedeutung für den Menschen nimmt die genetische Vielfalt mit besorgniserregender Geschwindigkeit ab. Dieser Verlust an Vielfalt sorgt für neue Herausforderungen sowohl für die Bereitsteller als auch für die Nutzer von genetischen Ressourcen, wobei erstere oftmals Entwicklungsländer mit großer biologischer Vielfalt und letztere für gewöhnlich Industrieländer sind.

In diesem Zusammenhang ist Biopiraterie zu einem großen Problem für Entwicklungsländer geworden. Obwohl es keine allgemeine Definition für den Begriff „Biopiraterie“ gibt, verweist dieser für gewöhnlich auf eine Situation, in der biologische Ressourcen lokaler Gemeinschaften oder indigener Völker genutzt und patentiert werden, wobei die dadurch erzielten Gewinne nicht den Ursprungsgemeinschaften der Ressourcen zugutekommen, die deren Eigenschaften offengelegt und sie ursprünglich verwendet haben.

Wenn auch keine eindeutigen Statistiken über Biopiraterie und Zweckentfremdung verfügbar sind, so gab es in den letzten 20 Jahren doch einige anschauliche Beispiele, darunter die gelbe „Enola“-Bohne, Hoodia, Rooibos, Niembaum usw., die ein anderes Licht auf die Herausforderung der Bekämpfung der illegalen Nutzung von genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen in Entwicklungsländern werfen. Die Bekämpfung der Biopiraterie ist also eine große Herausforderung, der sich die EU stellen muss, da diese Praktiken gegen die Verpflichtung der EU zur Armutsbekämpfung und zum Schutz der biologischen Vielfalt sowie gegen den in Artikel 208 des Vertrags von Lissabon verankerten Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung verstoßen.

Das fehlende Gleichgewicht zwischen den Bereitstellern und den Nutzern genetischer Ressourcen hat das Thema des Zugangs und des Vorteilsausgleichs in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen auch auf internationaler Ebene zur Diskussion gebracht. In diesem Zusammenhang spielt das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (1992) eine einzigartige Rolle. Während dieses einen der wichtigsten Verträge zur Regelung der Erhaltung und Nutzung der biologischen Vielfalt auf internationaler Ebene darstellt, weicht es beträchtlich von anderen internationalen Umweltverträgen ab. Fragen der Ausgewogenheit, Gerechtigkeit und Rechtmäßigkeit wird eine unmissverständliche und prominente Rolle zugeschrieben.

Insbesondere besteht eine der Hauptanforderungen des durch das CBD und das Nagoya-Protokoll geschaffenen Rahmens für Zugang und Vorteilsausgleich (ABS) darin, dass im Austausch für den Zugang zu genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen Leistungen gewährt werden sollen und dass eine vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung (PIC) für den Zugang eingeholt werden soll. Zudem sollen einvernehmlich vereinbarte Bedingungen für den Vorteilsausgleich ausgehandelt werden.

Vor diesem Hintergrund befürwortet die Berichterstatterin eine rasche Ratifizierung des Nagoya-Protokolls als wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Biopiraterie und zur Wiederherstellung der Ausgewogenheit und Gerechtigkeit beim Austausch genetischer Ressourcen. Dies setzt allerdings voraus, dass sowohl Entwicklungs- als auch Industrieländer die erforderlichen Schritte unternehmen, um das Protokoll wirksam werden zu lassen. Während viele Entwicklungsländer keinen angemessen Rechtsrahmen für Zugang und Vorteilsausgleich einrichteten oder einrichten konnten, haben es die Industrieländer nicht geschafft, für wirksame Mechanismen zur Erfüllungskontrolle zu sorgen, um sicherzustellen, dass überall dort ein ausgewogener und gerechter Vorteilsausgleich vorgenommen wird, wo private Akteure, die deren Rechtshoheit unterstehen, genetische Ressourcen von Ländern mit großer biologischer Vielfalt nutzen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass im Protokoll die Einführung bzw. weitere Ausarbeitung detaillierter nationaler ABS-Rechtsvorschriften in den Entwicklungsländern als Vorbedingung für die Verpflichtung der Nutzerländer zur Einhaltung der PIC-Anforderung verlangt wird. Aufgrund derzeit in vielen Entwicklungsländern fehlender ABS-Rechtsvorschriften stellt diese Forderung eine große Herausforderung dar und erfordert den Aufbau beträchtlicher juristischer und institutioneller Kapazitäten. Dementsprechend sollte die EU-Entwicklungshilfe als Instrument zur Unterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbau juristischer und institutioneller Kapazitäten für ABS-Fragen verwendet werden. Hinsichtlich der Einhaltung müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten wirksame Maßnahmen treffen, um zu gewährleisten, dass die genetischen Ressourcen gemäß der PIC-Anforderung und der einvernehmlich vereinbarten Bedingungen sowie unter Einhaltung der nationalen ABS-Rechtsvorschriften der Bereitstellerländer erworben werden. Mögliche rechtliche Schritte im Streitfall und der Zugang zu Gerichten erfordern ebenfalls Anpassungen der nationalen Rechtssysteme in der EU.

Um die Biopiraterie jedoch wirksam zu bekämpfen, ist es wichtig, sich den folgenden Herausforderungen zu stellen:

1) Landwirtschaft und Gesundheit

Die Verwendung zahlreicher pflanzengenetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft ist für die Ernährungssicherheit, die Nachhaltigkeit in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt sowie zur Bekämpfung des Klimawandels unentbehrlich.

Bisher erkennen die meisten Entwicklungsländer die Rechte von Kleinlandwirten an, Saatgut aufzubewahren und auszutauschen. In diesem Zusammenhang äußert die Berichterstatterin große Besorgnis über die Auswirkungen des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) von 1991 auf die Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern, da dieses die Möglichkeit der Länder drastisch einschränkt, Ausnahmeregelungen bezüglich der Rechte von Pflanzenzüchtern zugunsten der Rechte von Landwirten zur Wiederverwendung und zum Austausch geernteten Saatguts zu treffen.

Die Berichterstatterin erachtet es als unabdingbar, das Recht der Landwirte, geerntetes Saatgut zu verwenden, als einen wichtigen Aspekt des „Rechts auf Nahrung“ sicherzustellen.

Daneben tragen genetische Ressourcen von Ländern mit großer biologischer Vielfalt beachtlich zur pharmazeutischen Forschung und Entwicklung bei. Leider ist erwiesen, dass Rechte des geistigen Eigentums eine große Herausforderung für den Zugang zu Arzneimitteln in armen Ländern bedeuten. Daher sollten Rechte des geistigen Eigentums den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln für deren Bevölkerung nicht behindern, insbesondere, wenn sich diese Rechte auf genetische Ressourcen aus Entwicklungsländern stützen. Es ist ebenfalls unentbehrlich, einen angemessenen Vorteilsausgleich für die pharmazeutische bzw. medizinische Nutzung und Kommerzialisierung von auf deren Hoheitsgebiet gefundenen genetischen Ressourcen zu gewährleisten.

2) Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften und traditionelles Wissen

Gemeinschaften, die über traditionelles Wissen verfügen, zu ermöglichen, dieses Wissen zu erhalten, zu überwachen und zu schützen, ist nicht nur für deren wirtschaftliches und kulturelles Überleben, sondern auch für die Erhaltung der biologischen Vielfalt wesentlich, die für die ganze Welt von Nutzen ist.

Wenn traditionelles Wissen Industriezweigen, darunter der pharmazeutischen, der Kosmetik- und der Agrarindustrie, bedeutende Gewinne einbringen, stellt der Schutz traditionellen Wissens indigener und lokaler Gemeinschaften eine wichtige Herausforderung bei der Bekämpfung von Biopiraterie im Zusammenhang mit Bioprospektion dar.

Obwohl der Schutz von traditionellem Wissen bereits auf breiter Basis durch Menschenrechte, Rechte indigener Bevölkerungsgruppen und Aspekte der Erhaltung der biologischen Vielfalt in Angriff genommen wurde, ist die Berichterstatterin der Meinung, dass auf internationaler institutioneller Ebene gewisse Verbesserungen notwendig sind, um Biopiraterie im Zusammenhang mit der illegalen Nutzung von traditionellem Wissen zu verhindern. Auch wenn diese Erhaltungs- und Menschenrechtsziele in einer Reihe von internationalen Umwelt- und Menschenrechtsinstrumenten verankert sind, haben sie meist optionalen Charakter und lassen einen Durchsetzungsmechanismus nach dem Muster internationaler Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums, insbesondere des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), vermissen.

Genauer gesagt, ist, auch wenn die Rechte indigener und lokaler Gemeinschaften in den letzten Jahren auf internationaler Ebene mehr und mehr anerkannt worden sind, für deren wirksame Umsetzung noch viel zu tun. Das einzige rechtlich bindende internationale Übereinkommen in Zusammenhang mit den Rechten indigener Bevölkerungsgruppen ist das ILO-Übereinkommen Nr. 169 über indigene und in Stämmen lebende Völker von 1989. Obwohl der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker (UNDRIP) von 2007 anzurechnen ist, dass darin die Rechte indigener Bevölkerungsgruppen auf umfassende Weise behandelt werden und die fundamentale Bedeutung des Rechts indigener Bevölkerungsgruppen auf Selbstbestimmung betont wird, bleibt sie ein unverbindliches Instrument. Allerdings enthält das Übereinkommen über die biologische Vielfalt als verbindlicher internationaler Vertrag in Artikel 8 Buchstabe j eine Verpflichtung der Länder zum Schutz des traditionellen Wissens indigener und lokaler Gemeinschaften. Weiterhin wurden die Vorschriften in Zusammenhang mit traditionellem Wissen im Nagoya-Protokoll zum CBD von 2010 weiterentwickelt.

In dieser Hinsicht sorgt das Protokoll für die Einführung bzw. Bestätigung ähnlicher Anforderungen hinsichtlich der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung durch indigene und lokale Gemeinschaften und der Einführung einvernehmlich vereinbarter Bedingungen zur Gewährleistung eines ausgewogenen Vorteilsausgleichs, einschließlich Maßnahmen zur Handhabung von Fällen der Nichteinhaltung sowie der Möglichkeit der Einleitung rechtlicher Schritte und des Zugangs zu Gerichten. Dennoch sind die Anforderungen in Zusammenhang mit traditionellem Wissen in einer weniger verbindlichen Sprache verfasst als diejenigen hinsichtlich der genetischen Ressourcen. Insbesondere wird traditionelles Wissen in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen von keiner der Überwachungsmaßnahmen des Nagoya-Protokolls abgedeckt: Es besteht keine Verpflichtung zur Offenlegung der „Eckdaten“ des genutzten traditionellen Wissens und die Verpflichtung zur Vorlage einer international anerkannten Bescheinigung gilt nicht für traditionelles Wissen in Zusammenhang mit genetischen Ressourcen, wodurch die Möglichkeiten zur Verfolgung von Biopiraterie in diesem Bereich eingeschränkt sind.

In Anbetracht dieser verschiedenen Mängel hält die Berichterstatterin es für wesentlich, dem traditionellen Wissen das gleiche Schutzniveau wie den genetischen Ressourcen zuzubilligen und eine rechtlich bindende internationale Regelung sui generis für Rechte des geistigen Eigentums festzulegen, die unter anderem die Interessenvielfalt der lokalen Gemeinschaften sowie das Gewohnheitsrecht widerspiegelt. Dies erfordert ebenso eine Anpassung des TRIPS-Übereinkommens der WTO und der WIPO-Regelung, um diese mit den Anforderungen des CBD und des Nagoya-Protokolls vereinbar zu machen.

3) Der Weg zu einem kohärenten globalen Verwaltungssystem

Das CBD und das Nagoya-Protokoll bilden das wichtigste internationale Forum zur Diskussion über die Handhabung von Zugang und Vorteilsausgleich (ABS) im Zusammenhang mit genetischen Ressourcen. Dennoch betrifft die Frage der Handhabung von Rechten des geistigen Eigentums, genetischer Ressourcen und Armutsbekämpfung auch andere internationale Institutionen wie WTO, FAO, WHO und WIPO, wodurch sich weitere Herausforderungen bezüglich der Sicherstellung von Kohärenz und gegenseitiger Unterstützung ergeben.

In diesem Zusammenhang stellt das Verhältnis zwischen dem TRIPS-Übereinkommen der WTO und dem CBD hinsichtlich Zugang und Vorteilsausgleich ein erhebliches Hindernis dar. Auf der Grundlage seines Ziels einer nachhaltigen Entwicklung ist im CBD ein ausgewogener und gerechter Vorteilsausgleich zwischen den Bereitstellern und den Nutzern von genetischen Ressourcen vorgesehen. Im Gegensatz dazu zielt das TRIPS-Übereinkommen der WTO darauf ab, die Rechte des geistigen Eigentums, einschließlich derer bezüglich der Biotechnologie, zu stärken. Die beiden Verträge senden also widersprüchliche Signale hinsichtlich der Umsetzung. Weiterhin wird das TRIPS-Übereinkommen der WTO im Unterschied zum CBD von dem mächtigen Streitbeilegungsmechanismus der WTO unterstützt. Allgemein ist zu sagen, dass, da das CBD und das Nagoya-Protokoll beachtlich schwächer sind als das TRIPS-Übereinkommen der WTO oder die TRIPS-Plus-Normen, weiterhin ein gewisses Ungleichgewicht hinsichtlich der Umsetzung und der Wirksamkeit von Sanktionen besteht.

In Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung besteht die Berichterstatterin darauf, dass internationale Institutionen die Regelung des CBD und des Nagoya-Protokolls unterstützen und nicht gegen diese verstoßen sollten. In dieser Hinsicht sollte daran erinnert werden, dass die Entwicklungsländer (Bereitsteller) immer wieder vorgebracht haben, dass eine verbindliche Regelung die Offenlegung des Ursprungs von in Erfindungen verwendeten genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen durch Patentanmelder, den Nachweis der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung durch die zuständigen Behörden im Bereitstellerland sowie den Nachweis eines ausgewogenen und gerechten Vorteilsausgleichs durch ein internationales Ursprungszeugnis erfordert. Die Anerkennung dieser Punkte im Rahmen des CBD würde eine Anpassung des TRIPS-Übereinkommens der WTO erforderlich machen.

Die EU hat die Einführung einer Anforderung zur Offenlegung des Ursprungs in das TRIPS-Übereinkommen der WTO im Austausch für einen verbesserten Schutz von „geografischen Angaben“ seit 2008 grundsätzlich befürwortet. Nach der Veröffentlichung des Nagoya-Protokolls haben mehrere Entwicklungs- und Industrieländer einen Vorschlag zur Änderung des TRIPS-Übereinkommens der WTO durch Einfügen eines neuen Artikels 29a über die Offenlegung des Ursprungs genetischer Ressourcen und/oder des entsprechenden traditionellen Wissens in Übereinstimmung mit dem Nagoya-Protokoll unterbreitet.

Die Berichterstatterin ist der Ansicht, dass die Einführung einer verpflichtenden Offenlegungsanforderung im Rahmen des TRIPS-Übereinkommens der WTO notwendig ist. Ebenso muss die Ausweitung bilateraler Handelsvereinbarungen, die weitergehende Interessen von Entwicklungsländern gefährden könnten, durch die Einführung der so genannten „TRIPS-Plus“-Normen für die Rechte des geistigen Eigentums besonders berücksichtigt werden. Es ist unentbehrlich, sicherzustellen, dass die EU Entwicklungsländer und vor allem die am wenigsten entwickelten Länder nicht dazu drängt, durch bilaterale Vereinbarungen weitreichende Normen im Bereich der Rechte des geistigen Eigentums in Zusammenhang mit Saatgut und Landwirtschaft sowie Gesundheit und Arzneimitteln zu akzeptieren.

STELLUNGNAHME des Ausschusses für internationalen Handel (27.11.2012)

für den Entwicklungsausschuss

zu Entwicklungsaspekten der Rechte an geistigem Eigentum in Bezug auf genetische Ressourcen: Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern
(2012/2135(INI))

Berichterstatter: Helmut Scholz

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für internationalen Handel ersucht den federführenden Entwicklungsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

1.  betrachtet den gerechten und ausgewogenen Ausgleich von Vorteilen, die sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergeben, als zentrales Ziel; hebt die Notwendigkeit hervor, für Bereitsteller von Ressourcen, Erfinder und Investoren für Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen; erachtet es als von grundlegender Bedeutung, dass die internationalen Einrichtungen, die Handels- und handelsbezogene Fragen regeln, sich darauf einigen, was in rechtlicher Hinsicht unter dem Ausdruck „Biopiraterie“ zu verstehen ist; bedauert den langsamen Verlauf der derzeitigen Verhandlungen im Rahmen des zwischenstaatlichen Ausschusses (IGC) der WIPO[1] sowie der Überprüfung des TRIPS-Abkommens[2] im Hinblick auf Artikel 27 Absatz 3 Buchstabe b;

2.  fordert die EU und die Mitgliedstaaten eindringlich auf, das Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt zu ratifizieren; zollt der Kommission Anerkennung für die Vorlage eines Entwurfs einer Verordnung für die Umsetzung des Protokolls von Nagoya; fordert die Kommission auf, ihre Verhandlungsführer im zwischenstaatlichen Ausschuss (IGC) der WIPO und bei der Überprüfung des TRIPS-Abkommens zu beauftragen, das Protokoll von Nagoya als ihren Ausgangspunkt zu betrachten und sich bei den Verhandlungen darauf zu konzentrieren, den Rechtsrahmen des CBD[3] und sein Protokoll von Nagoya mit der WIPO, TRIPS, dem ITPGRFA[4] und dem UPOV[5] sowie in Bezug auf meeresgenetische Ressourcen mit dem UNCLOS[6] abzustimmen; stellt fest, dass das TRIPS-Abkommen am wenigsten entwickelte Länder vorübergehend ausschließt[7]; betont, dass dieser Ansatz in Bezug auf eine mögliche Überarbeitung aufgrund des CBD-Nagoya-Prozesses beibehalten werden muss;

3.  schließt sich dem Standpunkt der Akteure an, dass ein regelgestütztes internationales Handelssystem es erforderlich macht, dass eine unrechtmäßige Genehmigung von Patenten unterbunden wird, was es wiederum erforderlich macht, Anforderungen zur Offenlegung der Quelle und des Ursprungs genetischer Ressourcen bei Patentverfahren festzulegen; besteht darauf, dass das TRIPS-Übereinkommen der WTO konvergent sein sollte, um mit dem Nagoya-Protokoll zum CBD vereinbar zu sein;

4.  begrüßt Initiativen, die eine Alternative zu rein handelsorientierten Einrichtungen darstellen, etwa das Globale Zentrum für Informationen über die biologische Vielfalt (GBIF), mittels dessen der kostenlose und freie Zugang zu Daten über die biologische Vielfalt durch eine weltweite Zusammenarbeit verschiedener Regierungen, Organisationen und anderer internationaler Akteure gefördert wird;

5.  erkennt die potenzielle Rolle des geistigen Eigentums und des Patentsystems bei der Förderung von Innovation sowie des Transfers und der Verbreitung von Technologie zum gegenseitigen Vorteil von Akteuren und von Bereitstellern, Inhabern und Nutzern genetischer Ressourcen, ihrer Derivate und des entsprechenden traditionellen Wissens in einer dem Wohlstand und der Entwicklung förderlichen Weise an, hebt gleichzeitig jedoch hervor, dass negativen Auswirkungen der Rechte an geistigem Eigentum und des Patentsystems auf die Anwendung des traditionellen Wissens indigener Völker und ortsansässiger Gemeinschaften, ihrer Rechte und Praktiken und ihres Wissenssystems sowie ihrer Fähigkeit, ihr Wissen im Bereich der genetischen Ressourcen zu nutzen, weiterzuentwickeln, zu schaffen und zu schützen, vorgebeugt werden muss; wiederholt, dass vor dem Hintergrund seiner jüngsten Entschließung zur Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren[8] vor allem im Bereich Züchtung ein übermäßig umfassender Patentschutz ein Innovations- und Fortschrittshindernis darstellen und kleinen und mittleren Züchtern abträglich sein kann, indem ihnen der Zugang zu genetischen Ressourcen von Tieren und Pflanzen versperrt wird; weist darauf hin, dass unter bestimmten Umständen Verträge zwischen den Parteien von indigenen Völkern oder ortsansässigen Gemeinschaften möglicherweise als praktikablere Lösung betrachtet werden, um gemeinsam davon zu profitieren und ihre Interessen zu schützen, gleichzeitig jedoch auch die Umwelt zu schützen und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nachteilen vorzubeugen, z.B. mit Hilfe von Schutzklauseln;

6.  weist auf die Achtung hin, die es den Meilensteinen entgegenbringt, die in Bezug auf den internationalen Schutz der Rechte indigener Völker auf ihre genetischen und sonstigen Ressourcen und ihr entsprechendes traditionelles Wissen – welche in der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker, im ILO-Übereinkommen Nr. 169, in Artikel 8 Buchstabe j des Übereinkommens über die biologische Vielfalt sowie im Protokoll von Nagoya verankert sind – erreicht wurden; äußert sich besorgt über die genetische Verarmung, die eine Folge der fast ausschließlichen Beherrschung des Marktes durch industriell erzeugtes Saatgut ist, d.h. Saatgut, das zum Nachteil traditioneller Saatgutsorten durch Rechte an geistigem Eigentum geschützt ist;

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

27.11.2012

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

13

0

12

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Laima Liucija Andrikienė, Daniel Caspary, María Auxiliadora Correa Zamora, Christofer Fjellner, Metin Kazak, Franziska Keller, Bernd Lange, Paul Murphy, Cristiana Muscardini, Helmut Scholz, Peter Šťastný, Gianluca Susta, Henri Weber, Jan Zahradil

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Josefa Andrés Barea, George Sabin Cutaş, Mário David, Elisabeth Köstinger, Marietje Schaake, Inese Vaidere

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Isabelle Durant, Francisco José Millán Mon, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Ivo Strejček, Renate Weber

  • [1]  Zwischenstaatlicher Ausschuss für geistiges Eigentum, genetische Ressourcen, traditionelle Kenntnis und Folklore der Weltorganisation für geistiges Eigentum.
  • [2]  Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums.
  • [3]  Übereinkommen über die biologische Vielfalt.
  • [4]  Internationaler Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft.
  • [5]  Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen.
  • [6]  Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen.
  • [7]  Artikel 66 Absatz 1 TRIPS; Beschluss des TRIPS-Rates vom 29. November 2005.
  • [8]  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2012 zur Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren, P7_TA(2012)0202.

STELLUNGNAHME des Rechtsausschusses (6.11.2012)

für den Entwicklungsausschuss

zu Entwicklungsaspekten der Rechte an geistigem Eigentum in Bezug auf genetische Ressourcen: Auswirkungen auf die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern
(2012/2135(INI))

Berichterstatterin: Françoise Castex

KURZE BEGRÜNDUNG

Der Bericht des Entwicklungsausschusses beabsichtigt, die Auswirkungen der Rechte an geistigem Eigentum in Bezug auf genetische Ressourcen im Hinblick auf Menschenrechte und globale Ernährungssicherheit zu erwägen, im Wesentlichen über das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), das Übereinkommen über die biologische Vielfalt und das diesbezügliche Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile. Das in diesem Zusammenhang aufgeworfene Hauptproblem ist „Biopiraterie“, was sich entweder auf die unerlaubte Entnahme genetischer Ressourcen, wie Pflanzen mit medizinischen Eigenschaften, oder auf die Patentierung nachgeahmter Erfindungen auf der Basis von derartigen Ressourcen oder traditionellem Wissen indigener Völker ohne Kompensation bezieht.

Die Berichterstatterin begrüßt diesbezügliche Überlegungen im Interesse von Entwicklungsländern mit dem Endziel der Armutsbekämpfung, betont jedoch, dass die praktische Umsetzung jeglichen Regelwerks zur Vermeidung von Biopiraterie Probleme rechtlicher Art mit sich bringt, die sich nur lösen lassen, wenn über den oben genannten aktuellen Rechtsrahmen angemessen reflektiert wird und er korrekt ausgelegt wird.

Die juristische Terminologie im Bereich der Rechte an geistigem Eigentum in Bezug auf genetische Ressourcen muss geklärt und konsolidiert werden, nicht zuletzt der Begriff „Biopiraterie“. Eine Definition dieses Begriffs muss eine solide Grundlage haben, was eine eingehende Feststellung und Erforschung der Tatsachen erfordert. Die internationale Gemeinschaft sollte ebenfalls die Systeme sui generis bestimmen, die auf internationaler Ebene in den Fällen, in denen ein Patentschutz nicht anwendbar ist, für den Pflanzenschutz gelten.

Des Weiteren ist es von wesentlicher Bedeutung, die Interessen kleiner und mittlerer Züchter zu wahren, angesichts dessen, dass ein übermäßig umfassender Patentschutz im Bereich Züchtung ein Innovations- und Fortschrittshindernis darstellen kann und diesen Züchtern abträglich sein kann, indem ihnen der Zugang zu genetischen Ressourcen von Tieren und Pflanzen versperrt wird.

VORSCHLÄGE

Der Rechtsausschuss ersucht den federführenden Entwicklungsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

1.  vertritt die Auffassung, dass ein klares und kohärentes System von Eigentumsrechten einen Beitrag zu der Schaffung von Wissen und dessen Verbreitung in Entwicklungsländern zugunsten von lokalem Unternehmertum, Forschung, Bildung und Armutsbekämpfung leisten würde;

2.  betont, dass weitere Arbeit erforderlich ist, um die juristische Terminologie im Bereich der Rechte an geistigem Eigentum in Bezug auf genetische Ressourcen zu klären und zu konsolidieren, insbesondere im Hinblick auf eine Definition des Begriffs „Biopiraterie“ auf der Grundlage maßgeblicher Daten;

3.  ist der Ansicht, dass zukünftige bilaterale Abkommen und multilaterale Übereinkommen mit dem Ziel der Harmonisierung, insbesondere über den Umfang der Ausnahmen und Einschränkungen von Patentrechten, eine sorgfältige Prüfung aus einer Entwicklungsperspektive erfordern, in der Absicht, globale Gerechtigkeit im Gesundheitswesen im Sinne der Umsetzung von Absatz 6 der Erklärung von Doha über das TRIPS-Übereinkommen zu schaffen, lokales Wissen zu bewahren und in Bezug auf die Rechte von Pflanzenzüchtern den Zugang zu Saatgut sicherzustellen;

4.  nimmt die Arbeit des zwischenstaatlichen Ausschusses „Rechte des geistigen Eigentums und genetische Ressourcen“ der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) zur Kenntnis und empfiehlt, dass auf Ebene der EU ähnliche Maßnahmen ergriffen sowie kohärente Definitionen verwendet werden;

5.  wiederholt, dass, vor dem Hintergrund der jüngsten Entschließung zu der Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren[1], ein übermäßig umfassender Patentschutz im Bereich Züchtung ein Innovations- und Fortschrittshindernis darstellen und für kleine und mittlere Züchter von Nachteil sein kann, indem ihnen der Zugang zu genetischen Ressourcen versperrt wird;

6.  ersucht die internationale Gemeinschaft zu berücksichtigen, dass der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen ein System sui generis bietet, das bereits für den Sortenschutz gilt, wenn ein Patentschutz nicht anwendbar ist; empfiehlt, Kernanforderungen für wirksame Sui-generis-Modelle in Erwägung zu ziehen;

7.  ist der Ansicht, dass vor Ort vorhandenes Wissen über indigene Methoden zur Wasserbewirtschaftung wissenschaftlich erforscht und kostenlos verbreitet werden sollte, während von Patenten abgedeckte Technologien in Entwicklungsländern Innovationen beim Zugang zu Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erleichtern sollten.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

6.11.2012

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

23

0

0

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Raffaele Baldassarre, Luigi Berlinguer, Françoise Castex, Christian Engström, Marielle Gallo, Giuseppe Gargani, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Sajjad Karim, Antonio López-Istúriz White, Antonio Masip Hidalgo, Jiří Maštálka, Alajos Mészáros, Evelyn Regner, Francesco Enrico Speroni, Rebecca Taylor, Alexandra Thein, Rainer Wieland, Cecilia Wikström, Zbigniew Ziobro, Tadeusz Zwiefka

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Eva Lichtenberger, Angelika Niebler, József Szájer, Axel Voss

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Sylvie Guillaume

  • [1]  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2012 zur Patentierung von im Wesentlichen biologischen Verfahren, P7_TA(2012)0202.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

6.12.2012

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

20

3

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Thijs Berman, Michael Cashman, Ricardo Cortés Lastra, Nirj Deva, Leonidas Donskis, Charles Goerens, Catherine Grèze, Eva Joly, Filip Kaczmarek, Miguel Angel Martínez Martínez, Gay Mitchell, Norbert Neuser, Bill Newton Dunn, Birgit Schnieber-Jastram, Michèle Striffler, Alf Svensson, Keith Taylor, Patrice Tirolien, Ivo Vajgl, Daniël van der Stoep, Anna Záborská, Iva Zanicchi

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Cristian Dan Preda

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Helmut Scholz