BERICHT über „Connected TV“

10.6.2013 - (2012/2300(INI))

Ausschuss für Kultur und Bildung
Berichterstatterin: Petra Kammerevert

Verfahren : 2012/2300(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0212/2013
Eingereichte Texte :
A7-0212/2013
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu „Connected TV“

(2012/2300(INI))

Das Europäische Parlament,

–    gestützt auf Artikel 167 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–    unter Hinweis auf Artikel 10 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention,

–    unter Hinweis auf Artikel 11 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[1],

–    unter Hinweis auf das Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten im Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte[2],

–    unter Hinweis auf das Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) vom 20. Oktober 2005,

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2010/13/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)[3],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie)[4], geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[5],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie)[6], geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[7],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie)[8], geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[9],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Genehmigungsrichtlinie)[10], geändert durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[11],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften[12],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)[13],

–    unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)[14], geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009[15],

–    unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk[16],

–    unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates 98/560/EG vom 24. September 1998 zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Industriezweigs der audiovisuellen Dienste und Informationsdienste durch die Förderung nationaler Rahmenbedingungen für die Verwirklichung eines vergleichbaren Niveaus in Bezug auf den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde[17],

    unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Juni 2010 zum Internet der Dinge[18],

–    gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–    unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Kultur und Bildung (A7-0212/2013),

A.  in der Erwägung, dass Fernsehgeräte ursprünglich zum Empfang linearer Rundfunksignale entwickelt wurden, dass audiovisuelle Inhalte aufgrund ihrer Suggestivkraft auch im digitalen Umfeld eine erhebliche Aufmerksamkeit beim Publikum im Verhältnis zu anderen elektronischen Medienangeboten erreichen und dass deshalb ihre herausgehobene Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung weiterhin bestehen bleibt;

B.   in der Erwägung, dass audiovisuelle Mediendienste, die gleichermaßen Kultur- und Wirtschaftsdienste sind, als Träger von Identitäten, Werten und Meinungen eine herausragende Bedeutung für Gesellschaft und Demokratie besitzen und daher auch in einer zunehmend konvergenten Welt einer spezifischen Regulierung bedürfen;

C.  in der Erwägung, dass die lange angekündigte technische Konvergenz der Medien insbesondere für Rundfunk und Internet inzwischen zur Realität geworden ist und die europäische Medien-, Kultur- und Netzpolitik den Regulierungsrahmen an die neuen Gegebenheiten anpassen und dabei sicherstellen muss, dass ein einheitliches Regulierungsniveau auch im Hinblick auf neue Marktteilnehmer aus der Europäischen Union sowie Drittstaaten hergestellt und durchgesetzt werden kann;

D.  in Erwägung der raschen Entwicklung des Internets in den letzten 25 Jahren und des Aufkommens intelligenter Geräte, die derzeit die Gewohnheiten und die Art und Weise, wie ferngesehen wird, verändern;

E.   in der Erwägung, dass die Akzeptanz von mit dem Internet vernetzten Geräten zunimmt, traditionelle Dienste jedoch weiterhin breite Popularität genießen;

F.   in der Erwägung, dass lineare und nicht-lineare audiovisuelle Angebote sowie eine Vielzahl weiterer Kommunikationsdienste bereits heute auf ein und demselben Bildschirm darstellbar, nahtlos kombinierbar und gleichzeitig nebeneinander konsumierbar sind;

G.  in der Erwägung, dass wegen der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung linearer Fernseh- und Mediendienste auch zukünftig ein eigenständiger Medienregulierungsrahmen erforderlich ist, weil nur so dieser Bedeutung und der Sicherung der Meinungs- und Medienvielfalt in den Mitgliedstaaten angemessen Rechnung getragen werden kann;

H.  in der Erwägung, dass die Ankunft des „Connected TV“ gerade die traditionelle Wertkette radikal verändert, weshalb eine neue Strategie festgelegt werden muss;

I.    in der Erwägung, dass Fortschritte in der technologischen Entwicklung unweigerlich zu einer teilweise nur scheinbar größeren Autonomie der Nutzer führen und dass es daher immer wichtiger wird, den Schutz der ausschließlichen Rechte und die Unversehrtheit der Inhalte sicherzustellen;

J.    in der Erwägung, dass die Möglichkeiten der Verbreitung (interaktiver) Online-Angebote, die von der Reichweite von Fernsehangeboten profitieren, zunehmen und dass eine flächendeckende Breitbandversorgung Grundvoraussetzung für ein steigendes Verbraucherinteresse an hybriden Empfangssystemen ist;

K.  in der Erwägung, dass der Begriff „Connected TV“ im Lichte der fortschreitenden Medienkonvergenz eine dynamische, technologieneutrale und weite Auslegung erfährt, die jegliche, auch mobile Geräte mit umfasst, die den Zugang zu linearen und nicht-linearen Medieninhalten, over-the-top-Angeboten und sonstigen Anwendungen auf ein- und demselben Gerät oder Bildschirm ermöglicht und damit die Welt des Rundfunks mit der Welt des Internets zusammenbringt;

L.   in der Erwägung, dass in der konvergenten Medienwelt der Wettbewerb weniger um Übertragungskapazitäten als zunehmend um die Aufmerksamkeit der Nutzer geführt wird, dass es bei steigender Zahl von Angeboten schwieriger wird, zum Nutzer durchzudringen, und dass Zugang, schnelle Auffindbarkeit sowie die Listung und die Empfehlung von Angeboten höchstwahrscheinlich über deren Erfolg entscheiden werden;

M.  in der Erwägung, dass die derzeitigen Regelungen der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste – AVMD-RL) auf dem Grundsatz der Technologieneutralität beruhen, dass sie die voranschreitende technische Verschmelzung noch nicht abbilden und insbesondere die abgestufte Regulierung, die zwischen Fernsehprogramm (inklusive Webcasting und Livestreaming) und audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf differenziert, in der bestehenden Form an Bedeutung verlieren könnte, obwohl unterschiedlich regulierte Informations- und Kommunikationsdienste – auch jene, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) fallen, sondern in den Bereich der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, oder bei außereuropäischen Angeboten keiner EU-Medienregulierung unterliegen – auf ein und demselben Gerät verfügbar sind, was sowohl zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen und inakzeptablen Diskrepanzen beim Schutz der Nutzer führen kann als auch neue Fragen bezüglich des Zugangs, der Art der Verbreitung und der Auffindbarkeit von Inhalten, unabhängig ihrer Mediengattung, aufwirft;

N.  in der Erwägung, dass diese neuen Marktteilnehmer zu den herkömmlichen Akteuren der Branche in direktem Wettbewerb stehen werden, da sie einerseits exklusive Inhalte erwerben und andererseits selbst neue Angebote unterbreiten werden;

O.  in der Erwägung, dass die Regulierungsziele der AVMD-RL, insbesondere die Sicherung und Förderung der Meinungs- und Medienvielfalt, der Schutz der Menschenwürde und der Jugendschutz, die Aufgabe, die Anbieter von Mediendiensten zu ermuntern, den Zugang von seh- und hörbehinderten Menschen zu gewährleisten, die Sicherung eines fairen Wettbewerbs sowie die qualitative, inhaltsbezogene Werberegulierung, im Grundsatz ihre gesellschaftliche Bedeutung und regulatorische Rechtfertigung beibehalten, aber gleichzeitig die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit dieser Schutzvorschriften wegen der durch Hybrid-Empfangssysteme eröffneten Nutzungsmöglichkeiten zunehmend an Grenzen stößt;

P.   in der Erwägung, dass die Übertragung von „Connected TV“-Diensten von hoher Qualität seitens der Telekommunikationsbetreiber die Bereitstellung einer ausreichenden Übertragungsrate zwischen den Streaming-Servern und den Abonnenten voraussetzt;

Q.  in der Erwägung, dass die Anwendungsmöglichkeiten hybrider Geräte zentrale Grundsätze der AVMD-RL, wie das Gebot zur Trennung von Werbung und Programm oder Regelungen zur Unterbrecherwerbung in Frage stellen;

R.   in der Erwägung, dass das alleinige, zufällige Vorhandensein einer großen Zahl von Angeboten nicht automatisch zur Sicherung der genannten Regulierungsziele führt und dass daher zu evaluieren ist, ob es weiterhin eines spezifischen Regulierungsrahmens zum Erreichen der Ziele bedarf und dieser Rahmen mögliche Fehlentwicklungen von vornherein verhindern könnte;

S.   in der Erwägung, dass die Entwicklung des „Connected TV“ im Verlauf seiner Durchsetzung auf dem Markt zu einem Verschmelzen des herkömmlichen Fernsehens mit dem Internet führen kann, wie es vor einigen Jahren bei Mobilfunk und Internet der Fall war;

T.   in der Erwägung, dass jeder Schritt, mit dem sich der Markt anpassen ließe, um in Europa kreatives Schaffen und Innovation zu begünstigen, gefördert werden sollte;

U.  in der Erwägung, dass die Entwicklung hybrider Systeme, die Fernsehen und Internet miteinander vermischen, es den Nutzern ermöglichen wird, unterschiedslos zwischen den Fernsehkanälen und den Internetdiensten einschließlich illegaler Websites, die audiovisuelle Inhalte anbieten, hin- und herzuschalten;

V.  in der Erwägung, dass die Netzneutralität durch Transparenz und Wettbewerb bekanntlich nur ungenügend geschützt ist;

W. in der Erwägung, dass das Sendelandsprinzip der Ursprungs-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ einen Meilenstein für die Informationsfreiheit und die Entwicklung eines gemeinsamen Marktes im Bereich der Dienstleitungen darstellt, indem die Mitgliedsstaaten sich auf qualitative Mindeststandards verpflichtet haben und im Gegenzug dem Ursprungslandsprinzip in Form des Sendelandsprinzips Geltung verschafft haben;

1.   fordert die Kommission auf zu evaluieren, inwieweit es erforderlich ist, die AVMD-RL und weitere bestehende Vorgaben aus der Netz- und Medienregulierung (z.B. TK-Paket) hinsichtlich der Regelungen zur Auffindbarkeit und des diskriminierungsfreien Zugang zu Plattformen, für Inhalteanbieter und Inhalteentwickler sowie für Nutzer, unter Erweiterung des Plattformbegriffs und zur Anpassung der vorhanden Instrumentarien an neue Konstellationen; fordert, dass dafür gesorgt wird, dass mit dem Regelungsrahmen sichergestellt wird, dass Verbraucher von einer größeren Auswahl und dem Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten profitieren können und dass Inhalteanbieter mehr Wahlmöglichkeiten haben, wie sie ihren Inhalt verbreiten und gleichzeitig den Kontakt zu ihren Zuschauern aufrechterhalten;

2.   ist der Auffassung, dass bei regulatorischen Maßnahmen für Plattformbetreiber darauf geachtet werden muss, einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Plattformen zu gewährleisten, um Rundfunkveranstaltern und anderen, oftmals auch kleineren, Anbietern eine gleichberechtigte Marktteilnahme zu ermöglichen;

3.   fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, den in Artikel 1 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) definierten Begriff des Mediendienstes so umzusetzen, dass die Notwendigkeit einer Regulierung durch die Mitgliedstaaten stärker an den gesellschaftspolitischen Wirkungsspezifika und -potenzialen der Angebote, insbesondere an ihrer Relevanz für Meinungsbildung und Meinungsvielfalt, sowie an der redaktionellen Verantwortung anknüpft;

4.   fordert die Kommission auf, vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Auftrages redaktionell verantworteter Medienangebote und sonstige Inhalte, zu prüfen, ob eine strengere Regulierung von TV-Plattformen noch angemessen und erforderlich ist oder ob nicht ein allgemeines Diskriminierungsverbot ausreichend ist;

5.   fordert die Kommission auf, mit Blick auf eine mögliche Überprüfung der Richtlinie 2010/13/EU oder in jeder anderen kommenden Rechtsvorschrift ihre Bemühungen um die Wahrung der Pressefreiheit fortzusetzen, indem sie weiterhin ausdrücklich die elektronischen Fassungen von Zeitungen und Zeitschriften aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt, wie es derzeit bei der Richtlinie 2010/13/UE der Fall ist;

6.   fordert die Kommission auf, auf der Basis der Ergebnisse ihres Konsultationsverfahrens „Vorbereitung auf eine vollständig konvergente audiovisuelle Welt – Wachstum, Schöpfung und Werte“ aufzuschlüsseln, welche Regulierungsmechanismen vor dem Hintergrund der Konvergenz noch notwendig und sinnvoll sind und welche möglicherweise neu geschaffen werden sollten, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Inhalte- und Diensteanbieter unter Berücksichtigung nachfolgender Mindestanforderungen und unter Beibehaltung der bisherigen übergreifenden Regulierungsziele zu schaffen, um einen fairen Wettbewerb der Inhalteanbieter sicherzustellen und um für den Nutzer die größtmöglichen Vorteile und die chancengleiche, vollkommen transparente und diskriminierungsfreie Auswahl aus einem qualitätvollen, vielfältigen Angebot zu sichern, wobei besonders darauf zu achten ist, dass frei empfangbare Angebote und Angebote öffentlich-rechtlicher Anbieter erhalten bleiben;

7.   fordert die Kommission auf, im Fall einer Überprüfung der AVMD-RL gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Inhalteanbieter zu gewährleisten;

8.   unterstreicht, dass die Entwicklungsstrategie dieser neuen Akteure einen Zuwachs im Angebot nach sich ziehen wird, das sich gleichzeitig aus auf herkömmlichen Fernsehkanälen verfügbaren Inhalten und dem Angebot, das im Internet dargeboten wird, zusammensetzt;

9.   weist diesbezüglich nachdrücklich auf die Gefahr hin, dass dieser neue Wettbewerb unausgeglichen zugunsten dieser neuen Akteure – in Anbetracht ihres wirtschaftlichen Gewichts und ihrer internationalen Entwicklung – und zulasten der traditionellen europäischen Akteure ausgeht;

‎10. betont, dass es erwägenswert scheint, einen abgestuften Regulierungsrahmen für Mediendienste beizubehalten, ihn aber nicht primär von einer Differenzierung zwischen nicht-linearen und linearen Diensten abhängig zu machen, sondern vor allem an das Wirkungspotenzial des jeweiligen Mediendienstes und die redaktionelle Verantwortung für diesen Mediendienst anzuknüpfen, und dabei gleichzeitig einen angemessenen mitgliedstaatlichen Gestaltungsspielraum einzuräumen;

‎11. gibt zu bedenken, ob die von der Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk[19] niedergelegten Vorschriften für aufwendige Beurteilungs- und Prüfungsverfahren für audiovisuelle Dienste von öffentlich-rechtlichen Anbietern, die über die übliche Rundfunktätigkeit hinausgehen und die auf neuen Verbreitungsplattformen angeboten werden, im Zuge der fortschreitenden Konvergenz der Technik noch angemessen sind, zumal die Nutzer zunehmend nicht mehr unterscheiden können, ob es sich um ein klassisches lineares Rundfunkangebot, um einen Dienst auf Abruf oder ein sonstiges audiovisuelles Angebot handelt;

12. fordert die Kommission auf, die künftigen Herausforderungen des „Connected TV“ im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit im Sektor im Auge zu behalten, indem sie die Flexibilisierung quantitativer Werbevorgaben ermöglicht, und die Vor- und Nachteile darzustellen;

‎13. betont, dass im Interesse eines europaweit einheitlichen Schutzes von Verbrauchern, Kindern und Jugendlichen sowie Minderheiten, qualitative Beschränkungen von audiovisuellen Mediendiensten überprüft und auf hohem Niveau für alle Weiterverbreitungsformen angepasst werden sollten;

‎14. fordert dazu auf, das Verbot der Verletzung der Menschenwürde, das Verbot der Aufstachelung zum Hass, den Schutz vor Diskriminierung sowie das Gebot der Barrierefreiheit für alle Medieninhalte gleichermaßen gelten zu lassen;

‎15. gibt dabei zu bedenken, ob der Grundsatz der Trennung von Werbung und Programminhalt über alle Medienformen hinweg aufrecht erhalten werden kann oder mittels klarer Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit von Werbung und Programminhalt das Gebot über alle Medienformen hinweg sein Schutzziel besser entfaltet;

16. ist der Auffassung, dass neue oder die Erweiterung bestehender Werbeverbote und andere Eingriffe in das Finanzierungsinstrument Werbung verhindert werden sollte um neue Geschäftsmodelle in der digitalen TV-Welt zu ermöglichen;

‎17. unterstreicht, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass der öffentlich-rechtliche Sektor nicht nur von der Werbefinanzierung abhängt, um seine Unabhängigkeit zu bewahren, und fordert die Mitgliedstaaten auf, die Anstrengungen zur Finanzierung dieses Sektors zu unterstützen;

‎18. unterstreicht, dass neue Werbestrategien, die sich auf die neuen Technologien stützen, um ihre Wirksamkeit zu steigern (Screenshots, Erstellung von Verbraucherprofilen, Multi-Screen-Strategien) die Frage des Schutzes der Verbraucher, ihrer Privatsphäre und ihrer personenbezogenen Daten aufwerfen; beharrt daher auf der Notwendigkeit, über ein schlüssiges Regelwerk nachzudenken, um sie zu steuern;

‎19. fordert die europäischen Akteure der Branche der audiovisuellen Medien auf, die Entwicklung kohärenter und attraktiver Angebote, unter anderem online, fortzusetzen, um das europäische Angebot an audiovisuellen Inhalten zu bereichern;

20. fordert die Kommission auf zu prüfen, ob und wie denjenigen Inhalteanbietern eine angemessene Vorrangstellung bei der Auffindbarkeit auf First-Screen-Geräten, wie beispielsweise TV-Geräten mit Internet-Anschluss, eingeräumt werden kann, denen die Mitgliedstaaten entweder einen öffentlich-rechtlichen Auftrag zuweisen oder die einen Beitrag zur Förderung von Zielen im allgemeinen Interesse, insbesondere zur Sicherung des Medienpluralismus und der kulturellen Vielfalt leisten oder sich nachprüfbar durch Selbstbindungen dauerhaft verpflichten, solche Pflichten im öffentlichen Interesse einzuhalten, die der Qualität und Unabhängigkeit der Berichterstattung sowie der Förderung der Meinungsvielfalt dienen;

21. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in Ergänzung zu solchen „Must-be-found-Regelungen“ zu prüfen, inwieweit durch eine medienregulatorische Umsteuerung hin zu Anreiz- und Zertifizierungssystemen und einer Stärkung ko- und selbstregulatorischer Ansätze sich die benannten Regulierungsziele der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL), insbesondere beim Jugendschutz und beim Schutz der Menschenwürde, nachhaltig sichern lassen und gleichzeitig die notwendige Flexibilität für einen fairen Wettbewerb der Mediendiensteanbieter untereinander gewahrt bleibt; betont, dass eventuelle Ko- und Selbstregulierungsmaßnahmen gesetzliche Regelungen ergänzen können und ihre Einhaltung und Evaluierung einer unabhängigen Aufsicht zu unterstellen sind;

22. empfiehlt daher, um jegliche Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden, für gleiche Dienste unabhängig vom Trägermedium dieselben Vorschriften anzuwenden;

‎23. ist in diesem Zusammenhang des gesteigerten Wettbewerbs außerdem besorgt über die Präsenz internationaler Akteure, die nicht den europäischen Vorschriften und Verpflichtungen unterliegen;

24. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass diese Plattformen unter Berücksichtigung der Marktbedingungen und des allgemeinen Interesses im fairen Wettbewerb entsprechend der Nachfrage auf Seiten der Verbraucher auf der Basis offener, interoperabler Standards betrieben werden und verhindert wird, dass einer oder mehrere Anbieter ihre Schlüsselposition missbrauchen;

‎25. beharrt in diesem Zusammenhang darauf, dass über die Weiterentwicklung des Regelungsrahmens, über Wege zur Regulierung von „Connected TV“ und über Systeme zur Referenzierung der Inhalte nachgedacht werden muss;

‎26. ruft zu einer Regulierung der Connected TV-Plattformen auf, die den Zugang zu Inhalten von Fernsehsendern und ihre Integrität, die Transparenz für die Verbraucher und die Anwendung elementarer berufsethischer Regeln (Jugendschutz und Schutz der Privatsphäre) gewährleistet;

‎27. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Medienkompetenz aller EU-Bürger – insbesondere durch Initiativen und koordinierte Aktionen, die auf ein besseres Verständnis der linearen und nicht-linearen Mediendienste abzielen– zu fördern;

‎28. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, dass insbesondere vonseiten der Gerätehersteller und Diensteanbieter Maßnahmen getroffen werden, um den Zugang zu linearen und nicht-linearen Mediendiensten für ältere Menschen und Menschen mit einer Behinderung, wie schwerhörige und sehbehinderte Personen, zu verbessern;

‎29. ist der Auffassung, dass Plattform- und Portaldienste interoperabel gestaltet sein sollten, um Dritten unabhängig vom Übertragungsweg diskriminierungsfrei die Herstellung und den Betrieb eigener Anwendungen zu erlauben;

‎30. fordert die Kommission auf, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass in Netzen und auf Plattformen alle Inhalte grundsätzlich in gleicher Qualität zugänglich gemacht werden;

‎31. fordert die Kommission auf, rechtsverbindlich sicherzustellen, dass Datenpakete durch Netzbetreiber bei der Übertragung vom Sender zum Empfänger grundsätzlich gleich zu behandeln sind, also durch den Netzbetreiber keine Prioritisierung z. B. nach Herkunft, Inhalt, Anwendungsart oder Nutzerentgelt erfolgt, da dies das Ziel des fairen Zugangs zu Diensten für alle, Datenschutzbestimmungen, das Verbot von Datenmanipulation, den Grundsatz der Integrität von Inhalten sowie das Ziel der Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen konterkarieren könnte;

‎32. weist nachdrücklich auf die Folgen der Unterschiedlichkeit zwischen den Mehrwertsteuersystemen auf europäischer Ebene hin, die mit der Ankunft des Connected TV noch verschärft wird, und betont die Notwendigkeit, eine sämtlichen Mitgliedstaaten gemeinsame wettbewerbsorientierte Mehrwertsteuerregelung zu erlassen;

‎33. fordert die Kommission auf, EU-Vorschriften vorzuschlagen, mit denen die Netzneutralität garantiert wird;

‎34. fordert die Kommission auf, die Integrität linearer und nicht-linearer Angebote auf Hybridplattformen gesetzlich abzusichern und insbesondere die Überblendung oder Skalierung dieser Angebote durch Plattformanbieter oder Dritte mit Inhalten oder sonstigen Diensten zu untersagen, soweit diese nicht vom Nutzer ausdrücklich initiiert wurde und im Fall von Inhalten, die nicht der Individualkommunikation zuzurechnen sind, durch den Inhalteanbieter autorisiert wurden; weist darauf hin, dass der unautorisierte Zugriff auf die Inhalte oder Rundfunksignale eines Anbieters durch Dritte sowie deren unautorisierte Entschlüsselung, Nutzung oder Weiterverbreitung ebenfalls auszuschließen sind;

35. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zu prüfen, die darin bestehen, dem Risiko der Referenzierung nicht erlaubter Websites in den Portalen und Suchmaschinen Rechnung zu tragen;

‎36. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass das durch die besonderen regulatorischen Anforderungen der AVMD-RL generierte Schutzniveau bei audiovisuellen Mediendiensten nicht durch ein unautorisiertes Verfügbarmachen auf anderen Plattformen umgangen wird;

‎37. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass der Start von Anwendungen aus Portalen nie automatisch erfolgt sondern stets vom Nutzer initiiert werden muss, dass die Rückkehr zum zuvor genutzten Dienst jederzeit einfach und nur mit einem Knopfdruck (z.B. red button-Funktion) möglich ist und deutlich kommuniziert wird sowie beim Verlassen einer Anwendung der zuvor genutzte Dienst wieder vollständig in Bild und Ton angezeigt wird;

‎38. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass ein Inhalteanbieter gegen solche Anwendungen auf hybriden Plattformen juristisch vorgehen kann, die eine nicht autorisierte Weiterverbreitung des vom Inhalteanbieter bereitgestellten Inhaltes ermöglichen oder fördern;

‎‎39. fordert die Kommission auf, dort wo urheberrechtlich relevant, auf einfach handhabbare Rechteklärungssysteme hinzuwirken, die eine unveränderte und vollständige Spiegelung von non-linearen Angeboten der Mediendiensteanbieter auf Drittplattformen ermöglichen;

40. fordert die Kommission auf, sicherzustellen, dass die anonyme Nutzung von Fernseh- und Onlinediensten mittels hybrider Endgeräte, die im Unionsgebiet verkauft oder ins Unionsgebiet eingeführt werden, grundsätzlich gewährleistet ist und dass die Vorschriften der Union im Bereich des Schutzes der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten vollständig eingehalten werden, da die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann rechtmäßig ist, wenn und soweit der Nutzer dazu seine Einwilligung erteilt hat;

‎41. fordert die Kommission auf, audiovisuelle Mediendienste wegen ihrer Doppelnatur und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung von einer Liberalisierung bei Verhandlungen über internationale Handelsverträge auszunehmen und zugleich wegen der fortschreitenden Digitalisierung und Medienkonvergenz eine dynamische Weiterentwicklung des Begriffs des „audiovisuellen Mediendienstes“ zu gewährleisten;

‎42. fordert die Kommission auf, auch beim künftigen Hybridfernsehangebot die Einhaltung der derzeit geltenden Vorschriften im Bereich des Jugendschutzes, des Verbots jeglicher gesundheitsbezogener Werbung, des Verbots der Anstachelung zum Rassenhass, im Bereich der Trennung zwischen Nachrichten und Werbebotschaften, der Eigentumstransparenz, des Schutzes der Privatsphäre usw. zu gewährleisten, die im Übrigen zum gemeinschaftlichen Besitzstand gehören und nicht unter dem Vorwand der technologischen Entwicklung umgangen werden dürfen; fordert insbesondere dazu auf, Anbieter von Hybridfernsehdiensten und –geräten aus Nicht-EU-Staaten darauf hinzuweisen, dass weiterhin das Recht des Landes gilt, indem der Dienst erbracht wird, und nicht das des Landes, in dem der Anbieter seinen Unternehmenssitz hat;

‎43. fordert die Mitgliedsstaaten bei den Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen dazu auf, die Kürzung der Mittel der Generaldirektion für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien (GD Connect, CNECT) für die Weiterentwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur von den ursprünglich vorgeschlagenen 9,2 Mrd. Euro auf 1 Mrd. Euro zu überdenken;

‎44. fordert die Kommission auf, wichtige Fragen des Zuschauerschutzes, wie den Schutz Minderjähriger, gebührend zu berücksichtigen, und vertritt die Ansicht, dass elektronische Programmführer eine mögliche Plattform darstellen könnten, um sich mit diesen Fragen zu befassen;

‎45. bedauert, dass es immer noch weite Gebiete in Europa mit eingeschränkter Internet-Infrastruktur gibt, und erinnert die Kommission daran, dass der Zugang der Verbraucher zum Hochgeschwindigkeits-Internet für die Erschließung des Potenzials des Connected TV unerlässlich ist;

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o        o

46. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

  • [1]  ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 11 und 10.
  • [2]  ABl. C 340 vom 10.11.1997, S. 109.
  • [3]  ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1, Berichtigung ABl. L 263 vom 6.10.2010, S. 15.
  • [4]  ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 33.
  • [5]  ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37.
  • [6]  ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51.
  • [7]  ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 11.
  • [8]  ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 7.
  • [9]  ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37.
  • [10]  ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 21.
  • [11]  ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 37.
  • [12]  ABl. L 204 vom 21.07.1998, S. 37.
  • [13]  ABl. L 178 vom 17.07.2000, S. 1.
  • [14]  ABl. L 201 vom 31.07.2002, S. 37.
  • [15]  ABl. L 337 vom 18.12.2009, S. 11.
  • [16]  ABl. C 257 vom 27.10.2009, S. 1.
  • [17]  ABl. L 270 vom 07.10.1998, S. 48.
  • [18]  ABl. C 236 E vom 12.8.2011, S. 24.
  • [19]  ABl. C 257 vom 27.10.2009, S. 1.

BEGRÜNDUNG

Auf den ersten Blick scheint es, als ob es beim Connected TV um rein technische Fragen geht. Im Kern aber geht es um die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Auffindbarkeit von Medieninhalten sowie um die Frage, ob und wenn ja mit welchem Instrumentarium Medienangebote in einer konvergenten Welt unterschiedlich behandelt werden können. Medien verfügen über einen Doppelcharakter, sie sind Waren, aber sie sind vor allem Kulturgut und als solches haben sie eine besondere gesellschaftspolitische Bedeutung. Die Vielfalt der Medien, die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit tragen im Wesentlichen zum Funktionieren unserer demokratischen Gesellschaften bei. Medien haben Aufklärungs-, Informations-, Unterhaltungs- und Wächterfunktion. Dies ist der wesentliche Grund, warum in der EU und in den Mitgliedstaaten Medienpolitik nicht allein dem Wettbewerbs- und / oder Wirtschaftsrecht zugeordnet ist, sondern eigenständige Regulierungen bestehen, die genau diesem besonderen Charakter und der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung Rechnung trägt. Daran wird die Konvergenz der Technik, die mit dem Connected TV ihren bisherigen Höhepunkt erreicht, nichts ändern.

Connected TV ist ein wichtiger technologischer Schritt auf dem Weg der Medienkonvergenz, der die Qualität besitzt, wichtige medienregulatorische Entscheidungen in Frage zu stellen. Man hat sich seinerzeit in der Audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie dazu entschieden, lineare Dienste einem engmaschigen Regulierungssystem zu unterwerfen, nicht-lineare Dienste jedoch weniger restriktiv zu behandeln. Begründet wurde dies u. a. mit einer unterschiedlichen gesellschaftlichen Wirkung der Dienste. In allen Mitgliedstaaten wird den linearen Angeboten öffentlich-rechtlicher und privater Fernsehsender neben ihrer massenmedialen Wirkung auch eine herausgehobene gesellschaftspolitische Bedeutung beigemessen, die vielerorts gesetzlich abgesichert ist. Trotz der technologischen Verschmelzung hat sich weder an der Massenattraktivität des Fernsehens noch an seiner gesellschaftspolitischen Bedeutung bisher etwas geändert. Weil man nach wie vor den linearen Medien einen breiteren Wirkungskreis zumisst, müssen sie sich strengen ordnungspolitischen Vorgaben unterordnen. Diese bislang sinnvolle Differenzierung, die in der abgestuften Regelungsdichte der AVMD-Richtlinie ihren Ausdruck findet, stößt vor allem im Zuge der Entwicklung des Connected TV zunehmend an ihre Grenzen oder wirft zumindest eine Reihe von Fragen und Problemen auf, die es medienregulatorisch zu lösen gilt.

Ein Hybrid-Endgerät verschafft seinem Nutzer sowohl Zugang zu klassischen Fernsehprogrammen als auch zum Internet. Unabhängig von ihrem jeweiligen technischen Verbreitungsweg ist langfristig ist eine nahezu vollständige Konvergenz der Medien zu erwarten. Auf ein- und demselben Bildschirm werden Dienste zusammengestellt, die mit einem stark divergierenden Regulierungsgrad unterschiedlichen Regelungen unterworfen sind, nämlich:

· lineare audiovisuelle Mediendienste,

· nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste,

· audiovisuelle Dienste, die nicht in den Anwendungsbereich der AVMD-RL fallen, aber anderen europäischen Regelungen unterliegen;

· Mediendienste, die keinen europäischen Regelungen unterliegen;

· Dienste, deren Einordnung nach wie vor strittig ist.

Von „Connected TV“ spricht man regelmäßig dann, wenn das Gerät selbst sowohl klassisches lineares Programm wie auch Angebote aus dem Internet empfangen und auf dem Bildschirm darstellen kann. Darüber hinaus handelt es sich auch dann um ein Hybrid-Endgerät, wenn das Fernsehgerät selbst zwar nicht internetfähig ist, aber an ein weiteres Gerät mit einer Verbindung zum Internet angeschlossen ist (z.B. Blu-Ray-Player, Spielkonsole, Digitalreceiver / Set-Top-Box).

Da Angebote des Internets regelmäßig für den Fernsehbildschirm aufbereitet werden müssen, bieten solche hybriden Geräte bislang nur vereinzelt einen universellen Internetzugang an. Der Wechsel vom konventionellen Fernsehprogramm hin zu Internetinhalten wird auf dem Bildschirm über eine Portalseite bzw. mittels „Widgets“, in Aussehen und Funktionalität vergleichbar mit den Smartphone-Apps, ermöglicht, die auf einer Plattform abrufbar sind und sich über das Fernsehbild legen (overlay) oder in einem getrennten Fenster neben dem verkleinerten Fernsehbild (split-screen) sichtbar sind. Ein Navigieren erfolgt mittels der Fernbedienung, kann aber auch mit dem Smartphone oder einem Tablet erfolgen. Angebote klassischer Rundfunkveranstalter, linear wie non-linear, Angebote auf Abruf, webTV und für Connected TV aufbereitete Inhalte aus dem Internet werden also für den Nutzer nicht mehr über zugewiesene Programmplätze auffindbar, die sich bislang relativ leicht vom Nutzer selbst ändern lassen, sondern über eine Art Startseite. Die Fülle der angebotenen Inhalte lässt die Auffindbarkeit und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten zu einer der zentralen Fragen des Connected TV werden. Derjenige, der eine Plattform herstellt und / oder ein Portal betreibt, trifft eine Vorauswahl, welche Angebote verfügbar sind und vor allem, ob und in welcher Weise sie priorisiert sind, und er entscheidet allein über die Technologie, mit der dies realisiert wird. Im Ergebnis kontrolliert damit der Plattformanbieter, Portalbetreiber oder der Gerätehersteller (alle drei Funktionen können durch ein- und dasselbe Unternehmen kumuliert wahrgenommen werden) den Zugang zu meinungsrelevanten Inhalten. Damit erlangen die Plattformbetreiber und Gerätehersteller eine Gatekeeperposition in bislang ungekanntem Ausmaß, die zurzeit von keiner Medienregulierung erfasst wird. Es erscheint daher zwingend notwendig, vor allem die AVMD-Richtlinie an diese neuen Gegebenheiten anzupassen, da es ansonsten zu einer Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt sowie der Informationsfreiheit kommen kann. Die starke Stellung der Gerätehersteller und Plattformbetreiber kann auch für eine weitere, rasche Marktentwicklung von Hybridangeboten hinderlich sein, da der Gerätehersteller die marktlichen und technologischen Konditionen bestimmt, nach denen ein Angebot auf einer von ihm betriebenen Plattform erscheint. Ein freier und fairer Wettbewerb der Dienste und Angebote ist aber nur auf der Basis einheitlicher Wettbewerbsbedingungen, hier also eines einheitlichen technologischen, offenen und an den Marktbedürfnissen orientierten interoperablen Systems, sowohl mit Blick auf den Providermarkt (Kabelnetze, PayTV, IPTV) als auch auf den Endgerätemarkt möglich.

Die Sicherstellung der Auffindbarkeit und Zugänglichkeit von Angeboten wird sich zur zentralen Frage der Vielfaltsicherung entwickeln. Entsprechend ist das bisherige System der AVMD-RL fortzuentwickeln, da hier noch davon ausgegangen wird, dass nur Wenige die notwendigen Ressourcen besitzen, um massenmedial eine Wirkung zu erzielen. Diese knappen Ressourcen wurden, zumindest bezogen auf den klassischen Rundfunk, einem Lizenzierungssystem unterstellt. Die Digitalisierung der Inhalte hat diese Knappheit jedoch beendet, da nun Daten unabhängig von ihrer Art, als Text, Bewegtbild oder Ton (oder als Kombination hiervon) in bester Qualität jederzeit über das Internet verfügbar sind. Dem Nutzer ist zunehmend gleichgültig, auf welchem technischen Weg ihn ein Inhalt erreicht. Er kann ihn orts- und zeitunabhängig nutzen, wenngleich er (teilweise unbewusst) je nach Anbieter unterschiedliche Erwartungen an die Qualität des Inhalts und an die Qualität der Präsentation legt.

Eine moderne Medienregulierung muss künftig anerkennen, dass sich die Knappheit nicht mehr auf Übertragungswege, sondern auf die Orte der Auffindbarkeit bezieht.

Bestehende „Must-Carry-Regelungen“ müssen durch „Must-be-found-Regelungen" ergänzt werden. Denjenigen Inhalteanbietern sollte eine angemessene Vorrangstellung bei der Auffindbarkeit auf hybriden Plattformen (einschließlich Portalen, Startseiten und EPGs) eingeräumt werden, denen die Mitgliedstaaten entweder einen öffentlichen Auftrag zuweisen oder die einen Beitrag zur Förderung von Zielen im allgemeinen Interesse wie der Sicherung des Medienpluralismus und der kulturellen Vielfalt leisten oder sich selbst Pflichten auferlegen, die der Qualität und Unabhängigkeit der Berichterstattung sowie der Förderung der Meinungsvielfalt dienlich sind. Wer also den strengeren Regeln für lineare und non-lineare Mediendienste der AVMD-Richtlinie unterworfen ist oder sich diesen freiwillig unterstellt, soll die Möglichkeit eines prominenteren Platzes auf Plattformen erhalten. Nachgedacht werden sollte außerdem über neue Formen von Anreizsystemen.

Es ist auf angemessene Kräfteverhältnisse der Marktbeteiligten, speziell der Gerätehersteller und der Inhalteanbieter, hinzuwirken, insbesondere im Fall integrierter Angebote. Ebenso ist zu verhindern, dass sich einzelne Inhalteanbieter bei der Verbreitung ihrer Inhalte einen unlauteren Vorteil verschaffen können.

Es wird eine Weiterentwicklung der AVMD-RL für notwendig erachtet, die die Betreiber hybrider Portale und Plattformen in ihren Regelungsbereich umfassend mit einbezieht. Wer maßgeblich die Angebots- und Meinungsvielfalt, die einen Endnutzer erreicht, mitbestimmt, soll auch den Regulierungen zur Sicherung dieser Angebots- und Meinungsvielfalt unterliegen.

Es ist sicherzustellen, dass Geräte, Plattformen und Portale auf der Basis eines offenen, nicht-proprietären und interoperablen Standards konzipiert werden. Nur so kann ein diskriminierungsfreier und technologieneutraler Zugang aller Inhalte gewährleistet werden.

Die neuen technischen Möglichkeiten des Connected TV machen es außerdem erforderlich, die Integrität der Inhalte zu schützen. Die Überlagerung von Angeboten mit Drittinhalten ist zu untersagen, soweit diese nicht vom Inhalteanbieter autorisiert und vom Nutzer ausdrücklich initiiert wurde.

Connected TV berührt auch datenschutzrechtliche Belange. Diese müssen sowohl bei der Entwicklung von Hybridgeräten (sog. "privacy by design") als auch den im Gerät vorgesehenen Standardeinstellungen (sog. "privacy by default") berücksichtigt werden und betreffen insbesondere den Grundsatz der Datensparsamkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Zweckbindung. Eine vollständige Datentransparenz in Bezug auf die Erhebung, Verarbeitung, Nutzung und Weitergabe von Daten ist sicherzustellen. Personenbezogenen Daten dürfen ohne ausdrückliche Einwilligung des Nutzers nur erhoben und genutzt werden, soweit diese erforderlich sind, um die Inanspruchnahme eines Angebots zu ermöglichen und abzurechnen.

Die anonyme Mediennutzung muss auch künftig unproblematisch möglich sein und als Regelfall angesehen werden. Eine Analyse des Nutzerverhaltens und die Bildung eines Nutzerprofils unter Verwendung vollständiger IP-Adressen (inkl. einer Geo-Lokalisierung) darf nur mit bewusster, eindeutiger Einwilligung (opt-in) des Nutzers erfolgen. Dies ist gesetzlich abzusichern.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

28.5.2013

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

24

4

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Zoltán Bagó, Lothar Bisky, Piotr Borys, Jean-Marie Cavada, Silvia Costa, Santiago Fisas Ayxela, Lorenzo Fontana, Cătălin Sorin Ivan, Petra Kammerevert, Emilio Menéndez del Valle, Marek Henryk Migalski, Katarína Neveďalová, Doris Pack, Chrysoula Paliadeli, Marie-Thérèse Sanchez-Schmid, Marietje Schaake, Marco Scurria, Hannu Takkula, László Tőkés, Marie-Christine Vergiat, Milan Zver

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Liam Aylward, Heinz K. Becker, Nadja Hirsch, Iosif Matula, Georgios Papanikolaou, Olga Sehnalová, Rui Tavares, Isabelle Thomas

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Luigi Berlinguer, Marina Yannakoudakis