BERICHT über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Einführung des Euro in Lettland am 1. Januar 2014

25.6.2013 - (COM(2013)0345 – C7‑0183/2013 – 2013/0190(NLE)) - *

Ausschuss für Wirtschaft und Währung
Berichterstatter: Burkhard Balz


Verfahren : 2013/0190(NLE)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0237/2013
Eingereichte Texte :
A7-0237/2013
Aussprachen :
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER LEGISLATIVEN ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Einführung des Euro in Lettland am 1. Januar 2014

(COM(2013)0345 – C7‑0183/2013 – 2013/0190(NLE))

(Konsultation)

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Vorschlags der Kommission für einen Beschluss des Rates (COM(2013)0345),

–   in Kenntnis des Konvergenzberichts 2013 der Kommission zu Lettland (COM(2013)0341) und des Konvergenzberichts der Europäischen Zentralbank zu Lettland vom Juni 2013,

   in Kenntnis der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zum Konvergenzbericht 2013 zu Lettland (SWD(2013)0196),

   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 1. Juni 2006 zu der Erweiterung des Eurogebiets[1],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Juni 2007 zur Verbesserung der Methode zur Anhörung des Europäischen Parlaments bei Verfahren zur Erweiterung der Euro-Zone[2],

–   gestützt auf Artikel 140 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat konsultiert wurde (C7-0183/2013),

–   gestützt auf Artikel 83 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A7-0237/2013),

A. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 140 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz vorgesehen ist, indem alle Mitgliedstaaten folgende Kriterien erfüllen: Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand; Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus und Dauerhaftigkeit der vom Mitgliedstaat erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt (Maastricht-Kriterien);

B.  in der Erwägung, dass Lettland die in Artikel 140 AEUV und in dem Protokoll Nr. 13 über die Konvergenzkriterien im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum AEUV festgelegten Maastricht-Kriterien erfüllt,

C. in der Erwägung, dass der Berichterstatter Lettland einen Besuch abgestattet hat, um dessen Bereitschaft für einen Beitritt zum Euro-Währungsgebiet zu prüfen,

D. in der Erwägung, dass die Bevölkerung Lettlands außergewöhnliche Anstrengungen unternommen hat, um die Finanzkrise zu überwinden und wieder zu Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum zurückzufinden;

1.  billigt den Vorschlag der Kommission;

2.  befürwortet die Einführung des Euro durch Lettland am 1. Januar 2014;

3.  stellt fest, dass die Bewertung der Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise vorgenommen wurde, durch die die Aussichten auf nominale Konvergenz vieler anderer Mitgliedstaaten beeinträchtigt wurden und insbesondere eine beträchtliche Abwärtsbewegung der Inflationsraten ausgelöst wurde;

4.  stellt insbesondere fest, dass die weltweite Finanzkrise Lettland in Bezug auf Armut, Arbeitslosigkeit und demografische Entwicklung hart getroffen hat; fordert Lettland und seine Partner in der Union mit Nachdruck auf, strenge makroprudentielle Normen festzusetzen, mit denen nicht tragfähige Tendenzen bei den Kapitalflüssen und der Zunahme des Kreditvolumens, wie sie im Vorfeld der Krise zu verzeichnen waren, verhindert werden;

5.  stellt fest, dass Lettland die Kriterien infolge der entschlossenen, glaubwürdigen und nachhaltigen Anstrengungen erfüllt, die von der Regierung Lettlands und der lettischen Bevölkerung unternommen wurden; weist darauf hin, dass die Tragfähigkeit der makroökonomischen und finanziellen Situation insgesamt von der Umsetzung ausgewogener und weitreichender Reformen abhängt, die darauf abzielen, Disziplin mit Solidarität und nachhaltigen langfristigen Investitionen nicht nur in Lettland, sondern in der Wirtschafts- und Währungsunion insgesamt zu verbinden.

6. stellt fest, dass die EZB in ihrem Konvergenzbericht 2013 einige Bedenken in Bezug auf die langfristige Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Konvergenz Lettlands äußerte; hebt insbesondere folgende darin enthaltenen Erklärungen und Empfehlungen hervor:

−     mit dem Beitritt zu einer Währungsunion müssen Instrumente der Geld- und Wechselkurspolitik aufgegeben werden, während die interne Flexibilität und Widerstandsfähigkeit an Bedeutung gewinnen; die Behörden sollten daher über die seit 2009 erzielten Fortschritte hinaus Möglichkeiten zur weiteren Stärkung der ihnen zur Verfügung stehenden alternativen antizyklischen Instrumente in Erwägung ziehen;

−     Lettland muss den eingeschlagenen Kurs einer umfassenden Konsolidierung der öffentlichen Finanzen im Einklang mit den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts weiter verfolgen und ein finanzpolitisches Regelwerk in Kraft setzen und einhalten, das dazu beiträgt, in Zukunft eine Rückkehr zu prozyklischen Maßnahmen zu verhindern.

−     sowohl die Notwendigkeit eines stärkeren institutionellen Rahmens als auch die Tatsache, dass in Lettland Schätzungen zufolge nach wie vor eine relativ große, wenn auch nachlassende schattenwirtschaftliche Aktivität existiert, führen nicht nur zu Einbußen bei den staatlichen Einnahmen, sondern auch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs, einer Schädigung der Wettbewerbsfähigkeit Lettlands und einer geringeren Attraktivität des Landes als Ziel für ausländische Direktinvestitionen und hemmen somit die längerfristige Investitionstätigkeit und Produktivität; ist der Auffassung, dass diese Bedenken ernst genommen werden müssen, vor allem, wenn die derzeitigen Tendenzen im Hinblick auf Inflation und Finanzströme umgekehrt werden; vertritt jedoch die Ansicht, dass diese Bedenken nichts an der insgesamt positiven Bewertung der Einführung des Euro durch Lettland ändern;

7.  fordert die lettische Regierung auf, ihre umsichtige Fiskalpolitik zusammen mit ihren insgesamt stabilitätsorientierten Maßnahmen fortzusetzen, indem mögliche künftige makroökonomische Ungleichgewichte und Risiken für die Preisstabilität antizipiert und die Ungleichgewichte behoben werden, die von der Kommission im Rahmen des Warnmechanismus-Berichts festgestellt worden sind; stellt fest, dass die Preisstabilität in Lettland stark von der Entwicklung der Rohstoffpreise abhängt, was auf die geringe Energieeffizienz und den hohen Anteil zurückzuführen ist, den Energieimporte aus einer einzigen Quelle an der Zusammensetzung des Verbraucherkorbs ausmachen; fordert die Regierung Lettlands auf, in dieser Hinsicht Verbesserungen zu erzielen und ihre allgemeinen Anstrengungen zur Verwirklichung der im Rahmen der Strategie EU 2020 festgelegten nationalen Ziele zu intensivieren;

8.  zeigt sich besorgt angesichts der derzeit geringen Unterstützung der lettischen Bürger für die Einführung des Euro; fordert die lettische Regierung und die lettischen Behörden auf, aktiver mit der lettischen Bevölkerung zu kommunizieren, um für mehr öffentliche Unterstützung für die Einführung des Euro zu sorgen; fordert die lettische Regierung und die lettischen Behörden auf, ihre Informations- und Kommunikationskampagne mit dem Ziel fortzusetzen, alle lettischen Bürger zu erreichen;

9.  fordert die lettische Regierung auf, strukturelle Mängel auf dem Arbeitsmarkt durch angemessene Struktur- und Bildungsreformen zu beheben; fordert die lettische Regierung insbesondere auf, gegen das Ausmaß der Armut und die steigende Ungleichheit bei der Verteilung der Einkommen vorzugehen;

10. erkennt die Stabilität des lettischen Bankensektors während der vergangenen drei Jahre an; weist jedoch darauf hin, dass das Geschäftsmodell der Banken in der ersten Phase der weltweiten Finanzkrise vor großen Herausforderungen stand; betont, dass der Niedergang des lettischen Finanzsystems damals nur durch die Rettungsmaßnahmen der EU und des IWF verhindert werden konnte; begrüßt die jüngsten Reformen, mit denen für eine strengere Regulierung von lettischen Banken, die im Geschäft mit Einlagen Gebietsfremder tätig sind, gesorgt werden soll; fordert die lettische Regierung auf, weiterhin für eine strikte Aufsicht über diese Banken und die Umsetzung angemessener zusätzlicher Risikomanagementmaßnahmen zu sorgen; fordert die lettischen Behörden ferner auf, weiterhin Vorsicht walten zu lassen, was mögliche Missverhältnisse zwischen den Vermögenswerten von Banken und der Fälligkeit von Verbindlichkeiten angeht, die als eine Gefahr für die Finanzstabilität angesehen werden können;

11. fordert die lettische Regierung auf, den derzeitigen Kurs bei den praktischen Vorbereitungen aufrechtzuerhalten, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen; fordert die lettische Regierung auf, durch angemessene Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Einführung des Euro nicht für versteckte Preiserhöhungen genutzt wird;

12. fordert den Rat auf, das Parlament zu unterrichten, falls er beabsichtigt, von dem vom Parlament gebilligten Text abzuweichen;

13. bedauert die äußerst knappe Frist, die dem Parlament eingeräumt wurde, um seine Stellungnahme im Einklang mit Artikel 140 AEUV abzugeben; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten, die die Einführung des Euro planen, auf, eine angemessenere Frist vorzusehen, damit das Parlament eine Stellungnahme auf der Grundlage einer eingehenderen und umfassenderen Debatte abgeben kann;

14. fordert den Rat auf, das Parlament erneut zu konsultieren, falls er beabsichtigt, den Vorschlag der Kommission entscheidend zu ändern;

15. beauftragt seinen Präsidenten, den Standpunkt des Parlaments dem Rat, der Kommission, der Europäischen Zentralbank, der Eurogruppe und den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

  • [1]     ABl. C 298E vom 8.12.2006, S. 249.
  • [2]     ABl. C 146E vom 12.6.2008, S. 251.

BEGRÜNDUNG

Am 4. März 2013 beantragte Lettland nach Artikel 140 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einen Konvergenzbericht. Die Kriterien für die Einführung des Euros durch Lettland am 1. Januar 2014 sind in Artikel 140 Absatz 1 AEUV festgelegt.

Lettland ist derzeit ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, und daher nicht Mitglied des Euro-Währungsgebiets.

Nach Artikel 140 Absatz 2 AEUV beschließt der Rat auf Grundlage der Berichte der Kommission und der EZB und nach Anhörung des Europäischen Parlaments auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit, welche Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, die auf den Kriterien des Absatzes 1 beruhenden Voraussetzungen erfüllen, und hebt die Ausnahmeregelungen für die betreffenden Mitgliedstaaten auf.

Am 5. Juni 2013 schlug die Kommission in ihrem Konvergenzbericht vor, dass Lettland den Euro am 1. Januar 2014 einführt.

Das Europäische Parlament muss den Konvergenzbericht und den dazugehörigen Legislativvorschlag prüfen und eine Stellungnahme abgeben. Trotz einiger Bedenken in Einzelfragen empfiehlt der Berichterstatter, dass die Ausnahmeregelung mit Wirkung ab 1. Januar 2014 aufgehoben wird.

Zur Einhaltung der Konvergenzkriterien nach Artikel 140 Absatz 1 AEUV stellt der Berichterstatter fest:

1.        Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit Artikel 130 und Artikel 131 sowie der Satzung der EZB

Durch die Änderungen des Gesetzes über die Latvijas Banka (Bank von Lettland) sowie die Annahme des Gesetzes über die Haushaltsdisziplin und das Gesetz über Einzelheiten zum Übergang zum Euro erfüllt Lettland alle Anforderungen für die Einführung des Euro nach den Verträgen und den Satzungen der EZB und des ESZB.

2.        Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität

Im Referenzzeitraum von Mai 2012 bis April 2013 lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der HVPI-Inflation bei 1,3 % und somit deutlich unter dem Referenzwert von 2,7 %. Neben Schweden und Irland zählt Lettland zu den drei am besten abschneidenden Mitgliedstaaten, die den Inflationsreferenzwert festsetzten. Auch wenn der derzeit sehr geringe HVPI-Inflationswert wahrscheinlich ansteigen wird, wird Lettland in den kommenden Monaten voraussichtlich dennoch unter dem Referenzwert bleiben. Durch eine umsichtige Haushaltspolitik dürfte ein nachhaltiges Niveau der Preisstabilität aufrechtzuerhalten sein.

3.        Eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand

Lettland ist Gegenstand eines Beschlusses des Rates über das Bestehen eines übermäßigen Defizits. Im Referenzjahr 2012 lag das gesamtstaatliche Defizit Lettlands bei 1,2 % des BIP. Die öffentliche Bruttoschuldenquote lag bei 40,7 % des BIP. Unter Berücksichtigung der Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission vom Mai 2013, die ein geschätztes gesamtstaatliches Defizit von 1,2 % des BIP und eine Bruttoschuldenquote von 43,2 % des BIP voraussieht, kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das übermäßige Defizit korrigiert wurde.

3.1      Lettlands Rückzahlungskapazität im Rahmen von Zahlungsbilanzprogrammen

Da die lettische Regierung Vermögenswerte für große Schuldenrückzahlungen an die EU und die Weltbank in den Jahren 2014 und 2015 zurücklegt, dürfte der Schuldenstand 2013 steigen. Die offenen Rückzahlungen im Rahmen des Zahlungsbilanzhilfeprogramms der EU und der Weltbank wurden bei den Prognosen für die Staatsschulden und die Zinszahlungen in den kommenden Jahren berücksichtigt. Sie werden durch Kreditaufnahmen der öffentlichen Hand auf den globalen Finanzmärkten refinanziert, auf denen Lettland derzeit sehr günstige Finanzierungsbedingungen gewährt werden. Dadurch war Ende 2012 eine frühzeitige Rückzahlung einer offenen Verpflichtung gegenüber dem IWF möglich. Fast 60 % dieser Zahlungen wurden vorzeitig geleistet. Da die Rückzahlungen an die EU und die Weltbank 2041/2015 erfolgen, dürfte die öffentliche Bruttoschuldenquote 2014 wieder auf 40 % zurückgehen.

4.        Einhaltung der normalen Schwankungsbandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems seit mindestens zwei Jahren

Der lettische Lats (LVL) nimmt seit dem 2. Mai 2005 am Währungskursmechanismus (WKM II) teil. Die Standardschwankungsbandbreite liegt bei +/- 15 %. Seit Lettland am WKM II teilnimmt, konnte es eine engere Schwankungsbandbreite von nur +/- 1% um den zentralen Leitkurs sicherstellen. In den zwei Jahren, die dieser Bewertung vorausgegangen sind, wich der Wechselkurs des EUR/LVL nicht um mehr als +/- 1 % vom Leitkurs ab. Der Wechselkurs war in den vergangenen zwei Jahren keinen starken Spannungen ausgesetzt.

5.        Dauerhaftigkeit der Konvergenz, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt

Die Entwicklung der langfristigen Zinssätze wird auf der Grundlage von Sekundärmarktrenditen einer Benchmark-Staatsanleihe mit einer Restlaufzeit von knapp 10 Jahren geprüft. Lettland zählt neben Schweden und Irland wiederum zu den drei Referenz-Mitgliedstaaten, die den Referenzwert von 5,5 % festgesetzt haben. Der gleitende Zwölfmonatszinssatz der Rendite auf die lettische Benchmark-Anleihe lag im April 2013 bei 3,8 % und somit deutlich unter dem Referenzwert.

6.        Wirtschaftliche Integration und Konvergenz (Artikel 140 Absatz 1, letzter Abschnitt)

Lettland hat in den letzten Jahrzehnten seit seinem Übergang zur Marktwirtschaft beträchtliche wirtschaftliche Fortschritte erzielt. Wirtschaftsreformen waren hierfür von entscheidender Bedeutung, da sie die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und die Integration in die EU, aber auch die Weltwirtschaft insgesamt, erleichtert haben. Die einzelnen Regierungen Lettlands handelten auch außergewöhnlich stringent, was die Strukturreformen angeht. Die jüngsten Reformen, die 2009−2010 durchgeführt wurden, waren durch beträchtliche Lohnkürzungen und Steuererhöhungen während der Krise geprägt. Diese Sparmaßnahmen waren sehr erfolgreich und führten Lettland aus der Krise. Trotz hoher kurzfristiger Kosten gelang es Lettland, verlässliche politische Maßnahmen umzusetzen, die das Land wieder auf einen stabilen Wachstumskurs brachten. In Bezug auf die Wirtschaftsindikatoren war in den vergangenen Jahren zudem eine ungewöhnlich hohe Unbeständigkeit zu verzeichnen. Als Ergebnis der beträchtlichen Kapitalzuflüsse, die vor allem anhielten, um einen übermäßigen Bau- und Konsumaufschwung zu finanzieren, erreichte das Leistungsbilanzdefizit 2006 ein Rekordtief von -22,5 % des BIP. Dieser Wert wurde in der großen Krise 2009−2010 stark korrigiert und stand 2009 bei +8,6 %. Die Leistungsbilanz wurde seitdem stabilisiert – 2012 wies sie ein schwaches Defizit von -1,7 % auf – und soll Prognosen zufolge stabil bleiben.

Lettland ist durch Handels- und Investitionsbeziehungen gut in die EU-Wirtschaft integriert. Es handelt sich um eine kleine, offene Volkswirtschaft, die seit ihrem EU-Beitritt 2004 Exportmärkte hinzugewonnen und sich dem Handel stärker geöffnet hat. Der Anteil der Ausfuhr von Gütern und Dienstleistungen am BIP ist noch immer niedriger als in den baltischen Nachbarländern. Jedoch nahmen die Handelsintegration in die EU und die Exporte nach Russland, Lettlands wichtigstem Handelspartner außerhalb der EU, rapide zu.

Ehrgeizige wirtschaftliche Reformen begünstigten Lettlands Wettbewerbsfähigkeit. Die Anlaufkosten für Unternehmen wurden gesenkt, die Verfahren für die Registrierung von Eigentum, die Erteilung von Baugenehmigungen und die Einziehung von Steuern wurden vereinfacht und die Insolvenzverfahren gestrafft. Laut dem Bericht der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten für 2012 liegt Lettland in Bezug auf Rahmenbedingungen für Unternehmen über dem EU-Durchschnitt. Lettlands industrielle Wettbewerbsfähigkeit nimmt beständig zu, während bei den Innovationen noch Fortschritte vonnöten sind.

Bei der Umsetzung der Rechtsvorschriften der EU in innerstaatliches Recht erzielte Lettland mit einem Umsetzungsdefizit von 0,4 % im November 2012 eines der besten Ergebnisse in der EU.[1]

7.        Besondere Herausforderungen für Lettland

7.1      Stabilisierung des Finanzsektors

Lettlands Finanzsektor ist vor allem durch seine Verbindungen zu den nordischen Finanzgruppen gut in das EU-Finanzsystem integriert. Der Umfang des lettischen Bankensektors ist im Verhältnis zu den Gesamtvermögenswerten, die sich auf 129 % des BIP belaufen (EU-Durchschnitt: 369 % des BIP), und auch in absoluten Zahlen (28 Mrd. EUR) eher klein. Der Finanzdienstleistungssektor in Lettland hat nur einen Anteil von 3,5 % am BIP.

In Lettland besteht eine lange Tradition, Dienstleistungen für gebietsfremde Bankkunden zu erbringen. Der hohe Anteil an Einlagen Gebietsfremder, der sich 2012 auf 48,9 % belief, kann als eine Besonderheit des lettischen Bankensektors gewertet werden. Laut Angaben des IWF stammen 80−90 % der Einlagen Gebietsfremder von Investoren aus den früheren GUS-Staaten. Geografische, historische und kulturelle Gründe spielen hierbei eine wichtige Rolle. Hierzu zählen vor allem die geografische Nähe zu Russland und die große russischsprechende Minderheit in Lettland.

Auf Banken, die auf Einlagen Gebietsfremder spezialisiert und in diesem Bereich tätig sind, entfällt etwa ein Drittel der Gesamtvermögenswerte des Bankensektors. Diese Banken sind nur in sehr begrenztem Umfang auf dem heimischen Markt tätig, der von Tochtergesellschaften und Filialen großer skandinavischer Banken dominiert wird. Der Anteil von Banken, die auf das Geschäft mit den Einlagen Gebietsfremder spezialisiert sind, am heimischen Kredit- und Einlagenmarkt belief sich Ende 2012 auf 11,2 % bzw. 10,3 %. Der Gesamtnettobeitrag dieses Sektors zur Kapitalbilanz und zu den Devisenreserven ist eher gering.

Um den Risiken Rechnung zu tragen, die mit dem Geschäft für Einlagen Gebietsfremder einhergehen, gelten für die entsprechenden Banken strenge Regulierungsvorschriften. Lettland hat bereits umfassende Maßnahmen, wie etwa höhere Kapital- und Liquiditätsquoten für diese Banken, umgesetzt. Des Weiteren wird mit so genannten Liquiditäts-Stresstests sichergestellt, dass jede Bank einen Abfluss von bis zu 50 % der Einlagen Gebietsfremder überstehen könnte, ohne auf andere Finanzierungsquellen zurückgreifen zu müssen. Der Finanz- und Kapitalmarktausschuss überwacht Banken, die auf Einlagen Gebietsfremder spezialisiert sind, sehr aufmerksam und sorgt für eine strenge Aufsicht, worunter auch interne Verfahren, die Qualität der Aktiva und Korrespondentenkonten fallen.

Zwar erfüllt Lettland die internationalen Vorschriften über die Bekämpfung der Geldwäsche weitgehend, jedoch muss unbedingt für eine entschiedene und wirksame Umsetzung dieser Standards gesorgt werden.

7.2      Geringe öffentliche Unterstützung für den Zeitplan für die Einführung des Euro

Im Fall von Lettland bleibt die geringe bis mäßige öffentliche Unterstützung für die Einführung des Euro eine Hauptsorge. Laut einer Eurobarometer-Umfrage von 2012 befürchten die Letten vor allem einen möglichen Verlust der nationalen Identität, einen Verlust der Kontrolle über die nationalen Finanzen und eine missbräuchliche Preisbildung während des Übergangs zum Euro. Außerdem kritisieren fast alle Gesellschaftskreise die mangelnde Kommunikation seitens der Regierung und der Behörden. Es wurden zwar umfassende Informations- und Kommunikationskampagnen gestartet, die aber große Teile der Bevölkerung nicht erreichten.

Im Parlament stimmte die Opposition gegen die Einführung des Euro, da weder die lettische Wirtschaft noch die Bevölkerung reif hierfür seien und die derzeitige Situation des Euro-Währungsraums nicht günstig sei. Daher besteht in der lettischen Gesellschaft weiterhin Unsicherheit darüber, ob der Zeitpunkt für die Einführung des Euro geeignet ist.

Umfragedaten vom Februar 2013 (TNS) zeigen, dass 63 % der befragten lettischen Bürger gegenüber dem Euro entweder sehr negativ oder eher negativ eingestellt sind, während 33 % eine sehr positive oder eher positive Einstellung haben. Aktuelle Umfragen deuten jedoch darauf hin, dass der Anteil der sehr negativen Meinungen leicht rückläufig ist. Es ist von größter Bedeutung, dass sich die Regierung und die Behörden Lettlands weiter darum bemühen, die Öffentlichkeit zu informieren und in eine konstruktive Debatte über die Einführung des Euro einzubeziehen.

           7.3      Der lettische Arbeitsmarkt

Eine andere Herausforderung besteht auch weiterhin in der Langzeitarbeitslosigkeit. Der Arbeitsmarkt zeichnete sich während der Krise durch große Flexibilität aus. Jedoch stellten die Arbeitssuchenden in dieser Zeit ein hohes Maß an Mobilität innerhalb der EU unter Beweis, was zu einem Anstieg der Emigration und zu einem beträchtlichen Abfluss wertvoller Arbeitskraft führte. Durch die Erholung der Wirtschaft und die andauernde Schaffung von Arbeitsplätzen ging die Emigration 2012 zurück. Dank der hohen Wachstumsraten gingen die Arbeitslosenzahlen langsam von ihrem Höchststand von 19,8 % im Jahr 2010 auf 14,9 % im Jahr 2012 zurück. Die strukturbedingte Arbeitslosigkeit bleibt vor allem aufgrund regionaler Unterschiede und des Missverhältnisses zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage in bestimmten Segmenten des Arbeitsmarktes hoch. Die Funktionsweise des Arbeitsmarkts muss weiterhin unbedingt verbessert werden, um einen anhaltenden Verlust an Produktionspotenzial und übermäßige Lohnangleichungen zu vermeiden. Die strukturellen Defizite auf dem Arbeitsmarkt müssen durch eine aktive Arbeitsmarktpolitik und Bildungsreformen behoben werden.

8.        Anmerkung zur Konsultation des Europäischen Parlaments

In der Vergangenheit wurden dem Europäischen Parlament bei Verfahren zur Einführung des Euro bei der förmlichen Konsultation oft inakzeptabel kurze Fristen auferlegt.

Die förmliche Zeitspanne, die dieses Mal zwischen der Veröffentlichung des Konvergenzberichts am 5. Juni und der erforderlichen Konsultation des Parlaments während der Plenartagung vom 1. bis 4. Juli liegt, ist erneut unzureichend. Der dicht gedrängte Zeitplan für das Verfahren des Parlaments ermöglicht es weder, Übersetzungen des Berichtentwurfs zu erstellen (was zu einem ausschließlich in englischer Sprache geführtem Verfahren führt), noch eine ausreichend gründliche und eingehende Prüfung des Konvergenzberichts vorzunehmen.

Da diese Herausforderungen vorausgesehen wurden, begannen der ECON-Ausschuss und der Berichterstatter ihre Arbeit frühzeitig, indem sie bereits im Februar 2013 eine Anhörung der lettischen Behörden (des Finanzministers und des Direktors der Zentralbank) ansetzten. Im Mai wurden vertrauliche Konsultationen mit der Kommission und der EZB durchgeführt. Zudem besuchte der Berichterstatter vom 29.−30. Mai Riga, um sich einen direkten Eindruck zu verschaffen. Der Berichterstatter traf nicht nur mit Regierungsbeamten zusammen, sondern auch mit Vertretern der Zentralbank, der Finanzaufsicht und des Finanzsektors sowie mit Sozialpartnern, Vertretern von Bürgerinitiativen und der Opposition, die der Einführung des Euro eher skeptisch gegenüberstehen.

Trotz der vorstehend genannten Herausforderungen beweist das Parlament durch seine Eigeninitiative und sein frühzeitiges Tätigwerden erneut, dass es ein verlässlicher Partner ist, wenn es um schnelle Beschlussfassungen in der EU geht.

  • [1]  Siehe 29. Jahresbericht der Kommission über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts (COM(2012) 714), http://ec.europa.eu/eu_law/infringements/infringements_annual_report_29_de.htm.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

24.6.2013

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

35

1

2

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Burkhard Balz, Elena Băsescu, Jean-Paul Besset, Sharon Bowles, George Sabin Cutaş, Leonardo Domenici, Derk Jan Eppink, Diogo Feio, Markus Ferber, Ildikó Gáll-Pelcz, Jean-Paul Gauzès, Sven Giegold, Liem Hoang Ngoc, Gunnar Hökmark, Syed Kamall, Philippe Lamberts, Werner Langen, Astrid Lulling, Hans-Peter Martin, Marlene Mizzi, Sławomir Nitras, Anni Podimata, Antolín Sánchez Presedo, Peter Simon, Peter Skinner, Ivo Strejček, Kay Swinburne, Sampo Terho, Marianne Thyssen

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Bastiaan Belder, Philippe De Backer, Saïd El Khadraoui, Sari Essayah, Sophia in ‘t Veld, Krišjānis Kariņš, Olle Ludvigsson, Catherine Stihler

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Luís Paulo Alves