BERICHT über die Rolle der Eigentumsrechte, des Grundbesitzes und der Schaffung von Wohlstand im Hinblick auf die Beseitigung von Armut und die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungsländern
17.2.2014 - (2013/2026(INI))
Entwicklungsausschuss
Berichterstatter: Nirj Deva
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zu der Rolle der Eigentumsrechte, des Grundbesitzes und der Schaffung von Wohlstand im Hinblick auf die Beseitigung von Armut und die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungsländern
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen betreffend das Recht auf Eigentum,
– unter Hinweis auf die Millenniums-Erklärung vom 8. September 2000, in der die Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) dargelegt werden, insbesondere auf die Ziele 1, 3 und 7,
– unter Hinweis auf die am 20. Dezember 2005 unterzeichnete gemeinsame Erklärung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der Kommission zur Entwicklungspolitik der Europäischen Union mit dem Titel „Der Europäische Konsens“, insbesondere auf die Ziffern 11 und 92,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 19. Oktober 2004 mit dem Titel „EU-Leitlinien für die Unterstützung bei der Planung und Reform der Bodenpolitik in Entwicklungsländern“ (COM(2004)0686),
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 31. März 2010 mit dem Titel „EU-Politikrahmen zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Verbesserung der Ernährungssicherheit“ (COM(2010)0127),
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 13. Oktober 2011 mit dem Titel „Für eine EU-Entwicklungspolitik mit größerer Wirkung: Agenda für den Wandel“ (COM(2011)0637),
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 27. Februar 2013 mit dem Titel „Ein menschenwürdiges Leben für alle: Beseitigung der Armut und Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für die Welt“ (COM(2013)0092),
– unter Hinweis auf die von der Kommission im November 2004 verabschiedeten „EU-Leitlinien zur Bodenpolitik: Leitlinien für die Unterstützung bei der Planung und Reform der Bodenpolitik in Entwicklungsländern“,
– unter Hinweis auf die Studie des Programms der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-Habitat) aus dem Jahr 2008 mit dem Titel „Secure Land Rights for All“ (Gesicherte Landrechte für alle) und den Leitfaden desselben Programms mit dem Titel „How to Develop a Pro-Poor Land Policy: Process, Guide and Lessons“ (Gestaltung einer Raumordnungspolitik zugunsten armer Menschen: Verfahren, Anleitung und Lehren),
– unter Hinweis auf den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über das Recht auf Nahrung, Olivier De Schutter, vom 11. Juni 2009 mit dem Titel „Large-scale land acquisitions and leases: A set of core principles and measures to address the human rights challenge“ (Landerwerb und ‑verpachtung im großen Stil: wichtige Grundsätze und Maßnahmen zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit den Menschenrechten),
– unter Hinweis auf die im Jahr 2009 in Nairobi (Kenia) angenommene Erklärung mit dem Titel „Urbanization challenges and poverty reduction in African, Caribbean and Pacific countries“ (Die Herausforderungen der Urbanisierung und die Verringerung der Armut in Staaten Afrikas, des Karibischen Raums und des Pazifischens Ozeans),
– unter Hinweis auf die 2010 in Rom auf dem Weltgipfel zur Ernährungssicherheit angenommene Erklärung,
– unter Hinweis auf die Erklärung mit dem Titel „Making slums history: A worldwide challenge for 2020“ (Slums überwinden: eine globale Herausforderung für 2020), die auf der internationalen Konferenz vom 26. bis 28. November 2012 in Rabat (Marokko) angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung zur nachhaltigen Urbanisierung im Rahmen der Bekämpfung der urbanen Armut, die auf der zweiten Dreierkonferenz UN-Habitat – AKP – Europäische Kommission vom 3. bis 6. September 2013 in Kigali (Ruanda) angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker und das Übereinkommen (Nr. 169) der Internationalen Arbeitsorganisation über eingeborene und in Stämmen lebende Völker aus dem Jahr 1989,
– unter Hinweis auf die Prinzipien für verantwortliche Investitionen in die Landwirtschaft, welche die Menschenrechte, die Lebensgrundlagen und die Ressourcen achten (RAI-Prinzipien), die freiwilligen Leitlinien der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) für die verantwortungsvolle Regelung der Nutzungs- und Besitzrechte an Land, Fischgründen und Wäldern im Kontext der nationalen Ernährungssicherheit und den Rahmen sowie die Leitlinien der Afrikanischen Union zur Bodenpolitik in Afrika (ALPFG),
– unter Hinweis auf die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe zur Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015, in denen angeregt wird, die Verwaltung der landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse für Frauen und Männer als Ziel aufzunehmen und anzuerkennen, dass Frauen und Mädchen unter anderem das gleiche Recht auf den Besitz von Land und von anderen Vermögensgegenständen haben müssen,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 27. September 2011 zu einem Rahmen für die Politik der Europäischen Union zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Verbesserung der Ernährungssicherheit[1],
– gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,
– in Kenntnis des Berichts des Entwicklungsausschusses und der Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A7‑0118/2014),
A. in der Erwägung, dass Eigentumsrechte als die Regelungen definiert werden können, mit denen die Bedingungen festgelegt sind, zu denen einzelne Interessenvertreter, Gemeinschaften sowie öffentliche und private Akteure im Wege formeller gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Bestimmungen Zugang zu materiellen und immateriellen Vermögenswerten erlangen und aufrechterhalten; in der Erwägung, dass gemäß dem Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-Habitat) Grundbesitz formellen (Eigenbesitz, Pacht, öffentliche und private Miete), gewohnheitsrechtlichen oder religiösen Ursprungs sein kann; in der Erwägung, dass aus den EU-Leitlinien zur Bodenpolitik hervorgeht, dass Bodenrechte nicht immer auf privates Eigentum im eigentlichen Sinne begrenzt sind, sondern unter Umständen ein Gleichgewicht zwischen individuellen Rechten und Pflichten sowie kollektiven Regelungen auf verschiedenen Ebenen gefunden werden muss;
B. in der Erwägung, dass 1,2 Mrd. Menschen weltweit Eigentum bewohnen, für das sie keine formellen Rechte besitzen, und ohne dauerhaften Wohnsitz oder Zugang zu Land leben; in der Erwägung, dass insbesondere der Zugang zu Land und zu natürlichen Ressourcen für mehr als 90 % der Landbevölkerung in den Ländern Afrikas südlich der Sahara (wovon 370 Millionen Menschen als arm angesehen werden) im Rahmen von rechtlich unsicheren Gewohnheitsregelungen und informellen Grundbesitzstrukturen erfolgt;
C. in der Erwägung, dass der Wert rechtlich nicht geschützten und nicht eingetragenen Besitzes auf insgesamt mehr als 9,3 Billionen USD geschätzt wird und dass dieser Betrag das 93fache dessen ausmacht, was den Entwicklungsländern in den letzten 30 Jahren insgesamt an Außenhilfe gewährt wurde;
D. in der Erwägung, dass zwar das MDG 7 (Unterziel 11) verwirklicht wurde, das in der Verbesserung der Lebensbedingungen von 100 Millionen Slumbewohnern bis zum Jahr 2020 bestand, jedoch in absoluten Zahlen immer mehr Menschen in Slums leben (Schätzungen zufolge 863 Millionen im Jahr 2012); in der Erwägung, dass das Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-Habitat) veranschlagt, dass derzeit eine Milliarde Menschen in Slums leben und diese Zahl bis 2050 voraussichtlich auf drei Milliarden Menschen ansteigen wird; in der Erwägung, dass in Artikel 11 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ein allgemeines Recht auf Wohnen und eine kontinuierliche Verbesserung der Lebensbedingungen anerkannt wird;
E. in der Erwägung, dass in ländlichen Gebieten ungefähr 200 Millionen Menschen (fast 20 % der Armen der Welt) keinen Zugang zu ausreichenden Ländereien haben, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten; in der Erwägung, dass der ländliche Raum vielfältigen Belastungen wie beispielsweise Bevölkerungswachstum, Umwidmungen der Landnutzung, kommerziellen Investitionen, Umweltproblemen aufgrund von Dürre, Bodenerosion und Nährstoffarmut sowie Naturkatastrophen und Konflikten ausgesetzt ist; in der Erwägung, dass die Sicherung von Bodenrechten erforderlich ist, um die soziale Stabilität durch Verringerung der Unsicherheit und der Konflikte um Land zu fördern;
F. in der Erwägung, dass private Investoren und Regierungen ein zunehmendes Interesse an dem Erwerb oder der langfristigen Pacht großer Ackerflächen zeigen, das sich in erster Linie auf die Entwicklungsländer Afrikas und Lateinamerikas richtet;
G. in der Erwägung, dass die EU durch die Festlegung verbindlicher Ziele und die Subventionierung von Biokraftstoffen zumindest indirekt zur Landnahme in Entwicklungsländern beiträgt, da sie Spekulationen mit Agrarflächen – insbesondere mit den fruchtbarsten Flächen und den Flächen in der Nähe von Häfen oder Straßen – fördert; in der Erwägung, dass folglich die Bedrohungen der Sicherheit des Grundbesitzes von Kleinbauern weiter zunehmen werden, was sich möglicherweise negativ auf die Ernährungssicherheit lokaler Gemeinschaften auswirkt;
H. in der Erwägung, dass die willkürliche Zuweisung von Land durch die staatlichen Stellen Korruption, Unsicherheit, Armut und Gewalt begünstigt;
I. in der Erwägung, dass die gesamte Problematik der Raumordnung mit allen großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – der Ernährungssicherheit, der Energieknappheit, dem Wachstum der Städte und der Weltbevölkerung, der Schädigung der Umwelt, dem Klimawandel, den Naturkatastrophen oder der Beilegung von Konflikten – in Zusammenhang gebracht werden kann, weshalb dringend umfassende Bodenreformen erforderlich sind;
J. in der Erwägung, dass geschätzte 1,4 Milliarden Hektar in der Welt gewohnheitsrechtlichen Normen unterliegen; in der Erwägung, dass sich die bestehenden Grundbesitzverhältnisse in Afrika, Asien und Lateinamerika erheblich voneinander unterscheiden und die nach und nach entstandenen lokalen, gewohnheitsrechtlichen Regelungen über eigenen bzw. kommunalen Besitz nicht unberücksichtigt bleiben können, wenn eine Formalisierung des Grundbesitzes durchgeführt wird;
K. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jeder Mensch das Recht hat, die Ressourcen und Mittel zu besitzen, die er für die Erzeugung oder Beschaffung von Nahrung in ausreichender Menge für seinen Lebensunterhalt benötigt;
L. in der Erwägung, dass im Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) dargelegt wurde, dass Frauen und Ehegatten gleiche Rechte in Bezug auf das Eigentum und den Erwerb von Vermögenswerten haben sollen; in der Erwägung, dass jedoch viele Grundbesitz- und Eigentumsrechtssysteme Frauen entweder formell oder in der Praxis diskriminieren;
M. in der Erwägung, dass die Eigentumsrechte von Frauen, der gesicherte Zugang zu Land und der Zugriff auf Ersparnisse und Kredite in vielen Entwicklungsländern von der Gesellschaft nicht anerkannt werden; in der Erwägung, dass es für Frauen in einer derartig diskriminierenden Ausgangslage besonders schwierig ist, ihre Eigentumsrechte und insbesondere ihre Erbansprüche rechtlich durchzusetzen;
N. in der Erwägung, dass insbesondere die Landrechte von Frauen in Entwicklungsländern aufgrund des zunehmenden großflächigen Landerwerbs durch Industrieländer für kommerzielle oder strategische Zwecke – beispielsweise zur landwirtschaftlichen Produktion, aus Gründen der Ernährungssicherheit oder zur Erzeugung von Energie und Biokraftstoffen – missachtet werden; in der Erwägung, dass Frauen in Entwicklungsländern oftmals nicht die Möglichkeit haben, sich Rechtshilfe und Rechtsbeistand zu verschaffen, um erfolgreich gegen Verletzungen des Eigentumsrechts vorzugehen;
O. in der Erwägung, dass die Gewährung verlässlicher Landrechte für Frauen angesichts der Rolle der Frauen als Nahrungsmittelproduzenten in ländlichen und stadtnahen Gebieten und angesichts ihrer Verantwortung für die Ernährung der Familie für die Armutsbekämpfung wichtig ist; in der Erwägung, dass Frauen, deren Anteil an den afrikanischen Bauern 70 % ausmacht, formell nur 2 % des Bodens gehört; in der Erwägung, dass im Rahmen von Programmen in Indien, Kenia, Honduras, Ghana, Nicaragua und Nepal vor kurzem zu Tage getreten ist, dass in von Frauen geführten Haushalten Ernährungssicherheit und Gesundheitsfürsorge eher verwirklicht werden und Bildung deutlicher im Vordergrund steht als in von Männern geführten Haushalten;
P. in der Erwägung, dass mehr als 60 % der chronisch Hungernden Frauen und Mädchen sind und dass Frauen in den Entwicklungsländern 60‑80 % der Nahrung erzeugen[2];
Q. in der Erwägung, dass geschätzte 370 Millionen Menschen der indigenen Bevölkerung weltweit einen starken spirituellen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bezug zu ihren traditionellen Ländereien haben, die üblicherweise auf der Grundlage der Gemeinschaft verwaltet werden;
R. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jeder Mensch das Recht hat, Eigentum entweder allein oder in Gemeinschaft mit anderen innezuhaben, wobei niemand willkürlich seines Eigentums beraubt werden darf;
S. in der Erwägung, dass der Zugang indigener Völker zu Land gemäß dem IAO-Übereinkommen Nr. 169 und der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker unter besonderem Schutz steht;
T. in der Erwägung, dass gemäß Artikel 10 der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker diese nicht zwangsweise aus ihrem Land oder ihren Gebieten ausgesiedelt werden dürfen und eine Umsiedlung nur mit freiwilliger und in Kenntnis der Sachlage erteilter vorheriger Zustimmung der betroffenen indigenen Völker und nach Vereinbarung einer gerechten und fairen Entschädigung stattfinden darf, wobei nach Möglichkeit eine Option auf Rückkehr bestehen muss;
Land- und Eigentumsrechte und die Schaffung von Wohlstand
1. ist der Auffassung, dass eingetragene Eigentumsrechte und gesicherte Landrechte – sofern das Land als Sicherheit eingesetzt werden und den Zugang zu Kapital verbessern kann – das Wirtschaftswachstum begünstigen, somit Produktivität und Investitionen steigern und gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt und den Frieden fördern;
2. hebt hervor, dass die Sicherung von Landrechten und mehr Gerechtigkeit beim Zugang zu Land eine verlässliche Existenzgrundlage sowie wirtschaftliche Chancen und in ländlichen Räumen die Möglichkeit zur Erzeugung von Nahrungsmitteln für den Haushalt bieten;
3. betont, dass neben der individuellen Beurkundung von Grundbesitz eine Vielzahl von alternativen Grundbesitzoptionen – darunter auch solche, die auf gewohnheitsrechtlichen Grundbesitzordnungen aufbauen, damit Rechte auf Baugrundstücke, landwirtschaftliche Nutzflächen und natürliche Ressourcen rechtlich abgesichert werden – anerkannt werden sollten, so wie es von dem Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen befürwortet wird;
4. betont, dass durch gesicherte Grundbesitzverhältnisse für Kleinbauern, die 95 % der potenziellen Grundbesitzer in Entwicklungsländern ausmachen, die lokale Wirtschaft gefördert, die Ernährungssicherheit erhöht, Migration verringert und die Bildung von Slums in Städten verlangsamt wird; weist darauf hin, dass beispielsweise in Äthiopien nur durch die Einführung von Eigentumsrechten die Produktivität innerhalb von drei Jahren um bis zu 40 % pro Hektar gestiegen ist[3],
5. stellt mit Besorgnis fest, dass Frauen aufgrund kultureller Traditionen für die Sicherung des Grundbesitzes oft auf männliche Verwandte angewiesen und ohne rechtlichen Schutz sind; betont die internationalen Verpflichtungen der Staaten, ein Minimum an wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten sicherzustellen, was die Verpflichtung der Regierungen einschließt, dafür zu sorgen, dass die Raumordnung insbesondere im Hinblick auf Frauen und Arme nicht zu einer Diskriminierung führt und keine sonstigen Menschenrechte verletzt werden;
6. weist darauf hin, dass Kleinbauern eher dazu bereit sind, nachhaltig in ihr Land zu investieren, Terrassenanbau und Bewässerungsmaßnahmen umzusetzen und somit zu einer Linderung der Auswirkungen des Klimawandels beizutragen, wenn sie selbst über ihre Ressourcen entscheiden können und wenn es klare Nachlassbestimmungen gibt; stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt mit vollständig gesichertem und übertragbarem Grundbesitz in Terrassenanbau investiert, um 59,8 % höher ist als im Fall eines Haushalts, der mit einer Umverteilung innerhalb des Dorfes in den nächsten fünf Jahren rechnet;
7. stellt fest, dass eine Person mit beurkundetem Grundbesitz Geld zu annehmbaren Zinssätzen leihen und dieses Geld dazu verwendet werden kann, ein Unternehmen zu gründen und aufzubauen; hebt hervor, dass der Schutz von Eigentumsrechten ein wettbewerbsfähiges Geschäftsumfeld fördern kann, in dem ein unternehmerischer und innovativer Geist wachsen kann;
8. stellt fest, dass die Herausforderung darin besteht, die Trennung zwischen Legalität, Legitimität und Praxis dadurch zu überwinden, dass Grundbesitzmechanismen eingerichtet werden, die auf gemeinsamen Normen aufbauen, wobei von einer Anerkennung bestehender Rechte auszugehen und sicherzustellen ist, dass Männer und Frauen sowie schutzbedürftige Gemeinschaften in Entwicklungsländern gesicherte Rechte auf Land und Vermögenswerte genießen und in jeder Hinsicht gegen Partikularinteressen, die sich ihres Eigentums bemächtigen könnten, geschützt sind;
9. verurteilt die Praktik der Landnahme aufs Schärfste, da dadurch insbesondere die arme und traditionell nomadische Landbevölkerung unrechtmäßig und ohne angemessenen Ausgleich enteignet wird; weist darauf hin, dass zwischen 2000 und 2013 zumindest 32 Mio. Hektar weltweit von mindestens 886 länderübergreifenden, groß angelegten Geschäften dieser Art mit Ländereien betroffen waren[4]; betont, dass diese Zahlen mit Sicherheit nicht den tatsächlichen Umfang der abgeschlossenen großen Landgeschäfte wiedergeben;
10. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in ihrer Entwicklungshilfepolitik dem großflächigen Landerwerb durch Investoren aus den Industrieländern in den Entwicklungsländern und insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent Rechnung zu tragen, da lokale Landwirte durch diesen Erwerb beeinträchtigt werden und da er sich in verheerender Weise auf Frauen und Kinder auswirkt, die vor Verarmung, Hunger und Vertreibung aus ihren Dörfern und von ihrem Land zu schützen sind;
11. betont, dass die Streichung öffentlicher Anreize für die Erzeugung von aus landwirtschaftlichen Rohstoffen gewonnenen Biokraftstoffen und die Einstellung von Subventionen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Landnahme sind;
12. verweist darauf, dass nicht gesicherte Landrechte und schwache Verwaltungsstrukturen häufig dazu führen, dass lokale Gemeinschaften Risiken in Bezug auf Ernährungssicherheit, Vertreibung und Enteignung von Bauern und Hirten ausgesetzt sind; fordert die EU-Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf, die nationale Fähigkeit von Entwicklungsländern zur Stärkung ihrer Verwaltungsstrukturen zu fördern;
13. betont, dass sowohl im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte als auch im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte das Recht auf Selbstbestimmung anerkannt wird, das als das Recht aller Menschen definiert wird, frei über ihre natürlichen Reichtümer und ihre Ressourcen zu verfügen, und dass in beiden Pakten festgelegt ist, dass kein Mensch seiner eigenen Mittel zum Lebensunterhalt beraubt werden darf; betont in diesem Zusammenhang, dass Verhandlungen über groß angelegte Verpachtungen oder den groß angelegten Erwerb von Land unter transparenter, angemessener und sachkundiger Beteiligung der lokalen Gemeinschaften, die von den Verpachtungen oder Käufen betroffen sind, geführt werden und Rechenschaftspflicht über die Verwendung von Erträgen, die der lokalen Bevölkerung zugutekommen sollten, vorsehen müssen;
14. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen der Vereinten Nationen zu prüfen, inwieweit sich dieser Landerwerb auf die Verödung landwirtschaftlicher Flächen, auf den Verlust des Wohnrechts von Frauen und ihres Rechts auf Zugang zu Land – unter besonderer Berücksichtigung der Frauen, die allein leben oder ihre Familie ernähren –, auf die Ernährungssicherheit und auf den Unterhalt der Frauen selbst, ihrer Kinder und der von ihnen abhängigen Personen auswirkt;
15. betont, dass bei Investitionsabkommen über den groß angelegten Erwerb von Land oder über die groß angelegte Verpachtung desselben das Recht der derzeitigen Landnutzer sowie die Rechte der in den landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt werden sollten; ist der Auffassung, dass die Pflichten von Investoren eindeutig festgelegt werden und – zum Beispiel durch die Einbeziehung von Sanktionsmechanismen im Fall der Verletzung von Menschenrechten – durchsetzbar sein sollten; ist der Auffassung, dass alle Geschäfte mit Land auch eine rechtliche Verpflichtung enthalten sollten, der zufolge ein bestimmter Mindestprozentsatz der erzeugten Nutzpflanzen auf dem lokalen Markt verkauft werden sollte;
Der Weg zu gesicherten Land- und Eigentumsrechten und einer nachhaltigen Raumordnung in den Entwicklungsländern
16. betont, dass Bodenreformen Flexibilität erfordern, an die lokalen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten wie beispielsweise traditionelle Formen des Stammeseigentums angepasst sein sollten und ihr Schwerpunkt darauf liegen sollte, die Schutzbedürftigsten zu stärken;
17. weist darauf hin, dass das gleichzeitige Bestehen von gewohnheitsrechtlichen Landordnungen und aufgezwungenen Kolonialmodellen einen der Hauptgründe für die anhaltende Unsicherheit des Grundbesitzes in Entwicklungsländern darstellt; betont in diesem Zusammenhang, dass die Legitimität gewohnheitsrechtlicher Grundbesitzverhältnisse, die Einzelpersonen und Gemeinschaften gesetzliche Rechte gewähren, unbedingt anerkannt werden muss, und Enteignungen und Missbrauch von Landrechten, die besonders häufig in afrikanischen Gemeinschaften und den großen indigenen Bevölkerungsgruppen in Lateinamerika vorkommen, vorgebeugt werden muss;
18. betont, dass sich die regelgerechte Sicherung des Grundbesitzes für städtische Siedler in hohem Maße auf Wohnungsbauinvestitionen auswirkt, wobei Untersuchungen zeigen, dass der Anteil der Haussanierungen um mehr als zwei Drittel steigt;
19. betont, dass eine Reform des Grundbesitzes zunächst eine präzise Erhebung der entsprechenden Daten und eine systematische Beurkundung durch eine Katasterkartierung erforderlich macht, wobei kostengünstige Technologien wie beispielsweise Mobilfunk, GPS-, GPRS- und GIS-Überwachungsinstrumente zum Einsatz kommen sollten; fordert eine vollständige Transparenz und regt die Ausarbeitung und die regionale Weitergabe geografischer Informationssysteme einschließlich Satelliten- und Luftbildern an, wobei Technologien für die gemeinschaftliche Kartierung berücksichtigt werden sollten; beglückwünscht Ruanda zu den bei den Grundbesitzdaten erzielten Fortschritten, durch die der gesamte Grundbesitz im Land innerhalb eines bemerkenswert kurzen Zeitraums eingetragen werden konnte;
20. warnt davor, bei der Sicherung des Grundbesitzes einen einheitlichen Ansatz anzuwenden; betont, dass formale Dienste für die Verwaltung von Grund und Boden am wirksamsten sind, wenn sie auf lokaler Ebene bereitgestellt werden; vertritt die Auffassung, dass die wirksame Gewährleistung sicherer Landrechte deshalb von einer Reform der zentralisierten staatlichen Landagenturen abhängen kann, wobei Verantwortlichkeiten auf lokale und gewohnheitsrechtliche Institutionen übertragen werden sollten; ist der Ansicht, dass die Eintragung von Grundbesitz anschließend durch eine Digitalisierung der Grundbucheintragungen und des Katasterwesens verbessert werden kann;
21. verweist darauf, dass die Landwirtschaft auch künftig eine grundlegende Quelle der Existenzsicherung, des Unterhalts und der Ernährungssicherheit für ländliche Gemeinschaften ist; stellt jedoch fest, dass der ländliche Raum vielfältigen Belastungen wie beispielsweise Bevölkerungswachstum, Umwidmungen der Landnutzung, kommerziellen Investitionen, Umweltproblemen aufgrund von Dürre, Bodenerosion und Nährstoffarmut sowie Naturkatastrophen und Konflikten ausgesetzt ist; ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass die Sicherung des Grundbesitzes für die ländlichen Gemeinschaften eine Grundvoraussetzung für die Verwirklichung der Millenniumsziele (MDG) darstellt; vertritt die Auffassung, dass mit einer Reihe politischer Instrumente, die an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden müssen, dazu beigetragen werden kann, diesen Herausforderungen zu begegnen;
22. ist der Auffassung, dass die staatlichen Amtsträger zunächst die bereits bestehenden Systeme zur Verwaltung von Grundbesitz und die bestehenden Grundbesitzordnungen ermitteln und dann zugunsten armer und gefährdeter Bevölkerungsgruppen auf diesen Systemen aufbauen sollten;
23. vertraut darauf, dass eine dezentrale Raumordnungspolitik lokale Gemeinschaften und Einzelpersonen stärkt, und weist darauf hin, dass den von lokalen Stammesführern im Rahmen von Geschäften mit ausländischen Investoren angewandten korrupten Methoden sowie Ansprüchen auf nicht eingetragene einzelne Parzellen ein Riegel vorgeschoben werden muss;
24. betont, dass jede Umwidmung der Landnutzung nur mit der freiwilligen und in Kenntnis der Sachlage erteilten vorherigen Zustimmung der betroffenen lokalen Gemeinschaften erfolgen sollte; verweist darauf, dass indigenen Völkern im Völkerrecht ein besonderer Schutz ihrer Rechte auf Land gewährt wurde; betont, dass die Staaten im Einklang mit der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker wirksame Mechanismen für die Vorbeugung und die Wiedergutmachung von Maßnahmen vorsehen müssen, die auf die Enteignung indigener Völker hinsichtlich ihrer Ländereien, Territorien oder Ressourcen abzielen oder diese Enteignung zur Folge haben;
25. stellt fest, dass der in Afrika eingetragene Grundbesitz, der nur 10 % der Gesamtfläche ausmacht, in veralteten und fehlerbehafteten Systemen festgehalten ist; weist darauf hin, dass Schätzungen der Weltbank[5] zufolge in den 27 Volkswirtschaften, die ihre Register in den letzten sieben Jahren modernisiert haben, die für eine Eigentumsübertragung benötigte durchschnittliche Bearbeitungsdauer halbiert und somit die Transparenz verbessert, die Korruption abgebaut und die Einziehung von Steuern vereinfacht wurde; betont, dass der Einrichtung und Verbesserung von Grundbüchern in Entwicklungsländern hohe Priorität in der Entwicklungspolitik eingeräumt werden sollte;
26. verweist darauf, dass die Sicherung des Grundbesitzes in unterschiedlichen Formen erfolgen kann, sofern die Rechte der Landnutzer und ‑besitzer eindeutig geregelt sind; stellt fest, dass Sicherheit nicht nur anhand von formellen Rechtstiteln, sondern auch durch eindeutige, langfristige Pachtverträge oder die formelle Anerkennung gewohnheitsmäßiger Rechte und informeller Vereinbarungen mit leicht zugänglichen und wirksamen Streitbeilegungsverfahren hergestellt werden kann; fordert die EU auf, den Aufbau von Kapazitäten sowie Schulungsprogramme im Bereich der Raumordnung mit dem Ziel zu unterstützen, Landrechte für arme und schutzbedürftige Gruppen auch durch Katastervermessung und Eintragung zu sichern, wozu auch Bemühungen um die Ausrüstung von Bildungseinrichtungen in Entwicklungsländern gehören;
27. fordert die EU auf, die Kapazitäten der Gerichte in Entwicklungsländern für die wirksame Durchsetzung des Eigentumsrechts, die Beilegung von Streitigkeiten über Grundbesitz und den Umgang mit Enteignungen als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes zu stärken und dadurch die Justiz und die Rechtsstaatlichkeit zu festigen;
28. fordert die EU auf, die Entwicklungsländer bei der Umsetzung von Landreformen zu unterstützen, um insbesondere die Beteiligung aller Interessenträger zu fördern, und auf Sensibilisierungsprogramme zurückzugreifen, damit die Rechte aller Beteiligten und insbesondere der Armen und Schutzbedürftigen umfassend gewahrt werden; führt das Beispiel Madagaskars und der lokalen Stellen für Grundangelegenheiten an, da dort einfache lokale Initiativen die Eintragung von Grundbesitz deutlich erleichtert haben;
29. betont, dass der Aufbau einer wirtschaftlichen Haushaltsführung in Entwicklungsländern durch die Stärkung der Eintragung von Grundbesitz und die Abgrenzung von Bewertungsfunktionen zu einer beträchtlichen Erhöhung der jährlichen Einnahmen durch die Übertragung von Land führt (in Thailand beispielsweise versechsfachte sich der eingenommene Betrag innerhalb von 10 Jahren);
30. fordert die EU auf, neu gestärkte Grundbesitzer bei ihren Investitionen in neue Ausrüstungsgegenstände im Rahmen von zusätzlichen Hilfsmechanismen umfassend zu unterstützen und gleichzeitig den Technologietransfer und die Ausbildung neuer Grundbesitzer in der Anwendung innovativer Techniken und bewährter Methoden zu erleichtern;
31. stellt fest, dass die formelle Anerkennung von Landrechten für Frauen nicht automatisch die wirksame Umsetzung dieser Rechte nach sich zieht; fordert die EU auf, bei ihren Landreformprogrammen der Verletzlichkeit von Frauen durch Änderungen in der Familienstruktur und dem Maß, in dem sie ihre Rechte durchsetzen können, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und in der Praxis sicherzustellen, dass in Familienurkunden bei der Eintragung des Grundbesitzes die Namen beider Ehegatten aufgeführt sind;
32. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in ihrer Entwicklungspolitik und ihrer Politik der humanitären Hilfe dafür zu sorgen, dass die Entwicklungsländer Rechtsvorschriften über die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Verhinderung von Diskriminierung bei Eigentumsrechten aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Rasse und des Familienstands erlassen und sich damit befassen, wie sich die erheblichen sozialen, politischen und kulturellen Hemmnisse beim Erwerb von Bodenrechten beseitigen lassen;
33. fordert die Delegationen der EU in den Entwicklungsländern auf, die Einhaltung der Eigentumsrechte der Frauen zu überwachen und somit dem Risiko vorzubeugen, dass Frauen in Armut und soziale Ausgrenzung geraten;
34. fordert die EU auf, die Bemühungen der Entwicklungsländer um die Reform der Pachtmärkte zu unterstützen – um Zugang zu Land für die Armen zu ermöglichen und Wachstum zu fördern – und gleichzeitig übermäßigen Einschränkungen der Pachtmärkte vorzubeugen;
Die Land- und Eigentumsrechte im Mittelpunkt der Entwicklungspolitik der EU
35. betont, dass der groß angelegte Erwerb von Boden unter anderem eine direkte Folge der mangelhaften Raumordnungspolitik in den Entwicklungsländern ist; betont, dass die Stärkung der Menschen und der Gemeinschaften durch eindeutige und gesicherte Eigentumsrechte vertragliche Vereinbarungen ermöglichen wird, anhand derer die Landnahme überwacht bzw. verhindert wird; betont, dass die EU-Hilfe zum Aufbau der institutionellen Fähigkeit beitragen sollte, die für die Gewährung gesicherter Landrechte erforderlich ist, sodass Aktivitäten, mit denen Spekulationsgewinne erzielt werden sollen, bürokratische Untätigkeit sowie korrupte und unverantwortliche Methoden bekämpft werden;
36. würdigt die Beteiligung der EU an globalen Initiativen im Bereich der Raumordnung; betont, dass die EU als in der Entwicklungspolitik weltweit führender Akteur über die Kapazität verfügt, ihren gegenwärtig begrenzten Ansatz auszuweiten, um seinen Anwendungsbereich zu erweitern, den Bekanntheitsgrad zu erhöhen und so die Problematik des Grundbesitzes anzugehen;
37. weist darauf hin, dass die EU zusätzlich zu der Verbesserung der Eigentumsrechtssysteme in den Entwicklungsländern darauf hinwirken muss, dass die Menschen Zugang zu Systemen des sozialen Schutzes und Versicherungen haben, um ihre Existenzgrundlage und ihre Vermögenswerte im Fall eines Unglücks oder Schicksalsschlags zu schützen;
38. empfiehlt, die EU-Leitlinien von 2004 zur Bodenpolitik in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten zu aktualisieren, um die gegenwärtigen mit Grundbesitz verbundenen Herausforderungen zu bewerten und Hilfestellung bei der Einführung neuer kostengünstiger Technologien zur Bodenkartierung und Verwaltung zu leisten;
39. fordert die Umsetzung der freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Regelung der Nutzungs- und Besitzrechte an Land, Fischgründen und Wäldern;
40. fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine klar umrissene Haushaltslinie für Eigentumsrechte einzurichten und das Augenmerk dabei nicht mehr auf kleinere Projekte, sondern im Gegenteil auf langfristige Reformen der Raumordnungspolitik zu richten und somit beim Grundbesitz für eine Vereinheitlichung zu sorgen;
41. betont, dass die Gewährung gesicherter Landrechte für Vertriebene und Flüchtlinge mit dem Klimawandel voraussichtlich schwieriger werden wird; betont außerdem, dass die Schaffung rechtmäßiger Institutionen, die den Zugang zu Land bei der Wiederansiedlung von Migranten und Flüchtlingen regeln, von ebenso großer Bedeutung ist wie die Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer; fordert die EU in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf, ihre Hilfe in Bezug auf die Einbeziehung der Landrechte in die humanitäre und entwicklungspolitische Reaktion auf Katastrophen oder zivile Konflikte zu stärken, wobei die Raumordnungspolitik gerechte und gesicherte Landrechte für verschiedene ethnische, soziale oder nach Generationen zusammengestellte Bevölkerungsgruppen sicherstellen muss;
42. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Frauen nach der Beilegung von Konflikten in ihren Rechten und beim Zugang zu Land, Erbe, Krediten und Ersparnissen zu stärken, wobei besonderes Augenmerk auf die Länder zu richten ist, in denen die Rechte von Frauen rechtlich nicht durchsetzbar und von der Gesellschaft nicht anerkannt sind und in denen aufgrund von die Frauen benachteiligenden Gesetzen, traditionellen Einstellungen gegenüber Frauen und von Männern dominierten sozialen Hierarchien Frauen nur schwerlich in den Genuss gleichwertiger und fairer Rechte kommen können; fordert die EU auf, hierbei die Einbeziehung der neu gegründeten UN-Frauenorganisation zu fördern;
43. begrüßt die von der G8 im Juni 2013 auf der Grundlage der Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft ins Leben gerufene Land-Transparenzinitiative und die Anerkennung der Tatsache, dass Transparenz im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse bei Unternehmen und Boden in Verbindung mit gesicherten Eigentumsrechten und starken Institutionen für die Armutsbekämpfung entscheidend ist; betont jedoch, dass die Bemühungen verstärkt werden müssen, damit die Umsetzung wirksamer Bodenreformen erleichtert wird;
44. empfiehlt, dass Eigentumsrechte und die Sicherung des Grundbesitzes für alle als Ziel in die Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015 aufgenommen werden, wobei eine verlässliche Raumordnungspolitik eine Grundvoraussetzung für die Verwirklichung der Millenniumsziele und für die Beseitigung der Armut darstellt;
45. bekräftigt die Verpflichtungen der Europäischen Union, die Armut im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung weltweit zu verringern, und weist erneut darauf hin, dass die EU in all ihre Politikfelder und Praktiken, die ihre Beziehungen zu Entwicklungsländern betreffen[6], die Gleichstellung der Geschlechter als wichtigen Bestandteil aufnehmen sollte;
46. betont, dass verstärkte Maßnahmen erforderlich sind, damit Frauen in Entwicklungsländern die gleichen Möglichkeiten des Zugangs zu Eigentum haben wie Männer; vertritt die Auffassung, dass dies in den Länderprogrammen berücksichtigt werden und mit den erforderlichen Mechanismen zur finanziellen Unterstützung (wie Bildung von Ersparnissen, Bereitstellung von Krediten einschließlich Zuschüssen, Mikrokrediten und Versicherungen) einhergehen muss; ist der Ansicht, dass diese verstärkten Maßnahmen zu einer Stärkung der Frauen und der NGO führen und die unternehmerische Initiative bei Frauen stärken werden; ist der Auffassung, dass sie außerdem den Wissensstand von Frauen über Rechts- und Finanzfragen verbessern, die Bildung von Mädchen unterstützen, die Verbreitung von und die Möglichkeiten des Zugriffs auf Informationen erhöhen und zur Einrichtung von unterstützender Rechtsberatung und zur Sensibilisierung von Finanzdienstleistern für Gleichstellungsfragen beitragen werden;
47. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich in ihrer Entwicklungshilfearbeit aktiv für die Unternehmertätigkeit von Frauen und das Eigentumsrecht von Frauen einzusetzen, da dies zu einer größeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern beitragen und die Wirtschaft der betreffenden Länder stärken kann;
48. verweist darauf, dass am 15. Oktober der Internationale Tag der Frauen in ländlichen Gebieten begangen wird, und fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, Sensibilisierungskampagnen in den Entwicklungsländern zu fördern;
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49. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten der Weltbank, dem Verband Südostasiatischer Staaten, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika und der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.
- [1] ABl. C 56 E vom 26.2.2013, S. 75.
- [2] Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), Policy Brief Nr. 5, Wirtschaftliche und soziale Perspektiven, August 2009.
- [3] USAID Äthiopien, http://ethiopia.usaid.gov/programs/feed-future-initiative/projects/land-administration-nurture-development-land.
- [4] http://www.landmatrix.org/get-the-idea/global-map-investments/.
- [5] Bericht der Weltbank „Doing Business 2012: Doing Business in a More Transparent World“ (Geschäfte in einer transparenteren Welt), Washington DC, Weltbank.
- [6] ABl. C 46 vom 24.2.2006.
BEGRÜNDUNG
Eigentumsrechte und sichere Grundbesitzverhältnisse – der Sachstand in den Entwicklungsländern
Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt: „Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben. Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.“
Trotzdem bewohnen 1,2 Mrd. Menschen weltweit Eigentum, für das sie keine formellen Rechte besitzen, und leben ohne dauerhaften Wohnsitz oder Zugang zu Land[1].
Außerdem wurde in den MDG zwar anerkannt, dass die Sicherheit von Slumbewohnern und illegalen städtischen Siedlern in den Entwicklungsländern verbessert werden muss, und es wurde das Ziel festgelegt, bis 2020 die Lebensbedingungen von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern zu verbessern; die Verwirklichung dieses Ziels ist jedoch alles andere als sichergestellt; 90 % aller städtischen Neuansiedlungen in Afrika südlich der Sahara erfolgen in Form von Slums, und Schätzungen zufolge werden im Jahr 2050 drei Milliarden Menschen in Slums leben[2].
Diese Vermögenswerte können jedoch weder geschützt noch mobilisiert werden. Sie stellen totes und rechtlich nicht geschütztes Kapital dar. Es kann nicht festgestellt werden, wem welche Besitztümer gehören; Ressourcen können nicht umfassend kapitalisiert werden; Wohlstand ist lediglich einem kleinen Kreis lokaler Persönlichkeiten vorbehalten, die sich kennen und sich vertrauen, und kann nicht als Sicherheit oder Garantie für zukünftige Investitionen eingesetzt werden.
Gleichzeitig ist in den Entwicklungsländern der Weg aus informellen Verhältnissen und hin zu einem eingetragenen Rechtssubjekt mit hohen Kosten und langen Verfahren verbunden, die sich über Jahre hinziehen können. Die Erhebungsteams von Hernando de Soto stellten fest, dass es in Peru sechs Jahre und elf Monate dauert, eine rechtsgültige Genehmigung für den Bau eines Hauses auf in Staatseigentum befindlichem Land und das rechtliche Eigentum an diesem Land zu erlangen, und dass hierfür 728 einzelne Schritte notwendig sind[3].
Dieser rechtlich nicht geschützte und nicht eingetragene Besitz wird auf insgesamt mehr als 9,3 Billionen USD geschätzt, was das 93fache dessen ausmacht, was den Entwicklungsländern in den letzten 30 Jahren insgesamt an Außenhilfe gewährt wurde[4]. Wenn rechtliche Strukturen zur Geltendmachung von Eigentum geschaffen und die Menschen in die Lage versetzt würden, selbst über ihre Ressourcen zu bestimmen, könnte sich dies als die größte Erfolgsgeschichte des 21. Jahrhunderts im Bereich der Entwicklung erweisen, allerdings auch als die größte Herausforderung.
Die potenziellen Auswirkungen von Eigentumsrechten und sicheren Grundbesitzverhältnissen in den Entwicklungsländern
Die Erkenntnis, dass sich Eigentumsrechte in hohem Maße auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken und Armut lindern, beruht nicht auf einem hypothetischen Modell. Am Beispiel des 19. Jahrhunderts wird ersichtlich, dass Eigentumsrechte dazu geführt haben, dass die USA und westliche Staaten von einem System, in dem Vermögenswerte nur in ihrer natürlichen Form vorlagen, zur Begriffswelt der Kapitalbildung übergegangen sind, in der das volle produktive Potenzial von Vermögenswerten eingesetzt werden kann.
Wie Amerika vor 200 Jahren haben die Entwicklungsländer derzeit drei Möglichkeiten: die rechtlich nicht gedeckten und von der landlosen armen Bevölkerung und den illegalen städtischen Siedlern geschaffenen Umstände zu ignorieren, oberflächliche Zugeständnisse zu machen oder zu Meistern rechtlich nicht gedeckter Besitzverhältnisse zu werden.
Die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Ernährungssicherheit, Energieknappheit, Wasserknappheit, Wachstum der Städte und der Weltbevölkerung im Allgemeinen, Schädigung der Umwelt, Klimawandel, Naturkatastrophen und instabile staatliche Strukturen – können alle in Zusammenhang mit der Problematik der Raumordnung gebracht werden, weshalb dringend umfassende Bodenreformen erforderlich sind.
Wirtschaftswachstum und Linderung der Armut
Anerkannte und eingetragene Eigentumsrechte fördern das Wirtschaftswachstum und bieten vermehrt Möglichkeiten für Investitionen, da durch den Einsatz von Grundbesitz als Sicherheit ein Zugang zu Kapital und zu niedrig verzinsten Krediten eröffnet wird. Sichere Eigentumsverhältnisse erhöhen die Produktivität und fördern das Unternehmertum, indem ein Zugang zu funktionierenden Miet- und Verkaufsmärkten eingerichtet wird und kommerzielle Werte durch die angemessene Eintragung von Landbesitz und KMU gefördert werden.
Durch intransparente, korrupte und unwirksame Raumordnungssysteme werden Unternehmertum und KMU wesentlich behindert; leicht übertragbarer Grundbesitz jedoch verringert die Kosten des Zugangs zu Darlehen, schafft zusätzliche Verdienstmöglichkeiten und trägt zu Fortschritten in Innovation und Technologie bei.
In China ging beispielsweise die Zahl unterernährter Menschen aufgrund von Reformen des Agrarsektors und verbesserten Landrechten von 387 Mio. (1969) auf 150 Mio. (Mitte der 2000er Jahre) zurück.
Produktivität in der Landwirtschaft und Ernährungssicherheit
Kleinbauern stellen 95 % der potenziellen Landbesitzer in Entwicklungsländern und bedürfen dabei verstärkt des Schutzes. Wenn sich Grundbesitzer auf die Bestimmungen für das von ihnen bebaute Land verlassen können, über eingetragene Eigentumsrechte und die gesetzlich verbriefte Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen, verfügen, ist es für sie attraktiver, in innovative Technologien zu investieren, die die landwirtschaftliche Produktivität erhöhen und die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern; darüber hinaus wird dadurch ihr Zugang zu Kapital und den Märkten gewährleistet, die lokale Wirtschaft gefördert, die Ernährungssicherheit erhöht, Migration verringert und die Verstädterung verlangsamt.
In Äthiopien befasste sich USAID zusammen mit der Regierung mit der Einführung eindeutiger Rechte für Grundbesitzer. In den 32 Pilotbezirken, die das Programm umsetzten, stiegen die Gewinne nur durch diese Maßnahmen innerhalb von drei Jahren um bis zu 40 % pro Hektar[5]. Die Bedenken der Regierung zu Beginn des Projekts wurden ausgeräumt, und es wurde eine landesweite Reform durchgeführt.
Städtisches Wachstum und Bevölkerungswachstum
Da bis zum Jahr 2050 70 % der Bevölkerung weltweit in Städten leben werden, können Eigentumsrechte allein durch eine Eintragung Slumbewohner und illegale städtische Siedler in den offiziellen Wirtschaftskreislauf bringen, indem sie ihre Vermögenswerte in tatsächlich mess- und übertragbaren Wohlstand umsetzen und somit zukünftige wirtschaftliche Chancen eröffnen.
Umweltschutz und Eindämmung des Klimawandels
Grundbesitzer sind eher dazu bereit, nachhaltig in ihr Land zu investieren und somit durch Terrassenanbau und Bewässerungsmaßnahmen zur Vorbeugung von Umweltschäden und Bodenerosion beizutragen, wenn sie selbst über ihre eigenen Ressourcen entscheiden können, wenn es klare Nachlassbestimmungen gibt und wenn sie vor Eigeninteressen geschützt sind, die zu einer Enteignung führen könnten. Einer vom LANDESA-Institut durchgeführten Studie zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt mit vollständig gesichertem und übertragbarem Grundbesitz in Terrassenanbau investiert, um 59,8 % größer als im Falle eines Haushalts, der mit einer Umverteilung innerhalb der nächsten fünf Jahre rechnet.
Landrechte von Frauen
Frauen, deren Anteil an den afrikanischen Bauern 70 % ausmacht, sind üblicherweise vom Zugang zu Recht und Gesetz ausgeschlossen. Formell besitzen sie nur 2 % des Bodens. Aber auch wenn ihre Rechte anerkannt und nicht diskriminierende politische Reformen durchgeführt werden, wird eine angemessene Umsetzung durch traditionelle Gepflogenheiten behindert. Meist wird Frauen das für die Geltendmachung ihrer Rechte benötigte Wissen vorenthalten, weshalb Sensibilisierungsprogramme grundlegend sind, damit Frauen als Entscheider und Wirtschaftsakteure in Erscheinung treten können.
Die Zeit nach Konflikten und instabile staatliche Strukturen
Die Konzentration auf eine robuste Raumordnung und die Schlichtung von Streitigkeiten über Grundbesitz zur Entschärfung zugrundeliegender Spannungen in Staaten, die von Konflikten betroffen waren bzw. unter instabilen staatlichen Strukturen leiden, sind Grundvoraussetzungen für Stabilität und nachhaltige Entwicklung.
Groß angelegter Landerwerb (Landnahme)
In Afrika ist nur 10 % des Bodens formell als Grundbesitz eingetragen, 90 % werden inoffiziell bewirtschaftet. Nationale Eliten und lokale Stammesfürsten haben seit jeher die nicht eingetragenen Parzellen kontrolliert. In Äthiopien, wo USAID den Weg für die Eintragung und verlässliche Beurkundung von Grundbesitz bereitet hat, waren Bauern häufig wiederholten und unerwarteten Landnahmen, willkürlichen Umverteilungen und Verstaatlichungen ausgesetzt.
Groß angelegter Landerwerb ist somit eine direkte Folge einer schwachen oder nicht vorhandenen Raumordnungspolitik in Entwicklungsländern und findet in einem Vakuum statt, das unzählige Möglichkeiten für Korruption und Enteignungen ohne angemessenen Ausgleich bietet, wobei die Rechte vieler beteiligten Interessenträger nicht gewahrt werden. Schätzungen zufolge waren zwischen 2000 und 2010 203 Mio. Hektar Land weltweit von groß angelegten Geschäften mit Grundbesitz betroffen[6]. Bei der Erkundung der Auswirkungen der großen Plantagen von Swiss Addax Bioenergy auf die angrenzenden lokalen Gemeinschaften in Sierra Leone kam Action Aid zu dem Ergebnis, dass 99 % der Befragten der Ansicht waren, dass die Nahrungsmittelproduktion in der Region in der Folge zurückgegangen war[7].
Der Weg zu formellen Eigentumsrechten und nachhaltiger Raumordnung in den Entwicklungsländern
Institutionelle Reformen und der Aufbau von Kapazitäten stärken die Nachhaltigkeit einer robusten Raumordnungspolitik und gehen mit der Eintragung individuellen Landbesitzes und kleiner Unternehmen einher.
Staatliche Organe müssen durch Gerichte und die staatlichen Polizeikräfte eine wichtige Rolle bei der Festlegung und der Durchsetzung von Eigentumsrechten einnehmen. Im Gegensatz zu der generell verbreiteten falschen Auffassung ist es jedoch nicht Aufgabe des Staates, Eigentum zu gewähren oder zu verteilen, sondern es zu schützen. In vielen Fällen üben die nationalen Stellen zur Beurkundung von Grundbesitz nicht mehr ihre Aufgabe, rechtmäßige Ansprüche auf Land zu schützen, aus, sondern sie bestätigen lediglich die neuen Verhältnisse nach einem Diebstahl von Land.
Landreformen und der Aufbau von Strukturen zum Schutz von Eigentum müssen äußerst flexibel angegangen werden, wobei die lokalen, kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind und der folgende Rahmen beachtet werden sollte:
1. Die Erhebung präziser Daten zu Grundbesitz unter Berücksichtigung der verschiedenen Arten des Bodens;
2. Die Eintragung und systematische Beurkundung von Grundbesitz durch Katasterkartierung, wobei kostengünstige Technologien und Infrastrukturen zum Einsatz kommen sollten;
3. Eine dezentrale Raumordnungspolitik stärkt lokale Gemeinschaften und Einzelpersonen und gebietet korrupten Methoden Einhalt, die von lokalen Stammesführern im Rahmen von Geschäften mit ausländischen Investoren angewandt werden, wenn sie Ansprüche auf nicht eingetragene individuelle Ländereien erheben;
4. Die Modernisierung und computergestützte Verwaltung von Grundbesitz erhöht die Effizienz und die Transparenz und erleichtert die Eintreibung von Steuern. In Indien konnte allein im Bundesstaat Karnataka das Steueraufkommen im Zusammenhang mit Grundbesitz von 120 Mio. USD im Jahr 2000 auf 480 Mio. USD im Jahr 2008 vervierfacht werden. Außerdem wurde den Nutzern aufgrund der computergestützten Verwaltung die Zahlung von 16 Mio. USD an Bestechungsgeldern erspart[8].
5. Die Beteiligung und Anhörung aller Interessenträger ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Bedürfnisse und Bedenken aller Parteien und insbesondere der Ärmsten und Schutzbedürftigsten uneingeschränkt berücksichtigt werden.
6. Die Stärkung der Kapazität von Gerichten für die Schlichtung von Streitigkeiten über Grundbesitz und den Umgang mit Enteignungen muss Teil eines ganzheitlichen Ansatzes zur Festigung der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit sein. Gleichzeitig können neu entstandene lokale politische Organisationen, die sich mit dem Schutz von Landrechten befassen, nicht außer Acht gelassen werden; sie sind zwar häufig demokratisch und rechtmäßig, für Außenstehende aber nicht transparent, und oft fehlt ihnen die Fähigkeit, Eigentumsrechte an Ländereien präzise festzuhalten.
7. In Entwicklungsländern ist eine wirtschaftliche Haushaltsführung angezeigt, die auf einer fairen Steuerpolitik und einer nachvollziehbaren Steuerfestsetzung beruht, was wiederum eine Stärkung der Eintragung von Grundbesitz und eine Abgrenzung von Bewertungsfunktionen erforderlich macht, damit das jährliche Steueraufkommen aus Landübertragungen präzise ermittelt werden kann; in Thailand konnte das jährliche im Zusammenhang mit Landübertragungen erhobene Steueraufkommen infolge einer Reform innerhalb von zehn Jahren versechsfacht werden.
8. Durch Unterstützungsmechanismen für neu gestärkte Grundbesitzer werden Anreize für Kleinbauern geschaffen, in neue Geräte zu investieren und die landwirtschaftliche Produktion zu erhöhen. In den ersten Jahren nach der Eintragung des Grundbesitzes muss Technologietransfer erleichtert werden, und neue Grundbesitzer müssen in der Anwendung innovativer Techniken und bewährter Methoden geschult werden.
Die Eigentumsrechte im Mittelpunkt der Entwicklungspolitik der EU
Die Europäische Union muss die Landnahme an vorderster Front bekämpfen. Die Schaffung einer angemessenen Raumordnungspolitik in Entwicklungsländern und die Stärkung der Menschen durch klare und verlässliche Eigentumsrechte werden Chancen für vertragliche Vereinbarungen über Überwachung eröffnen sowie Enteignung, eine Umverteilung ohne fairen Ausgleich und Vernachlässigung verhindern.
Die Einrichtung verlässlicher Systeme zur Verwaltung von Grundbesitz ist kein kurzfristiges Unterfangen, sondern erfordert im Gegenteil einen langfristigen Ansatz und das aufeinander abgestimmte Engagement vieler Akteure, von den Regierungen bis zur Zivilgesellschaft und von internationalen Gebern bis zu öffentlichen und privaten Stellen.
Damit die Europäische Union eine bedeutende Rolle bei der Förderung der Eigentumsrechte und der Bekämpfung der Landnahme einnehmen kann, werden in diesem Bericht folgende Empfehlungen ausgesprochen:
· Die Kommission richtet eine klar umrissene Haushaltslinie für Eigentumsrechte in Entwicklungsländern ein, wobei die Mittel für die Unterstützung langfristiger Reformen der Raumordnungspolitik und für die Vereinheitlichung der Regelungen zu Grundbesitz bei der Erarbeitung und Umsetzung von Länderstrategiepapieren eingesetzt werden sollen.
· Die Formalisierung von Eigentumsrechten und der Eintragung von Grundbesitz wird auf die Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015 gesetzt.
· Unter Federführung der Vereinten Nationen ist ein übergreifender Rechenschaftsmechanismus auszuarbeiten, durch den ausdrücklich Landreformen unterstützt werden, Raumordnung transparent und verantwortlich überwacht wird und Staaten dazu angehalten werden, Ansprüche von Einzelpersonen und Gemeinschaften auf Grundbesitz zu achten und ihnen nachzugehen.
- [1] Tim Hansted, Präsident und Generaldirektor von Landesa (Rural Development Institute, Institut für ländliche Entwicklung).
- [2] Global Land Tool Network Newsletter 1, März 2010.
- [3] Hernando De Soto, Freiheit für das Kapital! Warum der Kapitalismus nicht weltweit funktioniert, 2002.
- [4] Ebenda.
- [5] USAID Äthiopien, http://ethiopia.usaid.gov/programs/feed-future-initiative/projects/land-administration-nurture-development-land.
- [6] http://www.landmatrix.org/get-the-idea/global-map-investments/.
- [7] Action Aid, Broken promises: The impacts of Addax Bioenergy in Sierra Leone on hunger and livelihoods, September 2013 (Action Aid, Gebrochene Versprechen: Die Auswirkungen von Addax Bioenergy in Sierra Leone auf Hunger und Lebensgrundlagen, September 2013).
- [8] Deininger, K., H. Selod, and A. Burns. 2012. „The Land Governance Assessment Framework: Identifying and Monitoring Good Practice in the Land Sector.“ (Der Rahmen zur Bewertung von Raumordnung: Ermittlung und Überwachung bewährter Methoden in der Bodenpolitik, Weltbank, Washington, DC).
STELLUNGNAHME des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (15.7.2011)
für den Entwicklungsausschuss
zu der Rolle der Eigentumsrechte, des Grundbesitzes und der Schaffung von Wohlstand im Hinblick auf die Beseitigung von Armut und die Förderung der nachhaltigen Entwicklung in Entwicklungsländern
(2013/2026(INI))
Verfasserin der Stellungnahme: Silvia Costa
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter ersucht den federführenden Entwicklungsausschuss, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:
A. in der Erwägung, dass Frauen in Entwicklungsländern mit schwerwiegenden geschlechterspezifischen Ungleichheiten in Bezug auf Eigentumsrechte und Grundbesitz konfrontiert sind, vor allem beim Zugang zu Produktivkräften wie zum Beispiel Land oder Tiere; in der Erwägung, dass Frauen weniger Land besitzen als Männer und das Land, das sie besitzen, oft von schlechterer Qualität ist; in der Erwägung, dass die Beseitigung der geschlechterspezifischen Ungleichheiten beim Zugang zu den Produktivkräften die Zahl der hungernden Menschen in der Welt um 12-17% verringern könnte[1];
B. in der Erwägung, dass mehr als 60 % der Hungernden Frauen und Mädchen sind und dass Frauen in den Entwicklungsländern 60–80 % der Nahrung erzeugen[2];
C. in der Erwägung, dass der gesicherte Zugang zu Land- und anderen Eigentumsrechten von Frauen wie das Erbrecht und der Zugang zu Ersparnissen und Krediten in vielen Entwicklungsländern rechtlich nicht durchsetzbar sind oder von der Gesellschaft nicht anerkannt werden, in der Erwägung, dass es für Frauen in einer derartig benachteiligenden Ausgangslage besonders schwierig ist, ihr Eigentumsrecht und insbesondere Erbansprüche rechtlich durchzusetzen;
D. in der Erwägung, dass laut Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jeder das Recht auf Erlangung der Ressourcen und Mittel hat, die notwendig sind, um Nahrung in ausreichender Menge für seinen Lebensunterhalt zu erzeugen oder zu beschaffen;
E. in der Erwägung, dass in Entwicklungsländern aufgrund des zunehmenden großflächigen Landerwerbs durch entwickelte Länder in den Entwicklungsländern für kommerzielle oder strategische Zwecke wie Produktivität der Landwirtschaft, Ernährungssicherheit und Erzeugung von Energie und Biokraftstoffen gegen die Eigentumsrechte von Frauen verstoßen wird; in der Erwägung, dass Frauen in Entwicklungsländern oftmals nicht die Möglichkeit haben, sich Rechtshilfe und Rechtsbeistand zu verschaffen, um erfolgreich gegen Eigentumsrechtsverstöße vorzugehen,
1. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ausreichende Finanzmittel bereitzustellen und die vorhandenen Finanzmittel kosteneffektiv und auf geeignete und praktische Weise für die Entwicklungshilfe zu nutzen sowie besondere politische Vorkehrungen zu treffen, um die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf den Zugang zu Land und andere Eigentumsrechte und Grundbesitz aufzuheben, auch durch die Beseitigung jeglicher Form der Diskriminierung von Frauen kraft Gesetzes im Einklang mit den Grundsätzen der Erklärung von Peking;
2. bekräftigt die Verpflichtungen der Europäischen Union, die Armut im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung weltweit zu verringern, und versichert, dass die EU in all ihre Politikfelder und Praktiken, die ihre Beziehungen zu Entwicklungsländern betreffen, die Geschlechtergleichstellung als wichtige Komponente aufnehmen sollte[3];
3. betont, dass verstärkte Maßnahmen zur Gleichstellung des Zugangs von Frauen zu Eigentum in den Entwicklungsländern mit dem der Männer erforderlich sind; vertritt die Auffassung, dass dies in den Länderprogrammen berücksichtigt werden und mit den erforderlichen Mechanismen zur finanziellen Unterstützung (wie Bildung von Ersparnissen, Bereitstellung von Krediten einschließlich Zuschüssen, Mikrokrediten und Versicherungen) einhergehen muss; ist der Ansicht, dass diese verstärkten Maßnahmen zur Stärkung der Rolle der Frauen sowie von NRO führen und unternehmerische Initiative bei Frauen stärken werden; ist der Auffassung, dass sie den Wissensstand der Frauen über Rechts- und Finanzfragen verbessern, die Mädchenbildung unterstützen, die Verbreitung und Zugänglichkeit von Informationen erhöhen und zur Einrichtung von unterstützender Rechtsberatung und zur Sensibilisierung von Finanzdienstleistern für Gleichstellungsfragen beitragen werden;
4. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, sich in ihrer Entwicklungshilfearbeit aktiv für die Unternehmertätigkeit von Frauen und das Eigentumsrecht von Frauen einzusetzen, die zu einer größeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern beitragen und die Wirtschaft der Länder stärken;
5. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in ihrer Entwicklungshilfepolitik dem großflächigen Landerwerb in den Entwicklungsländern und insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent durch Investoren aus den Industrieländern Rechnung zu tragen, die die lokalen Landwirte beeinträchtigen und die eine verheerende Wirkung auf Frauen und Kinder haben, um diese vor Verarmung, Hunger und Vertreibung aus ihren Dörfern und von ihrem Land zu schützen;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen der Vereinten Nationen zu prüfen, inwieweit sich dieser Landerwerb auf die Verödung landwirtschaftlicher Flächen, auf den Verlust des Wohn- und des Eigentumsrechts von Frauen, insbesondere derjenigen, die allein leben oder die Familie ernähren, auf die Ernährungssicherheit und auf den Unterhalt von ihnen selbst, von ihren Kindern und den von ihnen abhängigen Personen auswirkt;
7. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in ihrer Entwicklungspolitik und Politik der humanitären Hilfe dafür zu sorgen, dass die Entwicklungsländer gesetzgeberische Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und zur Verhinderung von Diskriminierung bei Eigentumsrechten auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit, der Rasse und des Familienstands einführen und sich damit befassen, wie sich die erheblichen sozialen, politischen und kulturellen Hemmnisse beim Erwerb von Bodenrechten beseitigen lassen;
8. fordert die Delegationen der Europäischen Union in den Entwicklungsländern auf, die Eigentumsrechte der Frauen im Auge zu behalten, um sicherzustellen, dass sie nicht verletzt werden, und somit das Risiko der Frauen, in Armut oder soziale Ausgrenzung zu geraten, zu vermeiden;
9. erinnert daran, dass am 15. Oktober der Internationale Tag der Frauen in ländlichen Gebieten begangen wird, und fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, Sensibilisierungskampagnen in den Entwicklungsländern zu fördern;
10. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Frauen in ihren Rechten und beim Zugang zu Land, Erbe, Zugang zu Krediten und Ersparnissen in Situationen nach Konflikten zu stärken, vor allem in Ländern, in denen die Eigentumsrechte von Frauen von der Gesellschaft nicht anerkannt werden und in denen Frauen benachteiligende Gesetze, traditionelle Einstellungen gegenüber Frauen und von Männern dominierte soziale Hierarchien die Gleichberechtigung von Frauen behindern; fordert die EU auf, die Einbeziehung der neugegründeten UN-Frauenorganisation in dieser Angelegenheit zu fördern.
ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
13.7.2011 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
29 0 1 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Regina Bastos, Edit Bauer, Marije Cornelissen, Silvia Costa, Edite Estrela, Ilda Figueiredo, Zita Gurmai, Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Nicole Kiil-Nielsen, Astrid Lulling, Barbara Matera, Angelika Niebler, Siiri Oviir, Antonyia Parvanova, Nicole Sinclaire, Joanna Katarzyna Skrzydlewska, Eva-Britt Svensson, Britta Thomsen, Marina Yannakoudakis, Anna Záborská |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen) |
Izaskun Bilbao Barandica, Vilija Blinkevičiūtė, Christa Klaß, Mojca Kleva, Mariya Nedelcheva, Norica Nicolai, Chrysoula Paliadeli, Antigoni Papadopoulou, Sirpa Pietikäinen |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Jacek Włosowicz |
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ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
11.2.2014 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
15 4 5 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Thijs Berman, Ricardo Cortés Lastra, Véronique De Keyser, Nirj Deva, Leonidas Donskis, Charles Goerens, Catherine Grèze, Mikael Gustafsson, Bill Newton Dunn, Jean Roatta, Birgit Schnieber-Jastram, Michèle Striffler, Keith Taylor, Anna Záborská, Iva Zanicchi |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Philippe Boulland, Emer Costello, Edvard Kožušník, Csaba Őry, Cristian Dan Preda, Judith Sargentini |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2) |
Josefa Andrés Barea, Małgorzata Handzlik, Tadeusz Ross |
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