ZWISCHENBERICHT über die Ratifizierung des Protokolls von 2010 zu dem Internationalen Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See durch die Mitgliedstaaten im Namen der Union und ihren Beitritt zu diesem Protokoll, mit Ausnahme der Aspekte im Zusammenhang mit der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen

30.5.2016 - (13806/2015 – C8-0410/2015 – 2015/0135(NLE))

Rechtsausschuss
Berichterstatter: Pavel Svoboda

Verfahren : 2015/0135(NLE)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A8-0191/2016
Eingereichte Texte :
A8-0191/2016
Aussprachen :
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zur Ratifizierung des Protokolls von 2010 zu dem Internationalen Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See durch die Mitgliedstaaten im Namen der Union und ihren Beitritt zu diesem Protokoll, mit Ausnahme der Aspekte im Zusammenhang mit der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen

(13806/2015 – C8-0410/2015 – 2015/0135(NLE))

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf den Entwurf eines Beschlusses des Rates (13806/2015),

–  unter Hinweis auf das vom Rat gemäß Artikel 100 Absatz 2 und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterbreitete Ersuchen um Zustimmung (C8-0410/2015),

–  unter Hinweis auf Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf das Gutachten des Gerichtshofs vom 14. Oktober 2014[1],

–  unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See von 1996 (im Folgenden: HNS-Übereinkommen von 1996),

–  unter Hinweis auf das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen von 1996 (im Folgenden: HNS-Übereinkommen von 2010),

–  unter Hinweis auf den Vorschlag für einen Beschluss des Rates (COM(2015)0304),

–  unter Hinweis auf den Beschluss des Rates vom 18. November 2002 (2002/971/EG) zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, im Interesse der Gemeinschaft das HNS-Übereinkommen von 1996 zu ratifizieren oder diesem beizutreten[2],

–  unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (Umwelthaftungsrichtlinie oder UHRL)[3],

–  unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission zum Protokoll des Ausschusses der Ständigen Vertreter und des Rates vom 20. November und vom 8. Dezember 2015[4],

–  unter Hinweis auf das Dokument der Schifffahrtsindustrie vom 18. September 2015, in dem gefordert wird, dass die Mitgliedstaaten dem Protokoll von 2010 des HNS-Übereinkommens baldmöglichst entsprechend dem von der Kommission vorgeschlagenen Ansatz ratifizieren oder ihm beitreten[5],

–  unter Hinweis auf den für die Kommission erstellten Abschlussbericht mit dem Titel „Study on ELD Effectiveness: scope and exceptions“ vom 19. Februar 2014[6],

–  unter Hinweis auf den Vermerk des Juristischen Diensts des Parlaments vom 11. Februar 2016 zu der Rechtsgrundlage für den oben genannten Vorschlag für einen Beschluss des Rates (SJ-0066/16) und die nachfolgende Stellungnahme in Form eines Schreibens zu der angemessenen Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag für einen Beschluss, die vom Rechtsausschuss am 19. Februar 2016 angenommen wurde[7],

–  gestützt auf Artikel 99 Absatz 3 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Zwischenbericht des Rechtsausschusses (A8-0191/2016),

A.  in der Erwägung, dass das Ziel des HNS-Übereinkommens von 2010 darin besteht, für Rechenschaftspflicht sowie für die Zahlung angemessener, unverzüglicher und wirksamer Entschädigung für Verlust oder Schaden durch den spezifischen internationalen HNS-Entschädigungsfonds zu sorgen, wenn Personen, Eigentum oder die Umwelt durch die Beförderung von gefährlichen oder schädlichen Stoffen auf See betroffen sind;

B.  in der Erwägung, dass es daher einerseits für mögliche Umweltschäden das Verursacherprinzip und die Grundsätze der Vorsorge und der Vorbeugung vorsieht und somit in die Umweltpolitik der Union und unter die entsprechend geltenden allgemeinen Grundsätze fällt, und andererseits darauf abzielt, Aspekte in Bezug auf Schäden zu regulieren, die als Folge des Seeverkehrs entstehen, sowie diese Schäden zu verhindern oder zu minimieren, so dass es in den Bereich der Verkehrspolitik der Union fällt;

C.  in der Erwägung, dass sich ausweislich des Vorschlags der Kommission (COM(2015)0304) daher der Abschluss des HNS-Übereinkommens von 2010 und dessen Geltungsbereich einerseits und die Bestimmungen der Umwelthaftungsrichtlinie andererseits überschneiden würden;

D.  in der Erwägung, dass sich das HNS-Übereinkommen von 2010 im Hinblick auf den Geltungsbereich in Bezug auf Schäden im Hoheitsgebiet und in den der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaaten unterstehenden Meeresgewässern, Schäden durch Kontaminierung der Umwelt in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder in einer entsprechenden Zone (bis zu 200 Seemeilen von den Basislinien) eines Vertragsstaats und Schutzmaßnahmen zur Verhütung oder Einschränkung dieser Schäden mit der Umwelthaftungsrichtlinie überschneidet;

E.  in der Erwägung, dass das HNS-Übereinkommen von 2010 eine verschuldensunabhängige Haftung des Schiffseigners für durch die Beförderung von gefährlichen oder schädlichen Stoffen auf See verursachte Schäden, die unter das Übereinkommen fallen, vorsieht sowie auch die Verpflichtung des Eigentümers zum Abschluss einer Versicherung oder anderweitigen finanziellen Sicherheitsleistung zur Deckung der Haftung für Schäden, auf die das Übereinkommen Anwendung findet, wobei weitere Ansprüche gegen den Schiffseigner nur nach diesem Übereinkommen geltend gemacht werden können (Artikel 7 Absätze 4 und 5);

F.  in der Erwägung, dass damit die Gefahr eines potenziellen Konflikts zwischen der UHRL und dem HNS-Übereinkommen von 2010 besteht, die insofern mit Artikel 4 Absatz 2 UHRL abgewendet werden kann, als es darin wörtlich heißt, dass diese Richtlinie „nicht für Umweltschäden oder die unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die infolge eines Vorfalls eintreten, bei dem die Haftung oder Entschädigung in den Anwendungsbereich eines der in Anhang IV aufgeführten internationalen Übereinkommen, einschließlich etwaiger künftiger Änderungen dieser Übereinkommen, fällt, das in dem betroffenen Mitgliedstaat in Kraft ist“ gilt;

G.  in der Erwägung, dass somit Umweltschäden oder die unmittelbare Gefahr solcher Schäden, die von dem HNS-Übereinkommen von 2010 erfasst werden, wenn dieses in Kraft tritt, aus dem Anwendungsbereich der UHRL ausgeschlossen sind, es sei denn, alle Mitgliedstaaten ratifizieren das HNS-Übereinkommen von 2010 gleichzeitig oder treten ihm gleichzeitig bei, wobei es andernfalls in Bezug auf einige Mitgliedstaaten, die dem HNS-Übereinkommen beigetreten sind, und anderen, die der UHRL unterliegen, dazu kommen kann, dass ein fragmentiertes Rechtsumfeld entsteht; in der Erwägung, dass dies dazu führen dürfte, dass den Opfern der Verschmutzung wie Küstengemeinden, Fischer usw. eine unterschiedliche Behandlung zuteil wird, was im Übrigen gegen den Geist des HNS-Übereinkommens von 2010 verstoßen würde;

H.  in der Erwägung, dass die Grundsätze, auf denen die Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation beruhen und die auch für das HNS-Übereinkommen von 2010 gelten, die Folgenden sind: verschuldensunabhängige Haftung des Schiffseigners, Pflichtversicherung zur Deckung von Schadensersatzansprüchen Dritter, direkter Regressanspruch des Geschädigten gegenüber dem Versicherer, Beschränkung der Haftung und und – im Fall von Öl und schädlichen und gefährlichen Stoffen – Bereitstellung eines besonderen Ausgleichsfonds für die Schäden, die die Haftungshöchstbeträge des Schiffseigners übersteigen;

I.  in der Erwägung, dass es im Interesse der gesamten Union liegt, dass eine einheitliche Haftungsregelung für durch die Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffen auf See verursachte Schäden besteht;

J.  in der Erwägung, dass es nicht absolut klar ist, ob Artikel 4 Absatz 2 UHRL bedeutet, dass die Anwendung der UHRL in einem Mitgliedstaat, der das HNS-Übereinkommen von 2010 ratifiziert hat, nicht möglich ist, oder ob die Beschränkung nur insofern begrenzt ist, als die Haftung oder Entschädigung in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt;

K.  in der Erwägung, dass es sich bei dem HNS-Übereinkommen von 2010 um eine Schadensersatzregelung handelt und sie daher in Bezug auf Regelungen, wonach die Unternehmen verpflichtet sind und die zuständigen Behörden angewiesen sind, von Unternehmen zu verlangen, unmittelbar drohenden Umweltschäden vorzubeugen oder diese Umweltschäden zu verhindern oder ggf. für Abhilfe zu sorgen, nicht so weit geht wie die UHRL;

L.  in der Erwägung, dass nach dem HNS-Übereinkommen von 2010 anders als im Fall der UHRL bei anderen als wirtschaftlichen Schäden keine Entschädigung gewährt werden kann;

M.  in der Erwägung, dass die UHRL Unternehmen keine obligatorische Deckungsvorsorge auferlegt, mit der die Finanzierung von Vorsorge- und Sanierungsmaßnahmen in Bezug auf Umweltschäden gewährleistet werden soll, es sei denn, ein Mitgliedstaat hat strengere Vorschriften als die der UHRL erlassen;

N.  in der Erwägung, dass das HNS-Übereinkommen von 2010 eine klare Verpflichtung des Eigentümers zum Abschluss einer Versicherung oder einer anderweitigen finanziellen Sicherheitsleistung zur Deckung der Haftung für Schäden, auf die das Übereinkommen Anwendung findet, vorsieht;

O.  in der Erwägung, dass sich die anderen in Anhang IV der UHRL aufgeführten Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation als wirksam erwiesen haben, weil durch eindeutige Klärung der Haftungsfrage ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ökologischen und geschäftlichen Interessen erreicht wurde, denn normalerweise bestehen in der Frage, wer haftet, keine Unklarheiten, und es wurden eine Pflichtversicherung und zügige Entschädigungsmechanismen eingeführt, die nicht nur auf Umweltschäden begrenzt sind;

1.  ersucht den Rat und die Kommission, die folgenden Empfehlungen zu berücksichtigen:

(i)  es ist für die Einhaltung des in Artikel 5 Absatz 1 EUV festgelegten Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung der EU und die Achtung der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu sorgen, wonach sich die „Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts [...] auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen [muss], zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören“[8].

(ii)  folglich ist die Stellungnahme in Form eines Schreibens des Rechtsausschusses vom 19. Februar 2016 zu berücksichtigen, worin es heißt:

„Da der vorgeschlagene Beschluss des Rates die Mitgliedstaaten ermächtigen soll, das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen im Namen der Europäischen Union zu ratifizieren oder ihm im Namen der Europäischen Union beizutreten, und folglich durch das HNS-Übereinkommen von 2010 gebunden zu sein, und in Anbetracht dessen, dass dieses Übereinkommen nicht nur Fälle umweltbezogener Schäden (Umsetzung des Grundsatzes der Vorbeugung und des Verursacherprinzips), sondern auch Fälle nicht umweltbezogener Schäden erfasst, die beide durch die Beförderung bestimmter Stoffe auf See entstehen, stellen Artikel 100 Absatz 2 AEUV, Artikel 192 Absatz 1 AEUV und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV die angemessene Rechtsgrundlage für den Vorschlag vor.“

(iii)  im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs[9] ist dafür zu sorgen, dass durch die Ratifizierung des HNS-Übereinkommens von 2010 bzw. den Beitritt zu diesem Übereinkommen die Einheitlichkeit, Integrität und Wirksamkeit gemeinsamer Regeln der EU nicht beeinträchtigt werden;

(iv)  in dieser Hinsicht sind die Überschneidungen zwischen der Umwelthaftungsrichtlinie und dem HNS-Übereinkommen von 2010 in Bezug auf Schäden im Hoheitsgebiet und in den der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaats unterstehenden Meeresgewässern, Schäden durch Kontaminierung der Umwelt in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder in einer entsprechenden Zone (bis zu 200 Seemeilen von den Basislinien) eines Vertragsstaats und Schutzmaßnahmen zur Verhütung oder Einschränkung dieser Schäden (vorbeugende Maßnahmen, primäre Sanierung und ergänzende Sanierung) in höherem Maße zu beachten;

(v)  es ist dafür zu sorgen, dass es möglichst nicht zu einem Konflikt zwischen der Umwelthaftungsrichtlinie und dem HNS-Übereinkommen von 2010 kommt bzw. diese Gefahr minimal ist, indem mit allen geeigneten Maßnahmen gewährleistet wird, dass die Ausschließlichkeitsklausel gemäß Artikel 7 Absatz 4 und 5 des HNS-Übereinkommens von 2010, wonach weitere Ansprüche gegen den Eigentümer nur nach diesem Übereinkommen geltend gemacht werden können, uneingeschränkt von den Mitgliedstaaten, die gemäß Artikel 4 Absatz 2 und Anhang IV der Umwelthaftungsrichtlinie dieses Übereinkommen ratifizieren oder ihm beitreten, geachtet wird;

(vi)  es ist zudem dafür zu sorgen, dass sich das Risiko der Entstehung und Verfestigung von Wettbewerbsnachteilen für die Staaten, die bereit sind, dem HNS-Übereinkommen von 2010 beizutreten, im Vergleich zu den Staaten, die diesen Prozess möglicherweise aufhalten möchten und weiterhin nur der UHRL unterworfen sind, minimiert;

(vii)  es ist dafür zu sorgen, dass im Bereich der Haftung im Seeverkehr nicht auf Dauer zwei Regelungen – eine der Union und eine internationale – nebeneinander gelten, da dies zu einer Fragmentierung des Unionsrechts führen würde und darüber hinaus die klare Zuweisung der Haftung gefährden würde und zu langwierigen und kostspieligen Rechtsstreitigkeiten zum Nachteil der Opfer und der Schifffahrtsindustrie führen könnte;

(viii)  hierzu ist zu gewährleisten, dass den Mitgliedstaaten eine klare Verpflichtung auferlegt wird, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ein konkretes Ergebnis zu erreichen, d. h. das HNS-Übereinkommen von 2010 in einem angemessenen Zeitraum zu ratifizieren oder ihm beizutreten, was nicht länger als zwei Jahre nach Inkrafttreten des Beschlusses des Rates in Anspruch nehmen sollte;

2.  kommt zu dem Schluss, dass dieser Zwischenbericht eine weitere Möglichkeit für den Rat und die Kommission wäre, den Empfehlungen in Ziffer 1 nachzukommen;

3.  beauftragt seinen Präsidenten, weitere Erörterungen mit der Kommission und dem Rat zu fordern;

4.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

BEGRÜNDUNG

Das Parlament wurde in einem Schreiben darum ersucht, dem Entwurf des Beschlusses des Rates über die Ratifizierung und den Beitritt der Mitgliedstaaten im Namen der Union zu dem Protokoll von 2010 zu dem HNS-Übereinkommen vom 17. Dezember 2015 zuzustimmen[1]. Da weder in das Übereinkommen noch in das Protokoll eine sogenannte REIO-Klausel (Klausel über Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration) aufgenommen wurde, obliegt es den Mitgliedstaaten, dieses internationale Übereinkommen im Namen der Union auf Vorschlag der Kommission mit Genehmigung des Rates und Zustimmung des Europäischen Parlaments (Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a AEUV) abzuschließen. Der Berichterstatter schlägt einen Zwischenbericht vor, um zu erreichen, dass das Ergebnis mit dem Rat und der Kommission positiv ausfällt, zumal es seines Erachtens für das Parlament nicht angezeigt ist, seine Zustimmung zu erteilen, bevor die Einheitlichkeit, Integrität und Wirksamkeit des Unionsrechts und der fundamentale Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung der EU gewährleistet ist.

Das Internationale Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See von 1996 ist das letzte einer ganzen Reihe von Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die die Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See betreffen (einschließlich eines Übereinkommens in Bezug auf verflüssigtes Erdgas (LNG) und Flüssiggas (LPG), das noch nicht ratifiziert wurde). Aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen internationalen Regelungen für die Haftung bei Schäden in Zusammenhang mit anderen Seeverkehrsleistungen, wie etwa beim Transport von Öl auf Tankschiffen, verabschiedete die IMO dieses internationale Übereinkommen, geändert durch das Protokoll von 2010, um das Regelsystem der bisher verabschiedeten internationalen Übereinkommen im Bereich der Haftung im Seeverkehr durch ein spezifisches Instrument zu ergänzen. Weder das HNS-Übereinkommen von 1996 noch das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen sind in Kraft getreten.

Das HNS-Übereinkommen von 2010 sieht eine verschuldensunabhängige Haftung des Schiffseigners für Schäden vor, die im Zusammenhang mit der Beförderung von HNS an Bord seines Schiffes auf See verursacht werden. Es gibt begrenzte Ausnahmen von der verschuldensunabhängigen Haftung des Eigentümers, wenn dieser der Verpflichtung zum Abschluss einer Versicherung oder anderweitigen finanziellen Sicherheitsleistung zur Deckung der Haftung für Schäden, auf die das Übereinkommen Anwendung findet, nachkommt. Wichtiger noch ist die Einrichtung eines eigens zu diesem Zweck aufgelegten Entschädigungsfonds, der jedem, der einen Schaden durch die Beförderung von HNS auf See erlitten hat, eine Entschädigung zahlen soll, wenn die betreffende Person durch den Schiffseigner und seinen Versicherer nicht voll und angemessen für den Schaden entschädigt werden konnte. Der Gesamtbetrag, der für Entschädigungen im Rahmen zur Verfügung steht, beläuft sich auf 250 Millionen Rechnungseinheiten (etwa 310 Millionen EUR nach dem aktuellen Wechselkurs) und stützt sich auf für die an den HNS-Fonds zu zahlenden Beiträge der Empfänger von HNS in den jeweiligen Vertragsstaaten.

Sowohl das HNS-Übereinkommen von 1996 als auch das HNS-Übereinkommen von 2010 überschneiden sich in ihrem Anwendungsbereich mit der Richtlinie 2004/35/EG über die Haftung der Betreiber wirtschaftlicher Tätigkeiten[2], einschließlich Seeverkehrsleistungen, insoweit Umweltschäden im Hoheitsgebiet, einschließlich des Küstenmeers eines Vertragsstaats, Schäden durch Kontaminierung der Umwelt in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder in einer entsprechenden Zone (bis zu 200 Seemeilen von den Basislinien) eines Vertragsstaats sowie die „Schutzmaßnahmen zur Verhütung oder Einschränkung dieser Schäden, unabhängig davon, wo sie getroffen worden sind“, betroffen sind.

Derzeit sind in der Umwelthaftungsrichtlinie keine Entschädigungsleistungen für Opfer vorgesehen, die über den Haftungshöchstbetrag des Schiffseigners hinausgehen. Darüber hinaus sieht der bestehende Rechtsrahmen in der EU keine Pflichtversicherung vor, die im HNS-Übereinkommen von 2010 speziell für Schiffseigner vorgeschrieben ist, und zwar in Verbindung mit dem Recht des Anspruchstellers, den Schadensersatzanspruch unmittelbar gegen den Versicherer geltend zu machen.

Vor diesem Hintergrund wird nach dem Verständnis des Berichterstatters mit dem Abschluss des Protokolls von 2010 zu dem HNS-Übereinkommen eine EU-weit einheitliche Anwendung der Vorschriften über Haftung und Entschädigung im Zusammenhang mit Unfällen, die durch ein mit HNS beladenes Schiff auf See verursacht werden, gewährleistet. Zudem wird auch die Bereitstellung ausreichender Mittel für die Entschädigung der Opfer solcher Unfälle sichergestellt.

Bedenkt man jedoch, dass der Begriff „Verschmutzungsschäden“ im HNS-Übereinkommen von 2010 enger gefasst ist als der Begriff „Umweltschäden“ im Rahmen der UHRL und somit Unfälle mit gefährlichen und schädlichen Stoffen im Rahmen der UHRL möglicherweise als reine Umweltschäden betrachtet werden könnten, dürfte die Anwendung der UHRL auf Unfälle, die vom HNS-Übereinkommen von 2010 erfasst sind, letztendlich eine Ablehnung des Ansatzes der IMO durch die EU darstellen – mit erheblichen negativen Auswirkungen.

Insbesondere wären die Rechtsvorschriften der EU für Staaten, die nicht Mitglied der EU sind, darunter auch wichtige Flaggenstaaten, nicht verbindlich, was wiederum problematisch sein könnte, wenn es notwendig wird, Ansprüchen aus der Freisetzung von gefährlichen oder schädlichen Stoffen, die internationale Aspekte haben, stattzugeben. Darüber hinaus könnte eine Situation entstehen, in der Nachbarstaaten der EU Parteien des HNS-Übereinkommens von 2010 wären – Norwegen und die Türkei haben das HNS-Übereinkommen bereits unterzeichnet – und bei einem Unfall ein Mitgliedstaat der EU und ein Nachbarstaat betroffen wären, sodass Anspruchsteller und Schiffseigner verschiedenen (und widerstreitenden) Regelungen unterliegen würden.

Daher wäre ein internationales System für die einheitliche Anwendung der Vorschriften über Haftung und Entschädigung im Zusammenhang mit Unfällen, die durch ein mit HNS beladenes Schiff auf See verursacht werden, für die EU besser geeignet als regionale Lösungen, da sie dem Schiffsverkehr als globales Geschäft mit grenzübergreifenden Auswirkungen eher gerecht wird.

Angesichts des hohen Anteils von HNS-Fracht am Seefrachtverkehr, des globalen Charakters des Schiffsverkehrs und der wahrscheinlich grenzübergreifenden Auswirkungen von Unfällen mit HNS-Fracht läge es durchaus im Interesse der gesamten Union, eine einheitliche Haftungsregelung für die Anwendung bei Umweltschäden durch die Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffen auf See zu haben, was nur erreicht werden kann, wenn die Empfehlungen des Parlaments von Rat und Kommission gründlich geprüft werden.

Der vorliegende Zwischenbericht sollte daher nicht als Hindernis für die Schaffung einer einheitlichen Haftungsregelung, sondern vielmehr als Versuch verstanden werden, dies auf möglichst wirksame und gerechte Art und Weise zu bewerkstelligen, ohne die Einheitlichkeit, Integrität und Wirksamkeit gemeinsamer Regeln des Unionsrechts zu schmälern und ohne dass ein allzu starkes Missverhältnis zwischen den Opfern der Verschmutzung (wie Küstengemeinden, Fischer usw.) und der Schifffahrtsindustrie entsteht.

Eine kohärente Politik der EU im Bereich der Haftung und Entschädigung für Umweltschäden durch die Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffen auf See könnte am besten durch einen Dialog mit dem Rat und der Kommission auf den Weg gebracht werden.

  • [1]  SGS15/14574 in Bezug auf den Beschluss 13806/15.
  • [2]  ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56.

STELLUNGNAHME DES RECHTSAUSSCHUSSES ZUR RECHTSGRUNDLAGE

Herrn

Pavel Svoboda

Vorsitzender

Rechtsausschuss

BRÜSSEL

Betrifft:  Stellungnahme zu der Rechtsgrundlage zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ratifizierung des Protokolls von 2010 zu dem Internationalen Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See durch die Mitgliedstaaten im Namen der Union und ihren Beitritt zu diesem Protokoll, mit Ausnahme der Aspekte im Zusammenhang mit der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen [2015/0135 (NLE) – 13806/2015 – C8-0410/2015]

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 ersuchte der Rat das Parlament, dem oben genannten Vorschlag für einen Beschluss des Rates zuzustimmen[1]. Angesichts der Änderung der Rechtsgrundlage des Vorschlags durch den Rat hat der Rechtsausschuss, der auch der für den Gegenstand des Vorschlags des Rates zuständige Ausschuss ist, in seiner Sitzung vom 28. Januar 2016 gemäß Artikel 39 Absatz 2 der Geschäftsordnung beschlossen, sich aus eigener Initiative mit der Prüfung der Angemessenheit der Rechtsgrundlage des genannten Vorschlags des Rates zu befassen.

Am 22. Juni 2015 legte die Kommission einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Ratifizierung des Protokolls von 2010 zu dem Internationalen Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See durch die Mitgliedstaaten im Interesse der Union und ihren Beitritt zu diesem Protokoll, mit Ausnahme der Aspekte im Zusammenhang mit der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen (im Folgenden: Beschluss des Rates über Ratifizierung des Protokolls von 2010 und den Beitritt zu diesem Protokoll bzw. Beschluss des Rates) vor.[2] Der Vorschlag stützt sich auf Artikel 192 und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Gemäß Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV werden Übereinkünfte in Bereichen, für die entweder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren oder, wenn die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich ist, das besondere Gesetzgebungsverfahren gilt, vom Rat nach Zustimmung des Europäischen Parlaments abgeschlossen. Artikel 192 Absatz 1 AEUV ist Teil des Titels XX (Umwelt) und sieht den Beschluss von Maßnahmen zur Erreichung der in Artikel 191 AEUV genannten Ziele durch das Europäische Parlament und den Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vor.

Am 1. Dezember 2015 veröffentlichte der Rat seinen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über Ratifizierung des Protokolls von 2010 und den Beitritt zu diesem Protokoll, der stattdessen auf die Artikel 100 Absatz 2 und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV gestützt ist. Artikel 100 Absatz 2 AEUV ist Teil des Titels VI (Der Verkehr) und sieht den Erlass von geeigneten Vorschriften für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt durch das Europäische Parlament und den Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vor.

I. - Hintergrund

Die Haftung und Entschädigung für Schäden in Zusammenhang mit bestimmten Schiffsverkehrsleistungen ist auf internationaler Ebene in einer Reihe von Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation geregelt, die auf denselben Grundsätzen beruhen. Diese Grundsätze sind: die verschuldensunabhängige Haftung des Schiffseigners, die Pflichtversicherung zur Deckung von Schadensersatzansprüchen Dritter, ein direkter Regressanspruch des Geschädigten gegenüber dem Versicherer, die Beschränkung der Haftung und im Fall von Öl und schädlichen und gefährlichen Stoffen (im Folgenden „HNS“) die Bereitstellung eines besonderen Ausgleichsfonds, der für Schäden aufkommt, die die Haftungshöchstbeträge des Schiffseigners übersteigen.

Das Internationale Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See von 1996 (im Folgenden: HNS-Übereinkommen von 1996) ist das letzte der die Haftung betreffenden Übereinkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation, das noch nicht ratifiziert wurde und daher noch nicht in Kraft getreten ist. Das Protokoll von 2010 zu dem HNS-Übereinkommen von 1996 (im Folgenden Protokoll von 2010) enthält Änderungen, die zur Lösung der bei dem HNS-Übereinkommen von 1996 ermittelten Probleme erforderlich waren. Das Protokoll von 2010 und die Bestimmungen des Übereinkommens in der durch das Protokoll geänderten Fassung sind nach den Artikeln 2 und 18 des Protokolls als ein einziges Rechtsinstrument zu lesen, auszulegen und anzuwenden. Nach Artikel 20 Absatz 8 des Protokolls wird durch die Unterzeichnung, Ratifikation oder Annahme des Protokolls von 2010 durch einen Staat jede vorherige Unterzeichnung oder Ratifizierung des HNS-Übereinkommens 1996 durch diesen Staat nichtig. Die Staaten geben mit der Ratifizierung des Protokolls ausdrücklich ihre Zustimmung, durch die konsolidierte Fassung des HNS-Übereinkommens von 2010 gebunden zu sein, die als einziges konsolidiertes Rechtsinstrument des Übereinkommens 2010 wirksam wird, sobald das Protokoll von 2010 in Kraft tritt.

Da weder in das Übereinkommen noch in das Protokoll eine Klausel über Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration aufgenommen wurde, obliegt es den Mitgliedstaaten, dieses internationale Übereinkommen im Namen der Union abzuschließen. Mit dem vorgeschlagenen Beschluss des Rates werden die Mitgliedstaaten daher ermächtigt, das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen im Namen der Europäischen Union zu ratifizieren oder ihm im Namen der Europäischen Union beizutreten, und folglich durch das HNS-Übereinkommen von 2010 gebunden zu sein.

II. - Einschlägige Artikel des Vertrags

Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v im Fünften Teil (Das auswärtige Handeln der Union) in Verbindung mit Artikel 192 AEUV im Dritten Teil (Die internen Politiken und Maßnahmen der Union) werden im Vorschlag der Kommission als Rechtsgrundlage genannt und lauten wie folgt (Hervorhebungen hinzugefügt):

Artikel 218

(ex-Artikel 300 EGV)

[...]

6. Der Rat erlässt auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft.

Mit Ausnahme der Übereinkünfte, die ausschließlich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betreffen, erlässt der Rat den Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft

(a) nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in folgenden Fällen:

[...]

(v) Übereinkünfte in Bereichen, für die entweder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren oder, wenn die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich ist, das besondere Gesetzgebungsverfahren gilt.

Artikel 192

(ex-Artikel 175 EGV)

1. Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen über das Tätigwerden der Union zur Erreichung der in Artikel 191 genannten Ziele.

[...]

Artikel 191 AEUV lautet wie folgt (Hervorhebungen hinzugefügt):

Artikel 191

(ex-Artikel 174 EGV)

1. Die Umweltpolitik der Union trägt zur Verfolgung der nachstehenden Ziele bei:

- Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität,

- Schutz der menschlichen Gesundheit;

- umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen,

- Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme und insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels.

2. Die Umweltpolitik der Union zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.

[...]

Der vorgeschlagene Beschluss des Rates stützt sich auf Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV in Verbindung mit Artikel 100 Absatz 2 AEUV, der folgenden Wortlaut hat:

Artikel 100

(ex-Artikel 80 EGV)

[...]

2. Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt erlassen. Sie beschließen nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen.

III. - Rechtsprechung zur Rechtsgrundlage

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs „muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts ... auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören“[3]. Die Wahl einer falschen Rechtsgrundlage kann daher ein Grund für die Nichtigerklärung des betreffenden Rechtsakts sein.[4]

Ergibt die Prüfung eines Rechtsakts der EU in Bezug auf mehrfache Rechtsgrundlagen , dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert.[5] Werden mit einer Maßnahme jedoch gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass das eine gegenüber dem anderen nur zweitrangig und mittelbar ist, so wird ein solcher Rechtsakt auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen gestützt werden müssen[6].

IV. - Ziel und Inhalt des vorgeschlagenen Beschlusses des Rates und des HNS-Übereinkommens von 2010

Wie dargestellt, werden mit dem vorgeschlagenen Beschluss des Rates die Mitgliedstaaten ermächtigt, das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen im Namen der Europäischen Union zu ratifizieren oder ihm im Namen der Europäischen Union beizutreten, und folglich durch das HNS-Übereinkommen von 2010 gebunden zu sein.

Im Einzelnen werden in Artikel 1 des vorgeschlagenen Beschlusses des Rates die Mitgliedstaaten ermächtigt, im Interesse der Union das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen zu ratifizieren oder ihm beizutreten. Artikel 2 und 3 legen die Maßnahmen fest, die Mitgliedstaaten treffen sollten, um das Protokoll von 2010 zu ratifizieren und ein System für die Berichterstattung über beitragspflichtige Ladung im Rahmen des HNS-Übereinkommens einzurichten. Artikel 4 und 5 enthalten die Schlussbestimmungen in Bezug auf das Inkrafttreten des Beschlusses und seine Adressaten, nämlich die Mitgliedstaaten.

Was Ziel und Inhalt des HNS-Übereinkommens von 2010 anbelangt, wird in einem vom Juristischen Dienst des Parlaments erstellten Vermerk Folgendes ausgeführt[7]:

Ziel des HNS-Übereinkommens von 2010 ist die angemessene, unverzügliche und wirksame Entschädigung für Verlust oder Schaden in Bezug auf Personen, Eigentum oder die Umwelt, die durch die Beförderung von gefährlichen oder schädlichen Stoffen auf See entstehen. Das Übereinkommen erfasst Verschmutzungsschäden und Schäden durch andere Risiken, z. B. Feuer und Explosion. Sein Inhalt deckt Fragen der Haftung für Verlust oder Schaden in Bezug auf Personen, Eigentum und die Umwelt, Entschädigung für diese Schäden durch den Internationalen Fonds für gefährliche und schädliche Stoffe sowie Bestimmungen über Entschädigungsansprüche und Klagen ... ab.

Im Einzelnen erfasst Artikel 3 Buchstabe a umweltbezogene oder nicht umweltbezogene Schäden. Artikel 3 Buchstabe b erfasst Schäden durch Verschmutzung der Umwelt. Artikel 3 Buchstabe c erfasst Schäden mit Ausnahme von Schäden durch Verschmutzung der Umwelt. Artikel 3 Buchstabe d erfasst Maßnahmen zur Verhinderung oder Minimierung von umweltbezogenen oder nicht umweltbezogenen Schäden. Nach den allgemeinen Bestimmungen in den Artikeln 1 bis 6 enthält das Übereinkommen in Kapitel II Bestimmungen über die Haftung, wenn der Schaden in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt (Artikel 7-12), in Kapitel III Bestimmungen über die Entschädigung im Rahmen des internationalen Fonds für gefährliche und schädliche Stoffe (HNS-Fonds) im Fall eines solchen Schadens (Artikel 13-36), in Kapitel IV Bestimmungen über Entschädigungsansprüche und Klagen (Artikel 37-42)[8]. Kapitel V und VI enthalten Übergangs- und Schlussbestimmungen.

V. – Bestimmung der angemessenen Rechtsgrundlage

Wie erwähnt, muss die Wahl der Rechtsgrundlage einer Maßnahme der EU sich auf objektive Kriterien stützen, die einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können. Zu diesen Kriterien gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts. Der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage ist darüber hinaus ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen oder wenn die Verbindung der Rechtsgrundlagen die Rechte des Parlaments beeinträchtigen würde. Sowohl Artikel 100 Absatz 2 AEUV, der vom Rat vorgeschlagen wurde, als auch Artikel 192 Absatz 1 AEUV, der von der Kommission vorgeschlagen wurde, sehen vor, dass das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren geeignete Vorschriften im Bereich Verkehr bzw. im Bereich Umwelt erlassen. Zudem ist Ziel des vorgeschlagenen Beschlusses des Rates, die Mitgliedstaaten zu ermächtigen, das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen zu ratifizieren oder ihm beizutreten, und folglich durch das HNS-Übereinkommen von 2010 gebunden zu sein, was wiederum das Ziel hat, angemessene, unverzügliche und wirksame Entschädigung für Verlust oder Schaden in Bezug auf Personen, Eigentum oder die Umwelt, die durch die Beförderung von gefährlichen oder schädlichen Stoffen auf See entstehen zu gewährleisten. Es kann geschlossen werden, dass der Umweltaspekt unter keinen Umständen „nur nebensächliche Bedeutung hat“.

Daher scheint das Übereinkommen von 2010 mehrere Zielsetzungen zu haben und mehrere Komponenten zu umfassen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Einerseits sieht es für Umweltschäden das Verursacherprinzip und den Grundsatz der Vorbeugung vor und enthält Bestimmungen über die Haftung und Entschädigung für Umweltschäden. Andererseits zielt der Beschluss darauf ab, ein Übereinkommen umzusetzen, das unter der Führung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation abgeschlossen wurde, und darauf abzielt, Schäden zu regulieren, die als Folge des Seeverkehrs entstehen, einschließlich nicht umweltbezogener Schäden in Folge des Seeverkehrs sowie die Verhinderung oder Minimierung von dieser Schäden. Daher enthält das Übereinkommen Bestimmungen über die Haftung und Entschädigung für nicht umweltbezogene Schäden.

Im Ergebnis und im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann geschlossen werden, dass der vorgeschlagene Beschluss des Rates auf Artikel 100 Absatz 2 AEUV, Artikel 192 Absatz 1 AEUV und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV gestützt werden sollte.

VI. – Schlussfolgerung und Empfehlung

Da der vorgeschlagene Beschluss des Rates die Mitgliedstaaten ermächtigen soll, das Protokoll von 2010 zum HNS-Übereinkommen im Namen der Europäischen Union zu ratifizieren oder ihm im Namen der Europäischen Union beizutreten, und folglich durch das HNS-Übereinkommen von 2010 gebunden zu sein, und in Anbetracht dessen, dass dieses Übereinkommen nicht nur Fälle umweltbezogener Schäden (Umsetzung des Grundsatzes der Vorbeugung und des Verursacherprinzips), sondern auch Fälle nicht umweltbezogener Schäden erfasst, die beide durch die Beförderung bestimmter Stoffe auf See entstehen, stellen Artikel 100 Absatz 2 AEUV, Artikel 192 Absatz 1 AEUV und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV die angemessene Rechtsgrundlage für den Vorschlag vor.

In seiner Sitzung vom 17. Februar 2016 beschloss der Rechtsausschuss daher einstimmig[9], dass die richtige Rechtsgrundlage für den vorgeschlagenen Beschluss des Rates Artikel 100 Absatz 2 AEUV, Artikel 192 Absatz 1 AEUV und Artikel 218 Absatz 6 Buchstabe a Ziffer v AEUV ist.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Pavel Svoboda

  • [1]  Vgl. 13806/15.
  • [2]  COM(2015) 304 final.
  • [3]  Rechtssache C-411/06, Kommission/Parlament und Rat, Slg. 2009, I-7585, Randnummer 45 und Rechtssache C-130/10, Parlament/Rat, Slg. 2012, Randnummer 42 und die dort angeführte Rechtsprechung;
  • [4]  Gutachten 2/00 zum Protokoll von Cartagena, Slg. 2001, I-9713, Randnummer 5.
  • [5]  Rechtssache C-137/12, Kommission/Rat, EU:C:2013:675, Randnummer 53. Rechtssache C-411/06, Kommission/Parlament und Rat, Slg. 2009, I-7585, Randnummer 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; Rechtssache C-490/10, Parlament/Rat, EU:C:2012:525, Randnummer 45. Rechtssache C-155/07, Parlament/Rat, Slg. 2008, I-08103, Randnummer 34.
  • [6]  Rechtssache C-211/01, Kommission/Rat, Slg. 2003, I-08913, Randnummer 40. Rechtssache C-411/06, Kommission/Parlament und Rat, Slg. 2009, I-7585, Randnummer 47; Rechtssache C-178/03, Kommission/Parlament und Rat, Slg. 2006, I-107, Randnummer 43-56.
  • [7]  SJ-0066/16, S. 3
  • [8]  Kapitel IV unterliegt einem gesonderten Vorschlag für einen Beschluss des Rates.
  • [9]  Bei der Schlussabstimmung waren folgende Mitglieder anwesend: Max Andersson, Marie-Christine Boutonnet, Therese Comodini Cachia, Kostas Chrysogonos, Mady Delvaux, Angel Dzhambazki, Jytte Guteland, Dietmar Köster, Gilles Lebreton, Jiří Maštálka, António Marinho e Pinto, Julia Reda, Evelyn Regner, Virginie Rozière, Pavel Svoboda, Axel Voss, Tadeusz Zwiefka.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNGIM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

24.5.2016

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

21

0

2

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Max Andersson, Marie-Christine Boutonnet, Jean-Marie Cavada, Kostas Chrysogonos, Therese Comodini Cachia, Mady Delvaux, Rosa Estaràs Ferragut, Laura Ferrara, Enrico Gasbarra, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Sajjad Karim, Dietmar Köster, Gilles Lebreton, Jiří Maštálka, Emil Radev, Julia Reda, Evelyn Regner, József Szájer, Axel Voss, Tadeusz Zwiefka

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Daniel Buda, Angel Dzhambazki, Stefano Maullu

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

Jens Nilsson