BERICHT über die vorgeschlagene Ernennung von Juhan Parts zum Mitglied des Rechnungshofs
8.12.2016 - (C8-0445/2016 – 2016/0817(NLE))
Haushaltskontrollausschuss
Berichterstatter: Bart Staes
VORSCHLAG FÜR EINEN BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
über die vorgeschlagene Ernennung von Juhan Parts zum Mitglied des Rechnungshofs
(C8-0445/2016 – 2016/0817(NLE))
(Anhörung)
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 286 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, gemäß dem es vom Rat angehört wurde (C8-0445/2016),
– gestützt auf Artikel 121 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Haushaltskontrollausschusses (A8-0375/2016),
A. in der Erwägung, dass der Haushaltskontrollausschuss die Qualifikationen des vorgeschlagenen Kandidaten bewertet hat, insbesondere mit Blick auf die Anforderungen nach Artikel 286 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union;
B. in der Erwägung, dass der Haushaltskontrollausschuss in seiner Sitzung vom 5. Dezember 2016 den Bewerber, dessen Ernennung zum Mitglied des Rechnungshofes der Rat vorschlägt, angehört hat;
1. gibt eine befürwortende Stellungnahme zu dem Vorschlag des Rates ab, Juhan Parts zum Mitglied des Rechnungshofs zu ernennen;
2. beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss dem Rat und – zur Information – dem Rechnungshof sowie den übrigen Organen der Europäischen Union und den Rechnungskontrollbehörden der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
ANLAGE 1: LEBENSLAUF VON Juhan Parts
Bildungsgang:
Gustav-Adolf-Gymnasium (ehemals Sekundarschule Tallinn Nr. 1) 1984; Universität Tartu, Rechtswissenschaft (cum laude) 1991
Beruflicher Werdegang:
Justizministerium, stellvertretender Generalsekretär 1992–1998, Oberster Rechnungsprüfer 1998–2002
Ministerpräsident 2003–2005
Minister für Wirtschaft und Kommunikation 2007–2014, derzeit Mitglied des Parlaments
Parteizugehörigkeit:
Res Publica / Pro-Patria- und Res-Publica-Union seit 2002, Vorsitzender 2002–2005, stellvertretender Vorsitzender
Mitgliedschaft in Vertretungsorganen:
10. und 11. estnisches Parlament, 12. estnisches Parlament (stellvertretender Fraktionsvorsitzender 2014–2015), 13. estnisches Parlament (Fraktionsvorsitzender); gewähltes Mitglied des Stadtrats von Tallinn 2002–2013
Orden und Auszeichnungen:
Verdienstorden II. Klasse des Staatswappens 2008; Großoffizier des Ordens Infante Dom Henrique (Portugal) 2003; Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik 2004; Großkreuz des Zivilverdienstordens (Spanien) 2007; Komtur I. Klasse des königlich schwedischen Nordstern-Ordens 2011; Drei-Sterne-Orden III. Klasse der Republik Lettland 2012; Großkomturkreuz des Verdienstordens der Republik Litauen 2013; Komturkreuz mit Stern der Republik Polen 2014; Ehrenzeichen der estnischen Vereinigung der ehemaligen Waldbrüder (Partisanen) 2005.
ANHANG 2: ANTWORTEN VON JUHAN PARTS AUF DIE FRAGEN DES FRAGEBOGENS
Berufserfahrung
1. Zählen Sie bitte Ihre Berufserfahrung im Bereich öffentliche Finanzen auf, entweder im Zusammenhang mit der Haushaltsplanung, der Ausführung bzw. Verwaltung des Haushaltsplans oder der Haushaltskontrolle bzw. -prüfung.
Meine wichtigsten beruflichen Erfahrungen auf den genannten Gebieten:
- Als Vizekanzler im Justizministerium (1992–1998) war ich unter anderem für die Führung der Justizverwaltung auf der Ebene des öffentlichen Dienstes zuständig. Dieser Aufgabenbereich umfasste die Einsetzung von Justizbehörden sowie die Aufstellung, Darlegung und Überwachung ihrer Haushaltspläne. Die bedeutenden Justizbehörden waren: Gerichte erster und zweiter Instanz (insgesamt 23), die oberste Staatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaften der Kreise (insgesamt 16), Haftanstalten (9), Bewährungshilfestellen (15) und örtliche Registerstellen (15).
- Mitglied des Vorstands des estnischen Amtes für Privatisierungen (1993–1996): Das Aufgabengebiet des Amtes für Privatisierungen bestand darin, praktisch alle Unternehmen im Staatsbesitz umzustrukturieren, sie für die Privatisierung vorzubereiten, die Privatisierung zu vollziehen und danach die Einhaltung der geltenden Verpflichtungen zu überwachen. Es war eine umfangreiche Aufgabe, und in bestimmten Zeiträumen war das Amt für Privatisierungen für hunderte von Unternehmen zuständig. Neben der Wahrnehmung der üblichen Eigentümerfunktionen waren dabei auch spezielle Kontrollen und Prüfungen durchzuführen.
- Als Rechnungsprüfer des Staates (1998–2002) hatte ich die externe Revision für die Republik Estland wahrzunehmen. Die wesentliche Aufgabe in dieser Zeit lag darin, aus dem staatlichen Rechnungshof eine zeitgemäße und wirkungsvolle Rechnungsprüfungsbehörde zu machen, die im Bereich der Finanz-, Konformitäts- und Leistungsprüfungen internationalen Maßstäben für Revision genügt.
Zusätzlich trug der staatliche Rechnungshof in Zusammenarbeit mit Parlament und Regierung aktiv zur Überarbeitung des gesamten staatlichen Finanzmanagementsystems bei. Zur Reform des staatlichen Finanzmanagementsystems gehörten die Schaffung einer klaren und logischen Kette von Leitungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsvorgängen in der Exekutive, die Umstellung der herkömmlichen Jahresberichte über die Ausführung des Staatshaushaltsplans auf vollständige konsolidierte Staatsfinanzberichte und die Anwendung internationaler Anforderungen an die interne Kontrolle des öffentlichen Sektors ebenso wie der Anforderungen an die interne Revision. Auch war es Aufgabe des Rechnungshofs, jährliche Prüfungen und Konformitätsprüfungen bezüglich der Finanzberichte des Staates vorzunehmen.
Außerdem führte der Rechnungshof stufenweise die Anwendung der Grundsätze der Leistungssteuerung und der „3 E“ im öffentlichen Sektor ein und führte eine ganze Reihe von Leistungsprüfungen durch, um der Leistungssteuerung Geltung zu verschaffen.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Zusammenarbeit des Rechnungshofs mit dem Parlament. 2004, in meiner Amtszeit als Ministerpräsident, setzten wir im Parlament einen Ausschuss für die Kontrolle des Staatshaushalts ein und führten ein Standardverfahren für Berichte des Rechnungshofs ein.
Die Reform war insgesamt breit angelegt und erforderte auch innerhalb des Rechnungshofs einschneidende Veränderungen. Diese vollzogen wir in Zusammenarbeit mit den Experten des OECD-Programms Sigma und in Partnerschaft mit den obersten Rechnungsprüfungsbehörden der Niederlande und Schwedens. Ein Kernstück des strategischen Entwicklungsplans war ein umfangreiches Programm zur hausinternen Fortbildung in Bezug auf Philosophie, Methoden und Verfahren der Finanz- und Leistungsprüfungen.
Ich leitete auch eine Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rechnungshof ein, denn seinerzeit wurde es erstmals möglich, dass auch Estland die von der Europäischen Union bereitgestellten Finanzierungen nutzte.
Im Zeitraum 1998–2002 war ich Mitglied des Vorstands der Europäischen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (EUROSAI) und nahm an Projekten zur Ausarbeitung von Prüfungsmethoden teil, die die Zusammenarbeit zwischen diesen Behörden erleichtern sollten.
- Der Ministerpräsident (mein Amt von 2003 bis 2005) leitet nach der estnischen Verfassung die Exekutive. Wir führten für staatliche Behörden die Verpflichtung ein, leistungsorientierte Aktionspläne und Berichte zu erstellen, und stellten eine Planung für die strategische Staatsführung auf (Entwicklungspläne, langfristige Politik und entsprechende Haushaltsplanung).
Im Parlament wurde der Ausschuss für die Kontrolle des Staatshaushalts mit entsprechenden Verfahren, Rechten und Pflichten eingesetzt.
Wir verabschiedeten die erste umfangreiche Strategie für die Verhütung und Bekämpfung der Korruption und setzten sie um, und dazu gehörten unter anderem Anforderungen bezüglich der Verantwortung der mittelbewirtschaftenden Stellen, der internen Kontrolle und der Prüfungspflichten im öffentlichen Sektor und in den staatseigenen Unternehmen.
Mit dem Beitritt zur Union 2004 wurden die Mittel der europäischen Strukturfonds voll und ganz verfügbar. Das machte gründliche Umstellungen im öffentlichen Sektor erforderlich, damit alle von der EU aufgestellten Anforderungen an Management- und Kontrollsysteme im Bereich der öffentlichen Finanzen erfüllt wurden.
- Der Minister für Wirtschaft und Kommunikation (mein Amt im Zeitraum 2007–2014) hat die politische Verantwortung und die Exekutivzuständigkeit für den Einsatz, die Berichterstattung und die Kontrolle bezüglich sämtlicher ihm anvertrauter öffentlicher Mittel. In sein Ressort fiel der Einsatz der Mittel vieler wesentlicher Struktur- und Regionalfonds (Unternehmertum, Innovation, Energiemarkt, Verkehr, E-Estonia bzw. Nutzung der IKT, Telekommunikation, Fremdenverkehr). In der Laufzeit des EU-Finanzrahmens 2007–2013 war ich zuständig für die Ausarbeitung und Durchführung der Strategien zum Einsatz der genannten Mittel sowie für die Vorbereitung und Aushandlung des Finanzrahmens 2014–2020. Dadurch konnte ich weitreichende Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf Management, Berichterstattung und Prüfungen im direkten Zusammenhang mit der Verwendung der Gelder der Europäischen Union sammeln. Ich weise darauf hin, dass Estland durchweg zu den effizientesten und erfolgreichsten Ländern gehörte, wenn es um die Investition der Mittel der Strukturfonds in die sozioökonomische Entwicklung ging.
Der Wirtschaftsminister nimmt Aufgaben im Zusammenhang mit den Generalversammlungen der ganz oder teilweise in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen wahr. In meiner Amtszeit gab es rund 25 solcher Unternehmen (z. B. Energieunternehmen, einen Hafen, die Eisenbahn, die Post, Flughäfen, Exportkredite). In den Generalversammlungen geht es um Beschlüsse über die sogenannten Erwartungen des Eigentümers, die Überwachung ihrer Durchführung, die Verabschiedung geprüfter Jahresberichte und nötigenfalls die Einleitung von Sonderprüfungen und die Festlegung von Anforderungen an die interne Revision.
Als Mitglied des estnischen Parlaments (seit 2014) arbeite ich in den Ausschüssen für Angelegenheiten der Europäischen Union und für auswärtige Angelegenheiten mit. Nach estnischem Recht hat der Ausschuss für EU-Angelegenheiten jeweils die Position des Landes zu den in den Ratsformationen anstehenden Beratungsthemen zu billigen und dabei auch die Verwendung der Mittel der europäischen Strukturfonds im Auge zu behalten und sich von der Regierung über den Sachstand unterrichten zu lassen.
2. Was waren die wichtigsten Erfolge Ihrer beruflichen Laufbahn?
In den letzten 25 Jahren habe ich durchgehend öffentliche Ämter innegehabt. 1991 erlangte Estland seine Unabhängigkeit wieder. In 25 Jahren hat die estnische Bevölkerung auf den Überresten des Sowjetimperiums einen freien, demokratischen europäischen Staat mit marktwirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Grundlagen aufgebaut. Ich hatte die einmalige Gelegenheit, zu diesem historischen Prozess beizutragen. Die wichtigsten Errungenschaften seien hier kurz aufgezählt:
- Eine moderne Rechtsordnung wurde geschaffen (Gesetze, Institutionen, Informationssysteme). Erste erfolgreiche Wirtschaftsreformen ergaben sich mit der Schaffung des neuen estnischen Privatrechts (Bürgerliches Gesetzbuch, Handelsgesetzbuch) und dem Aufbau von Institutionen, die den Schutz des Privateigentums, die freie Marktwirtschaft und das Privatunternehmertum förderten. Als Vizekanzler im Justizministerium steuerte ich diesen Prozess auf der Ebene des öffentlichen Dienstes.
- Es wurde ein zeitgemäßer staatlicher Rechnungshof aufgebaut, der internationale Rechnungslegungsstandards erfüllt, wodurch die parlamentarische Kontrolle der Exekutive gestärkt wurde und die bewährten Verfahren des Finanzmanagements im öffentlichen Sektor zur Geltung kamen.
- In meiner Amtszeit als estnischer Ministerpräsident führten wir den Prozess des Beitritts des Landes zur Europäischen Union zum Erfolg, und Estland trat 2004 bei. Ich hatte die Aufgabe, das Profil Estlands als neues Mitglied der Union zu gestalten, die Strategie für die Mitgliedschaft festzulegen und eine umfassende EU-Politik zu führen. 2004 schloss Estland sich auch der NATO an. Meine Regierung hatte eine neue Politik der nationalen Sicherheit und Verteidigung vor dem Hintergrund auszuarbeiten, dass wir Teil der kollektiven NATO-Verteidigung wurden. Um die wirtschaftlichen Herausforderungen für das Land zu bewältigen, brachte meine Regierung eine Strategie auf den Weg, durch die Estland von einem Niedriglohnland zu einer von Innovation getragenen Volkswirtschaft werden sollte. Es galt die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern und die öffentlichen Mittel effizient zu verwenden, und dazu wählte die Regierung unter meiner Führung eine umfassende Strategie der Verhütung und Bekämpfung von Korruption.
- Als ich Wirtschaftsminister war, gehörten zu meinem Ressort Unternehmertum, Innovation, EU-Binnenmarkt, Fremdenverkehr, Wettbewerbsaufsicht, Verbraucherschutz, Energie, Verkehr, Telekommunikation und Post, E-Estonia, Bau- und Wohnungswesen, Unternehmen in Staatseigentum und Förderung von Start-up-Ökosystemen.
- Die Innovationsstrategie (2007–2013) diente dazu, den Übergang der estnischen Volkswirtschaft von einem Niedriglohnland zu einer von Innovation getragenen Wirtschaft voranzubringen. Inzwischen hat Estland auf dem Gebiet der Innovation einen mittleren Platz unter den EU-Ländern erreicht.
- Der Energiemarkt wurde vollständig liberalisiert, und es wurden Investitionen getätigt, die sein Funktionieren begünstigen (Estlink 2, Programm BEMIP). Heute weist Estland eine höhere Energieversorgungssicherheit auf als die meisten anderen Länder, und zugleich ist der Anteil erneuerbarer Energiequellen am Energiemix erheblich gestiegen.
Mit der Energiepolitik untrennbar verbunden war das Ziel, die Unternehmen zu Investitionen in neue, wettbewerbsfähige Erzeugungsmethoden unter Einhaltung anspruchsvoller Umweltnormen zu bewegen. Im Interesse der Energieversorgungssicherheit und des Ersatzes von Erzeugungsanlagen aus den Sechzigerjahren, die europäischen Anforderungen nicht genügten, förderten wir in Zusammenarbeit mit der Kommission Investitionen in das neue Kraftwerk Narva und das Reservekraftwerk Kiisa.
Eines der strategischen Anliegen der estnischen Energiepolitik ist die Modernisierung der Ölschiefer-Verarbeitungsindustrie und entsprechende Innovationen. Dazu gehörte durchaus auch die Förderung der Internationalisierung der beteiligten Unternehmen. Am weitesten ist dabei das umfassende Entwicklungsprojekt Eesti Energia gediehen, das in Zusammenarbeit mit der jordanischen Regierung betrieben wird (Investitionsumfang in der ersten Stufe rund 2 Mrd. EUR) und bei dem malaysische und chinesische Unternehmen mit einschlägigen Erfahrungen Mehrheitsanteile halten. Leider sind in der estnischen Öffentlichkeit Falschmeldungen und Fehlinterpretationen zu diesen energiewirtschaftlichen Investitionen verbreitet worden.
- E-Estonia als umfangreiche Entwicklung der Informationsgesellschaft: Der Wirtschaftsminister ist zuständig für die grundlegende Infrastruktur des elektronischen Behördenverkehrs (Regeln der Informationsgesellschaft, persönliche Identität im Cyberspace, „X-Road“ als gemeinsame Architektur der staatlichen Datenbanken) und koordiniert die Weiterentwicklung der gemeinsamen elektronischen Gemeinwohldienste im gesamten öffentlichen Sektor. 2013 führten wir ein globales Projekt „E-Residence“ ein.
- Im Bereich Verkehrslogistik bestanden folgende Prioritäten: Da die Haupthandelspartner des Landes in der EU ansässig sind, mussten wettbewerbsfähige Straßen-, Schienen-, See- und Luftverbindungen und zugehörige Regeln geschaffen werden. Jahrhundertelang war Estland Knotenpunkt für Ost-West-Handelsverbindungen. Um das darin liegende Potenzial besser zu nutzen, bedarf es moderner Infrastruktur, bilateraler und multilateraler völkerrechtlicher Übereinkünfte und einer intensiven internationalen Zusammenarbeit (auch mit der Russischen Föderation und der Chinesischen Volksrepublik).
- In der Verkehrspolitik stießen die Investitionen der estnischen Regierung in die nationale Luftverkehrsgesellschaft Estonian Air auf große Resonanz. 2010/2011 beschloss die Regierung des Landes, zusammen mit privaten Investoren dem Unternehmen eine Kapitalspritze zu gewähren, die nach dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers im EU-Binnenmarkt erlaubt ist. Der Geschäftsplan des Unternehmens, der mit Luftverkehrsexperten ausgearbeitet worden war, sollte die Expansion des Unternehmens ermöglichen, damit es die für die estnische Wirtschaftsentwicklung nötigen Verbindungen besser bereitstellen konnte. Leider ergaben sich bei der Umsetzung des Geschäftsplans Hindernisse. Daraufhin leitete die Regierung entsprechend den Leitlinien über die Umstrukturierung von Unternehmen in schwieriger Lage ein Verfahren zur Gewährung staatlicher Beihilfen ein.
- Wir lösten das Problem der Eisbrecherkapazität, das jahrzehntelang den Seeverkehr behindert hatte, indem wir davon ausgingen, dass sich die Investitionen für ein Unternehmen in Staatseigentum eher lohnten (die Vielseitigkeit eines Eisbrechers ermöglicht wichtige zusätzliche Dienste in Frühjahr und Herbst für Bau- und Forschungsprojekte auf hoher See und am Meer), und so konnte der Staat Eisbrecherkapazität erheblich kosteneffizienter als zuvor beschaffen. In Zusammenarbeit mit der Kommission und unter Verwendung von Mitteln aus den europäischen Strukturfonds tätigten wir die größte Investition der letzten 20 Jahre in umweltverträglichen Verkehr. Mit dem kooperierenden Unternehmen erneuerten wir einen großen Teil des in ganz Estland eingesetzten Materials für Personenzüge. Die Züge bekamen im Volksmund den Beinamen Parts-Möhren (die Züge haben die Farbe von Mohrrüben bzw. Orangen). Die Investition bewirkte auch hervorragende Unterstützung für die wirkungsvolle Verwendung von EU-Finanzmitteln und machte die Union populär.
- Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschaftskrise 2008/2009: tiefgreifende Anpassungsmaßnahmen im privaten wie auch im öffentlichen Sektor; ein Programm mit Maßnahmen zur Unterstützung von Ausfuhren der Unternehmen und von Internationalisierung. Zugang zu Risikokapital (öffentlich-rechtlicher Entwicklungsfonds) und ein Programm zugunsten von Start-ups kurbelten die Gründung und Aufwärtsentwicklung estnischer Start-up-Unternehmen an. Einen wichtigen Einfluss hatte auch die Zunahme der öffentlichen Investitionen als ein während der Krise wesentliches Element der Belebung der Wirtschaft. 2011 schloss sich Estland dem Euro-Währungsgebiet an.
3. Können Sie Berufserfahrung in internationalen multikulturellen und mehrsprachigen Organisationen oder Institutionen außerhalb Ihres Heimatlandes vorweisen?
- Bei der Schaffung des Justizsystems zogen wir verschiedene Rechts- und Wirtschaftssachverständige aus der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden, den USA, Finnland und Schweden zurate. Es handelte sich nicht um einmalige Projekte, sondern um ein langfristiges Kooperationsprogramm zur Ausgestaltung sämtlicher Aspekte eines modernen Rechtsstaats (Gesetzgebungssachverständige, umfassende Schulungsprogramme, Kooperationsseminare und wissenschaftliche Konferenzen).
- Als Rechnungsprüfer des Staates gehörte ich dem Präsidium der EUROSAI an. Partner des staatlichen Rechnungshofs für strategische Entwicklung waren Sachverständige des OECD-Programms Sigma, Kooperationspartner kamen aus den staatlichen Rechnungshöfen der Niederlande und Schwedens.
- Der Ministerpräsident vertritt Estland im Europäischen Rat, und er ist verantwortlich dafür, weitreichende bilaterale Beziehungen auf internationaler Ebene zu knüpfen. Der Ministerpräsident führt den Vorsitz im Rat der Ostseestaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, aber auch in der Gruppe der acht nordischen und baltischen Staaten (NB8) und im Baltischen Ministerrat.
- Als Wirtschaftsminister vertrat ich Estland im Rat (Wettbewerbsfähigkeit) und im Rat (Verkehr, Telekommunikation und Energie). Estland trat der OECD 2012 bei, und der Wirtschaftsminister war für Verhandlungen in zahlreichen Politikbereichen verantwortlich. Ich war auch der Verhandlungsführer Estlands bei den Verhandlungen über den Beitritt zur Internationalen Energieagentur. Ich vertrat Estland bei einigen internationalen Organisationen, zu denen die Internationale Fernmeldeunion, der Weltpostverein und die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) zählten. Als die Republik Estland vertretender Ko-Vorsitzender war ich Vorsitzender mehrerer bilateraler zwischenstaatlicher Ausschüsse, nämlich des estnisch-ukrainischen Regierungsausschusses, des estnisch-kasachischen Regierungsausschusses und des estnisch-aserbaidschanischen Regierungsausschusses. Diese Regierungsausschüsse befassten sich nicht nur mit der Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Handelspolitik, sondern auch mit Kultur, Bildung und anderen Lebensbereichen.
- Ich habe an vielen internationalen Foren (z. B. Weltwirtschaftsforum und Crans-Montana-Forum) und an Veranstaltungen internationaler Denkfabriken (z. B. CATO-Institut und Heritage Foundation) als Gastredner teilgenommen.
4. Wurde Ihnen für die von Ihnen zuvor ausgeübte Verwaltungstätigkeit Entlastung erteilt, falls ein solches Verfahren vorgesehen war?
Nach estnischem Recht billigt das estnische Parlament jährlich den Regierungsbericht über die Ausführung des Staatshaushalts unter Berücksichtigung einer Bewertung durch den staatlichen Rechnungshof. Rechtlich betrachtet unterscheidet sich dieses Verfahren bis zu einem gewissen Grad von dem im Europäischen Parlament geltenden Entlastungsverfahren.
5. Welche der Positionen, die Sie zuvor in Ihrem Berufsleben innehatten, war eine Berufung in ein politisches Amt?
Der Unterstaatssekretär im Ministerium der Justiz ist ein Beamter, und seine Ernennung ist keine politische Entscheidung. In Estland gilt seit 1992 der Grundsatz des Berufsbeamtentums.
Der staatliche Rechnungsprüfer wird auf Vorschlag des Präsidenten der Republik vom Parlament berufen und muss unparteilich und unabhängig sein, was die Parteizugehörigkeit betrifft.
Die estnischen Regierungen sind bislang immer Koalitionsregierungen gewesen; dies erfordert, dass sich die Parteien einigen. Ministerpräsident wird in der Regel derjenige, der Chef der Partei ist, die bei der Wahl die meisten Stimmen erhält, und der eine arbeitsfähige Koalitionsregierung bilden kann. Der Kandidat für das Ministerpräsidentenamt wird vom Präsidenten der Republik ernannt und muss sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen.
Kandidaten für Ministerämter werden von den Führungsgremien der Koalitionspartner je nach der Aufteilung der Geschäftsbereiche unter den Parteien benannt. Die von den Parteien vorgeschlagenen Kandidaten müssen vom Ministerpräsidenten, der dem Staatspräsidenten einen entsprechenden Vorschlag vorlegt, genehmigt werden.
6. Welches sind die drei wichtigsten Entscheidungen, an denen Sie in Ihrem Berufsleben beteiligt waren?
- Das Referendum über den Beitritt Estlands zur Europäischen Union im September 2003: Bei dem Referendum stimmten 67 % für den Beitritt und für eine entsprechende Änderung in der Verfassung. Als Regierungschef war ich ein entschiedener Befürworter des Beitritts.
- Das Rechtssystem Estlands als Teil des kontinentaleuropäischen Rechtssystems: Es war eine in politischer und kultureller Hinsicht absolut grundlegende Entscheidung, sich 1992 nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit auf ein Rechtssystem für den im Aufbau begriffenen estnischen Staat festzulegen.
- Der Beitritt Estlands zum Euro-Währungsgebiet und die Strategie zur Bewältigung der Wirtschaftskrise 2008–2009.
- Es gab noch viele weitere wichtige Entscheidungen. Siehe auch die Antworten auf die Fragen 1–3.
Unabhängigkeit
7. Der Vertrag schreibt vor, dass die Mitglieder des Rechnungshofs ihre Tätigkeit in „voller Unabhängigkeit“ ausüben. Wie würden Sie dieser Verpflichtung bei der Erfüllung ihrer künftigen Aufgaben nachkommen?
Ich beabsichtige, die Unabhängigkeitsanforderungen gemäß dem Vertrag über die Europäische Union und dem Ethik- und Verhaltenskodex des Europäischen Rechnungshofs uneingeschränkt zu erfüllen. Zudem werde ich die Grundsätze befolgen, die die Internationale Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI) in ihren Erklärungen von Lima und Mexiko festgelegt hat.
Als Mitglied des EuRH würde ich jegliche Situation meiden, die zu Interessenkonflikten führen könnte. Das bedeutet, dass ich bei der Ausübung meines Amtes keine Anweisungen von Regierungen oder sonstigen Stellen anfordern und auch keine Anweisungen von ihnen entgegennehmen würde. Ich würde jede Handlung unterlassen, die mit meinen künftigen Aufgaben unvereinbar ist. Bei der Amtsausübung lasse ich mich nur vom gemeinsamen Interesse der Union leiten.
8. Halten Sie oder enge Verwandte (Eltern, Geschwister, eingetragene Partner und Kinder) Geschäfts- oder Kapitalanteile oder haben Sie bzw. Mitglieder Ihrer Familie andere Verpflichtungen, die mit Ihren künftigen Aufgaben kollidieren könnten?
Weder ich noch irgendwelche meiner nahen Verwandten halten Geschäfts- oder Kapitalanteile oder haben andere Verpflichtungen, die in Konflikt mit meinen künftigen Aufgaben als Mitglied des EuRH stehen könnten.
9. Sind Sie bereit, dem Präsidenten des Hofes gegenüber alle Ihre finanziellen Interessen und sonstigen Verpflichtungen offenzulegen und sie öffentlich bekannt zu geben?
Ich werde dem Präsidenten des Hofes gegenüber all meine finanziellen Interessen und sonstigen Verpflichtungen offenlegen und halte es für gängige Praxis, sie öffentlich bekannt zu geben. Im Einklang mit estnischem Recht habe ich in den vergangenen 18 Jahren meine finanziellen Interessen und sonstigen Verpflichtungen gegenüber dem entsprechenden Ausschuss (derzeit ist dies der Sonderausschuss Korruptionsbekämpfung des estnischen Parlaments) offengelegt, der diese Erklärungen auch öffentlich bekannt gegeben hat.
10. Sind Sie in ein laufendes Gerichtsverfahren verwickelt? Falls ja, nennen Sie bitte Einzelheiten.
Nein, ich bin nicht an einem laufenden Gerichtsverfahren beteiligt.
11. Sind Sie politisch aktiv bzw. stehen Sie in Regierungsverantwortung? Falls ja, auf welcher Ebene? Hatten Sie in den letzten anderthalb Jahren ein politisches Amt inne? Falls ja, nennen Sie bitte Einzelheiten.
Ich wurde bei der Wahl 2015 in das estnische Parlament gewählt. Im estnischen Parlament bin ich Mitglied der Ausschüsse für Europaangelegenheiten und für auswärtige Angelegenheiten und gehöre einer Fraktion an. Ich bin Mitglied des Parteivorstands und -rates der Pro-Patria- und Res-Publica-Union (Isamaa ja Res Publica Liit).
12. Werden Sie nach Ihrer Ernennung zum Mitglied des Rechnungshofs von einem Wahlamt zurücktreten oder eine aktive Funktion, die mit Verantwortung in einer politischen Partei verbunden ist, aufgeben?
Ja, ich werde von meinem Amt als Mitglied des estnischen Parlaments und von sämtlichen Parteiämtern zurücktreten, in die ich gewählt wurde (Vorstand, Rat).
13. Wie würden Sie sich bei einer schweren Unregelmäßigkeit oder gar einem Betrugs- bzw. Korruptionsfall verhalten, an dem Personen Ihres Herkunftsmitgliedstaats beteiligt wären?
Betrug, Korruption und schwere Unregelmäßigkeiten erschüttern die Fundamente jeder demokratischen Gesellschaft. Es ist die Pflicht jedes Staatsbürgers, sie zu bekämpfen.
In all meinen bisherigen Ämtern bin unerbittlich gegen den Missbrauch öffentlicher Mittel vorgegangen. Ich halte Vorbeugemaßnahmen und wirksame Kontrollfunktionen für überaus wichtig.
Wenn ich in meinem künftigen Amt mit Unregelmäßigkeiten konfrontiert würde, deren Ausgangspunkt in meinem Herkunftsmitgliedstaat liegt, würde ich unparteiisch handeln oder die Fälle so behandeln, wie wenn sie von einem anderen Mitgliedstaat ausgingen.
Im EuRH gelten angemessene Verfahren für den Umgang mit derlei Fällen. Ich beabsichtige, die einschlägigen Bestimmungen strikt einzuhalten.
In Fällen, die mir bekannte Personen betreffen, hielte ich es für erforderlich, den Präsidenten des EuRH im Einzelnen zu konsultieren. In Betrugs- und Korruptionsfällen ist es wichtig, dass die Maßnahmen nicht nur korrekt sind, sondern auch als korrekt angesehen werden. In bestimmten Fällen kann es für ein Mitglied aus dem betroffenen Mitgliedstaat besser sein, einem Mitglied aus einem anderen Mitgliedstaat die Verantwortung für bestimmte Prüfungsabschnitte zu übertragen.
Erfüllung der Verpflichtungen
14. Worin sollten die wichtigsten Merkmale einer Kultur der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung in einer öffentlichen Verwaltung bestehen? Wie könnte der Europäische Rechnungshof dazu beitragen, diesem Gebot der Wirtschaftlichkeit Geltung zu verschaffen?
Die Haushaltsmittel, die der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung stehen, kommen aus den Taschen der Steuerzahler. Das Gleiche gilt für den Haushalt der EU. Die Steuerzahler haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, ob ihr Geld optimal verwendet worden ist. Mit anderen Worten müssen die Haushaltsmittel gemäß den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verwendet werden, mithin wirtschaftlich, effizient und wirkungsvoll.
Auch nach dem Unionsrecht (dem Vertrag und der Haushaltsordnung) müssen Haushaltsmittel gemäß den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung verwendet werden.
Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Haushaltsführung ist, dass die Verwaltungs-, Berichts- und Kontroll- bzw. Prüfungskette klar und logisch festgelegt wird:
- Der Haushaltsplan, die Ziele und die gewünschten Ergebnisse werden von den Organen festgelegt, die den Haushaltsplan genehmigen.
- Das für die Ausführung des Haushaltsplans zuständige Organ verfügt über die für die Verwirklichung der gewünschten Ergebnisse erforderlichen Mittel und Befugnisse und wendet die vereinbarten Strategien ordnungsgemäß an.
- Das für die Ausführung des Haushaltsplans zuständige Organ berichtet mit der vereinbarten Regelmäßigkeit über die Verwendung der Haushaltsmittel und die Verwirklichung der Ziele.
- Die Kontroll- bzw. Rechnungsprüfungsorgane (insbesondere die oberste Rechnungskontrollbehörde) sichern sowohl der Institution, die den Haushaltsplan genehmigt, als auch der Öffentlichkeit zu, dass die Angaben der Exekutive korrekt und sachdienlich sind.
- Die Organe, die über den Haushaltplan entscheiden, prüfen den Tätigkeitsbericht der Exekutive sorgfältig, damit den Steuerzahlern zugesichert werden kann, dass ihr Steuergeld ordnungsgemäß und wirkungsvoll verwendet worden ist. Bei Problemen werden der Exekutive eindeutige Anweisungen gegeben, wie die Situation verbessert werden kann.
Ich möchte dabei betonen, dass bei all diesen Verfahrensschritten dafür gesorgt werden sollte, dass Beschlüsse und Berichte transparent sind. Wichtig ist, dass allen gleichermaßen klar ist, was die Kommission und die Organe der Mitgliedstaaten erreichen sollten und was sie tatsächlich erreicht haben.
Einschlägige Berichte sollten nicht nur Tausende Fakten enthalten, sondern sie müssen auch dem Parlament und der Öffentlichkeit in konsolidierter Fassung leicht zugänglich und verständlich sein.
Als oberste Rechnungskontrollbehörde der EU kann und muss der EuRH einen eigenen Beitrag dazu leisten, dass die genannten Verwaltungs-, Berichts- und Kontrollketten sachgerecht und wirksam funktionieren. Vor allem muss er selbstverständlich dafür sorgen, dass er seine Mindestaufgabe einwandfrei erfüllt, das heißt, dass er berichtet, ob durch die Leistung und die Berichte der Exekutive sichergestellt wird, dass die Mittel wirtschaftlich, effizient und wirkungsvoll verwendet werden.
Meiner Ansicht nach sollte der EuRH auch stärker darauf achten, dass die Verwaltung aller Haushaltsmittel der EU verbessert wird. Der vor kurzem veröffentlichte Sonderbericht Nr. 27/2016 mit dem Titel „Wendet die Europäische Kommission im Bereich der Governance vorbildliche Verfahren an?“ ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich kann dem EuRH nur darin beipflichten, dass die Kommission bei der Governance ein Vorbild und bei der Weiterentwicklung bewährter Verfahren ein Wegbereiter sein sollte.
15. Nach dem Vertrag hat der Rechnungshof das Parlament bei der Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans zu unterstützen. Wie würden Sie die Zusammenarbeit zwischen dem Hof und dem Europäischen Parlament (insbesondere mit dem Ausschuss für Haushaltskontrolle) weiter verbessern, damit nicht nur für eine bessere öffentliche Kontrolle der allgemeinen Ausgaben, sondern auch für ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis bei dieser Kontrolle gesorgt wird?
Aus meiner derzeitigen Rolle als Beobachter heraus erachte ich die Zusammenarbeit zwischen dem EuRH und dem Europäischen Parlament und insbesondere dem Haushaltskontrollausschuss für sehr aktiv. Der Beitrag des EuRH ist offensichtlich. Es hat den Anschein, dass in quantitativer Hinsicht eine gewisse Grenze erreicht ist. Rund 40 Wirtschaftlichkeitsprüfungsberichte pro Jahr sollten zahlenmäßig mehr als genug sein.
Der EuRH kann dem Europäischen Parlament bei Aspekten der Überwachung der Ausführung seines Haushalts helfen, indem er insbesondere zeitig angemessenere Prüfungsberichte erstellt. Dafür sollte er selbst in der Lage sein, Prüfungen auf höherer Ebene durchzuführen. Es ist jedoch auch wichtig, aktiv auf die Wünsche des Parlaments einzugehen, was mögliche Prüfungsthemen betrifft.
Meines Erachtens müssen die Prüfungen des EuRH auch in anderen Ausschüssen des Parlaments erörtert werden, damit sie bessere Wirkung zeitigen. Die Entscheidung darüber, wie es seine Arbeiten organisiert, ist selbstverständlich eine interne Angelegenheit des Parlaments, doch erhielte beispielsweise durch Aussprachen über Prüfungen technischer Art, die die Landwirtschaft betreffen, der entsprechende Ausschuss nützliche Informationen.
Ich persönlich bin bereit, all meine Erfahrung dafür einzubringen, dass die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Organen im Interesse des Erfolgs des europäischen Projekts gestärkt wird. Meines Erachtens kann der EuRH durch seine Arbeit das Europäische Parlament in erheblichem Maße unterstützen und so auch dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die EU und ihre Institutionen wiederherzustellen.
16. Worin besteht Ihrer Ansicht nach der Zusatznutzen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung (performance audit), und wie sollten die Feststellungen im Rahmen der Verwaltungsverfahren berücksichtigt werden?
Als Rechnungsprüfer des estnischen Staates galt mein besonderes Augenmerk der Entwicklung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Dabei wollte ich nicht nur moderne Prüfungsprodukte entwickeln, sondern in erster Linie Wirtschaftlichkeitsprüfungen einsetzen, um die gesamte Verwaltung auf eine neue Stufe zu heben.
Wirtschaftlichkeitsprüfungen sind sicherlich vor allem dann wirksam, wenn ihre Themen ordnungsgemäß und zum rechten Zeitpunkt gewählt werden. Eine Prüfung, sei sie auch noch so perfekt, hat wenig Mehrwert für die Gesellschaft, wenn sie geringfügige Angelegenheiten betrifft. In dem Peer-Review des EuRH 2014 finden sich viele wertvolle Empfehlungen, wie das Fachwissen des EuRH im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfungen weiter ausgebaut werden kann.
Maßstab für die Wirksamkeit von Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollten Veränderungen in der realen Welt sein, z. B. die tatsächliche Lösung von Problemen, nicht die Zahl der Vorschläge, die akzeptiert oder befolgt werden. Ich meine damit, dass der Erfolg des Prüfers und der geprüften Institution nicht daran gemessen wird, ob die Empfehlungen akzeptiert oder befolgt werden. Dies führt rasch dazu, dass für beide Seiten geeignete Vorschläge formuliert werden. In vielen Fällen ist es nötig, dass der Routine der Exekutive auf positive Weise ein Ende bereitet wird, und in derlei Situationen sind das Verständnis und die Unterstützung des Europäischen Parlaments von entscheidender Bedeutung.
Für wirkungsvolle Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist ein Partner erforderlich, dem daran gelegen ist, die sich bei diesen Prüfungen ergebenden Probleme zu lösen. Mit dem Haushaltskontrollausschuss verfügt der EuRH über einen ausgezeichneten Partner. Es gibt nicht den geringsten Zweifel, dass Ihr Ausschuss die Maßnahmen der Exekutive einer parlamentarischen Kontrolle im wahrsten Sinne des Wortes unterzieht. Zugleich ist es wichtig, dass das geprüfte Organ (in diesem Fall die Kommission) die Probleme in ihrem Wesen versteht und konkrete Abhilfemaßnahmen ergreift.
Ein wichtiger Aspekt von Wirtschaftlichkeitsprüfungen ist die Möglichkeit, sich nicht nur auf negative Aspekte zu konzentrieren. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung kann auch dann viel Wirkung erzielen, wenn in ihrem Rahmen bewährte Verfahren ermittelt und weitergegeben werden.
17. Wie könnte die Zusammenarbeit zwischen dem Rechnungshof, den nationalen Rechnungsprüfungsorganen und dem Europäischen Parlament (Haushaltskontrollausschuss) bei der Prüfung des EU-Haushalts verbessert werden?
Der AEUV sieht vor, dass der Hof und die einzelstaatlichen Rechnungsprüfungsorgane unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit vertrauensvoll zusammenarbeiten.
Federführend bei dieser Zusammenarbeit ist der sogenannte Kontaktausschuss. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der EuRH diese Form der Zusammenarbeit durchaus aktiv betreibt. Ich selbst bin stets bereit, den Ausbau der Prüfungszusammenarbeit zwischen dem EuRH und den obersten Rechnungskontrollbehörden zu unterstützen.
Meines Erachtens ist das Potenzial für die Zusammenarbeit bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen noch größer. Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen es effektiv wäre, bei der Prüfung weltweiter Probleme international zusammenzuarbeiten. Beispielsweise könnten Probleme in den Bereichen Erderwärmung und Energie sinnvoll angegangen werden, indem ein möglichst breiter Ansatz gewählt wird. Der Kontaktausschuss hat zudem vor kurzem seine Unterstützung dafür bekundet, die Zusammenarbeit in diesen Bereichen zu intensivieren.
Was Prüfungen der Konformität betrifft, sollte der EuRH offen sein und seine Prüfungsverfahren (beispielsweise Prüfungsfragebögen zu Agrarbeihilfen) mit allen daran interessierten Prüfungs- und Kontrollbehörden austauschen. Dadurch ließe sich sicherstellen, dass die durchzuführenden Prüfungen den gleichen Umfang haben, und auf diese Weise könnten alle Organe in der Kontrollkette besser auf die Arbeit der anderen zurückgreifen. Aus unterschiedlichen Gründen hat die bisherige Praxis gemeinsamer Prüfungen mit den Mitgliedstaaten nicht die gewünschten Ergebnisse gezeitigt. Zugleich weise ich darauf hin, dass verhältnismäßig viele oberste Rechnungsbehörden eine eigenständige Rolle in der Kette der Prüfung von EU-Mitteln spielen, das heißt, sie fungieren in vielen Mitgliedstaaten als bescheinigende Stellen.
Der EuRH sollte dem Wunsch des Europäischen Parlaments nach Zusammenarbeit im Bereich der Prüfung des Haushaltsplans der EU selbstverständlich Rechnung tragen. Der EuRH sollte sich nicht auf das Zusammentragen von Möglichkeiten beschränken, sondern auch aktiv eigene Möglichkeiten vorschlagen.
18. Wie würden Sie die Berichterstattung des EuRH weiterentwickeln, damit das Europäische Parlament all die Informationen an die Hand bekommt, die notwendig sind, um zu prüfen, wie akkurat die Daten sind, die die Mitgliedstaaten der Kommission zur Verfügung stellen?
Die Prüfberichte des EuRH sind für das Europäische Parlament und den Rat bei dem jährlichen Entlastungsverfahren für den EU-Haushalt von größter Bedeutung.
80 % der Haushaltsmittel der EU werden von Behörden der Mitgliedstaaten ausgegeben. Es ist daher in jeder Hinsicht legitim, dass die Mitgliedstaaten nicht nur Bericht darüber erstatten, mit welcher Regelmäßigkeit diese Mittel verwendet werden, sondern auch darüber, mit welchem Erfolg dies geschieht. Die Europäische Kommission hat zu prüfen, ob die zu übermittelnden Informationen sachdienlich und korrekt sind. Die Aufgabe des Rechnungshofs als unabhängiger externer Prüfer besteht darin, das Europäische Parlament, den Rat und die Öffentlichkeit mit ihren Berichten davon in Kenntnis zu setzen, dass die von den Mitgliedstaaten und der Kommission veröffentlichten Daten sachdienlich und korrekt sind.
Ich bin mir bestens bewusst, dass das Parlament mehr – und insbesondere glaubwürdigere – Informationen über die Maßnahmen der einzelstaatlichen Behörden erhalten möchte, zumal diese Auswirkungen auf Haushaltsmittel haben, für die geteilte Verantwortung besteht. Ich bin überzeugt, dass der EuRH diesem Anliegen bei der Planung seiner Prüfungen Rechnung tragen kann. Dem laufenden Entlastungsverfahren entnehme ich, dass der EuRH ebenfalls nach Lösungen sucht.
Mittelfristig sollte jedoch sorgfältig geprüft werden, ob die von den Mitgliedstaaten und der Kommission vorzulegenden Informationen genau dem entsprechen, was für das Entlastungsverfahren oder andere Überprüfungsverfahren zwingend erforderlich ist. Bei der Betrachtung der von den einzelnen Generaldirektionen der Kommission vorgelegten Informationen hat es bisweilen den Anschein, als verlegten sich Bürokraten auf die Taktik, die Nutzer mit Informationen zu überschütten. Der Bericht über den laufenden Programmplanungszeitraum ist vornehmlich für Informationen über die Konformität gedacht (Fehlerquote in Fonds x und in Fonds z). Nicht weniger wichtig sind jedoch Informationen über die effektive Verwendung der Haushaltsmittel. Mittlerweile – im vergangenen Jahr – hat die Kommission begonnen, mehr über die Wirkung der verwendeten Mittel zu sprechen. Ich weise darauf hin, dass die Vorschriften für den laufenden Programmplanungszeitraum bereits vor einigen Jahren festgelegt wurden. Gleichwohl erkenne ich, dass der EuRH seine einschlägigen Anstrengungen verstärken und aktiv dazu beitragen sollte, dass darüber nachgedacht wird, wie die Verwendung von EU-Mitteln effektiver gemacht werden kann, wobei nicht vergessen werden sollte, dass es auch wichtig ist, die Vorschriften einzuhalten. Wenn guter Wille vorhanden ist, könnte bereits mit der anstehenden Halbzeitüberprüfung des mehrjährigen Finanzrahmens dafür gesorgt werden, dass das System für die Berichterstattung optimiert wird und den Erwartungen des Europäischen Parlaments und der Steuerzahler stärker entspricht.
Sonstiges
19. Werden Sie Ihre Bewerbung zurückziehen, falls sich das Parlament gegen Ihre Ernennung zum Mitglied des Hofes ausspricht?
Damit ein Mitglied des EuRH seine Pflichten erfüllen kann, muss es unbedingt das Vertrauen des Europäischen Parlaments genießen.
Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner bisherigen Berufs- und Lebenserfahrung die für Mitglieder des EuRH geltenden Anforderungen in vollem Umfang erfülle.
Sollte das Europäische Parlament jedoch der Meinung sein, dass es begründete Zweifel an meiner Eignung als Mitglied des EuRH bzw. an meiner Unabhängigkeit gibt, würde ich die estnische Regierung bitten, meine Bewerbung zurückzuziehen.
VERFAHREN DES FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSSES
Titel |
Turnusmäßiger Wechsel eines Teils der Mitglieder des Rechnungshofs – der estnische Bewerber |
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Bezugsdokumente - Verfahrensnummer |
12886/2016 – C8-0445/2016 – 2016/0817(NLE) |
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Datum der Anhörung / des Ersuchens um Zustimmung |
27.10.2016 |
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Federführender Ausschuss Datum der Bekanntgabe im Plenum |
CONT 21.11.2016 |
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Berichterstatter Datum der Benennung |
Bart Staes 14.11.2016 |
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Datum der Annahme |
5.12.2016 |
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Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
15 5 1 |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Inés Ayala Sender, Martina Dlabajová, Luke Ming Flanagan, Ingeborg Gräßle, Bogusław Liberadzki, Verónica Lope Fontagné, Monica Macovei, Georgi Pirinski, Bart Staes, Indrek Tarand, Michael Theurer, Marco Valli, Derek Vaughan, Tomáš Zdechovský, Joachim Zeller |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Caterina Chinnici, Andrey Novakov, Julia Pitera, Miroslav Poche, Patricija Šulin |
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Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2) |
Tunne Kelam |
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Datum der Einreichung |
8.12.2016 |
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