BERICHT zu dem Thema „Aktueller Stand der Konzentration von Agrarland in der EU: Wie kann Landwirten der Zugang zu Land erleichtert werden?“

30.3.2017 - (2016/2141(INI))

Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
Berichterstatterin: Maria Noichl

Verfahren : 2016/2141(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A8-0119/2017
Eingereichte Texte :
A8-0119/2017
Angenommene Texte :

BEGRÜNDUNG

Landkonzentration – ein europäisches Thema:

Themen wie „Land Grabbing“ und Landkonzentration wurden lange mit den Ländern des Südens der Erde in Verbindung gebracht. Doch bei genauer Betrachtung muss festgestellt werden, dass die Konzentration von Agrarflächen auch seit Jahren ein europäisches Thema ist.

Von Landkonzentration wird gesprochen, wenn der Handel mit landwirtschaftlichen Nutzflächen mit einer Größenordnung des Landerwerbs einhergeht, welche in Europa unüblich ist.

Zahlen von 2010 zeigen, dass in der EU-27 bereits etwa 3 % der landwirtschaftlichen Betriebe 50 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche kontrollierten und im Gegensatz dazu im Jahr 2012 80 % der Betriebe lediglich über 12 % des Agrarlandes verfügten.

Der Konzentrationsgrad von Agrarland in Europa ähnelt der ungleichen Verteilung von Landbesitz in Ländern wie beispielsweise Brasilien, Kolumbien und den Philippinen.

Agrarland ist keine normale Handelsware, denn Boden ist nicht vermehrbar und der Zugang dazu ist ein Menschenrecht. Die Konzentration von Agrarland in den Händen einiger weniger Akteure ist mit tiefgreifenden sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Auswirkungen in allen EU-Mitgliedsländern verbunden.

Ähnlich wie die Konzentration von Geldvermögen spaltet eine zu hohe Konzentration von landwirtschaftlicher Fläche die Gesellschaft, destabilisiert den ländlichen Raum, gefährdet die Ernährungssicherheit und damit die ökologischen und sozialen Ziele Europas.

Allgemein besteht ein Mangel an umfassenden, transparenten, aktuellen, hochwertigen und europaweit einheitlichen Daten über Preis- und Mengenbewegungen auf dem europäischen Bodenmarkt. Dies gilt sowohl für Boden- und Anteilsverkäufe als auch für die Pachtpreise.

Auswirkungen auf die Landwirtschaft in Europa

Die Kauf- und Pachtpreise von landwirtschaftlichen Flächen sind in vielen Regionen Europas mittlerweile auf ein Niveau gestiegen, welches es vielen landwirtschaftlichen Betrieben unmöglich macht, sich vor dem Verlust gepachteter Flächen zu schützen oder notwendige Flächenaufstockungen durch den Kauf von Boden vorzunehmen, welche zur Erhaltung lebensfähiger Betriebe notwendig wären. Abgesehen von der Tatsache, dass kaum Land auf dem Bodenmarkt verfügbar ist, orientieren sich die Pachtpreise zudem nicht mehr am erzielbaren landwirtschaftlichen Ertrag. So sind die Kapitalanforderungen für viele Neueinsteiger zu hoch und zu riskant.

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Landkonzentration betrifft vordergründig die Landwirte und die Landarbeiter. Erst auf den zweiten Blick wird auch die Dimension für die gesamte Gesellschaft deutlich.

Eigentum ist die beste Voraussetzung für einen verantwortungsvollen Umgang mit Boden und für eine nachhaltige Landbewirtschaftung. Es fördert die Verbundenheit und trägt so dazu bei, dass die Menschen in den ländlichen Regionen verbleiben.

Eine breite Eigentumsstreuung ist ein wesentliches Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft und eine wichtige Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt einer Volkswirtschaft. Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind nicht nur die unersetzbare Produktionsgrundlage für hochwertige Lebens- und Futtermittel, sondern sind auch für den Wasserhaushalt sowie die Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit, die bereits jetzt unter dem Klimawandel und der Bodenerosion leiden, von besonderer Bedeutung.

Gründe für und Herausforderungen durch die Konzentration von Agrarland in der EU

Auch wenn das Preisniveau bei Agrarland in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich ist, schreitet die Landkonzentration stetig in ganz Europa voran und hat damit negative Auswirkungen auf die Bauern.

Die Gründe für die Landkonzentration in der EU sind vielfältig. So zählt der Erwerb von Land aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln, nachwachsenden Rohstoffen für die Treibstoff-, die Chemie-, und die Textilindustrie sowie nicht fossilen Energieträgern aktuell zu den besten und sichersten Anlage- und Gewinnmöglichkeiten für Investoren aus der ganzen Welt.

Die fortdauernde Niedrigzinsphase seit der Finanzkrise ist mit ein Grund für die „Flucht in Realwerte“ – kurz: in Grund und Boden. Folglich sind auch branchenfremde Investoren an Grunderwerb interessiert.

Neben der Landkonzentration bedroht auch die außerlandwirtschaftliche Nutzung in Form von Versiegelung, Urbanisierung, Tourismus und Infrastrukturprojekten das Agrarland als solches.

Darüber hinaus unterstützen manche Politikbereiche und Subventionen der EU die Expansionsbestrebungen von landwirtschaftlichen Betrieben oder locken außerlandwirtschaftliche Investoren auf den Acker. Flächengebundene Direktzahlungen führen beispielsweise zu einer einseitigen Förderung der größten Betriebe.

Ähnlich funktionieren Förderprogramme der EU oder der Mitgliedstaaten, die zum Beispiel nicht fossile Energieträger fördern und somit die Flächenkonkurrenz „Teller – Trog – Tank“ erhöhen.

Der Umfang und die Geschwindigkeit der Landkonzentration sind alarmierend. Dies gilt ganz besonders für Länder wie Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Doch auch in Deutschland, Italien und Spanien sind die Problemstellungen nicht unbekannt.

Viele Mitgliedstaaten haben das Problem erkannt und versuchen mit Gesetzen dem Trend entgegenzuwirken. Hierbei entsteht häufig ein Konflikt mit einer der vier europäischen Grundfreiheiten: dem freien Kapitalverkehr. Diese Grundfreiheit, die in der ganzen EU zu recht Gültigkeit hat und ein Verbot der Diskriminierung von EU-Ausländern einschließt, stößt beim Verkauf von Agrarland an Grenzen.

Zugang zu Agrarland ist essentiell

Die Konzentration von Agrarland in der EU hat vielschichtige Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die praktizierenden Landwirte. Ein zukunftsfähiger Agrarsektor ist in besonderer Weise auf den Zugang zu Agrarland durch junge Menschen angewiesen. Ihre Innovations- und Investitionsbereitschaft ist entscheidend für die Zukunft ländlicher Räume. Denn nur so kann die Überalterung in der Landwirtschaft gestoppt und die Hofnachfolge und das Ziel einer multifunktionalen Landwirtschaft mit eigentümergeführten Familien- und Genossenschaftsbetrieben gesichert werden.

ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

21.3.2017

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

34

2

6

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

John Stuart Agnew, Clara Eugenia Aguilera García, Eric Andrieu, José Bové, Daniel Buda, Nicola Caputo, Michel Dantin, Jean-Paul Denanot, Albert Deß, Diane Dodds, Herbert Dorfmann, Norbert Erdős, Luke Ming Flanagan, Martin Häusling, Esther Herranz García, Jan Huitema, Peter Jahr, Ivan Jakovčić, Elisabeth Köstinger, Zbigniew Kuźmiuk, Philippe Loiseau, Mairead McGuinness, Nuno Melo, Ulrike Müller, James Nicholson, Maria Noichl, Marijana Petir, Laurenţiu Rebega, Jens Rohde, Maria Lidia Senra Rodríguez, Ricardo Serrão Santos, Czesław Adam Siekierski, Tibor Szanyi, Marco Zullo

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Paul Brannen, Angélique Delahaye, Maria Heubuch, Karin Kadenbach, Anthea McIntyre, Massimo Paolucci, John Procter, Molly Scott Cato, Estefanía Torres Martínez, Vladimir Urutchev

SCHLUSSABSTIMMUNG IN NAMENTLICHER ABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

34

+

ALDE

Jan Huitema, Ivan Jakovčić, Ulrike Müller, Jens Rohde

ECR

Zbigniew Kuźmiuk

EFDD

Marco Zullo

ENF

Laurenţiu Rebega

GUE/NGL

Luke Ming Flanagan, Maria Lidia Senra Rodríguez, Estefanía Torres Martínez

NI

Diane Dodds

PPE

Daniel Buda, Michel Dantin, Herbert Dorfmann, Norbert Erdős, Esther Herranz García, Elisabeth Köstinger, Nuno Melo, Marijana Petir, Czesław Adam Siekierski, Vladimir Urutchev

S&D

Clara Eugenia Aguilera García, Eric Andrieu, Paul Brannen, Nicola Caputo, Jean-Paul Denanot, Karin Kadenbach, Maria Noichl, Massimo Paolucci, Ricardo Serrão Santos, Tibor Szanyi

Verts/ALE

José Bové, Martin Häusling, Molly Scott Cato

2

-

EFDD

John Stuart Agnew

ENF

Philippe Loiseau

6

0

ECR

Anthea McIntyre, James Nicholson, John Procter

PPE

Albert Deß, Peter Jahr, Mairead McGuinness

Erläuterungen:

+  :  dafür

-  :  dagegen

0  :  Enthaltungen