BERICHT über den Antrag auf Aufhebung der Immunität von Jean-Marie Le Pen

6.3.2019 - (2018/2247(IMM))

Rechtsausschuss
Berichterstatter: Kostas Chrysogonos

Verfahren : 2018/2247(IMM)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A8-0167/2019
Eingereichte Texte :
A8-0167/2019
Aussprachen :
Angenommene Texte :

VORSCHLAG FÜR EINEN BESCHLUSS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu dem Antrag auf Aufhebung der Immunität von Jean-Marie Le Pen

(2018/2247(IMM))

Das Europäische Parlament,

–  befasst mit einem am 5. September 2018 vom Justizministerium der Französischen Republik aufgrund eines Antrags der Generalstaatsanwaltschaft beim Cour d’appel de Paris übermittelten und am 22. Oktober 2018 im Plenum bekannt gegebenen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Jean-Marie Le Pen im Zusammenhang mit einem anhängigen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue, der Hehlerei veruntreuter Mittel, des bandenmäßigen Betrugs, der Fälschung und Verwendung von Fälschungen sowie der Schwarzarbeit durch Verheimlichung von Angestellten in Bezug auf die Beschäftigungsbedingungen von parlamentarischen Assistenten,

–  nach Anhörung von Jean-François Jalkh in Vertretung von Jean-Marie Le Pen gemäß Artikel 9 Absatz 6 seiner Geschäftsordnung,

–  gestützt auf Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und auf Artikel 6 Absatz 2 des Aktes vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments,

–  unter Hinweis auf die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Mai 1964, 10. Juli 1986, 15. und 21. Oktober 2008, 19. März 2010, 6. September 2011 und 17. Januar 2013[1],

–  unter Hinweis auf Artikel 26 der Verfassung der Französischen Republik,

–  gestützt auf Artikel 5 Absatz 2, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses (A8-0167/2019),

Α.  in der Erwägung, dass die Untersuchungsrichter am Cour d‘appel de Paris die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Jean-Marie Le Pen beantragt haben, damit er im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Straftat gehört werden kann;

Β.  in der Erwägung, dass sich der Antrag auf Aufhebung der Immunität von Jean-Marie Le Pen auf den Verdacht der Untreue, der Hehlerei veruntreuter Mittel, des bandenmäßigen Betrugs, der Fälschung und Verwendung von Fälschungen sowie der Schwarzarbeit durch Verheimlichung von Angestellten in Bezug auf die Beschäftigungsbedingungen der Assistenten von dem Front National angehörigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments bezieht;

C.  in der Erwägung, dass im Anschluss an eine Voruntersuchung aufgrund einer Anzeige des damaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 9. März 2015 bezüglich einiger parlamentarischer Assistenten von dem Front National angehörigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments am 5. Dezember 2016 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde;

D.  in der Erwägung, dass bei einer Durchsuchung des Sitzes des Front National im Februar 2016 eine Reihe von Unterlagen im Büro des Schatzmeisters des Front National beschlagnahmt wurden, aus denen hervorgeht, dass die Partei „Einsparungen“ erzielen wollte, indem sie das Europäische Parlament die Vergütung von Angestellten der Partei aufgrund ihrer Tätigkeit als parlamentarische Assistenten zahlen ließ;

E.  in der Erwägung, dass von den 23 MdEP des Front National und den 54 aufgeführten parlamentarischen Assistenten nur 15 MdEP, 21 örtliche parlamentarische Assistenten und 5 akkreditierte parlamentarische Assistenten in dem im Februar 2015 veröffentlichten Organigramm des Front National erschienen; in der Erwägung, dass einige parlamentarische Assistenten den Sitz des Front National in Nanterre zu ihrem Arbeitsort erklärten, und dies in manchen Fällen sogar in Vollzeit, obwohl sie zwischen 120 und 945 km vom angegebenen Arbeitsplatz entfernt wohnten; in der Erwägung, dass sich beim damaligen Stand der Ermittlungen herausstellte, dass acht parlamentarische Assistenten eigentlich keine oder keine nennenswerte parlamentarische Assistenz im Rahmen ihrer sonstigen Tätigkeiten geleistet haben;

F.  in der Erwägung, dass bei den Ermittlungen auch Umstände festgestellt wurden, aufgrund derer es unwahrscheinlich scheint, dass die betreffenden parlamentarischen Assistenten tatsächlich Aufgaben in Verbindung mit dem Europäischen Parlament nachgingen, insbesondere in folgenden Fällen:

–  Beschäftigungsverträge für Assistenten beim Europäischen Parlament, die zwischen zwei Arbeitsverträgen mit dem Front National zwischengeschaltet waren;

–  Kumulierung von Arbeitsverträgen als parlamentarische Assistenten beim Europäischen Parlament mit Arbeitsverträgen mit dem Front National;

–  Arbeitsverträge mit dem Front National, die sich unmittelbar an Beschäftigungsverträge als parlamentarische Assistenten beim Europäischen Parlament anschlossen;

G.  in der Erwägung, dass sich im Rahmen der Ermittlungen ergab, dass Jean-Marie Le Pen als Mitglied des Europäischen Parlaments 2011 einen parlamentarischen Assistenten beschäftigt hat, obwohl dieser den Ermittlern gegenüber angab, in der fraglichen Zeit für den Wahlkampf eines anderen MdEP tätig gewesen zu sein; in der Erwägung, dass Jean-Marie Le Pen drei weitere Personen als parlamentarische Assistenten vergüten ließ, obwohl sie keinesfalls als solche tätig waren;

H.  in der Erwägung, dass die Ermittlungen ebenfalls ergaben, dass er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Front National zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftaten das vom Europäischen Parlament angezeigte System eingeführt hat, das dazu diente, einen Teil der Angestellten des Front National aus EU-Mitteln zu finanzieren, indem unter Missachtung der geltenden EU-Vorschriften Verträge über parlamentarische Assistenz mit Personen geschlossen wurden, die jedoch tatsächlich für die Partei tätig waren;

I.  in der Erwägung, dass die Untersuchungsrichter es für notwendig erachten, Jean-Marie Le Pen zu hören;

J.  in der Erwägung, dass Jean-Marie Le Pen sich weigerte, der Vorladung der Ermittler vom 21. Juni 2018 Folge zu leisten, und sich unter Berufung auf seine parlamentarische Immunität ebenfalls weigerte, bei seiner Vorladung zu erscheinen, die im Juli 2018 von den Untersuchungsrichtern verfügt wurde;

K.  in der Erwägung, dass die zuständigen Behörden die Aufhebung der Immunität von Jean-Marie Le Pen beantragt haben, damit dieser zu dem ihm zur Last gelegten Sachverhalt gehört werden kann;

L.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union Mitgliedern des Europäischen Parlaments im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Mitgliedern ihres nationalen Parlaments zuerkannte Unverletzlichkeit zusteht;

M.  in der Erwägung, dass gemäß Artikel 26 der französischen Verfassung kein Mitglied des Parlaments ohne die Genehmigung des Präsidiums der Kammer, der es angehört, wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens verhaftet oder anderweitig seiner Freiheit beraubt oder in seiner Freiheit eingeschränkt werden darf, und dass es dieser Genehmigung nicht bedarf, wenn das Mitglied bei der Begehung eines Verbrechens oder Vergehens auf frischer Tat gestellt wird oder ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist;

N.  in der Erwägung, dass keine Anzeichen für fumus persecutionis und kein begründeter Verdacht darauf bestehen;

1.  beschließt, die Immunität von Jean-Marie Le Pen aufzuheben;

2.  beauftragt seinen Präsidenten, diesen Beschluss und den Bericht seines zuständigen Ausschusses unverzüglich der Justizministerin der Französischen Republik und Jean-Marie Le Pen zu übermitteln.

  • [1]  Urteil des Gerichtshofs vom 12. Mai 1964, Wagner/Fohrmann und Krier, 101/63, ECLI:EU:C:1964:28; Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Wybot/Faure und andere, 149/85, ECLI:EU:C:1986:310; Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T-345/05, ECLI:EU:T:2008:440; Urteil des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2008, Marra/De Gregorio und Clemente, C-200/07 und C-201/07, ECLI:EU:C:2008:579; Urteil des Gerichts vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T-42/06, ECLI:EU:T:2010:102; Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2011, Patriciello, C-163/10, ECLI: EU:C:2011:543; Urteil des Gerichts vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T-346/11 und T-347/11, ECLI:EU:T:2013:23.

ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

4.3.2019

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

8

1

1

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Joëlle Bergeron, Jean-Marie Cavada, Kostas Chrysogonos, Mady Delvaux, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Pavel Svoboda, Tadeusz Zwiefka

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

Philippe Loiseau, Virginie Rozière, Tiemo Wölken

Letzte Aktualisierung: 8. März 2019
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