BERICHT über die Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2020

16.10.2020 - (2020/2078(INI))

Ausschuss für Wirtschaft und Währung
Berichterstatter: Joachim Schuster


Verfahren : 2020/2078(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A9-0193/2020
Eingereichte Texte :
A9-0193/2020
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu der Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2020

(2020/2078(INI))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AUEV), insbesondere Artikel 122 Absatz 2, dem zufolge Mitgliedstaaten, die aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht sind, finanzieller Beistand gewährt werden kann, sowie Artikel 136 und die Protokolle Nr. 1 und Nr. 2,

 unter Hinweis auf den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion und dessen „Ausweichklausel“ gemäß Artikel 5 Absatz 1, Artikel 6 Absatz 3, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken[1] und Artikel 3 Absatz 5 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit[2], durch die die Koordinierung der Haushaltspolitik in Zeiten eines schweren Wirtschaftsabschwungs erleichtert wird,

 unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 17. Dezember 2019 mit dem Titel „Warnmechanismusbericht 2020“ (COM(2019)0651) und die Empfehlung der Kommission für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets vom 17. Dezember 2019 (COM(2019)0652),

 unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates vom 10. Februar 2020 zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets[3],

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 26. Februar 2020 mit dem Titel „2020 Europäisches Semester: Bewertung der Fortschritte bei den Strukturreformen, Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte und Ergebnisse der eingehenden Überprüfung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011“ (COM(2020)0150),

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Juli 2020 zu einer umfassenden Politik der Union zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung – der Aktionsplan der Kommission und andere aktuelle Entwicklungen[4],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2017 zur Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Union durch Ausschöpfung des Potenzials des Vertrags von Lissabon[5],

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. Februar 2020 mit dem Titel „Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung – Bericht über die Anwendung der Verordnungen (EU) Nr. 1173/2011, 1174/2011, 1175/2011, 1176/2011, 1177/2011, 472/2013 und 473/2013 sowie die Geeignetheit der Richtlinie 2011/85/EU des Rates“ (COM(2020)0055),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Dezember 2017 mit dem Titel „Weitere Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion Europas: ein Fahrplan“ (COM(2017)0821),

 unter Hinweis auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 27 Mai 2020 mit dem Titel „Identifying Europe’s recovery needs“[6],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. März 2019 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Einrichtung des Europäischen Währungsfonds[7],

 unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 16. September 2020 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union[8],

 unter Hinweis auf das Dokument der Kommission vom 7. Juli 2020 mit dem Titel „Summer Economic Forecast“[9],

 unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 21. Juli 2020[10],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zu Steuergerechtigkeit in einer digitalisierten und globalisierten Wirtschaft: BEPS 2.0[11],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. April 2020 zu abgestimmten Maßnahmen der EU zur Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie und ihrer Folgen[12],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Mai 2020 zu dem neuen mehrjährigen Finanzrahmen, den Eigenmitteln und dem Aufbauplan[13],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zu dem Thema „Der europäische Grüne Deal“ (2019/2956(RSP))[14],

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. März 2020 mit dem Titel „Die koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID‑19-Pandemie“ (COM(2020)0112),

 unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/460 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. März 2020 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013 und (EU) Nr. 508/2014 im Hinblick auf besondere Maßnahmen zur Mobilisierung von Investitionen in die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten und in andere Sektoren von deren Volkswirtschaften zur Bewältigung des COVID‑19-Ausbruchs (Investitionsinitiative zur Bewältigung der Coronavirus-Krise)[15],

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. März 2020 über die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts (COM(2020)0123),

 unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/461 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. März 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2012/2002 des Rates zur finanziellen Unterstützung von Mitgliedstaaten und von Ländern, die ihren Beitritt zur Union verhandeln und die von einer Notlage größeren Ausmaßes im Bereich der öffentlichen Gesundheit schwer betroffen sind[16],

 unter Hinweis auf die Leitlinien der Kommission für die Mitgliedstaaten vom 25. März 2020 betreffend ausländische Direktinvestitionen, freien Kapitalverkehr aus Drittländern und Schutz der strategischen Vermögenswerte Europas im Vorfeld der Anwendung der Verordnung (EU) 2019/452 über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (C(2020)1981),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 19. März 2020 mit dem Titel „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID‑19“ (2020/C 91 I/01) und die Änderung vom 4. April 2020 (2020/C 112 I/01),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. März 2020 zur Änderung des Anhangs der Mitteilung der Kommission an die Mitgliedstaaten zur Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf die kurzfristige Exportkreditversicherung (2020/C 101 I/01 – C(2020)2044),

 unter Hinweis auf den Beschluss der Kommission vom 3. April 2020 über die Befreiung von Gegenständen, die zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID‑19-Ausbruchs im Jahr 2020 benötigt werden, von Eingangsabgaben und Mehrwertsteuer (C(2020)2146),

 unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 28. April 2020 für eine Verordnung zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 575/2013 und (EU) 2019/876 aufgrund von Anpassungen infolge der COVID‑19-Pandemie (Annahme eines Bankenpakets) (COM(2020)03102020/0066(COD)),

 unter Hinweis auf die Bewertung des haushaltspolitischen Rahmens mit Schwerpunkt auf dem Sechser- und dem Zweierpaket vom 19. September 2019, den Jahresbericht des Europäischen Fiskalausschusses vom 29. Oktober 2019, die Erklärung des Europäischen Fiskalausschusses zu COVID‑19 vom 24. März 2020 und die Bewertung des angemessenen haushaltspolitischen Kurses für das Euro-Währungsgebiet im Jahr 2021 durch den Europäischen Fiskalausschuss vom 1. Juli 2020,

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 17. Dezember 2019 mit dem Titel „Jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum 2020“ (COM(2019)0650),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 11. Dezember 2019 mit dem Titel „Der europäische Grüne Deal“ (COM(2019)0640),

 unter Hinweis auf die Wirtschaftsprognose der Kommission für Frühjahr 2020 vom 6. Mai 2020 (Institutional Paper 125),

 unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2020/672 des Rates vom 19. Mai 2020 zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE) im Anschluss an den COVID‑19-Ausbruch[17],

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Mai 2020 mit dem Titel „Europäisches Semester 2020: Länderspezifische Empfehlungen“ (COM(2020)0500),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen“ (COM(2020)0456),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan“ (COM(2020)0442),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Mai 2020 mit dem Titel „Angepasstes Arbeitsprogramm der Kommission für 2020“ (COM(2020)0440),

 unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission vom 28. Mai 2020 für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID‑19-Pandemie (COM(2020)0441),

 unter Hinweis auf den geänderten Vorschlag der Kommission vom 28. Mai 2020 für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union (COM(2020)0445),

 unter Hinweis auf den Bericht der vier Präsidenten vom 5. Dezember 2012 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“, den Bericht der fünf Präsidenten vom 22. Juni 2015 mit dem Titel „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“, das Weißbuch der Kommission vom 1. März 2017 über die Zukunft Europas und das Reflexionspapier der Kommission vom 31. Mai 2017 über die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion,

 unter Hinweis auf den Bericht der Euro-Gruppe an die Staats- und Regierungschefs vom 4. Dezember 2018 über die Vertiefung der WWU,

 gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

 unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (A9‑0193/2020),

A. in der Erwägung, dass die COVID‑19-Pandemie sowohl für die EU als auch weltweit einen beispiellosen und symmetrischen Schock verursacht und ihre Dauer und ihre gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen noch nicht absehbar sind;

B. in der Erwägung, dass der Schock symmetrisch ist, die Auswirkungen jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich sind und von der Schwere der Pandemie und der Strenge der Eindämmungsmaßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängen, aber auch von ihren spezifischen wirtschaftlichen Risiken und ihrer Ausgangslage, einschließlich der Anfälligkeit bestimmter Wirtschaftszweige und ihres verfügbaren Spielraums für diskretionäre fiskalpolitische Maßnahmen;

C. in der Erwägung, dass eine entschlossene, abgestimmte und auf Solidarität beruhende Reaktion der Union von wesentlicher Bedeutung ist, um die negativen wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise, die Fragmentierung des Binnenmarkts, die weitere Verschärfung makroökonomischer Divergenzen und die strukturelle Polarisierung zwischen Regionen und Ländern abzufedern; in der Erwägung, dass aufgrund der starken Verflechtungen eine unvollständige Erholung in einem Land Ausstrahlungseffekte auf alle anderen Länder hätte und das Wirtschaftswachstum überall dämpfen würde;

D. in der Erwägung, dass die meisten Auswirkungen wahrscheinlich vorübergehend sind und sich die Wirtschaftstätigkeit erholen wird, sobald die Beschränkungen schrittweise aufgehoben werden, sofern die bestehenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten und der Union zur Unterstützung von Einkommen, Arbeitsplätzen, Liquidität und Investitionen wirksam sind; in der Erwägung, dass trotzdem mit anhaltenden negativen Folgen zu rechnen ist, darunter eine weiterhin gedämpfte Nachfrage, Markt- und Einkommensunsicherheiten, zu geringe Investitionen und ein Rückgang der Beschäftigung, wodurch sich das Produktionspotenzial der Wirtschaft verringert und die Rückkehr zum vorherigen Produktions- und Wachstumspfad behindert wird;

E. in der Erwägung, dass die Union auf eine Weise auf die derzeitige Krise reagieren muss, durch die ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Krisen erhöht wird;

F. in der Erwägung, dass sich die EU und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet haben, die in den Verträgen verankerten Grundwerte zu achten und die Agenda 2030 der Vereinten Nationen, die europäische Säule sozialer Rechte und das Pariser Klimaschutzübereinkommen umzusetzen;

G. in der Erwägung, dass Frauen von den Folgen der Krise unverhältnismäßig stark betroffen sind und in den vorgeschlagenen Aufbaumaßnahmen nicht auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit der COVID‑19-Krise in der Pflegebranche und die besonderen Herausforderungen, denen sich Frauen gegenübersehen, eingegangen wird;

H. in der Erwägung, dass gefährdete Bevölkerungsgruppen von der COVID‑19-Krise besonders stark betroffen sind, was zu mehr Ungleichheit, Armut und Arbeitslosigkeit führt und wodurch sich die sozialen Unterschiede verschärfen und die Sozial- und Beschäftigungsstandards in Europa aufgeweicht werden;

I. in der Erwägung, dass die COVID‑19-Pandemie deutlich macht, dass es wichtig ist, die Erbringung von Betreuungsleistungen nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung, der Betreuung von Menschen mit Behinderungen und der Betreuung älterer Menschen zu würdigen; in der Erwägung, dass im Rahmen der Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets verstärkt in hochwertige, erschwingliche und zugängliche öffentliche und private Betreuungsleistungen investiert werden muss;

J. in der Erwägung, dass 2019 lediglich 5,7 % der länderspezifischen Empfehlungen von den Mitgliedstaaten vollständig umgesetzt wurden, bei 45,9 % zumindest gewisse Fortschritte erzielt wurden, 48,4 % jedoch gar nicht oder nur in sehr begrenztem Maße umgesetzt wurden;

K. in der Erwägung, dass im Interesse der demokratischen Legitimität und Transparenz eine Rechenschaftspflicht des Rates, der Kommission und der Euro-Gruppe gegenüber dem Europäischen Parlament in allen Phasen des Verfahrens des Europäischen Semesters erforderlich ist;

I. Ausgangslage

1. nimmt mit großer Besorgnis zur Kenntnis, dass die EU der Sommerprognose 2020 der Kommission zufolge voraussichtlich die tiefste Rezession in ihrer Geschichte erlebt und ihr BIP im Jahr 2020 um 8,3 % schrumpft, was deutlich über den in der Frühjahrsprognose ursprünglich vorhergesagten 7,4 % liegt und eine wesentlich gravierendere Rezession als während der Finanzkrise 2009 bedeutet; stellt ferner fest, dass das aggregierte Haushaltsdefizit sowohl im Euro-Währungsgebiet als auch in der EU von 0,6 % des BIP im Jahr 2019 auf rund 8,5 % des BIP im Jahr 2020 angestiegen ist, was einem neuen Höchststand der aggregierten Schuldenquote des Euro-Währungsgebiets von knapp 102,7 % (95,1 % in der EU) entspricht, wodurch sich die seit 2014 rückläufige Tendenz umgekehrt hat; betont, dass die Arbeitslosigkeit im Euro-Währungsgebiet voraussichtlich von 7,5 % (6,7 % in der EU) im Jahr 2019 auf 9,5 % (9 % in der EU) im Jahr 2020 ansteigt und dass erhebliche negative Auswirkungen auf KMU zu erwarten sind, während der Binnenmarkt und seine Wettbewerbsfähigkeit mit extrem hoher Unsicherheit und erheblichen Abwärtsrisiken behaftet sind;

2. ist besorgt über die negativen Auswirkungen der COVID‑19-Krise auf die Weltwirtschaft, den Handel, Ungleichheit (einschließlich Einkommensungleichheit und geschlechtsspezifischer Ungleichheit) und Armut; nimmt zur Kenntnis, dass laut Prognosen das weltweite BIP (ohne EU) in diesem Jahr um rund 3 % zurückgeht, was einem stärkeren Abschwung als während der globalen Finanzkrise 2008–2009 entspricht und mit einem Rückgang der weltweiten Einfuhrmengen um mehr als 10 % und einem Rückgang der Ausfuhren des Euro-Währungsgebiets um rund 13 % im Jahr 2020 einhergehen dürfte; ist beunruhigt über die Zunahme der Armut, da viele Schwellenländer und Länder mit niedrigem Einkommen nur über begrenzte Kapazitäten zur Bewältigung einer Gesundheitskrise dieser Größenordnung sowie über begrenzten politischen Spielraum zur Abfederung der makroökonomischen Auswirkungen verfügen;

3. weist darauf hin, dass die Kommission den Investitionsbedarf der EU-27 in den Jahren 2020 und 2021 auf 1,5 Bio. EUR zusätzlich zu dem in der Frühjahrsprognose angenommenen Basisszenario und für die Verwirklichung des Übergangs zu einer grünen Wirtschaft und des digitalen Wandels auf mindestens 595 Mrd. EUR jährlich schätzt[18], einschließlich eines zusätzlichen Investitionsbedarfs in Höhe von 20 Mrd. EUR pro Jahr, um strategische Investitionen zu tätigen, die für die Autonomie der EU erforderlich sind, um die Widerstandsfähigkeit der Industrie und die strategische Unabhängigkeit der EU in Bezug auf die am dringendsten benötigten Waren und Dienstleistungen (Medizinprodukte und Arzneimittel, strategische digitale Infrastruktur, Schlüsseltechnologien, kritische Rohstoffe, Verteidigung und Raumfahrt) zu stärken;

4. weist darauf hin, dass sich die als Reaktion auf die Pandemie ergriffenen Liquiditätshilfemaßnahmen auf insgesamt 22 % des BIP der EU belaufen und durch bestehende Haushaltsinstrumente der EU ergänzt wurden, durch die Unterstützung in Höhe von bis zu 4,5 % des BIP der EU bereitgestellt wurde[19]; ist der Ansicht, dass diese Maßnahmen 2021 fortgesetzt werden müssen; weist außerdem darauf hin, dass die Initiative „Next Generation EU“ den Volkswirtschaften der Union während der nächsten vier Jahre einen zusätzlichen fiskalpolitischen Impuls in Höhe von rund 4 % bis 5 % des BIP liefern könnte;

5. betont, dass die Investitionen sowohl des öffentlichen Sektors als auch der Privatwirtschaft bereits vor der Krise eindeutig unzureichend waren und dass die Prognosen auf einen weiteren drastischen Rückgang der Investitionen hindeuten, der für die Jahre 2020 und 2021 zusammen auf 846 Mrd. EUR geschätzt wird[20];

II. Kurzfristige Anforderungen

Wirtschaftsaufschwung

6. stellt fest, dass die EU vor der beispiellosen Herausforderung steht, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der historischen Rezession abzumildern und den Weg für eine rasche wirtschaftliche Erholung in Verbindung mit einem nachhaltigen und gerechten Übergang, dem digitalen Wandel und der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zu bereiten; ist davon überzeugt, dass hierfür eine beträchtliche und dauerhafte Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen und sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige und langfristig tragfähige Reformen unentbehrlich sind und die Investitionen für viele Jahre auf diesem höheren Niveau stabilisiert werden müssen‚ während gleichzeitig eine stärkere Aufwärtskonvergenz in der EU und nachhaltiges Wachstum erforderlich sind;

7. begrüßt die rasche und entschiedene Reaktion auf die Krise im Bereich der Geld- und Fiskalpolitik sowohl auf der Ebene der EU als auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten mit dem Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) der EZB, der Aktivierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und der Einrichtung des europaweiten Garantiefonds der EIB zur Sicherstellung der Liquidität und der Stabilisierung der Finanzmärkte, und nimmt Kenntnis von der Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel durch die Kommission, was größtmögliche Flexibilität des haushaltspolitischen Rahmens ermöglicht, und zwar von den befristeten Vorschriften für staatliche Beihilfen, die angenommen wurden, damit die einzelstaatlichen Regierungen die Gesundheitssysteme und Unternehmen finanziell unterstützen können, und von dem bevorstehenden Europäischen Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage (SURE), mit dem die Menschen während der Krise in einem Beschäftigungsverhältnis gehalten werden sollten;

8. begrüßt die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, in denen ein Aufbauplan, das Instrument „Next Generation EU“[21] mit einem Volumen von 750 Mrd. EUR, die Ausgabe von Anleihen durch die Kommission und neue Eigenmittel vorgeschlagen werden; weist jedoch erneut darauf hin, dass es einen wesentlich höheren Investitionsanreiz zur Bewältigung der COVID‑19-Krise gefordert hat, und stellt fest, dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um enorme wirtschaftliche und soziale Divergenzen zu verhindern und die langfristigen sozialen und ökologischen Ziele der EU zu verwirklichen;

9, hält es für wesentlich, dass das vorgeschlagene Aufbaupaket vollständig auf die neue Strategie der EU für nachhaltiges Wachstum abgestimmt ist und auf einer soliden Finanzierungsstrategie basiert, d. h., dass es mit den Grundsätzen des europäischen Grünen Deals, bei der Nachhaltigkeit im Mittelpunkt der Maßnahmen und Ziele steht, der europäischen Säule sozialer Rechte und den Zielen der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und mit dem Ziel, die Rechte der Frauen zu schützen und die Gleichstellung der Geschlechter zu verwirklichen, im Einklang steht; fordert, dass Mittel und Ressourcen für Projekte und Begünstigte bestimmt werden, die die jeweiligen Ressourcen verantwortungsvoll und wirksam für nachhaltige Projekte einsetzen, die die größtmögliche Wirkung erzielen, während gleichzeitig die Eigenverantwortung für das Europäische Semester gestärkt wird und die im Vertrag verankerten Grundwerte der Union eingehalten werden;

10. betont, dass die Erholung auf sozialer und wirtschaftlicher Aufwärtskonvergenz, sozialem Dialog und verbesserten sozialen Rechten und Arbeitsbedingungen für Arbeiter, Angestellte und Selbstständige beruhen muss und der Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa (SEIP) dabei zusätzlich unterstützt werden muss, wobei der Stärkung der Handlungskompetenz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss;

11. fordert, dass Unternehmen, die im Rahmen der COVID‑19-Krise staatliche Beihilfen, EU-Mittel oder andere öffentliche Gelder erhalten, die Arbeitsplätze ihrer Arbeitnehmer erhalten und ihnen Schutz bieten, ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen, sich auf der Grundlage der Einhaltung der internationalen Standards für verantwortungsvolle Unternehmensführung zu Nachhaltigkeitszielen verpflichten und davon absehen, Dividenden auszuzahlen oder Aktienrückkaufprogramme anzubieten, mit denen die Aktionäre entlohnt werden sollen und durch die die Aktienpreise künstlich erhöht werden;

12. nimmt die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts aufgrund des schweren Wirtschaftsabschwungs zur Kenntnis und erwartet, dass sie nicht länger in Anspruch genommen wird, als notwendig ist, um die Bemühungen der Mitgliedstaaten zu unterstützen, sich von der Pandemiekrise zu erholen, kurzfristig für Stabilisierung zu sorgen, die wirtschaftliche und soziale Widerstandsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu stärken und die Wirtschaft auf den Weg zu einem nachhaltigen und inkludierenden Übergang zu bringen, wobei Wettbewerbsfähigkeit und regionale und soziale Aufwärtskonvergenz gefördert werden;

13. teilt die Sorge des Europäischen Fiskalausschusses, dass Leitlinien für den Zeitpunkt und die Bedingungen für einen Ausstieg aus der allgemeinen Ausweichklausel spätestens im Frühjahr 2021 bereitgestellt werden sollten, und fordert die Kommission auf, einen Fahrplan auf der Grundlage von wirtschaftlichen Untersuchungen und Daten vorzulegen, der den Standpunkten des Europäischen Fiskalausschusses Rechnung trägt;

14. teilt außerdem die Auffassung des Europäischen Fiskalausschusses, dass eine rasche Umkehr des fiskalpolitischen Kurses der Erholung nicht förderlich ist und dass eine umfassendere und länger andauernde fiskalpolitische Unterstützung und die Ausweitung einiger diskretionärer fiskalpolitischer Maßnahmen, einschließlich einiger Staatsausgabenkomponenten, auch im Jahr 2021 erforderlich sind, um die Nachfrage anzuregen;

15. weist erneut darauf hin, dass es insbesondere erforderlich ist, Aufwärtskonvergenz und nachhaltiges Wachstum in der EU und vor allem im Euro-Währungsgebiet zu fördern;

Überprüfung und – je nach Ergebnis – Anpassung des haushalts- und wirtschaftspolitischen Rahmens

16. nimmt die Schlussfolgerung des Europäischen Fiskalausschusses[22] zur Kenntnis, dass der haushaltspolitische Rahmen überprüft und – je nach Ergebnis – angepasst werden muss, da er unnötig komplex und prozyklisch ist und da mit ihm in den vergangenen sieben Jahren des Wachstums vor der Krise weder die Qualität der öffentlichen Ausgaben gesichert wurde noch öffentliche Investitionen gefördert wurden, und ist davon überzeugt, dass diese Anpassung in Anbetracht der durch die Pandemie ausgelösten tiefen Wirtschaftskrise umso notwendiger ist;

17. ist der Ansicht, dass bei der Überprüfung und – je nach Ergebnis – Anpassung des haushaltspolitischen Rahmen nach der COVID‑19-Krise ein neues Gleichgewicht gefunden werden muss, um die genannten Anforderungen in Bezug auf die Erhöhung der wachstumsfördernden Staatsausgaben im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Digitalisierung und die soziale, wirtschaftliche und ökologische Widerstandsfähigkeit zu fördern und das neue Investitionsniveau zu stabilisieren, einschließlich Investitionen im Zusammenhang mit der Erholung von Unternehmen, insbesondere KMU, und dem Binnenmarkt und seiner Wettbewerbsfähigkeit, und gleichzeitig eine nachhaltige Haushaltsführung sicherzustellen;

18. weist darauf hin, dass in dem Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung auch die aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden sollten, dass er mit den politischen Prioritäten der EU in Einklang stehen sollte und dass mit ihm gleichzeitig die Einhaltung vereinfachter, klarer und praktischer Haushaltsregeln, die überprüft und – je nach Ergebnis – angepasst wurden, verbessert werden sollte;

19. spricht sich dafür aus, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine antizyklische Fiskalpolitik betreiben, dass die Schuldenquoten gesenkt werden und dass die Staatshaushalte während der Wachstumsphasen der EU in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs ausgeglichen sind oder geringe Überschüsse aufweisen, um wirksam auf künftige Herausforderungen reagieren zu können und die Stabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen; fordert die Kommission und den Rat jedoch nachdrücklich auf, bei der Reaktion auf die Wirtschaftskrise die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen;

20. ist besorgt über die erheblichen, aber ungleichen negativen Auswirkungen der COVID‑19-Krise auf das öffentliche Defizit und die private Verschuldung im gesamten Euro-Währungsgebiet und der EU, insbesondere in den Mitgliedstaaten, die bereits vor den Folgen der Pandemie eine hohe Staatsverschuldung hatten, wodurch sich die Lage der Mitgliedstaaten, die von der Pandemie und/oder einer bereits bestehenden hohen Staatsverschuldung besonders betroffen sind, weiter verschlechtert; fordert eine Lösung, die die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung garantiert; ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass die Ausgabe von Anleihen der Kommission in der derzeitigen Krise ein wichtiger Schritt ist;

21. hält es für wesentlich, dass bei der Überarbeitung des haushalts- und wirtschaftspolitischen Rahmens für die Zwecke der länderspezifischen Empfehlungen maßgeschneiderte Lösungen vorgesehen werden, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitgliedstaaten zu reagieren; fordert Regeln, durch die die Haushaltspolitik in die Lage versetzt wird, kurzfristig diskretionär auf Schocks zu reagieren und die hohen öffentlichen Schuldenquoten im Einklang mit den Haushaltsvorschriften innerhalb eines realistischen und angemessenen Zeitraums zu senken, während gleichzeitig ein ausreichendes Maß an öffentlichen Investitionen, eine nachhaltige Steuerpolitik und stabile Staatseinnahmen sowie die langfristige Modernisierung und Stärkung der öffentlichen Infrastruktur ermöglicht werden;

22. betont, dass die öffentlichen Investitionen auf Unionsebene, nationaler und subnationaler Ebene unter Wahrung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und unter Einhaltung der Vorschriften über die Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung wesentlich dazu beitragen, die EU in ihren Bemühungen im Hinblick auf folgende Aspekte zu stärken: 1) Erholung von der COVID-19-Krise, 2) Förderung des Übergangs zu einer saubereren, sozial inkludierenden, nachhaltigen und digitalen Gesellschaft und Förderung des Wachstums und Stärkung des Binnenmarkts und des Zusammenhalts in der EU, und 3) Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und strategischen Autonomie der EU; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, einen Regelungsrahmen mit Investitionsvorschriften zu schaffen, die vorhersehbar sind und öffentliche und private Investitionen im Einklang mit den langfristigen Zielen der EU unterstützen, und durch den gleichzeitig sichergestellt wird, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind, auf künftige Krisen zu reagieren;

Für ein nachhaltiges und demokratisches Europäisches Semester

23. begrüßt den europäischen Grünen Deal als wichtigen Teil der neuen Strategie der Union für nachhaltiges Wachstum, die vier Dimensionen – Umwelt, Produktivität, Stabilität und Fairness – vereint und bei der wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit im Mittelpunkt der sozialen Marktwirtschaft Europas steht, die durch digitale und grüne Technologien, eine innovative industrielle Basis und strategische Autonomie ermöglicht wird, um die Union zu einer Vorreiterin des Wandels zu machen;

24. begrüßt, dass die Ausarbeitung einer unmittelbaren wirtschaftspolitischen Reaktion, um die gesundheitlichen und sozioökonomischen Auswirkungen der COVID‑19-Pandemie anzugehen und abzuschwächen und die Wirtschaftstätigkeit neu zu beleben, einen Schwerpunkt des Frühjahrspakets des Europäischen Semesters darstellte; stellt fest, dass der Schwerpunkt der länderspezifischen Empfehlungen des Frühjahrspakets auf den dringendsten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Pandemie und der Wiederankurbelung des nachhaltigen Wachstums lag und dass die Empfehlungen auf zwei Ziele ausgerichtet sind, nämlich die kurzfristige Abmilderung der schwerwiegenden sozioökonomischen Folgen der COVID‑19-Pandemie und die kurz- bis mittelfristige Verwirklichung eines nachhaltigen und inkludierenden Wachstums, das den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und den digitalen Wandel erleichtert;

25. befürwortet die Ankündigung der Kommission, das Europäische Semester zu überprüfen und – je nach Ergebnis – anzupassen, um es zu einem Instrument zur Koordinierung der Aufbaumaßnahmen zu machen; stellt fest, dass mit dem Verfahren des Europäischen Semesters das Funktionieren der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU auf der Grundlage der haushalts- und wirtschaftspolitischen Koordinierung sichergestellt und etwaigen sozial- und umweltpolitischen Zielen Rechnung getragen werden sollte; ist davon überzeugt, dass dies eine stärkere Koordinierung der Maßnahmen in den Bereichen staatliche Beihilfen und Steuerpolitik sowie Fiskal- und Sozialpolitik sowie Maßnahmen zur Regulierung der Arbeitsbeziehungen umfassen muss, um unlauteren Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern;

26. fordert die Kommission auf, parallel zum Verfahren des Europäischen Semesters – und ohne dieses zu verwässern – einen neuen Klimaschutzindikator zu entwickeln, mit dem die Diskrepanz zwischen der Haushaltsstruktur der Mitgliedstaaten und einem auf das Übereinkommen von Paris abgestimmten Szenario ihrer jeweiligen nationalen Haushalte bewertet werden kann; betont, dass dieser Indikator den Mitgliedstaaten Anhaltspunkte für den Verlauf des Temperaturanstiegs im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris bieten muss;

27. würdigt, dass die Kommission dem Europäischen Semester im Aufbauplan eine Funktion zugewiesen hat, und stellt fest, dass es für die Politikkoordinierung auf EU-Ebene wichtig ist, zumal die auf der Ebene der Mitgliedstaaten beschlossenen politischen Maßnahmen umfangreich und beispiellos sind; stellt jedoch fest, dass die Wirksamkeit und der Erfolg der Angleichung der Investitions- und Reformprogramme der Mitgliedstaaten von der Überprüfung des Semesters und – je nach Ergebnis – dessen Anpassung abhängen werden und dass die verstärkte Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen auch von der genannten Überprüfung und – je nach Ergebnis – der Anpassung des Stabilitäts- und Wachstumspakts abhängen wird; fordert die Kommission daher auf, vorausschauender und besser mit den Mitgliedstaaten zu kommunizieren, vor der üblichen Annahme der länderspezifischen Empfehlungen maßgeschneiderte Lösungen anzubieten und die interinstitutionelle Debatte zu intensivieren;

28. stellt fest, dass durch die Verknüpfung der Aufbau- und Resilienzfazilität mit dem Verfahren des Europäischen Semesters und der Überwachung der Fortschritte bei der Umsetzung von Investitionen und Reformen das Engagement der Mitgliedstaaten gestärkt werden könnte; ist jedoch der Ansicht, dass die Verflechtung beider Aspekte so gestaltet werden sollte, dass der Aufschwung gefördert, die soziale, wirtschaftliche und ökologische Widerstandsfähigkeit der Mitgliedstaaten verbessert und der EU-Mehrwert gestärkt wird;

29. ist davon überzeugt, dass der Aufbau einer krisenfesten Wirtschaft eine Stärkung der sozialen Dimension der europäischen Governance erfordert, die darauf abzielt, allen Menschen angemessenen Schutz zu bieten, ohne die Möglichkeit auszuschließen, erforderlichenfalls EU-Mindeststandards festzulegen, um die Aufwärtskonvergenz der Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fördern;

30. erachtet es als sehr wichtig, dass eine umfassende Diskussion geführt wird und das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente angemessen einbezogen werden; bekräftigt seine Forderung nach einer Stärkung der demokratischen Rolle des Europäischen Parlaments im Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung und fordert den Rat und die Kommission auf, die vom Parlament angenommenen Entschließungen gebührend zu berücksichtigen; fordert die Kommission auf, das Parlament und den Rat als Mitgesetzgeber gleichermaßen über alle Aspekte der Anwendung des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung, auch über Vorbereitungsphasen sowie im Hinblick auf etwaige Vorschläge für Reformen oder Verbesserungen, auf dem Laufenden zu halten;

31. hebt die wichtige Aufgabe des Ausschusses für Wirtschaft und Währung hervor, wenn es darum geht, Maßnahmen zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament zu ergreifen, zumal die bei der Durchführung des Europäischen Semesters bisher gesammelten Erfahrungen zeigen, dass der derzeitige Rahmen für die Rechenschaftspflicht verbessert werden könnte, um seine Legitimität und Wirksamkeit zu erhöhen;

32. fordert eine engagierte Koordinierung mit den Sozialpartnern und anderen einschlägigen Interessenträgern sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Unionsebene, um die demokratische Rechenschaftspflicht, die Transparenz und die Kontrollfunktion der Zivilgesellschaft zu stärken;

33. betont, dass öffentliche Einnahmen von wesentlicher Bedeutung sind, um die Erholung nach der Pandemie im Hinblick auf die Wiederherstellung der dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit der EU und die Unterstützung des gerechten Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren; weist darauf hin, dass sich Steuerhinterziehung und Steuerumgehung unionsweit auf einen Betrag in Höhe von 160–190 Mrd. EUR jährlich belaufen und dass diese Einnahmen den Staatskassen fehlen; hält es daher für überaus wichtig, Steuerbetrug‚ Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Geldwäsche sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Unionsebene zu bekämpfen; weist in diesem Zusammenhang nochmals auf die Ausführungen der Kommission in ihrer Mitteilung „Auf dem Weg zu einer effizienteren und demokratischeren Beschlussfassung in der EU-Steuerpolitik“[23] hin und begrüßt den Aktionsplan der Kommission für eine umfassende Politik der Union zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; fordert einen ehrgeizigen Legislativvorschlag mit einer verstärkten Aufsicht, Zuständigkeiten und Ressourcen auf europäischer Ebene, wie in der Entschließung des Parlaments vom 1. Juli 2020 zu dem Thema „Eine umfassende Politik der Union zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung – der Aktionsplan der Kommission und andere aktuelle Entwicklungen“[24] dargelegt wird;

34. fordert die Kommission auf, neue Maßnahmen zu prüfen, die von internationalen Institutionen vorgeschlagen werden und mit denen Unterstützung und ein Beitrag im Hinblick auf die Finanzierung eines gerechten Übergangs geleistet wird, durch den die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft abgemildert werden, sowie mit denen nachhaltiges Wachstum gefördert und darauf abgezielt wird, die enormen Kosten in Verbindung mit der Erholung nach der Pandemie aufzufangen und die öffentlichen Finanzen der Mitgliedstaaten zu sanieren; fordert die Staats- und Regierungschefs der EU und die Kommission auf, mutige Entscheidungen zu treffen, um dringend einen Korb neuer Eigenmittel zu schaffen‚ der Einnahmen umfasst, die aus politischen Maßnahmen der EU stammen, mit denen sowohl die Umsetzung des Umweltschutzes als auch der Aufbau eines fairen, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Binnenmarkts gefördert werden, und um es zu ermöglichen, die im Rahmen des Aufbauinstruments ausgegebenen Anleihen bereits während des nächsten MFR zurückzuzahlen; weist darauf hin, dass diese Eigenmittel so schnell wie möglich, spätestens jedoch ab 2021, eingeführt werden und dauerhaft sein müssen; betont in diesem Zusammenhang seinen Standpunkt in seiner legislativen Entschließung vom 16. September 2020 zu dem Entwurf eines Beschlusses des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union[25], mit dem neue Eigenmittelkategorien eingeführt werden;

III. Mittelfristige Anforderungen

Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion

35. betont, dass die Funktion des Euro nur gestärkt werden kann, wenn die richtigen strukturellen Bedingungen erfüllt sind, darunter die Vertiefung der Europäischen Währungsunion, die Vollendung der Bankenunion und die Vollendung der Kapitalmarktunion;

36. stellt fest, dass es einen Vorschlag für ein Haushaltsinstrument für das Euro-Währungsgebiet im Rahmen des Haushaltsinstruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit (BICC) gab, mit dem Strukturreformpakete und öffentliche Investitionen finanziert worden wären, um das potenzielle Wachstum der Volkswirtschaften des Euro-Währungsgebiets und die Widerstandsfähigkeit der gemeinsamen Währung gegen wirtschaftliche Schocks zu stärken; nimmt zur Kenntnis, dass es parallel zum BICC auch ein mögliches Instrument für die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten, die nicht am BICC teilnehmen sollten, gab, das Konvergenz- und Reforminstrument (CRI), das darauf abzielte, die Konvergenz der nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten durch finanzielle Unterstützung für Strukturreformen zu unterstützen; stellt fest, dass die Kommission einen neuen Legislativvorschlag zur Aufbau- und Resilienzfazilität vorgelegt und die genannten Legislativvorschläge zurückgezogen hat; fordert die Kommission dennoch auf, für die Zukunft die Ausarbeitung von Vorschlägen in Erwägung zu ziehen, in deren Folge das Euro-Währungsgebiet und die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten dann über Instrumente zur wirksamen Steuerung des Konjunkturzyklus verfügen;

37. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.


BEGRÜNDUNG

Durch den umfassenden „Aufbauplan für Europa“ der Kommission wird die politische und wirtschaftliche Bedeutung der EU erheblich gestärkt. In diesem Rahmen dürfte dem Europäischen Semester eine wesentliche und koordinierende Funktion zukommen, wenn es darum geht, eine unmittelbare wirtschaftspolitische Antwort auf die Krise zu geben, den Weg für einen nachhaltigen und gerechten grünen Übergang und den digitalen Wandel zu bereiten und gleichzeitig die Konvergenz in der EU zu fördern. Der Erfolg der ergriffenen Maßnahmen dürfte jedoch von einer umfassenden Reform der wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerung der EU abhängen, was im Folgenden begründet wird.

Der Beschluss über die laufende Überprüfung der Haushaltsvorschriften der EU stützt sich auf zahlreiche Gründe: Angesichts der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Digitalisierung und mit der Bekämpfung des Klimawandels ist die Höhe der öffentlichen Investitionen eindeutig unzureichend. Die Anforderungen bezüglich der Koordinierung der Stabilitätspolitik werden von vielen Mitgliedstaaten zunehmend als Belastung empfunden. Die wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Europäischen Semesters wurden von den Mitgliedstaaten nur teilweise als verbindlich angesehen und entsprechend selektiv umgesetzt. Außerdem fehlt in dem Rahmen eine obligatorische demokratische Beteiligung gewählter Mitglieder der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments. Infolgedessen erfüllt die Politikkoordinierung im Rahmen des Europäischen Semesters in Bezug auf Fortschritte im Bereich der fiskalpolitischen Ziele, aber auch im weiteren Sinne bei der Vermeidung und Verringerung wirtschaftlicher Ungleichgewichte die Erwartungen nicht.

Die COVID‑19-Pandemie hat zu einer historisch beispiellosen Wirtschaftskrise geführt, was eine Überarbeitung noch dringender erforderlich macht. Auch wenn der Schock symmetrisch ist, sind die Auswirkungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich und von der Schwere der Pandemie und der Strenge der Eindämmungsmaßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten, aber auch von ihren spezifischen wirtschaftlichen Risiken und ihrer Ausgangslage, einschließlich ihres verfügbaren Spielraums für diskretionäre fiskalpolitische Maßnahmen, abhängig. Dadurch dürften sich die makroökonomischen Ungleichgewichte weiter verschärfen. Die Schuldenquote in Prozent des BIP wird in allen Mitgliedstaaten erheblich ansteigen, wobei in einigen Mitgliedstaaten ein besorgniserregendes Ausmaß zu verzeichnen ist. Selbst nach der Krise dürfte es für viele Länder sehr schwierig sein, die vorgegebene Schuldenquote von 60 % des BIP einzuhalten. Die angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und der Digitalisierung erforderliche erhebliche Aufstockung der öffentlichen Investitionen dürfte in naher Zukunft unwahrscheinlich sein. Bei dem derzeitigen Zustand der Wirtschafts- und Finanzpolitik würde die Wiedereinführung der derzeitigen Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts nach Aufhebung der allgemeinen Ausweichklausel daher die veränderten Bedingungen und den künftigen Bedarf außer Acht lassen.

Daher wird in dem vorliegenden Bericht über das Europäische Semester vorgeschlagen, die zentralen Herausforderungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Union – insbesondere die Umsetzung einer nachhaltigen und gerechten Klimapolitik und der Digitalisierung – fest in der derzeitigen Krisenbekämpfungspolitik zu verankern. Gleichzeitig müssen die Grundlagen für eine erneute Anpassung des haushalts- und wirtschaftspolitischen Rahmens für die Zeit nach der Krise geschaffen werden. Ein zentrales Problem wird darin bestehen, die Ausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Union auf Stabilität mit einer ausreichenden Erhöhung der öffentlichen Investitionen in allen EU-Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen. Darüber hinaus müssen weitere Schritte zur Demokratisierung und zum Abbau wirtschaftlicher und sozialer Ungleichgewichte unternommen werden.

 


ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

15.10.2020

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

29

11

11

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Gunnar Beck, Marek Belka, Gilles Boyer, Francesca Donato, Derk Jan Eppink, Engin Eroglu, Markus Ferber, Jonás Fernández, Frances Fitzgerald, José Manuel García-Margallo y Marfil, Sven Giegold, Valentino Grant, Claude Gruffat, José Gusmão, Enikő Győri, Eero Heinäluoma, Danuta Maria Hübner, Stasys Jakeliūnas, Othmar Karas, Billy Kelleher, Ondřej Kovařík, Aurore Lalucq, Aušra Maldeikienė, Pedro Marques, Costas Mavrides, Jörg Meuthen, Csaba Molnár, Siegfried Mureşan, Caroline Nagtegaal, Luděk Niedermayer, Lefteris Nikolaou-Alavanos, Piernicola Pedicini, Lídia Pereira, Kira Marie Peter-Hansen, Sirpa Pietikäinen, Dragoș Pîslaru, Antonio Maria Rinaldi, Alfred Sant, Martin Schirdewan, Joachim Schuster, Pedro Silva Pereira, Paul Tang, Irene Tinagli, Inese Vaidere, Johan Van Overtveldt, Stéphanie Yon-Courtin, Marco Zanni, Roberts Zīle

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Henrike Hahn, Eugen Jurzyca, Mick Wallace

 


NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

29

+

PPE

Markus Ferber, Frances Fitzgerald, José Manuel García-Margallo y Marfil, Enikő

Győri, Danuta Maria Hübner, Othmar Karas, Aušra Maldeikienė, Siegfried Mureşan, Luděk Niedermayer, Lídia Pereira, Sirpa Pietikäinen, Inese Vaidere

Renew

Gilles Boyer, Engin Eroglu, Billy Kelleher, Ondřej Kovařík, Dragoș Pîslaru, Stéphanie Yon-Courtin

S&D

Marek Belka, Jonás Fernández, Eero Heinäluoma, Pedro Marques, Costas Mavrides, Csaba Molnár, Alfred Sant, Joachim Schuster, Pedro Silva Pereira, Paul Tang, Irene Tinagli

 

11

ECR

Derk Jan Eppink, Eugen Jurzyca, Roberts Zīle

ID

Gunnar Beck, Francesca Donato, Valentino Grant, Jörg Meuthen, Antonio Maria Rinaldi, Marco Zanni

NI

Lefteris Nikolaou-Alavanos

S&D

Aurore Lalucq

 

11

0

ECR

Johan Van Overtveldt

GUE/NGL

José Gusmão, Martin Schirdewan, Mick Wallace

NI

Piernicola Pedicini

Renew

Caroline Nagtegaal

Verts/ALE

Sven Giegold, Claude Gruffat, Henrike Hahn, Stasys Jakeliūnas, Kira Marie

Peter-Hansen

 

Erklärung der benutzten Zeichen:

+ : dafür

 : dagegen

0 : Enthaltung

 

 

Letzte Aktualisierung: 20. Oktober 2020
Rechtlicher Hinweis - Datenschutzbestimmungen