BERICHT über die Stärkung der Demokratie, der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU in Anbetracht des unrechtmäßigen Rückgriffs auf zivil- und strafrechtliche Verfahren zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft
27.10.2021 - (2021/2036(INI))
Rechtsausschuss
Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Berichterstatter: Tiemo Wölken, Roberta Metsola
(Gemeinsame Ausschusssitzungen - Artikel 58 der Geschäftsordnung)
Verfasser der Stellungnahme (*):
Loucas Fourlas, Ausschuss für Kultur und Bildung
(*) Assoziierter Ausschuss – Artikel 57 der Geschäftsordnung
PR_INI
INHALT
Seite
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
ANHANG
STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR KULTUR UND BILDUNG
ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS
NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS
ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
zu der Stärkung der Demokratie, der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU in Anbetracht des unrechtmäßigen Rückgriffs auf zivil- und strafrechtliche Verfahren zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere auf Artikel 2, Artikel 3, Artikel 4 Absatz 3 sowie die Artikel 5, 6, 7 und 19,
– unter Hinweis auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), insbesondere auf die Artikel 70, 81, 82, 114 und 352,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“), insbesondere die Artikel 11, 12, 15, 20, 47, 48 und 54,
– unter Hinweis auf das dem EUV und dem AEUV beigefügte Protokoll Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union und das Protokoll Nr. 2 über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“)[1],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen[2],
– unter Hinweis auf die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden[3],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1381/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 390/2014 des Rates[4],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 2021/693 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung des Programms „Justiz“ und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1382/2013[5],
– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Mitteilung mit dem Titel „Arbeitsprogramm der Kommission für 2021 – Eine vitale Union in einer fragilen Welt“ (COM(2020)0690),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europäischer Aktionsplan für Demokratie“ (COM(2020)0790),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025“ (COM(2020)0152),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. September 2020 mit dem Titel „Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2020 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union“ (COM(2020)0580) und ihre 27 begleitenden Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten (SWD(2020)0300–0326),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020–2025“ (COM(2020)0698),
– unter Hinweis auf die Empfehlung der Kommission zur Gewährleistung des Schutzes, der Sicherheit und der Handlungskompetenz von Journalisten und anderen Medienschaffenden in der Europäischen Union (C/2021/6650),
– unter Hinweis auf die Folgemaßnahmen der Kommission zur nichtlegislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. Mai 2018 zu der Freiheit und Pluralismus der Medien in der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf den am 17. Januar 2018 veröffentlichten Bericht der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte mit dem Titel „Challenges facing civil society organisations working on human rights in the EU“ (Herausforderungen für zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Bereich der Menschenrechte in der EU tätig sind), die im Jahr 2020 veröffentlichten Bulletins zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Grundrechte in der EU sowie auf die anderen Berichte, Daten und Instrumente der Agentur, insbesondere das Europäische Informationssystem für Grundrechte (EFRIS),
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, insbesondere Artikel 19,
– unter Hinweis auf andere VN-Instrumente zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten und auf die Empfehlungen und Berichte der allgemeinen regelmäßigen Überprüfung der Vereinten Nationen sowie auf die Rechtsprechung der VN-Menschenrechtsgremien und die Sonderverfahren des VN-Menschenrechtsrats,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen über die Menschenrechtsverteidiger vom 8. März 1999,
– unter Hinweis auf den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu SLAPP-Klagen und den Rechten, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen,
– unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Europäische Sozialcharta, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Ausschusses für soziale Rechte sowie die Übereinkommen, Empfehlungen, Entschließungen, Stellungnahmen und Berichte der Parlamentarischen Versammlung, des Ministerkomitees, des Kommissars für Menschenrechte, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz, des Lenkungsausschusses für Antidiskriminierung, Vielfalt und Inklusion, der Venedig-Kommission und anderer Organe des Europarats,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Europarats vom 4. Juli 2012 mit dem Titel „Declaration of the Committee of Ministers on the Desirability of International Standards dealing with Forum Shopping in respect of Defamation, ‚Libel Tourism‘, to Ensure Freedom of Expression“ (Erklärung des Europarats zur Erwünschtheit internationaler Standards zum Thema „Klagetourismus“ zur Gewährleistung der Freiheit der Meinungsäußerung),
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarats vom 13. April 2016 an die Mitgliedstaaten zum Schutz des Journalismus und der Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren (CM/Rec(2016)4)[1],
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Europarats vom 28. November 2018 mit dem Titel „Recommendation of the Committee of Ministers to member States on the need to strengthen the protection and promotion of civil society space in Europe“ (Empfehlung des Europarats über die Notwendigkeit, den Schutz und die Förderung zivilgesellschaftlichen Raums in Europa zu stärken) (CM/Rec(2018)11),
– unter Hinweis auf die Empfehlung des Europarats an die Mitgliedstaaten vom 7. März 2018 zu Medienpluralismus und Transparenz des Eigentums an Medien (CM/Rec(2018)1),
– unter Hinweis auf die Entschließung der Ministerkonferenz des Europarates vom 11. Juni 2021 zur Sicherheit von Journalisten,
– unter Hinweis auf den Artikel des Menschenrechtskommissars des Europarats mit dem Titel „Human Rights Comment: Time to take action against SLAPPs“ (Kommentar zu Menschenrechten: es ist Zeit, gegen SLAPP-Klagen vorzugehen) vom 27. Oktober 2020,
– unter Hinweis auf den Jahresbericht 2021 der Partnerorganisationen der Plattform des Europarates für den Schutz des Journalismus und für die Förderung der Sicherheit von Journalisten,
– unter Hinweis auf die Empfehlungen und Berichte des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte, des Beauftragten für die Freiheit der Medien und anderer Gremien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE),
– unter Hinweis auf die Studie des EU-CITZEN Network mit dem Titel „SLAPP in the EU context“ (SLAPP-Klagen im EU-Kontext) vom 29. Mai 2020[6],
– unter Hinweis auf die Forderung nach einer gegen taktische Klagen gegen öffentliche Beteiligung gerichteten Richtlinie durch eine Koalition von Nichtregierungsorganisationen[7],
– unter Hinweis auf die Studie mit dem Titel „Nutzung von SLAPP-Klagen zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft“ vom Juni 2021, die von der Fachabteilung des Europäischen Parlaments auf Ersuchen des Rechtsausschusses in Auftrag gegeben wurde,
– unter Hinweis auf sein Briefing zur vorläufigen Bewertung des europäischen Mehrwerts eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte vom 23. April 2020,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 21. Mai 2013 mit dem Titel „EU-Charta: Normensetzung für die Freiheit der Medien in der EU“[8],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. Oktober 2016 mit Empfehlungen an die Kommission zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte[9],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2018 zu der notwendigen Schaffung eines Instruments für europäische Werte zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die die Grundwerte in der Europäischen Union auf lokaler und nationaler Ebene fördern[10],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. April 2018 zum Schutz investigativ tätiger Journalisten in Europa: der Fall des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und von Martina Kušnírová[11],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. Mai 2018 zu der Freiheit und Pluralismus der Medien in der Europäischen Union[12],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. November 2018 zu der Notwendigkeit eines umfassenden EU-Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte[13],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Februar 2019 zur Erfahrung von Gegenreaktionen gegen die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter in der EU[14],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. März 2019 zur Lage in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit und die Bekämpfung der Korruption in der EU, insbesondere in Malta und in der Slowakei[15],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Dezember 2019 zur Rechtsstaatlichkeit in Malta nach den jüngsten Enthüllungen im Zusammenhang mit der Ermordung von Daphne Caruana Galizia[16],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2020 zum Jahresbericht 2018 über die Menschenrechte und die Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich[17],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Oktober 2020 zur Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte[18],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. November 2020 zu der Stärkung der Medienfreiheit: Schutz von Journalisten in Europa, Hetze, Desinformation und die Rolle von Plattformen[19],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. November 2020 zu der Lage der Grundrechte in der Europäischen Union – Jahresbericht für die Jahre 2018 und 2019[20],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2020 zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027, der interinstitutionellen Vereinbarung, dem EU-Aufbauinstrument und der Verordnung über die Rechtsstaatlichkeit[21],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2021 zur Ausrufung der EU zum Freiheitsraum für LGBTIQ-Personen[22],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. März 2021 zur Anwendung der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 über den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus[23],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. April 2021 zum Mord an Daphne Caruana Galizia und zur Rechtsstaatlichkeit in Malta[24],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Mai 2021 zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte und die Rolle von Umweltschützern in diesem Bereich[25],
– gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die gemeinsamen Beratungen des Rechtsausschusses und des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres gemäß Artikel 58 der Geschäftsordnung,
– unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung,
– unter Hinweis auf den Bericht des Rechtsausschusses und des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0000/2021),
A. in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Information und auf öffentliche Beteiligung zu den Grundpfeilern der Demokratie gehört; in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung für die Verwirklichung der Grundsätze der Transparenz und der Rechenschaftspflicht unerlässlich ist; in der Erwägung, dass die öffentliche Beteiligung einer natürlichen oder juristischen Person an einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse verschiedene Formen annehmen kann; in der Erwägung, dass die öffentliche Beteiligung im Rahmen des allgemeinen Interesses an einer offenen Debatte politischer Fragen die Ausübung der öffentlichen Kontrolle und die Information der Öffentlichkeit über Online- und Offline-Kommunikationskanäle umfassen kann, wie z. B. journalistische Mitteilungen, Veröffentlichungen oder Werke, einschließlich redaktioneller Inhalte, Mitteilungen, Veröffentlichungen oder Werke politischer, wissenschaftlicher, akademischer und künstlerischer Art, oder in Form von Kommentaren oder satirischem Material, selbst wenn es sich bei den betreffenden Personen u. a. um Persönlichkeiten handelt, die der öffentlichen Kontrolle unterliegen; in der Erwägung, dass Veröffentlichungen, die zu Debatten über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse oder allgemeiner Bedeutung beitragen, stärker geschützt sind; in der Erwägung, dass die Grenzen hinnehmbarer Kritik bei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, insbesondere bei gewählten Amtsträgern und Staatsbediensteten, weiter gesteckt sind;
B. in der Erwägung, dass ein unabhängiger, unparteiischer, professioneller und verantwortungsvoller Journalismus sowie der Zugang zu pluralistischen Informationen wichtige Säulen der Demokratie sind; in der Erwägung, dass die von der Zivilgesellschaft bereitgestellten Informationen, Berichte, Meinungen, Forderungen, Argumente und sonstigen Äußerungen für das Gedeihen jeder Demokratie von entscheidender Bedeutung sind; in der Erwägung, dass der schrumpfende Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft in bestimmten Ländern zu einem zunehmend besorgniserregenden Problem geworden ist, was sich negativ auf Demokratien auswirken kann; in der Erwägung, dass ein unabhängiger und hochwertiger Journalismus und zivilgesellschaftliche Organisationen eine entscheidende Rolle als Hüter der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit spielen, indem sie die Mächtigen zur Rechenschaft ziehen und gegen Desinformation und falsche Informationen vorgehen und indem sie politische Einmischung und Manipulation durch ausländische Mächte bekämpfen;
C. in der Erwägung, dass Journalisten und Medienakteure in Europa und im Ausland in den letzten Jahren wegen der Ausübung ihrer Tätigkeit zunehmend bedroht, körperlich angegriffen und ermordet werden, insbesondere wenn sie sich mit Machtmissbrauch, Korruption, Grundrechtsverletzungen und kriminellen Aktivitäten befassen; betont, dass es für die konkrete Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung erforderlich ist, eine Reihe positiver Maßnahmen zum Schutz von Journalisten zu ergreifen, unter anderem um Menschenleben zu schützen, um Mordfälle aufzuklären und um die Informationsquellen von Journalisten zu schützen; stellt fest, dass diese Bedrohungen von Journalisten nicht nur in Form von physischer Gewalt bestehen, sondern dass die Einschüchterung von Journalisten auch mittels rechtlichen, politischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Drucks erfolgt;
D. in der Erwägung, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung ein Grundrecht ist, das mit Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein ausgeübt werden muss, wobei das Grundrecht der Bürger auf neutrale Berichterstattung sowie das Grundrecht auf den Schutz des Rufs der Person[26] und der Privatsphäre geachtet werden müssen; in der Erwägung, dass im Falle eines Konflikts zwischen diesen Rechten alle Parteien Zugang zu den Gerichten haben müssen, wenn Streitfälle nicht gütlich beigelegt werden konnten;
E. in der Erwägung, dass es sich bei taktischen Klagen gegen die öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) um Klagen oder andere rechtliche Maßnahmen (z. B. Unterlassungsklagen, Einfrieren von Geldern), die von Privatpersonen und Einrichtungen und auch von öffentlichen Bediensteten, öffentlichen Stellen und öffentlich kontrollierten Einrichtungen gegen eine oder mehrere Personen oder Gruppen unter Ausnutzung einer Vielzahl zivil- und strafrechtlicher Instrumente erhoben werden, sowie um die Androhung solcher Maßnahmen handelt, die darauf abzielen, die Berichterstattung über Verstöße gegen Unionsrecht und nationales Recht, Korruption oder andere missbräuchliche Praktiken und deren Strafverfolgung zu verhindern oder die öffentliche Beteiligung zu unterbinden oder auf andere Weise zu unterlaufen; in der Erwägung, dass ein solches Vorgehen unmittelbare nachteilige Auswirkungen auf die demokratische Beteiligung, die Resilienz und den Dialog in der Gesellschaft hat und den in Artikel 2 EUV verankerten Grundsätzen und europäischen Werten zuwiderläuft;
F. in der Erwägung, dass die öffentliche Beteiligung unter anderem darin besteht, Angelegenheiten von öffentlichem Interesse, unter anderem Praktiken, durch die die Grundrechte und -freiheiten, die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit oder die verantwortungsvolle Staatsführung möglicherweise bedroht werden, zu untersuchen, zu melden, darüber zu berichten oder sie anderweitig aufzudecken und sich dadurch zu engagieren, dass die bürgerlichen Freiheiten wie die Rechte auf Vereinigung, auf Freiheit der friedlichen Versammlung, auf Freiheit der Meinungsäußerung und auf Informationsfreiheit ausgeübt werden;
G. in der Erwägung, dass Personen, die Opfer von SLAPP-Klagen sind, in der Regel deshalb verklagt werden, weil sie sich in Online- oder Offline-Ausdrucksformen kritisch über das Verhalten von Privatpersonen, Privatunternehmen, Amtsträgern, Behörden oder staatlich kontrollierten Unternehmen geäußert oder Missstände angeprangert haben oder weil sie sich an Kampagnen, gerichtlichen Klagen, Aktionen oder Protesten beteiligt haben und infolgedessen Ziel von Vergeltungsmaßnahmen sind; in der Erwägung, dass sich SLAPP-Klagen in der Regel dadurch auszeichnen, dass sie rechtlich haltlos und offensichtlich unbegründet sind und ein Machtungleichgewicht offenbaren sowie durch die missbräuchliche Ausübung von Rechten oder Inanspruchnahme von Verfahren durch den Kläger gekennzeichnet sind, der überzogene Ansprüche in Angelegenheiten geltend macht, in denen der Beklagte ein gesetzlich geschütztes Recht ausübt, und somit das gerichtliche Verfahren für andere Zwecke als die tatsächliche Ausübung eines Rechts ausnutzt;
H. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen nach den Einschätzungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaftlern, Rechtspraktikern und den Opfern von SLAPPs, die sich mit dem Thema beschäftigen, immer raffinierter und wirkungsvoller werden, wobei eine der angewandten Methoden darin besteht, dass gleich mehrere Klagen wegen desselben Sachverhalts gegen ein und dieselbe Person angestrengt werden, wodurch alle Klagen von dieser Person gleichzeitig und parallel verteidigt und bewältigt werden müssen, was wiederum zu unverhältnismäßig hohen Kosten führt; in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen häufig auf Behauptungen der Beleidigung, Verleumdung oder üblen Nachrede beruhen, die in den meisten Mitgliedstaaten nach wie vor strafbar sind, und dass die Opfer von SLAPP-Klagen sich strafrechtlichen Verfahren ausgesetzt sehen, während sie gleichzeitig wegen der vermeintlich gleichen Handlung zivilrechtlich belangt werden; in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen häufig das in der Charta anerkannte Recht der Opfer auf Verteidigung verletzen und möglicherweise auch ihr Recht auf ein faires Verfahren und darüber hinaus das Prinzip der Unschuldsvermutung beeinträchtigen;
I. in der Erwägung, dass das Fehlen eines kohärenten und umfassenden rechtlichen und gerichtlichen Ansatzes in der Union es nicht ermöglicht, SLAPP-Klagen rasch zu erkennen und wirksam zu verfolgen; in der Erwägung, dass der Umfang des Schutzes vor SLAPP-Klagen in den Mitgliedstaaten nach wie vor sehr uneinheitlich ist, wodurch die Rechtssicherheit und das Recht der Opfer von SLAPP-Klagen auf eine wirksame Beschwerde beeinträchtigt werden; in der Erwägung, dass eine der größten Herausforderungen bei der Erarbeitung von Gesetzen gegen SLAPP-Klagen darin besteht, zu klären, wie missbräuchliche Klagen angegangen werden können, ohne potenziellen Klägern ihre Rechte zu verweigern, die sich aus den jeweiligen Verfassungen der Mitgliedstaaten und ihren Verpflichtungen aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben;
J. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen nachweislich eine zunehmend verbreitete Praxis geworden sind, wie viele Fälle in der gesamten Union zeigen, z. B. der erschreckende Fall der investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia, die sich Berichten zufolge zum Zeitpunkt ihrer Ermordung am 16. Oktober 2017, die scharf verurteilt wurde, 47 zivil- und strafrechtlichen Verleumdungsklagen vor mehreren Gerichten ausgesetzt sah (was das Einfrieren ihres Vermögens zur Folge hatte) und deren Erben nach wie vor Klagen ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass es weitere bezeichnende und alarmierende Fälle betreffend unabhängige Journalisten und Medien gibt, wie etwa den Fall der Realtid Media, der infolge von Berichterstattung in einem Land wiederholt mit einer Klage in einem anderen Land gedroht wurde, sowie der Fall der Gazeta Wyborcza, die nach wie vor regelmäßig von einer Reihe von öffentlichen Einrichtungen und Beamten verklagt wird;
K. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen häufig von staatlichen Stellen oder deren Bevollmächtigten wie staatlich finanzierten Medien, staatlich finanzierten nichtstaatlichen Organisationen oder staatlichen Unternehmen eingesetzt werden;
L. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen ein Instrument sein können, mit dem der Medienpluralismus systemisch eingeschränkt werden kann, da die Klagen eine abschreckende Wirkung auf unabhängige Medien haben; in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen bewusst mit der Absicht eingeleitet werden, den Rechtsstreit für die Beklagten teuer, langwierig und kompliziert zu gestalten, wodurch auch auf den Zweck abgestellt wird, die Betroffenen einzuschüchtern und ihre finanziellen und psychologischen Mittel zu erschöpfen; in der Erwägung, dass sich SLAPP-Klagen nicht nur nachteilig auf die Opfer, sondern auch auf deren Familien und die breitere öffentliche Beteiligung auswirken;
M. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen auf Journalisten, Verleger und Medienorganisationen, Wissenschaftler, NGO, die Zivilgesellschaft und andere Akteure abzielen, die sich für die öffentliche Beteiligung einsetzen, wie etwa diejenigen, die sich mit Menschenrechten und Umweltfragen befassen, und diese zu Opfern der Justiz machen;
N. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen innerhalb der Union häufig von grenzüberschreitender Natur sind, was wie in vielen Fällen – häufig im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen, Umweltschutz, Finanzbetrug und/oder Korruption – erwiesenermaßen zu Verzögerungen in der Berichterstattung oder zu lückenhaften Informationen führt, in denen sie einen eindeutigen Versuch darstellen, die Veröffentlichung von Informationen zu verzögern, indem einzelne Journalisten und Verlage dazu gezwungen werden, ihre Arbeit einzustellen oder diese Arbeit diskreditiert wird und infolgedessen die Bürgerinnen und Bürger ihres Rechts auf Information beraubt werden, was sich auch auf den Medienpluralismus, die Meinungsfreiheit und die Medienvielfalt auswirkt; in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen und die Androhung von SLAPP-Klagen auch von Akteuren in Drittländern und vor Gerichten in Drittländern gegen Kontrollinstanzen innerhalb der Union vorgebracht werden können;
O. in der Erwägung, dass SLAPP-Klagen im Inland in den Mitgliedstaaten immer häufiger mit dem Ziel eingesetzt werden, die freie Meinungsäußerung und das Recht auf Information einzuschränken und die Opfer von SLAPP-Klagen abzuschrecken, indem die Adressaten dieser Klagen psychologisch und finanziell geschwächt werden, um sie dazu zu zwingen, von der Veröffentlichung von Angelegenheiten von öffentlichem Interesse abzusehen;
P. in der Erwägung, dass der Mangel an direkten Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten zum Problem der SLAPP-Klagen und das Vorhandensein von diesbezüglich oft unklaren und weit gefassten nationalen Bestimmungen zum Tatbestand der Diffamierung sowie von harten Strafen, auch strafrechtlicher Natur, erheblich dazu beitragen, dass die Zahl dieser missbräuchlich in Anspruch genommenen Klagen zunimmt und ihre Adressaten eingeschüchtert werden;
Q. in der Erwägung, dass die Kriminalisierung von Journalisten aufgrund ihrer Arbeit ein besonders schwerwiegendes Problem darstellt; in der Erwägung, dass Diffamierung in 23 Mitgliedstaaten noch immer ein Straftatbestand ist, obwohl neben anderen Organisationen die Vereinten Nationen, der Europarat, die OSZE und angesehene nichtstaatliche Organisationen wie Index on Censorship, das Internationale Presse-Institut und das Komitee zum Schutz von Journalisten wiederholt seine Abschaffung gefordert haben;
R. in der Erwägung, dass rechtlich nicht verbindliche Maßnahmen eine begrüßenswerte Begleitmaßnahme zu einem Legislativvorschlag und zur Überarbeitung bestimmter geltender Rechtsvorschriften des internationalen Privatrechts sind, allerdings allein noch keinen umfassenden Rechtsschutz bieten;
S. in der Erwägung, dass es entscheidend ist, sowohl die Öffentlichkeit als auch die Angehörigen der Rechtsberufe, insbesondere Richter und Rechtsanwälte, für das Thema zu sensibilisieren;
T. in der Erwägung, dass in Fällen, in denen SLAPP-Klagen von Amtsträgern, öffentlichen Einrichtungen oder öffentlich kontrollierten Einrichtungen wie staatseigenen Unternehmen angestrengt werden, diese Klagen als Instrument zur Ausübung politischer Macht missbraucht werden, wodurch der Schaden, den SLAPP-Klagen ihren Opfern zufügen, noch größer sein kann;
Auswirkungen auf Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit
1. hebt hervor, dass SLAPP-Klagen schikanösen Charakter haben, einen direkten Angriff auf die Ausübung der Grundrechte und -freiheiten darstellen und zum Ziel haben, die Vielfalt kritischer öffentlicher Ansichten und Meinungen zu beschneiden, einschließlich durch den Effekt journalistischer Selbstzensur; unterstreicht, dass Grundrechte und Demokratie mit der Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit verbunden sind und dass die Untergrabung der Freiheit der Medien und der öffentlichen demokratischen Beteiligung, einschließlich der Meinungsfreiheit, der Informationsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit, die Werte der Union, wie sie in Artikel 2 EUV verankert sind, gefährdet; ist der Auffassung, dass SLAPP-Klagen besonders besorgniserregend sind, wenn sie direkt oder indirekt aus dem Staatshaushalt finanziert werden und mit anderen indirekten und direkten staatlichen Maßnahmen gegen unabhängige Medien, unabhängigen Journalismus und die Zivilgesellschaft kombiniert werden; begrüßt die Tatsache, dass der Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit 2020 SLAPP-Klagen in seine Bewertung im Hinblick auf Freiheit und Pluralismus der Medien in der Union einbezieht und dass dieser Bericht auf konkrete Maßnahmen und bewährte Verfahren zur Zurückweisung dieser Klagen hinweist; fordert, dass der Jahresbericht künftig eine gründliche Bewertung des rechtlichen Umfelds der Medien und insbesondere des investigativen Journalismus enthält und dass die Herausforderungen für Journalisten und die Zivilgesellschaft und die abschreckende Wirkung, die SLAPP-Klagen auf sie haben können, gründlicher untersucht werden; betont, dass SLAPP-Klagen eine Bedrohung für freie und pluralistische Medien darstellen; fordert die Kommission auf, zusätzlich länderspezifische Empfehlungen abzugeben und die Fortschritte zu bewerten, unter anderem zu Fragen, die die Lage der Medienfreiheit in den Mitgliedstaaten betreffen;
2. äußert seine Besorgnis, dass der Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen zunehmend enger wird und dass Journalisten, die über wichtige Angelegenheiten im öffentlichen Interesse berichten und mächtige Mitglieder der Gesellschaft kritisieren, wachsender Bedrohung ausgesetzt sind und dass SLAPP-Klagen zunehmend als Mittel eingesetzt werden, um die Adressaten solcher Klagen zum Schweigen zu bringen und sie einzuschüchtern; fordert die Mitgliedstaaten auf, in ihre nationalen Lehrpläne die Themen Medienkompetenz und kritisches Denken aufzunehmen und in diesem Zusammenhang auf allen Ebenen der Gesellschaft eng mit Journalisten zusammenzuarbeiten, insbesondere mit jungen Menschen und all jenen, die anfällig für Fehlinformation, Desinformation und Manipulation sind; begrüßt die Einführung neuer Aktionsprogramme zur Stärkung der Medienfreiheit, des fundierten Journalismus und der Medienkompetenz im Rahmen des sektorübergreifenden Teils des Programms „Kreatives Europa“;
3. weist erneut darauf hin, dass die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit und der Rechte, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, zu fördern, die Pflicht einschließt, ein günstiges Umfeld für die öffentliche Beteiligung und die Beteiligung von Kontrollinstanzen der Öffentlichkeit zu schaffen und zu erhalten; betont, wie wichtig es ist, dass alle Akteure, die sich für die öffentliche Beteiligung einsetzen, frei agieren können, ohne befürchten zu müssen, dass sie Drohungen, Einschüchterungsversuchen oder Gewalt ausgesetzt sein könnten; betont, dass die Mitgliedstaaten auch das Recht von Journalisten auf Schutz ihrer Quellen garantieren müssen;
Auswirkungen auf den Binnenmarkt
4. betont, dass die öffentliche Beteiligung auch eine wichtige Rolle für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts und die Durchsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Programmen der Union spielt, da Verstöße gegen das Unionsrecht, einschließlich Grundrechtsverletzungen, Korruption und anderer missbräuchlicher Praktiken, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gefährden, häufig durch die öffentliche Beteiligung bekannt werden; betont, dass Schutzmaßnahmen gegen die Inanspruchnahme von SLAPP-Klagen unerlässlich sind, um die Risiken, die sich durch diese missbräuchliche Praxis für die Durchsetzung des Unionsrechts und der Unionspolitik ergeben, zu beseitigen;
5. betont, dass sich der Einsatz von SLAPP-Klagen negativ auf die Wahrnehmung der Freiheiten im Binnenmarkt durch den einzelnen Bürger und gesellschaftliche Organisationen auswirkt, die sich in der öffentlichen Beteiligung engagieren und die potenzielle Zielscheiben für solche Klagen sind, da sie durch das Fehlen eines gleichwertigen Schutzniveaus in Bezug auf solche Klagen in bestimmten Mitgliedstaaten daran gehindert werden, in der gesamten Union angstfrei ihre Tätigkeit auszuüben; betont darüber hinaus, dass SLAPP-Klagen oder die Androhung von SLAPP-Klagen der tatsächlichen Ausübung des Rechts auf Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs zuwiderlaufen, da sie eine abschreckende Wirkung insbesondere auf Journalisten haben, die geneigt sein könnten, sich selbst zu zensieren, anstatt über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse in anderen Mitgliedstaaten zu berichten, weil sie Gefahr laufen könnten, sich in anderen, ihnen nicht vertrauten Rechtssystemen mit SLAPP-Klagen konfrontiert zu sehen;
6. verweist auf die Tatsache, dass der Medienpluralismus und die Medienvielfalt gefährdet sind, wenn die Existenz kleiner Medienunternehmen durch die mutwillige Androhung unverhältnismäßiger Schadensersatzforderungen durch Kläger im Rahmen eines Verleumdungsklagentourismus beeinträchtigt wird;
7. ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass der Schutz vor SLAPP-Klagen wesentlich zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen würde, da dadurch die Durchsetzung des Unionsrechts gefördert und das wirksame Funktionieren der nationalen Justizsysteme und des gemeinsamen Raums der justiziellen Zusammenarbeit erhalten würden;
Auswirkungen auf die Rechtssysteme
8. weist darauf hin, dass SLAPP-Klagen nicht nur das Recht von SLAPP-Opfern auf den effektiven Zugang zur Justiz und damit die Rechtsstaatlichkeit ernsthaft untergraben, sondern darüber hinaus einen Missbrauch der Justizsysteme und des Rechtsrahmens der Mitgliedstaaten darstellen, insbesondere indem sie die Fähigkeit der Mitgliedstaaten behindern, die im Justizbarometer dargelegten aktuellen gemeinsamen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen, wie z. B. die Optimierung der Verfahrensdauer und der Effizienz des Justizsystems sowie der Bearbeitung von Rechtssachen und des Abbaus von Verfahrensrückstaus; erinnert daran, dass in einem ordnungsgemäß funktionierenden und unabhängigen Justizsystem Urteile ohne unangemessene Verzögerung gefällt und die justiziellen Ressourcen mit maximaler Effizienz verwaltet werden und dass dies nur möglich ist, wenn die Richter und Gerichte ihre Aufgaben vollständig unabhängig und unparteiisch wahrnehmen und nicht mit der Bearbeitung nicht fundierter Klagen belastet werden, die später als missbräuchlich und rechtlich unbegründet zurückgewiesen werden; ist der Ansicht, dass die frühzeitige Abweisung von SLAPP-Klagen auf objektiven Kriterien wie beispielsweise der Anzahl und Art der Beschwerden oder Klagen des Antragstellers, der Bestimmung des für den Fall zuständigen Gerichts und des anzuwendenden Rechts oder einem offensichtlichen und zu Lasten des Beklagten bestehenden Ungleichgewicht in Bezug auf die Machtposition des Klägers und des Beklagten basieren könnte; betont daher, dass SLAPP-Klagen den effektiven Zugang zur Justiz erheblich behindern und möglicherweise das Recht auf ein faires Verfahren untergraben;
9. betont, dass die richterliche Unabhängigkeit für die richterliche Entscheidungsfindung unerlässlich ist und ein Erfordernis darstellt, das sich aus dem in Artikel 19 EUV verankerten Grundsatz des effektiven Zugangs zu den Gerichten ergibt; ist besorgt darüber, dass die Regierungen einiger Mitgliedstaaten Anstrengungen unternehmen, die darauf abzielen, die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz zu schwächen, und SLAPP-Klagen als Instrument nutzen, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen;
10. betont, dass die Unabhängigkeit, die Qualität und die Effizienz der nationalen Justizsysteme für das Erreichen einer wirksamen Rechtsprechung wesentlich sind; betont, dass die Verfügbarkeit von Prozesskostenhilfe und die Höhe der Gerichtskosten den Zugang zur Justiz maßgeblich beeinflussen können; betont, dass die Charta mit den Verträgen rechtlich gleichrangig ist; nimmt zur Kenntnis, dass gemäß den Leitlinien des Gerichtshofs der Europäischen Union die Charta seitens der Justizbehörden der Mitgliedstaaten nur dann angewendet wird, wenn europäische Rechtsvorschriften angewandt werden, dass es jedoch wichtig ist, dass die in der Charta verankerten Rechte immer Berücksichtigung finden, um eine gemeinsamen Rechts-, Rechtsprechungs- und Rechtsstaatlichkeitskultur zu fördern;
Hetze
11. betont, dass in den letzten Jahren Hetze und Diskriminierung in den Medien, sowohl im Internet als auch in der realen Welt und in Form von Cyber-Gewalt, gegen Journalisten, nichtstaatliche Organisationen, Wissenschaftler, Verfechter von Rechten sowie andere zivilgesellschaftliche Gruppierungen, einschließlich solcher, die sich für die Rechte von LGBTIQ-Personen, die Anliegen der Geschlechtergleichstellung, von Religionen oder Glaubensrichtungen einsetzen, immer häufiger geworden sind und somit die Freiheit der Medien, die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, die Freiheit, sich friedlich zu versammeln, und die öffentliche Sicherheit bedrohen; erinnert daran, dass Hetze im Internet Gewalt im Alltag begünstigen kann; verweist darauf, dass der Verhaltenskodex der Kommission zur Bekämpfung illegaler Hetze im Internet in die Praxis umgesetzt werden muss; hebt hervor, dass Journalistinnen in Bezug auf ihre inhaltliche Arbeit zwar demselben Druck ausgesetzt sind wie ihre männlichen Kollegen, darüber hinaus jedoch häufiger Opfer sexueller Gewalt und Belästigung werden;
12. betont, dass gemeinsame europäische Normen und ein koordinierter Ansatz für den Umgang mit Hetze, insbesondere im Internet, wichtig sind;
Aktuelle Situation in der Union
13. betont, dass SLAPP-Klagen häufig unbegründet sind, auf mutwilligen und oft missbräuchlichen Forderungen oder Übertreibungen beruhen und dass sie nicht eingeleitet werden, um eine günstige gerichtliche Entscheidung zu erzielen, sondern um diejenigen, gegen die sie gerichtet sind, einzuschüchtern, beruflich zu diskreditieren, zu schikanieren, zu ermüden, psychologisch unter Druck zu setzen oder ihre finanziellen Ressourcen zu erschöpfen, mit dem letztendlichen Ziel, sie zu erpressen und durch das Gerichtsverfahren selbst zum Schweigen zu zwingen; betont, dass SLAPP-Klagen nicht nur eine finanzielle Belastung darstellen, sondern auch schwerwiegende psychologische Folgen für die Opfer und ihre Familienangehörigen mit sich bringen, die noch dadurch verschlimmert werden, dass letztere nach dem Tod des Opfers die missbräuchlichen Verfahren womöglich erben; weist darauf hin, dass SLAPP-Klagen einen erheblichen Abschreckungseffekt erzielen, dass sie oftmals zu Selbstzensur führen und die Teilnahme am demokratischen Leben unterdrücken und außerdem andere davon abhalten, über ähnliche Entwicklungen zu berichten, in diesen Beruf einzutreten oder sich in entsprechenden Initiativen zu engagieren;
14. weist darauf hin, dass Akteure, die sich des Instruments der SLAPP-Klage bedienen, oftmals Verleumdungsgesetze bzw. den Weg der zivilrechtlichen Klage wegen übler Nachrede sowie gesetzliche Bestimmungen, die dem Schutz des Ansehens oder von Rechten an geistigem Eigentum wie dem Urheberrecht dienen, ausnutzen und missbrauchen; stellt jedoch fest, dass auch eine ganze Reihe weiterer Instrumente in missbräuchlicher Weise eingesetzt werden, um die öffentliche Beteiligung zu unterbinden, wie z. B. arbeitsrechtliche Sanktionen (Entlassung), strafrechtliche Anklagen wegen Steuerbetrugs, Steuerprüfungsverfahren und Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen;
15. bedauert den Umstand, dass Journalisten immer wieder ermordet werden, nur weil sie ihre Tätigkeit ausüben und dabei oftmals auf Gefahren für unsere Demokratien aufmerksam machen;
16. unterstreicht, dass SLAPP-Klagen in der Regel durch ein Machtungleichgewicht zwischen Kläger und Beklagtem geprägt sind, und zwar insbesondere hinsichtlich der jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen und der unvorhersehbaren Höhe der Schadenersatzbeträge, die beispielsweise bei Verleumdung verhängt werden;
17. betont in Bezug auf dieses Problem, dass es in allen Mitgliedstaaten an Mindeststandards zum Schutz von SLAPP-Opfern fehlt, die auch sicherstellen, dass die Grundrechte der Betroffenen in allen Mitgliedstaaten gewahrt werden; betont, dass die Unabhängigkeit der Justiz ausschlaggebend ist, um zu verhindern, dass sich Mitglieder von Regierungen, öffentlichen Einrichtungen und Behörden des Instruments der SLAPP-Klage gegen Personen oder Organisationen, die sich rechtmäßig an der öffentlichen Debatte beteiligen, bedienen und damit Erfolg haben; weist diesbezüglich darauf hin, dass konkrete Maßnahmen zur Schaffung eines sicheren Umfelds für Journalisten und Medienschaffende erforderlich sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Medienpluralismus sicherzustellen und für Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen von Medien zu sorgen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für das vorgesehene Gesetz zur Medienfreiheit einen ehrgeizigen, robusten und vollständigen Rechtsrahmen zu entwickeln; sieht es als erwiesen an, dass der digitale Wandel die Medienlandschaft grundlegend verändert hat; fordert alle Mitgliedstaaten auf, zügig sämtliche Bestimmungen der 2018 geänderten Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)[27] umzusetzen; begrüßt die Einsetzung der Gruppe der europäischen Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) und plädiert für eine Zusammenarbeit unter den Regulierungsbehörden für audiovisuelle Medien im Binnenmarkt sowie mit anderen Regulierungsbehörden, die für Online-Nachrichten-Aktivitäten von Bedeutung sind;
18. ist sich der Tatsache bewusst, dass Opfer oder potenzielle Opfer von SLAPP-Klagen finanzielle und psychologische Unterstützung derzeit lediglich von anderen Kolleginnen und Kollegen erfahren, die selbst bereits mit ähnlichen Klagen konfrontiert waren oder die über die gängigen Muster von SLAPP-Klagen Bescheid wissen, um ihnen dabei zu helfen, die Mechanismen der Klagekonstrukte zu durchschauen, mit denen sie es zu tun haben, und sich bestmöglich dagegen zur Wehr setzen zu können; ist jedoch der Auffassung, dass diese Unterstützung zwar lobenswert, aber nicht ausreichend ist und dass weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen;
19. würdigt die wichtige und nützliche Arbeit der Zivilgesellschaft, um das Bewusstsein für die schädlichen Auswirkungen von SLAPP-Klagen zu schärfen, sowie die Unterstützung, die sie den Opfern von SLAPP-Klagen und potenziellen Beklagten zuteilwerden lässt;
20. ist zutiefst besorgt, dass die COVID-19-Pandemie den gesamten Mediensektor in Mitleidenschaft gezogen hat, insbesondere in Form von Verdiensteinbußen und verschlechterten Arbeitsbedingungen für Journalisten, wodurch die Gefahr, dass diese Berufsgruppe zur Zielscheibe von SLAPP-Klagen wird, möglicherweise steigt; gibt warnend zu bedenken, dass Institutionen des Staates den durch die COVID-19-Pandemie verursachten Notstand als Vorwand heranziehen, um restriktive Maßnahmen zur Beschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung einzuführen;
SLAPP-Klagen auf globaler Ebene
21. bedauert, dass bisher kein Mitgliedstaat gezielte Rechtsvorschriften zum Schutz vor SLAPP-Klagen erlassen hat; stellt jedoch fest, dass die gegen taktische Klagen gegen öffentliche Beteiligung gerichtete Gesetzgebung in einzelnen Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika, in Australien und Kanada besonders gut entwickelt ist; ermutigt die Kommission, die derzeit außerhalb der EU angewandten bewährten Verfahren zur Bekämpfung von SLAPP-Klagen zu analysieren, die wertvolle Anregungen für Maßnahmen der Union mit und ohne Gesetzescharakter in diesem Bereich liefern könnten; unterstreicht, wie wichtig es ist, sich in der Union auf eine gemeinsame Herangehensweise zu verständigen, die sich ehrgeizige Ziele für die Anwendung bereits bestehender Rechtsvorschriften und bewährter Praktiken setzt, damit der Einsatz von SLAPP-Klagen in der Union unattraktiver wird;
Bedarf an Maßnahmen mit Gesetzescharakter
22. stimmt mit den zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Wissenschaftlern, Angehörigen der Rechtsberufe und Opfern überein, die auf die Notwendigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen gegen das wachsende Problem der SLAPP-Klagen hinweisen; fordert daher dringend eine Änderung der Verordnungen Brüssel I und Rom II, um „Klagetourismus“ oder „Forum Shopping“ zu verhindern und festzulegen, dass das anzuwendende Recht und der zuständige Gerichtsstand bei strafrechtlichen Beschwerden oder zivilrechtlichen Klagen im Bereich Verleumdung, Imageschaden und Schutz des Ansehens im Prinzip das Gericht an dem Ort ist, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; fordert die Einführung einer einheitlichen und eindeutigen Kollisionsnorm für Verleumdungsklagen; fordert die Kommission dringend auf, Vorschläge für verbindliche Rechtsvorschriften der Union über gemeinsame und wirksame Schutzmaßnahmen für Opfer von SLAPP-Klagen in der Union vorzulegen, insbesondere in Gestalt einer Richtlinie, in der Mindeststandards für den Schutz vor SLAPP-Klagen festgelegt werden und in der die in der Charta verankerten Rechte und Grundsätze gewahrt werden; vertritt die Auffassung, dass ohne solche gesetzgeberischen Maßnahmen SLAPP-Klagen weiterhin die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte der Meinungs-, Vereinigungs- und Informationsfreiheit sowie das Recht auf friedliche Versammlung in der Union bedrohen werden; ist besorgt darüber, dass, sollten sich die Maßnahmen nur auf Verleumdungsklagen beziehen, Klagen auf der Grundlage anderer Zivilsachen oder strafrechtliche Verfahren auf Initiative von Klägern innerhalb oder außerhalb der Union weiterhin genutzt werden können;
Rechtsgrundlage
23. bekräftigt, dass gesetzgeberische Maßnahmen auf Unionsebene auf Artikel 81 AEUV (für grenzüberschreitende Zivilklagen) und Artikel 82 AEUV (für strafrechtliche Klagen) sowie gesondert auf Artikel 114 AEUV gestützt werden könnten, um die Beteiligung der Öffentlichkeit zu schützen, damit das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gewährleistet und die Aufdeckung von Korruption und anderen missbräuchlichen Praktiken ermöglicht wird; nimmt zur Kenntnis, dass die letztgenannte Maßnahme auch geeignet wäre, um gegen SLAPP-Klagen vorzugehen, die ausschließlich anderen Zielen dienen als der legitimen Inanspruchnahme eines Rechts und die lediglich darauf abzielen, Untersuchungen und Berichterstattungen über Verstöße gegen das Unionsrecht zu verhindern, indem diese Maßnahme einen ähnlichen Ansatz wie denjenigen nutzt, der zur Annahme der Richtlinie (EU) 2019/1937 (die „Whistleblower-Richtlinie“) geführt hat; ist der Ansicht, dass die oben genannten Rechtsgrundlagen geeignet wären, um SLAPP-Klagen zu begegnen, die sowohl einen strafrechtlichen als auch einen zivilrechtlichen Klageansatz verfolgen, wenn auch mittels separater Rechtsinstrumente; fordert, auf der Grundlage dieser Kommissionsvorschläge in der gesamten Union wirksame Schutzmechanismen gegen SLAPP-Klagen in Stellung zu bringen, gepaart mit Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die dafür sorgen, dass diese Schutzmechanismen auch für Fälle in den Mitgliedstaaten selbst Anwendung finden;
Allgemeine Schutzvorschriften und Ziviljustiz
24. hält es für wesentlich, eine Rechtsvorschrift zu erlassen, die die Rolle von SLAPP-Opfern bei der Verhinderung, beim Melden und Anprangern von Verstößen gegen das Unionsrecht und der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts sowie der vollständigen Einhaltung der Grundrechte schützt; fordert die Kommission nachdrücklich auf, einen Vorschlag für eine Rechtsvorschrift vorzulegen, die gemeinsame Schutzmaßnahmen für Personen vorsieht, die in diesen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse ermitteln, darüber berichten oder solche Angelegenheiten auf sonstige Weise aufdecken;
25. fordert die Kommission nachdrücklich auf, einen Vorschlag für eine Maßnahme vorzulegen, wie in Fällen von SLAPP-Klagen verfahren werden kann, etwa durch das Aufstellen von Regeln für eine frühzeitige Abweisung von SLAPP-Klagen und die Abwendung sonstiger möglicher gerichtlicher Verfahrensschritte, die einzig dem Zweck dienen, die öffentliche Beteiligung zu verhindern, wobei in diesen Rahmen auch geeignete Sanktionen fallen sollten, wie beispielsweise zivil- oder verwaltungsrechtliche Sanktionen, die Einbeziehung etwaiger missbräuchlicher Klagemotive in das Verfahren, selbst dann, wenn die Klage oder das betreffende rechtliche Vorgehen nicht unmittelbar abgewiesen wird, und die dem Opfer der SLAPP-Klage entstandenen Kosten und Schäden (wirtschaftlicher, rufschädigender, psychologischer und sonstiger Art); betont, dass die Modalitäten für die Beantragung einer vorzeitigen Klageabweisung die schwierige Situation mit einbeziehen sollten, mit der das Opfer einer SLAPP-Klage konfrontiert ist, insbesondere indem der Kläger verpflichtet wird darzulegen, warum seine Klage nicht missbräuchlicher Natur ist, die Verfahrenskosten auf den Kläger abgewälzt werden und dem Beklagten rechtliche und finanzielle Unterstützung gewährt wird; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, solche zivilrechtlichen Verfahrensgarantien auch auf Fälle von SLAPP-Klagen im eigenen Land anzuwenden und nicht nur auf grenzüberschreitende Fälle; fordert die Kommission ferner auf, bei einer bevorstehenden Überprüfung der Verordnungen Brüssel I und Rom II auf Aspekte, die „Forum Shopping“ oder „Klagetourismus“ begünstigen, einzugehen und dabei die im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht erarbeiteten Erkenntnisse mit einzubeziehen; fordert die Kommission schließlich auf, unionsweit Richter und Staatsanwälte für das Problem der SLAPP-Klage zu sensibilisieren, was auch die Bereitstellung von Informationen über die Notwendigkeit einer frühzeitigen Abweisung solcher Klagen sowie über die ordnungsgemäße Umsetzung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Verleumdung umfasst;
26. erinnert daran, dass der Grundsatz der Bedingung der Rechtskraft (res judicata) bewirkt, dass die Initiatoren von SLAPP-Klagen keine weiteren Klagen gegen dieselbe Partei in Verbindung mit denselben Sachverhalten erheben können; ist der Auffassung, dass die Gerichte bei der Prüfung eingereichter Klagen, die SLAPP-Charakter haben könnten, die Tatsache, dass die jeweilige Partei zuvor mit SLAPP-Verfahren aufgefallen ist, gebührend berücksichtigen sollten, selbst dann, wenn die entsprechenden Fakten und Parteien nicht exakt identisch sind, diese jedoch Ähnlichkeiten aufweisen und/oder eine gewisse Verbindung besteht;
27. ist der Ansicht, dass jede Überarbeitung der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Brüssel I um eine entsprechende Überarbeitung des Übereinkommens von Lugano ergänzt werden sollte, um eine kohärente Anwendung der Vorschriften über die internationale gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen außerhalb der Union zu gewährleisten, wenn Unionsbürger betroffen sind;
Strafjustiz
28. fordert die Kommission nachdrücklich auf, sich mit der Ernsthaftigkeit von SLAPP-Klagen, die im Rahmen eines Strafverfahrens eingeleitet werden, zu befassen und einen Vorschlag für Maßnahmen vorzulegen, die sicherstellen, dass Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede, die in den meisten Mitgliedstaaten Straftatbestände darstellen, weder im Rahmen der öffentlichen Strafverfolgung noch auf dem Wege von Privatklagen für SLAPP-Klagen missbraucht werden können; unterstreicht die Forderungen des Europarats und der OSZE nach einer Entkriminalisierung von Verleumdung; ersucht die Kommission, die SLAPP-Klage als Verfahren aufzufassen, das anderen Zwecken dient als der legitimen Inanspruchnahme eines Rechts; stellt fest, dass SLAPP-Beklagte häufig mit der Anschuldigung konfrontiert sind, Straftaten begangen zu haben, und gleichzeitig vorgeblich in Verbindung mit demselben Vergehen mit zivilrechtlichen Haftungsansprüchen belangt werden, und ersucht daher die Kommission, einheitliche verfahrensrechtliche Mindestschutzvorschriften gegen solche kombinierten SLAPP-Klagen zu erlassen;
29. weist erneut darauf hin, dass dem Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 47 der Charta der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen den Parteien in verwaltungs-, zivil- und strafrechtlichen Verfahren innewohnt und den Kern dieses Rechts darstellt; erklärt sich besorgt angesichts des Ungleichgewichts in Bezug auf die Machtposition und die Ressourcen zwischen den Parteien von SLAPP-Klagen, wodurch der Grundsatz der Waffengleichheit und damit das Recht auf ein faires Verfahren untergraben werden;
Berechtigte Interessen der Antragsteller
30. erklärt, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten einen ordnungsgemäßen und zeitnahen Verfahrensablauf garantieren und für einen ausgewogenen Schutz legitimer Rechte im Rahmen des Unionsrechts sorgen müssen, wie etwa des Rechts auf Wahrung des eigenen guten Rufs, und dass diese Rechte nicht gefährdet werden dürfen, einschließlich der Rechte, die immer wieder in missbräuchlichen Klagen geltend gemacht werden; betont daher, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung von SLAPP-Klagen legitime Gerichtsverfahren und das Recht der Kläger auf Zugang zur Justiz unberührt lassen müssen; vertritt zugleich die Auffassung, dass es notwendig ist, jede missbräuchliche Ausnutzung des Justizsystems und dieser Rechte in einer Weise, die offensichtlich der Absicht des Gesetzgebers zuwiderläuft, die dieser hatte, als er sie natürlichen oder juristischen Personen verliehen hat, zu verhindern, damit das Recht auf ein faires Verfahren gewahrt bleibt; ist der Auffassung, dass in diesem Sinne rechtliche Vorkehrungen getroffen werden müssen, nicht nur um Betroffene vor SLAPP-Klagen zu schützen, sondern auch, um dem Missbrauch von Maßnahmen gegen SLAPP-Klagen vorzubeugen und solchen Missbrauch zu sanktionieren, beispielsweise dann, wenn autoritäre Regierungen versuchen, sich gesetzliche Bestimmungen zum Schutz vor SLAPP-Klagen als „Waffe“ zunutze zu machen, um von ihnen selbst aufgebaute, vorgeblich nichtstaatliche Organisationen vor tatsächlich berechtigten Verleumdungsklagen zu schützen; stellt fest, dass die Verhinderung eines solchen Missbrauchs ebenso notwendig für die korrekte und einheitliche Anwendung des Unionsrechts ist, wodurch dessen Wirksamkeit gewährleistet wird;
Mögliche rechtlich nicht verbindliche Maßnahmen
31. unterstreicht die dringende Notwendigkeit eines soliden Fonds zur Unterstützung der Opfer von SLAPP-Klagen und der Organisationen, die sie unterstützen, sofern die Mittel direkt für die Übernahme von Anwaltskosten oder die Bereitstellung von Rechtsberatern und psychologischer Unterstützung verwendet werden; betont, wie wichtig es für Opfer und potenzielle Opfer von SLAPP-Klagen ist, leicht zugängliche Informationen über diese Art von Fällen, Rechtshilfe und Unterstützung, einschließlich psychologischer Unterstützung für Opfer und ihre Familienangehörigen, zu erhalten;
32. ist der Ansicht, dass die Unterstützung unabhängiger Stellen, die Beschwerden entgegennehmen und potenziellen Opfern von SLAPP-Klagen Hilfe leisten können, sowie eine angemessene Schulung von Richtern und Anwälten wesentlich zum Aufbau von Wissen und Kapazitäten im Hinblick auf die Aufdeckung von und den Umgang mit SLAPP-Klagen, die anderen Zwecken dienen als der legitimen Inanspruchnahme von Rechten, beitragen und der Bedrohung durch SLAPP-Klagen entgegenwirken können;
33. hält es für notwendig, Daten über Fälle von SLAPP-Klagen zu sammeln und das Bewusstsein für die Art und die schädlichen Auswirkungen von SLAPP-Klagen zu schärfen;
34. begrüßt die Empfehlung (C/2021/6650) der Kommission, wie der Schutz, die Sicherheit und die Handlungsfähigkeit von Journalisten und anderen Medienschaffenden in der Europäischen Union gewährleistet werden können; stellt fest, dass immer mehr Freiberufler, insbesondere junge Journalisten und Medienschaffende, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, für die Berichterstattung über mit hohem persönlichen Risiko verbundene Themen und in Krisengebieten herangezogen werden; ist besorgt angesichts der prekären Arbeits- und immer schlechteren Sicherheitsbedingungen, unter denen freiberufliche Journalisten über mit hohem persönlichen Risiko verbundene Themen oder aus Krisengebieten berichten; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Empfehlung des Europarats zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit von Journalisten und anderen Medienakteuren uneingeschränkt umzusetzen;
Komplementarität mit anderen Instrumenten und politischen Maßnahmen
35. ist der Auffassung, dass die neuen Maßnahmen sowohl mit als auch ohne Gesetzescharakter gegen SLAPP-Klagen andere EU-Instrumente und politischen Programme ergänzen sollten; begrüßt die Strategie der Union zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität 2021–2025 und fordert, dass die diesbezüglichen Bemühungen verstärkt werden; stellt fest, dass Rechtsvorschriften und rechtlich nicht verbindliche Maßnahmen in Mitgliedstaaten, in denen Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz oder der Korruptionsbekämpfung bestehen, ihre Wirksamkeit nicht entfalten können; bekräftigt, dass es diesbezüglich wie vom Parlament vorgeschlagen eines in der EU einheitlichen Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte bedarf;
36. verweist auf die Bedeutung der Verordnung (EU, Euratom) 2020/2092 über eine allgemeine Konditionalitätsregelung zum Schutz des Haushalts der Union, die seit dem 1. Januar 2021 für sämtliche Mittel für Verpflichtungen und Mittel für Zahlungen gilt; betont, dass die finanziellen Interessen der Union gemäß den Werten und Verpflichtungen der EU zu schützen sind und dass die Kommission den Konditionalitätsmechanismus anwenden sollte, wenn die Mitgliedstaaten diese Werte nicht schützen; würdigt in diesem Zusammenhang die wichtige Arbeit von investigativen Journalisten bei der Aufdeckung von Fällen des Missbrauchs von Unionsmitteln und betont, dass Journalisten in der Lage sein müssen, ihren Beruf auszuüben, ohne durch SLAPP-Klagen behindert zu werden;
37. betont, dass Maßnahmen auf Unionsebene zur Bekämpfung von SLAPP-Klagen andere verfügbare Instrumente, wie den Mechanismus zum Schutz der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte, politische Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und laufende Finanzierungsprogramme zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Justiz, ergänzen und mit ihnen im Einklang stehen sollten;
38. hebt hervor, dass die Korruptionsbekämpfung für die Wahrung der Demokratie, der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit von wesentlicher Bedeutung ist, da die Korruption, die viele Formen annehmen kann, die Werte der Union und das ordnungsgemäße Funktionieren der Mitgliedstaaten untergräbt sowie das organisierte Verbrechen ermöglicht;
39. fordert die Kommission auf, im Rahmen des jährlichen Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte den regelmäßigen, umfassenden und strukturierten Dialog mit nationalen Behörden, nichtstaatlichen Organisationen, Berufsverbänden und anderen Akteuren zu verstärken, um Journalisten und andere Vertreter der Zivilgesellschaft, die der Gefahr von SLAPP-Klagen, Strafverfolgung oder Belästigung ausgesetzt sind, zu schützen und zu unterstützen;
°
° °
40. fordert die Kommission auf, auf der Grundlage des Anhangs zu dieser Entschließung Vorschläge zu unterbreiten;
41. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.
ANHANG
1. Eine Kombination aus zwingendem Recht und rechtlich nicht verbindlichen Maßnahmen
Maßnahmen mit Gesetzescharakter – ein Paket zur Bekämpfung von SLAPP-Klagen mit Mechanismen zu deren frühzeitiger Abweisung sollte Vorschläge zu folgenden Punkten enthalten:
- allgemeine Regeln zum Schutz vor SLAPP-Klagen; spezielle Rechtsvorschriften, die gemeinsame Mindeststandards für unterstützende Maßnahmen zum Schutz vor SLAPP-Klagen sowie strafandrohende Maßnahmen für die Initiatoren solcher Klagen festlegen;
- spezielle Aspekte zu Fragen der Ziviljustiz, zu deren Anwendung auch auf Fälle von SLAPP-Klagen im eigenen Land die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert werden, sowie in Bezug auf das internationale Privatrecht, einschließlich der justiziellen Zusammenarbeit und des Problems der Wahl des günstigsten Gerichtsstands („Forum Shopping“);
- Umgang mit speziellen Fragen der Strafjustiz
Maßnahmen ohne Gesetzescharakter – dieses Paket sollte außerdem folgende Punkte umfassen:
eine angemessene Schulung von Richtern und Angehörigen der Rechtsberufen zu SLAPP-Klagen;
die Bewertung des Zusammenspiels verschiedener Rechtsgebiete, wie z. B. des einzelstaatlichen Medienrechts und des Verfassungsrechts in diesem Zusammenhang;
einen speziellen Unionsfonds zur Unterstützung von Opfern von SLAPP-Klagen und ihrer Familienangehörigen, auch in Form von finanzieller Hilfe, Rechtsbeistand und psychologischer Unterstützung;
die Unterstützung unabhängiger Stellen (z. B. Ombudsstellen), die in der Lage sind, Beschwerden von Personen zu bearbeiten, denen mit SLAPP-Klagen gedroht wird oder die damit konfrontiert sind, und ihnen Hilfestellung zu leisten, sowie von Gremien zur Selbstregulierung von Medien;
ein öffentlich zugängliches Unionsregister mit einschlägigen Gerichtsentscheidungen;
eine einheitliche Anlaufstelle/Unterstützungsstelle, die von speziell zu diesem Zweck eingerichteten nationalen Netzwerken aus spezialisierten Rechtsanwälten, Rechtspraktikern und Psychologen unterstützt wird und an die sich Opfer von SLAPP-Klagen wenden können und wo sie Beratung und einfachen Zugang zu Informationen über und Unterstützung bei SLAPP-Klagen erhalten können, auch in Bezug auf Soforthilfemaßnahmen, Rechtsbeistand, Prozesskostenhilfe und psychologische Unterstützung, insbesondere durch Peer-to-Peer-Austauschnetze;
2. Allgemeine Vorschriften
Ein Legislativvorschlag für eine allgemeine Schutzmaßnahme würde im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere in der Charta anerkannt werden, auf den dualen Schutz von Personen abzielen, die Nachforschungen anstellen, Informationen melden oder anderweitig Angelegenheiten offenlegen, die von öffentlichem Interesse sind und Verstöße gegen das Unionsrecht betreffen, wozu auch missbräuchliche Praktiken gehören, die nicht rechtswidrig erscheinen, aber den Gegenstand oder den Zweck des Rechts hintertreiben, und würde darüber hinaus darauf abzielen, das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes zu schützen.
Die Maßnahme mit Gesetzescharakter sollte außerdem Folgendes enthalten:
a) eine klare Definition des Phänomens SLAPP-Klage, einschließlich einer Definition des Begriffs der öffentlichen Beteiligung an einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse;
b) Bestimmungen zur Vertraulichkeit von Untersuchungen und Berichten, einschließlich von Informationsquellen;
c) Bestimmungen zum Verbot von Vergeltungsmaßnahmen sowie wirksame und abschreckende Sanktionen gegen SLAPP-Klagen;
d) Bestimmungen zur Verhinderung des Missbrauchs von gegen SLAPP-Klagen gerichteten Maßnahmen;
e) Unterstützungsmaßnahmen wie etwa
i) wirksame Hilfe, Information und praktische Beratung und Unterstützung durch eine „zentrale Anlaufstelle“ für Soforthilfe für SLAPP-Opfer;
ii) rechtliche und finanzielle Hilfe;
f) wirksame Maßnahmen zum Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen, die auf ein bestehendes Machtungleichgewicht zwischen den Parteien zurückzuführen sind, und die es ermöglichen, potenziell erlittenen Schaden wiedergutzumachen.
3. Zivilprozess
Ein Legislativvorschlag für eine zivilprozessuale Maßnahme, die in Fällen von SLAPP-Klagen greifen soll und zu deren Anwendung auch auf Fälle im Inland die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert werden, sollte Ausführungen bezüglich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen enthalten, und zwar durch die Schaffung gemeinsamer Regeln für SLAPP-Verfahren, die sich aus zivilrechtlichen Ansprüchen ergeben, und sollte Folgendes umfassen:
a) die Verpflichtung des Klägers, in Fällen, in denen es um die öffentliche Beteiligung geht, darzulegen und zu begründen, warum die Maßnahme nicht missbräuchlich ist;
b) die Verpflichtung für die Gerichte, missbräuchliche Klagen zum frühestmöglichen Zeitpunkt summarisch abzuweisen, entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Beklagten auf der Grundlage des Rechts, einen Antrag auf frühzeitige Klageabweisung zu stellen;
c) die Verpflichtung der Gerichte, das missbräuchliche Element in jeder endgültigen Entscheidung zu berücksichtigen;
d) die Möglichkeit für Dritte, einzugreifen und gemäß dem nationalen Verfahrensrecht in die Rechte und Pflichten des Beklagten einzutreten;
e) die Verpflichtung der Gerichte, bei der Bemessung der Kosten und der Zuerkennung von Schadenersatz das öffentliche Interesse und das Gleichgewicht der finanziellen Mittel zwischen den Parteien zu berücksichtigen;
f) Mittel zum Schutz der Opfer vor SLAPP-Klagen, die außerhalb der Union erhoben werden;
g) das Recht auf vollständige Erstattung der Prozesskosten;
h) das Recht auf Schadenersatz, auch für erlittene materielle und immaterielle Nachteile, einschließlich wirtschaftlichen Schaden, Rufschaden, psychologischen und sonstigen Schaden;
i) Bestimmungen, die verhindern, dass eine Partei, die bereits eine Klage mit SLAPP-Charakter eingereicht hat, weiteren Verfahrensmissbrauch hinsichtlich derselben Sachverhalte betreibt, insbesondere indem dieser Umstand bei der Prüfung einer neuen Klage Berücksichtigung findet.
Ein Vorschlag der Kommission im Sinne der Erreichung von Rechtssicherheit und Absehbarkeit und im Anschluss an die Überprüfung der Instrumente des internationalen Privatrechts sollte festlegen, dass
a) die Brüssel-I-Verordnung neugefasst wird und die ausdrückliche Vorschrift aufgenommen wird, dass bei Verleumdungsklagen oder anderen zivil- und handelsrechtlichen Klagen, bei denen es sich um eine SLAPP-Klage handeln könnte, der gewöhnliche Aufenthaltsort des Beklagten als einziger Gerichtsstand gilt – unter gebührender Berücksichtigung von Fällen, bei denen die Opfer von Diffamierung Privatpersonen sind;
b) das anwendbare Recht das Recht des Ortes ist, an den eine Veröffentlichung gerichtet ist, oder, falls dieser Ort nicht ermittelt werden kann, der Ort der redaktionellen Verantwortung oder der entsprechenden Tätigkeit in Bezug auf die öffentliche Beteiligung.
4. Strafverfahren
Ein Gesetzesvorschlag zu den strafrechtlichen Aspekten von SLAPP-Klagen sollte:
a) klarstellen, dass sofern Verleumdung, üble Nachrede und Beleidigung Straftatbestände darstellen, diese Tatbestände nicht für SLAPP-Klagen herangezogen werden dürfen, insbesondere nicht im Rahmen von Privatklagen;
b) Bestimmungen zum Schutz der Rechte von Einzelpersonen festlegen, so dass die Strafverfolgung nicht dazu missbraucht werden kann, Opfer von SLAPP-Klagen zum Schweigen zu bringen;
c) die gegenseitige Anerkennung von Urteilen und gerichtlichen Entscheidungen sowie die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen erleichtern;
d) gemeinsame Mindestverfahrensgarantien zum Schutz von Beklagten festlegen, gegen die SLAPP-Klagen auf der Grundlage von kombinierten Strafanzeigen und Klagen auf zivilrechtliche Haftung geführt werden, die vorgeblich aus demselben Verhalten herrühren.
Diese Maßnahmen sollten die laufenden Aktivitäten der Kommission, bereits verabschiedete Rechtsvorschriften und künftige Initiativen ergänzen.
STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR KULTUR UND BILDUNG (7.9.2021)
für den Rechtsausschuss und den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
zur Stärkung der Demokratie, der Medienfreiheit und des Medienpluralismus in der EU in Anbetracht des unrechtmäßigen Rückgriffs auf zivil- und strafrechtliche Verfahren zur Einschüchterung von Journalisten, nichtstaatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft
Verfasser der Stellungnahme (*): Loucas Fourlas
(*) Assoziierter Ausschuss – Artikel 57 der Geschäftsordnung
VORSCHLÄGE
Der Ausschuss für Kultur und Bildung ersucht den Rechtsausschuss und den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres als federführende Ausschüsse, folgende Vorschläge in ihren Entschließungsantrag zu übernehmen:
1. unterstreicht, dass unabhängige, unparteiische, professionelle und verantwortungsvoll handelnde Medien ein Eckstein der Demokratie sind; weist erneut darauf hin, dass die Union auf den in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten gemeinsamen Werten beruht, und bekräftigt, dass die Grundrechte der Medienfreiheit und des Pluralismus in Artikel 11 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt sind; erklärt sich sehr besorgt hinsichtlich der Lage in einigen Mitgliedstaaten, in denen sich die Medienfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung verschlechtern, in denen Journalisten zum Schweigen gebracht werden, Gewalt ausgesetzt sind und eingeschüchtert werden und in denen der Handlungsspielraum für Organisationen der Zivilgesellschaft, nichtstaatliche Organisationen und Menschenrechtsverteidiger immer kleiner wird und durch politische Einflussnahme der Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse eingeschränkt wird; hält es für dringend erforderlich, legislative und nichtlegislative Maßnahmen – insbesondere den Rechtsakt zur Medienfreiheit – vorzuschlagen, um in der EU ein sicheres Umfeld für als Kontrollinstanz fungierende Akteure zu erhalten;
2. hebt hervor, dass das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, das Recht auf Information und das Recht auf öffentliche Beteiligung für eine stabile Demokratie von wesentlicher Bedeutung sind; erklärt sich sehr besorgt darüber, dass der Handlungsspielraum für Organisationen der Zivilgesellschaft immer weiter schrumpft und dass Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und andere Personen, die sich zu wichtigen Angelegenheiten im öffentlichen Interesse äußern und sich kritisch mit den Mächtigen in der Gesellschaft auseinandersetzen, bedroht werden und dass vermehrt auf strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung zurückgegriffen wird, um unabhängige Medien und Journalisten, Organisationen der Zivilgesellschaft, Verteidiger von Rechten, Aktivisten, Hinweisgeber, Wissenschaftler, Künstler und Überlebende von sexueller und häuslicher Gewalt zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern;
3. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Unabhängigkeit der Medien von politischem und wirtschaftlichem Druck sicherzustellen und aufrechtzuerhalten und den Medienpluralismus zu garantieren; fordert die Kommission auf, Verstöße öffentlicher Stellen in der Öffentlichkeit zu thematisieren, und fordert die Mitgliedstaaten auf, bei den Eigentumsverhältnissen im Medienbereich für Transparenz zu sorgen; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission daher nachdrücklich auf, einen ambitionierten, robusten und vollständigen Rechtsrahmen und als Bestandteil ihres künftigen Europäischen Rechtsakts zur Medienfreiheit ein Instrumentarium zu entwickeln, mit dem die Fähigkeit der EU gestärkt wird, sämtliche Maßnahmen, mit denen die Medienfreiheit eingeschränkt oder beeinträchtigt werden könnte, zu überwachen und zu sanktionieren, und den Medienpluralismus sicherzustellen; weist erneut auf die in den Verträgen verankerten Instrumente hin, insbesondere auf Artikel 7 EUV über das Verfahren zur Feststellung einer eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat, und fordert nochmals, entsprechend zu handeln; betont, dass keine Unionsmittel für Medienorganisationen bereitgestellt werden sollten, die von der jeweiligen Regierung eines Mitgliedstaats an sich gerissen wurden;
4. ist beunruhigt darüber, dass die derzeitige COVID-19-Pandemie nicht nur nach wie vor erhebliche negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, das soziale Wohlergehen und die Wirtschaft hat, sondern auch die gesamte Medienbranche beeinflusst, insbesondere durch fallende Einnahmen und die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen für Journalisten, wodurch die Medienfreiheit und der Medienpluralismus in Mitleidenschaft gezogen werden; erklärt sich zudem besorgt darüber, dass die Bürgerinnen und Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft in Zeiten wie der derzeitigen Gesundheitspandemie, in denen überprüfte, verlässliche und aktuelle Informationen von größter Bedeutung sind, schwerwiegenden Bedrohungen der Medienfreiheit ausgesetzt sind, zu denen auch Beschränkungen des Zugangs zur Justiz und in Bezug auf für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen zählen, wobei Journalisten strafrechtlich verfolgt oder angegriffen werden, weil sie über Nachrichten im Zusammenhang mit COVID-19 berichten[28]; gibt warnend zu bedenken, dass Institutionen des Staates den durch die COVID-19-Pandemie verursachten Notstand als Vorwand heranziehen, um restriktive Maßnahmen zur Beschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung einzuführen und die Zensur sowohl der traditionellen Medien als auch der Online-Medien zu verschärfen; fordert die Kommission auf, eine Untersuchung der während der Pandemie eingeführten Einschränkungen der Medienfreiheit durchzuführen, und fordert die vollständige Rücknahme dieser Einschränkungen und die Wiederherstellung des Zustands aus der Zeit vor der Pandemie; fordert die Kommission überdies auf, Finanzmittel bereitzustellen, um die Verbreitung von Desinformation zu bekämpfen und den Journalismus – insbesondere den Investigativjournalismus – zu unterstützen, damit unabhängig über Angelegenheiten von Interesse für die Öffentlichkeit, darunter auch Korruption und Amtsmissbrauch, berichtet wird;
5. stellt fest, dass sich die Medienlandschaft im Zuge des digitalen Wandels grundlegend verändert hat, wobei neue Verhaltensmuster entstanden sind, wie im Online-Umfeld Nachrichten gesucht, aufgerufen, gehandhabt, weitergegeben oder abgerufen werden, betont, dass sich dadurch der Marktdruck auf kleinere Medienorganisationen, insbesondere lokale Nachrichtenmedien, verstärkt und die Marktkonzentration verschärft hat und zudem oftmals unfaire Wettbewerbsbedingungen herbeigeführt wurden, wodurch der langfristige Fortbestand und die wirtschaftliche Tragfähigkeit bereits geschwächter Medienunternehmen und folglich die Vielfalt der Medienakteure gefährdet ist;
6. betont, dass laut Reporter ohne Grenzen das kommende Jahrzehnt für die Wahrung der Medienfreiheit von entscheidender Bedeutung sein dürfte, da die Medienfreiheit in vielen Fällen durch populistische und illiberale Regierungen bedroht ist; fordert Finanzierungsmechanismen zum Schutz der Medien und insbesondere von Investigativjournalisten und ihren Quellen vor diskriminierenden Regelungen und Marktpraktiken und vor staatlicher Einflussnahme; bekräftigt, dass die Medienfreiheit in der gesamten Union von unabhängiger Seite überwacht werden muss, und legt den Mitgliedstaaten nahe, bestehende Instrumente wie den Überwachungsmechanismus für Medienpluralismus anzuwenden und weiter zu verbessern;
7. fordert die Kommission auf, als Folgemaßnahme zu ihrem Aktionsplan für Demokratie in Europa unverzüglich eine Richtlinie vorzuschlagen, in der für alle Mitgliedstaaten geltende gemeinsame Mindestnormen gegen taktische Klagen gegen öffentliche Beteiligung (SLAPP-Klagen) festgelegt werden und mit der für die frühzeitige Abweisung dieser Klagen Sorge getragen wird, um unabhängige Medien und Journalisten, Presseverlage, Medienorganisationen, Wissenschaftler, Organisationen der Zivilgesellschaft und nichtstaatliche Organisationen vor finanziellem Druck und schikanösen Klagen sowie Drohungen mit rechtlichen Schritten zu schützen, mit dem bzw. denen sie zum Schweigen gebracht oder eingeschüchtert werden sollen; betont, dass eine Richtlinie gegen SLAPP-Klagen Bestimmungen über die zügige verfahrensrechtliche Abweisung von offensichtlich unbegründeten Klagen, die von den Justizbehörden als SLAPP-Klagen erkannt wurden, und wirksame Rechtsmittel für Beklagte, die über Verstöße gegen das Unionsrecht berichten oder die im Interesse der Öffentlichkeit Informationen offenlegen, umfassen sollte; hebt hervor, dass in einer Richtlinie gegen SLAPP-Klagen das Instrument der Wahl des günstigsten Gerichtsstands behandelt und der Rückgriff auf dieses Instrument untersagt und zugleich die Möglichkeit zur Wahl des für die strafrechtliche Verfolgung des Beklagten zuständigen Gerichts in SLAPP-Verfahren auf das Wohnsitzland des Beklagten beschränkt werden sollte; betont, dass gehandelt werden muss, wenn Institutionen des Staates oder Privatpersonen die Justiz bemühen, um ihre Kritiker und Gegner in einer mit den Grundrechten des Einzelnen unvereinbaren Weise zum Schweigen zu bringen. und dass die rechtliche Fortbildung der bei Presseverlagen angestellten Rechtsanwälte sowie aller Rechtsanwälte und Richter ausgeweitet werden muss, damit sie befähigt werden, SLAPP-Klagen zu erkennen und zu behandeln, und für die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel zu sensibilisieren; fordert die Einrichtung eines Unionsfonds zur Unterstützung der Opfer von SLAPP-Klagen, aus dem sie finanziell oder mit einem Rechtsbeistand bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf Verteidigung unterstützt werden, und die Einrichtung eines gesicherten Netzes, in dem SLAPP-Opfer ihre Erfahrungen untereinander austauschen können;
8. unterstreicht, dass Hinweisgeber eine wichtige Aufgabe dabei übernehmen, Korruptionsfälle aufzudecken und dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufende Verstöße gegen das Unionsrecht zu melden, und weist erneut darauf hin, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Richtlinie über Hinweisgeber[29] bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen; betont in diesem Zusammenhang die Funktion der Medien, wenn es darum geht, Informationen von öffentlichem Interesse über Rechtsverstöße offenzulegen; beharrt darauf, dass die Vertraulichkeit der journalistischen Quellen gewahrt werden muss und gesicherte und unabhängige interne und externe Meldekanäle eingerichtet werden müssen, über die Hinweisgeber Verstöße gegen das Unionsrecht melden können, und dass sichergestellt sein muss, dass Hinweisgeber vor Vergeltungsmaßnahmen geschützt sind;
9. begrüßt, dass in den Jahresbericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit ein eigenes Kapitel aufgenommen wurde, dessen Gegenstand die Überwachung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus sind; fordert die Kommission nachdrücklich auf, genau zu beobachten, in welchen Fällen Journalisten, nichtstaatliche Organisationen und die Zivilgesellschaft mittels zivil- und strafrechtlicher Maßnahmen in unangemessener Weise zum Schweigen gebracht werden sollen, auch indem sie eine unionsweite öffentlich zugängliche Datenbank einrichtet, in der als solche erkannte SLAPP-Klagen in allen Mitgliedstaaten entsprechend zugeordnet werden, und in den länderspezifischen Kapiteln künftiger Berichte über die Lage der Rechtsstaatlichkeit Einzelheiten zu diesen Maßnahmen anzugeben;
10. weist darauf hin, dass manche Journalisten und Redaktionsteams und eine beträchtliche Anzahl des unbefristet und befristet angestellten Personals von Medienorganisationen unter verschiedenartigen und häufig prekären Arbeitsbedingungen mit niedriger Bezahlung und zudem häufig freiberuflich beschäftigt ist; betont, dass beispielsweise durch eine angemessene berufsständische Vertretung für stabile und faire Arbeitsbedingungen gesorgt werden muss; hebt hervor, dass es klarerer Vorschriften über die gegenseitige Anerkennung des Berufs Journalist und des Status als Journalist in der gesamten Union bedarf; weist darauf hin, dass die Rechte des geistigen Eigentums von Journalisten in angemessener Weise durchgesetzt werden müssen und der Wert ihrer Arbeit entsprechend anerkannt und vergütet werden sollte; betont, dass Journalisten und die Medien angemessen unterstützt werden müssen, damit sichergestellt ist, dass sie unabhängig tätig sind, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und möglicherweise in Selbstzensur oder Zensur mündenden Einschüchterungsversuchen widerstehen können;
11. begrüßt, dass die Kommission im Dezember 2020 im Rahmen ihres Aktionsplans für Medien und audiovisuelle Medien (COM(2020)0784) die Einführung der Initiative NEWS festgelegt hat; betont jedoch, dass in Bezug auf den Anwendungsbereich, die Finanzierung und die Funktionsweise dieses Aktionsplans noch Klärungsbedarf besteht;
12. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die für Nachrichtenmedienorganisationen verfügbare Unterstützung aufzustocken und dabei besonderes Augenmerk auf KMU sowie lokale und regionale Medien und Radiosender zu legen; betont, dass die Zuweisungen für die Medienbranche in den verschiedenen Programmen des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) aufgestockt werden sollten;
13. ist besorgt über die Zunahme von Hetze, Beleidigung, Belästigung und Verletzungen der Privatsphäre im Internet, die sich vor allem gegen die Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung richten; unterstreicht, dass Journalistinnen und andere marginalisierte Bevölkerungsgruppen, insbesondere von Mehrfachdiskriminierung betroffene Gruppen, im Internet besonders hartnäckig bedroht und belästigt werden; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Leitlinien zur weiteren Bekämpfung von Hetze im Internet auszuarbeiten; betont, dass die Behörden und die Anbieter von Online-Plattformdiensten besser zusammenarbeiten müssen, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, wirksam gegen Belästigung und Hetze im Internet vorzugehen, ohne dabei die Pressefreiheit und das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken;
14. ist der Ansicht, dass eine Richtlinie gegen SLAPP-Klagen auf mehrere Tatbestände wie Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung abstellen sollte, und fordert die Kommission auf, für Ausgewogenheit bezüglich des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts auf Zugang zur Justiz zu sorgen; stellt fest, dass übermäßig restriktive Rechtsvorschriften über den Tatbestand der Beleidigung einen abschreckenden Effekt auf die Freiheit der Meinungsäußerung und Diskussionen in der Öffentlichkeit haben können; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die strafrechtliche Verfolgung wegen Beleidigung nicht missbräuchlich betrieben wird, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft in diesen Fällen zu wahren und sicherzustellen, dass das Zivilrecht einen wirksamen Schutz der Würde des Einzelnen in Fällen von Beleidigung bietet; fordert die Mitgliedstaaten überdies auf, angemessene und verhältnismäßige Höchstbeträge für Schadenersatzzahlungen festzulegen;
15. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien über die Mittel verfügen, die sie zur Erfüllung ihres kultur- und gesellschaftspolitischen Auftrags und ihres Bildungsauftrags benötigen; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, die bereits geltenden Regelungen wie die Richtlinie über audiovisuelle Medien umzusetzen, die Eigentumsverhältnisse im Medienbereich zu überwachen und sicherzustellen, dass Informationen uneingeschränkt transparent und den Bürgerinnen und Bürgern leicht zugänglich sind; hält unabhängige Verfahren für interne Regelungen in den Medien für sehr wichtig, damit alle Beschäftigten einschließlich der Journalisten vor politischem und wirtschaftlichem Druck geschützt sind, und hebt hervor, dass die unparteiischen Aufsichtsratsmitglieder der öffentlich-rechtlichen Medien unabhängig ernannt werden müssen, damit sie nicht im Interesse einer politischen Partei oder einer ideologischen Strömung, sondern im öffentlichen Interesse handeln können;
16. fordert alle Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste[30] in ihrer 2018 geänderten Fassung mit all ihren Bestimmungen rasch umzusetzen; fordert die Kommission auf, die diesbezüglichen Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen, wobei den Bestimmungen des Artikels 30 über die Aufgaben, Befugnisse und Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden und -stellen für audiovisuelle Mediendienste besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist; besteht darauf, dass die nationalen Regulierungsbehörden und -stellen ihre Befugnisse unparteiisch und transparent und im Einklang mit den Zielen dieser Richtlinie – insbesondere Medienpluralismus, kulturelle und sprachliche Vielfalt, Verbraucherschutz, Barrierefreiheit, Diskriminierungsfreiheit, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und Förderung eines fairen Wettbewerbs – ausüben; besteht zudem darauf, dass die nationalen Regulierungsbehörden und -stellen über ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen und Durchsetzungsbefugnisse verfügen, um ihre Aufgaben wirksam wahrnehmen und zur Arbeit der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) beitragen zu können;
17. begrüßt die Einrichtung der ERGA und fordert die Aufsichtsbehörden für audiovisuelle Medien und die anderen für Online-Nachrichten zuständigen Regulierungsbehörden zur Zusammenarbeit im Binnenmarkt auf;
18. begrüßt, dass die Konferenz zur Zukunft Europas begonnen hat, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in den anstehenden Schlussfolgerungen das Grundprinzip der partizipativen Demokratie in der Gesellschaft in optimaler Art und Weise zu stärken;
19. legt den Mitgliedstaaten und der Kommission nahe, wirksame Maßnahmen für einen besseren Schutz der persönlichen Sicherheit von Journalisten, insbesondere von Investigativjournalisten, zu ergreifen, auch durch den Aufbau und die Förderung der internationalen Vernetzung, und sieht der angekündigten Empfehlung der Kommission zum Schutz von Journalisten in der Union erwartungsvoll entgegen; fordert die Mitgliedstaaten auf, vorbeugende Maßnahmen wie Polizeischutz zu beschließen und im Rahmen von Programmen den Umzug in eine andere Wohnung anzubieten und sichere Unterkünfte oder Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen, wenn Journalisten bedroht werden, auch jene, die über Konflikte in Hochrisikoländern berichten; betont, dass der Schutz von Journalisten von überragender Bedeutung ist, wenn es gilt, Demokratie und Meinungsfreiheit zu wahren und die Quellen von Journalisten zu schützen;
20. begrüßt die Einführung neuer Maßnahmen im Rahmen des branchenübergreifenden Ansatzes des Programms Kreatives Europa, um der Medienfreiheit, dem hochwertigen Journalismus und der Medienkompetenz mehr Raum zu verschaffen; betont, dass die kritische Nutzung von Medieninhalten von wesentlicher Bedeutung ist, damit die Bevölkerung aktuelle Themen verstehen und am öffentlichen Leben mitwirken kann; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, Bildungsprojekte über kritisches Denken und Medienkompetenz, insbesondere an Schulen, zu fördern und zu unterstützen und allen das nötige Rüstzeug dafür an die Hand zu geben, wie sie sich Zugang zu Informationen verschaffen, Desinformation erkennen und kritisches Denken entwickeln können; erachtet Schulungen zu Medienpluralismus, Demokratie und SLAPP-Klagen als sehr wichtig, um die Öffentlichkeit und die Angehörigen der Rechtsberufe, insbesondere Richter und Rechtsanwälte, für das Problem zu sensibilisieren; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit und schwerpunktbezogene Weiterbildungsmaßnahmen für Angehörige der Rechtsberufe auszuarbeiten; fordert höhere Investitionen in die Weiterbildung von Journalisten, auch jenen, die Minderheitengruppen angehören, um sie vor allem dabei zu unterstützen, sich an die Änderungen in Technologie und Gesellschaft und sonstige Entwicklungen anzupassen, und bekräftigt, dass es notwendig ist, in den verschiedenen nationalen Medien die Kenntnisse und das Wissen in Bezug auf die Union zu verbessern; fordert die Organe der Union auf, Inhalte und Informationen auch in Zukunft in allen Sprachen der Union bereitzustellen;
21. fordert die Mitgliedstaaten und die Medienorganisationen auf, Maßnahmen zu unterstützen und weiterzuentwickeln, mit denen Anreize dafür gesetzt werden, dass Frauen und Männer auf allen Hierarchieebenen im Medienbereich gleichberechtigt vertreten sind; hebt hervor, dass Journalistinnen in Bezug auf ihre inhaltliche Arbeit zwar demselben Druck ausgesetzt sind wie ihre männlichen Kollegen, aber darüber hinaus häufiger mit sexueller Gewalt und Belästigung konfrontiert sind; betont in diesem Zusammenhang, dass die durchgängige Berücksichtigung der Geschlechtergleichstellung in der gesamten Medienbranche sehr wichtig ist; fordert die Kommission auf, in ihren zukünftigen Berichten die Verbindungen zwischen der Verschlechterung der Medienfreiheit und der zunehmenden Tendenz, Minderheiten und marginalisierte Gruppen zu Sündenböcken zu machen und ins Visier zu nehmen, zu beobachten und zu analysieren und dabei die Auswirkungen von Hasskriminalität und Hetze auf die Diskriminierung in der Union zu untersuchen;
22. fordert die Kommission auf, Falschmeldungen, Desinformation und Fehlinformationen als Bedrohung einzustufen, und begrüßt, dass die Kommission den Verhaltenskodex für den Bereich der Desinformation im Jahr 2020 bewertet und Leitlinien zur Verbesserung der Lage herausgegeben hat; fordert die Kommission nachdrücklich auf, ihre Ergebnisse auszuformulieren und eine Europäische Beobachtungsstelle für digitale Medien einzurichten, und begrüßt ihre Ankündigung, einen Legislativvorschlag über die Transparenz gesponserter politischer Inhalte vorzulegen; betont, dass Onlineplattformen nahegelegt werden muss, Desinformation und Fehlinformationen aufzudecken und offen und transparent dagegen vorzugehen.
ANGABEN ZUR ANNAHME IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
31.8.2021 |
|
|
|
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
25 0 4 |
||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Asim Ademov, Ilana Cicurel, Gilbert Collard, Gianantonio Da Re, Laurence Farreng, Tomasz Frankowski, Chiara Gemma, Alexis Georgoulis, Hannes Heide, Petra Kammerevert, Niyazi Kizilyürek, Ryszard Antoni Legutko, Predrag Fred Matić, Dace Melbārde, Victor Negrescu, Niklas Nienaß, Peter Pollák, Marcos Ros Sempere, Domènec Ruiz Devesa, Monica Semedo, Andrey Slabakov, Massimiliano Smeriglio, Michaela Šojdrová, Sabine Verheyen, Salima Yenbou, Theodoros Zagorakis, Milan Zver |
|||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Vlad-Marius Botoş, Loucas Fourlas |
NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS
25 |
+ |
ECR |
Dace Melbārde, |
NI |
Chiara Gemma |
PPE |
Asim Ademov, Loucas Fourlas, Tomasz Frankowski, Peter Pollák, Michaela Šojdrová, Sabine Verheyen, Theodoros Zagorakis, Milan Zver |
Renew |
Vlad-Marius Botoş, Ilana Cicurel, Laurence Farreng, Monica Semedo |
S&D |
Hannes Heide, Petra Kammerevert, Predrag Fred Matić, Victor Negrescu, Marcos Ros Sempere, Domènec Ruiz Devesa, Massimiliano Smeriglio |
The Left |
Alexis Georgoulis, Niyazi Kizilyürek |
Verts/ALE |
Niklas Nienaß, Salima Yenbou |
0 |
– |
|
|
4 |
0 |
ECR |
Ryszard Antoni Legutko, Andrey Slabakov |
ID |
Gilbert Collard, Gianantonio Da Re |
Erklärung der benutzten Zeichen:
+ : dafür
– : dagegen
0 : Enthaltung
ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS
Datum der Annahme |
14.10.2021 |
|
|
|
Ergebnis der Schlussabstimmung |
+: –: 0: |
63 9 10 |
||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder |
Magdalena Adamowicz, Pascal Arimont, Manon Aubry, Katarina Barley, Pernando Barrena Arza, Pietro Bartolo, Nicolas Bay, Gunnar Beck, Vladimír Bilčík, Vasile Blaga, Ioan-Rareş Bogdan, Patrick Breyer, Saskia Bricmont, Jorge Buxadé Villalba, Damien Carême, Caterina Chinnici, Clare Daly, Marcel de Graaff, Anna Júlia Donáth, Pascal Durand, Angel Dzhambazki, Cornelia Ernst, Laura Ferrara, Nicolaus Fest, Jean-Paul Garraud, Esteban González Pons, Maria Grapini, Sophia in ‘t Veld, Patryk Jaki, Marina Kaljurand, Assita Kanko, Fabienne Keller, Peter Kofod, Mislav Kolakušić, Moritz Körner, Gilles Lebreton, Jeroen Lenaers, Juan Fernando López Aguilar, Lukas Mandl, Nuno Melo, Roberta Metsola, Nadine Morano, Javier Moreno Sánchez, Maite Pagazaurtundúa, Jiří Pospíšil, Nicola Procaccini, Emil Radev, Paulo Rangel, Terry Reintke, Diana Riba i Giner, Marcos Ros Sempere, Ralf Seekatz, Stéphane Séjourné, Michal Šimečka, Birgit Sippel, Martin Sonneborn, Raffaele Stancanelli, Ramona Strugariu, Annalisa Tardino, Tomas Tobé, Marie Toussaint, Dragoş Tudorache, Milan Uhrík, Tom Vandendriessche, Adrián Vázquez Lázara, Bettina Vollath, Axel Voss, Jadwiga Wiśniewska, Tiemo Wölken, Lara Wolters, Javier Zarzalejos |
|||
Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter |
Brando Benifei, Daniel Buda, Olivier Chastel, Nathalie Colin-Oesterlé, Tanja Fajon, Heidi Hautala, Anne-Sophie Pelletier, Rob Rooken, Domènec Ruiz Devesa, Isabel Santos, Yana Toom |
NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS
63 |
+ |
PPE |
Magdalena Adamowicz, Pascal Arimont, Vladimír Bilčík, Vasile Blaga, Ioan-Rareş Bogdan, Daniel Buda, Nathalie Colin-Oesterlé, Esteban González Pons, Jeroen Lenaers, Lukas Mandl, Nuno Melo, Roberta Metsola, Jiří Pospíšil, Emil Radev, Paulo Rangel, Ralf Seekatz, Tomas Tobé, Axel Voss, Javier Zarzalejos |
S&D |
Katarina Barley, Pietro Bartolo, Brando Benifei, Caterina Chinnici, Tanja Fajon, Maria Grapini, Marina Kaljurand, Juan Fernando López Aguilar, Javier Moreno Sánchez, Marcos Ros Sempere, Domènec Ruiz Devesa, Isabel Santos, Birgit Sippel, Bettina Vollath, Tiemo Wölken, Lara Wolters |
Renew |
Olivier Chastel, Anna Júlia Donáth, Pascal Durand, Sophia in 't Veld, Fabienne Keller, Moritz Körner, Maite Pagazaurtundúa, Stéphane Séjourné, Michal Šimečka, Ramona Strugariu, Yana Toom, Dragoş Tudorache, Adrián Vázquez Lázara |
Verts/ALE |
Patrick Breyer, Saskia Bricmont, Damien Carême, Heidi Hautala, Terry Reintke, Diana Riba i Giner, Marie Toussaint |
ECR |
Assita Kanko |
The Left |
Manon Aubry, Pernando Barrena Arza, Clare Daly, Cornelia Ernst, Anne-Sophie Pelletier |
NI |
Laura Ferrara, Martin Sonneborn |
9 |
- |
ID |
Nicolas Bay, Gunnar Beck, Nicolaus Fest, Jean-Paul Garraud, Marcel de Graaff, Gilles Lebreton, Annalisa Tardino |
ECR |
Jorge Buxadé Villalba |
NI |
Milan Uhrík |
10 |
0 |
PPE |
Nadine Morano |
ID |
Peter Kofod, Tom Vandendriessche |
ECR |
Angel Dzhambazki, Patryk Jaki, Nicola Procaccini, Rob Rooken, Raffaele Stancanelli, Jadwiga Wiśniewska |
NI |
Mislav Kolakušić |
- [1] ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40.
- [2] ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1.
- [3] ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17.
- [4] ABl. L 156 vom 5.5.2021, S. 1.
- [5] ABl. L 156 vom 5.5.2021, S. 21.
- [6] https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/ad-hoc-literature-review-analysis-key-elements-slapp_en.pdf
- [7] https://rsf.org/en/news/rsf-and-60-other-organisations-call-eu-anti-slapp-directive
- [8] ABl. C 55 vom 12.2.2016, S. 33.
- [9] ABl. C 215 vom 19.6.2018, S. 162.
- [10] ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 117.
- [11] ABl. C 390 vom 18.11.2019, S. 111.
- [12] ABl. C 41 vom 6.2.2020, S. 64.
- [13] ABl. C 363 vom 28.10.2020, S. 45.
- [14] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0111.
- [15] Angenommene Texte, P8_TA(2019)0328.
- [16] Angenommene Texte, P9_TA(2019)0103.
- [17] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0007.
- [18] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0251.
- [19] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0320.
- [20] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0328.
- [21] Angenommene Texte, P9_TA(2020)0360.
- [22] Angenommener Text, P9_TA(2021)0089.
- [23] Angenommene Texte, P9_TA(2021)0103.
- [24] Angenommene Texte, P9_TA(2021)0148.
- [25] Angenommene Texte, P9_TA(2021)0245.
- [26] Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.
- [27] ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1.
- [28] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2020/05/global-crackdown-on-journalists-weakens-efforts-to-tackle-covid19/?fbclid=IwAR0GO09WSuyXFBp-VXhqmQJXuf8Hll81PEAESEkUbIM_slFbAftNGIE3yWQ
- [29] Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17.
- [30] Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten, ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69.