BERICHT über Rassengerechtigkeit, das Diskriminierungsverbot und das Vorgehen gegen Rassismus in der EU

19.10.2022 - (2022/2005(INI))

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Berichterstatterin: Evin Incir

Verfahren : 2022/2005(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A9-0254/2022
Eingereichte Texte :
A9-0254/2022
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu Rassengerechtigkeit, dem Diskriminierungsverbot und dem Vorgehen gegen Rassismus in der EU

(2022/2005(INI))

Das Europäische Parlament,

 unter Hinweis auf den Vertrag über die Europäische Union (EUV), den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „die Charta“),

 unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft[1] („Rassismusbekämpfungsrichtlinie“),

 unter Hinweis auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf[2] („Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie“),

 unter Hinweis auf den Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit[3],

 unter Hinweis auf die Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI[4] („Opferschutzrichtlinie“),

 unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2021/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. April 2021 zur Einrichtung des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“[5],

 unter Hinweis auf die Einsetzung der hochrangigen Gruppe der EU zur Bekämpfung von Hetze und Hassstraftaten im Juni 2016,

 unter Hinweis auf die Leitlinien zur Verbesserung der Erhebung und Nutzung von Gleichstellungsdaten, die 2018 von der Untergruppe zu Gleichstellungsdaten der Hochrangigen Gruppe für Nichtdiskriminierung, Gleichstellung und Vielfalt der Kommission verfasst und 2021 veröffentlicht wurden,

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. September 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025“ (COM(2020)0565),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 7. Oktober 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategischer Rahmen der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma“ (COM(2020)0620),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. November 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen 2020-2025“ (COM(2020)0698),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 3. März 2021 mit dem Titel „Union der Gleichheit: Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030“ (COM(2021)0101) und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das von der EU und all ihren Mitgliedstaaten ratifiziert wurde,

 unter Hinweis auf die europäische Säule sozialer Rechte, einschließlich des dritten Grundsatzes zur Chancengleichheit, und die Mitteilung der Kommission vom 4. März 2021 mit dem Titel „Aktionsplan zur europäischen Säule sozialer Rechte“ (COM(2021)0102),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. März 2020 mit dem Titel „Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025“ (COM(2020)0152),

 unter Hinweis auf die Empfehlung des Rates vom 12. März 2021 zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma[6],

 unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 19. März 2021 über die Anwendung der Richtlinie 2000/43/EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft („Rassismusbekämpfungsrichtlinie“) und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf („Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie“) (COM(2021)0139),

 unter Hinweis auf die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen vom 19. März 2021 über Gleichstellungsstellen und die Umsetzung der Empfehlung der Kommission über Standards für Gleichstellungsstellen (SWD(2021)0063),

 unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 5. Oktober 2021 mit dem Titel „Strategie der EU zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens (2021-2030)“ (COM(2021)0615),

 unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 4. März 2022 zur Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus,

 unter Hinweis auf die gemeinsamen Leitprinzipien der Kommission für nationale Aktionspläne gegen Rassismus und Rassendiskriminierung vom März 2022,

 unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte, insbesondere auf das dazugehörige Protokoll Nr. 12 über das Diskriminierungsverbot,

 unter Hinweis auf die allgemeinen Politikempfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), insbesondere die allgemeine Politikempfehlung Nr. 5 (geändert) zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung gegenüber Muslimen und die allgemeine Politikempfehlung Nr. 9 (geändert) zur Vorbeugung und Bekämpfung von Antisemitismus, ihre im Dezember 2021 angenommene Stellungnahme zum Konzept der „Rassifizierung“ und ihren Fahrplan für echte Gleichstellung vom 27. September 2019,

 unter Hinweis auf den Bericht des Lenkungsausschusses des Europarats für Antidiskriminierung, Diversität und Inklusion zu dem Thema „COVID-19: eine Analyse der Dimensionen Antidiskriminierung, Vielfalt und Inklusion in den Mitgliedstaaten des Europarats“[7],

 unter Hinweis auf die Entschließung 2389 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. Juni 2021 zur Bekämpfung von Afrophobie bzw. Rassismus gegen Schwarze in Europa,

 unter Hinweis auf die Entschließung 2413 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 26. November 2021 zur Diskriminierung von Roma und Reisenden im Wohnungsbereich,

 unter Hinweis auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung,

 unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und die allgemeinen Empfehlungen des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Rassendiskriminierung,

 unter Hinweis auf die Berichte und Umfragen der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA),

 unter Hinweis auf den Bericht über das Thema „Vielfalt im Generalsekretariat des Europäischen Parlaments – Sachstand und Fahrplan für 2022-2024“, der am 22. November 2021 von der Hochrangigen Gruppe für die Gleichstellung der Geschlechter und Vielfalt des Parlaments angenommen wurde,

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. März 2019 zu den Grundrechten von Menschen afrikanischer Abstammung in Europa[8],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2020 zur Umsetzung der nationalen Strategien zur Integration der Roma: Bekämpfung der negativen Einstellung gegenüber Menschen mit Roma-Hintergrund in Europa[9],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Juni 2020 zu den Protestkundgebungen gegen Rassismus nach dem Tod von George Floyd[10],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Dezember 2020 zur Notwendigkeit einer gesonderten Ratsformation „Gleichstellung der Geschlechter“[11],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. März 2022 zum schrumpfenden Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft in der EU[12],

 unter Hinweis auf seine Entschließung vom 8. März 2022 zur Bedeutung von Kultur, Bildung, Medien und Sport für die Bekämpfung von Rassismus[13],

 gestützt auf Artikel 54 seiner Geschäftsordnung,

 unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A9-0254/2022),

A. in der Erwägung, dass die Union auf den in Artikel 2 EUV festgelegten Werten der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, beruht; in der Erwägung, dass das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ein in der Charta verankertes Grundrecht ist und uneingeschränkt geachtet werden muss; in der Erwägung, dass Diskriminierung und Belästigung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft nach dem EU-Recht verboten sind;

B. in der Erwägung, dass das Konzept der „Rasse“ ein soziales Konstrukt ist; in der Erwägung, dass die Verwendung des Konzepts der „Rassifizierung“ laut der ECRI zum Verständnis der Prozesse beitragen kann, die Rassismus und Rassendiskriminierung zugrunde liegen[14]; in der Erwägung, dass rassifizierten Gruppen bestimmte Merkmale und Eigenschaften zugeschrieben werden, die allen Mitgliedern der jeweiligen Gruppe aufgrund von Merkmalen wie Hautfarbe, ethnischer oder nationaler Herkunft oder Religion oder der wahrgenommenen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe als angeboren dargestellt werden;

C. in der Erwägung, dass der EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025 das erste politische Instrument der EU ist, mit dem die strukturelle Dimension von Rassismus anerkannt wird, dessen historische Wurzeln auf Kolonialismus, Sklaverei, frühere Verfolgung und Genozid zurückgehen; in der Erwägung, dass diese Wurzeln in einigen Mitgliedstaaten stärker verankert sind und größere Auswirkungen haben als in anderen; in der Erwägung, dass struktureller Rassismus auch durch andere Faktoren beeinflusst werden kann; in der Erwägung, dass der Aktionsplan ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung von Rassismus und Rassendiskriminierung in der EU ist, jedoch keine Folgemechanismen, ehrgeizigen Vergleichswerte und klaren Zielvorgaben enthält;

D. in der Erwägung, dass unter strukturellem Rassismus im EU-Aktionsplan gegen Rassismus diskriminierende Verhaltensweisen verstanden werden, die in sozialen, finanziellen und politischen Einrichtungen verankert sein können und damit Einfluss auf die unterschiedlichen Machtebenen und die Politikgestaltung haben; in der Erwägung, dass strukturelle Diskriminierung als Hindernis für Gruppen oder Einzelpersonen bei der Verwirklichung derselben Rechte und Chancen angesehen werden kann, die der Mehrheit der Bevölkerung zuteilwerden;

E. in der Erwägung, dass über Fälle von Kriminalisierung und institutioneller Gewalt gegenüber rassifizierten Gruppen und der Zivilgesellschaft berichtet wurde; in der Erwägung, dass dieses Problem bei der Bekämpfung des strukturellen Rassismus, in allen Aktionsplänen gegen Rassismus und im Rahmen der Sicherheits- und Migrationspolitik angegangen werden sollte[15];

F. in der Erwägung, dass nach Angaben der FRA Rassendiskriminierung und Belästigung wegen der Rasse in der gesamten Europäischen Union nach wie vor nicht ungewöhnlich sind[16]; in der Erwägung, dass die FRA auch über ein hohes Maß an Diskriminierung und Rassismus gegenüber rassifizierten Gruppen aufgrund ihres ethnischen Hintergrunds oder ihres Migrationshintergrunds berichtet, wie etwa Roma[17] und Menschen mit nordafrikanischem oder subsahara-afrikanischem Hintergrund[18] sowie Muslime[19] und jüdische Menschen[20]; in der Erwägung, dass rassistische, fremdenfeindliche und homophobe bzw. transphobe Bewegungen und extremistische Ideologien, insbesondere rechtsextreme Einstellungen, zunehmen und nach wie vor eine ernsthafte Bedrohung für die demokratischen Gesellschaften in der EU und die Sicherheit rassifizierter Gruppen darstellen;

G. in der Erwägung, dass die Verabschiedung der Antidiskriminierungsrichtlinie seit 2008 im Rat blockiert wird;

H. in der Erwägung, dass sich struktureller und institutionalisierter Rassismus auch in sozioökonomischer Ungleichheit und Armut widerspiegelt und dass diese Faktoren miteinander interagieren und einander verstärken; in der Erwägung, dass Diskriminierung und Rassismus die Menschenwürde, die Lebenschancen, den Wohlstand, das Wohlbefinden und häufig die Sicherheit untergraben; in der Erwägung, dass rassische und ethnische Minderheiten in der EU in bestimmten Bereichen ihres Alltags, darunter Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Rechtssysteme, Segregation ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass viele Angehörige rassischer und ethnischer Minderheiten in der EU nur unzureichend Zugang zu grundlegenden Gütern wie Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und Strom haben, was sich durch den Klimawandel weiter verschärfen kann, und in der Erwägung, dass sich dies auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt, wo rassifizierte Menschen unter Arbeitslosen und in prekären und minderwertigen Arbeitsverhältnissen wie jenen der Gig-Economy überrepräsentiert sind; in der Erwägung, dass Ungleichheiten aufgrund der Rasse nicht ohne umfangreiche Investitionen in die Beseitigung von Armut bekämpft werden können;

I. in der Erwägung, dass ein horizontaler und bereichsübergreifender Ansatz bei den Strategien und Maßnahmen der EU, wie er in den Strategien zur Gleichstellung der Geschlechter und für LGBTQI-Personen beschrieben ist, wichtig ist, um Rassendiskriminierung zu bekämpfen; in der Erwägung, dass Minderheitengruppen, darunter Roma, Muslime, jüdische Menschen, Menschen afrikanischer und asiatischer Abstammung und Samen, von mehreren Formen der Diskriminierung betroffen sind;

J. in der Erwägung, dass mehrere Fälle von Doppelmoral und Diskriminierung an den Grenzen der EU aufgrund der Hautfarbe, darunter kürzlich bei einigen Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, deutlich machen, dass die Gleichbehandlung an den Grenzen der EU sichergestellt werden muss;

K. in der Erwägung, dass Frauen in prekärer Lage und insbesondere rassifizierte Frauen im Bereich der Prostitution stark überrepräsentiert sind, was sowohl eine Folge von Sexismus und Rassismus ist als auch diese Phänomene fortbestehen lässt;

L. in der Erwägung, dass Opfer von Diskriminierung aufgrund der Rasse beim Zugang zur Justiz auf Hindernisse stoßen; in der Erwägung, dass Gleichstellungsstellen in vielen Mitgliedstaaten nicht ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen bzw. die nötige Unabhängigkeit haben, um diese Lücke zu schließen, auch weil der politische Wille fehlt; in der Erwägung, dass der Antidiskriminierungsrahmen der EU nicht einheitlich in die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten umgesetzt wird, wodurch die Wirksamkeit der Gleichstellungsstellen eingeschränkt wird;

M. in der Erwägung, dass in der gesamten EU mehrere Fälle von Rassismus, struktureller Diskriminierung, Belästigung, Gewalt und der Erstellung von Personenprofilen auf der Grundlage der Rasse oder ethnischen Herkunft durch Polizei, Strafverfolgungsbeamte, Richter und Rechtsanwälte in Strafjustizsystemen[21] gemeldet wurden; in der Erwägung, dass strukturelle Vorurteile gegenüber rassifizierten Gruppen in den Justizsystemen der meisten Mitgliedstaaten zu finden sind[22]; in der Erwägung, dass Polizeigewalt und unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch die Strafverfolgungsbehörden niemals toleriert werden sollten; in der Erwägung, dass Rechenschaftspflicht und unabhängige Aufsicht unerlässlich sind, um gegen institutionellen Rassismus in der Strafverfolgung vorzugehen; in der Erwägung, dass die Defizite mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit in den Strafrechtssystemen diese Lage noch verschärfen;

N. in der Erwägung, dass Roma-Frauen, rassifizierte Frauen und Migrantinnen in der EU, darunter jene mit Behinderungen, mit sich überschneidenden Ungleichheiten und Diskriminierungen konfrontiert sind; in der Erwägung, dass viele auch mit struktureller Gewalt und der Verletzung ihrer Integrität und körperlichen Autonomie konfrontiert sind und Opfer von Zwangssterilisation, erzwungener Empfängnisverhütung und Zwangsabtreibung werden, wobei es sich um schädliche Praktiken und Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt handelt, die auf eugenischen Überzeugungen beruhen;

O. in der Erwägung, dass Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) bereits eingesetzt werden, um Vorhersagen, Profile und Risikobewertungen zu erstellen, die sich auf das Leben der Menschen auswirken; in der Erwägung, dass neue Technologien und der digitale Wandel zu neuen Herausforderungen für die Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse und die Nichtdiskriminierung mit sich bringen, wenn sie gesellschaftliche Vorurteile und strukturelle Ungleichheiten reproduzieren, aber auch zu einem wirksamen Instrument im Kampf gegen Rassismus und strukturelle Diskriminierung werden können;

P. in der Erwägung, dass die Art, wie Menschen in den Medien dargestellt werden, unabhängig von ihrem Hintergrund im Hinblick auf Rasse, Religion oder ethnische Herkunft, negative Stereotype mit auf die Rasse bezogenen Konnotationen verstärken kann;

Q. in der Erwägung, dass Organisationen der Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle bei der Wahrung und Umsetzung der Werte und Grundrechte der EU sowie bei der Umsetzung der politischen Maßnahmen und Strategien der EU spielen; in der Erwägung, dass der zivilgesellschaftliche Raum in der gesamten EU schrumpft und viele Organisationen der Zivilgesellschaft ums Überleben kämpfen und Probleme bei der Finanzierung haben;

R. in der Erwägung, dass die Rassismusbekämpfungsrichtlinie von den meisten Mitgliedstaaten nur unzureichend angewendet wird; in der Erwägung, dass die Richtlinie nicht alle Formen und Gründe der Diskriminierung wie sich überschneidende und strukturelle Diskriminierung abdeckt und daher aktualisiert werden sollte, um neuen Entwicklungen wie KI und algorithmischen Entscheidungsprozessen Rechnung zu tragen, insbesondere dem möglichen Risiko, rassistische Vorurteile zu reproduzieren; in der Erwägung, dass der Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit von einigen Mitgliedstaaten nicht vollständig oder ordnungsgemäß umgesetzt wurde; in der Erwägung, dass die Kommission dies überwachen und sicherstellen sollte, dass die Mitgliedstaaten die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Diskriminierung einhalten;

S. in der Erwägung, dass die Organe der EU konkrete Maßnahmen ergreifen müssen, damit nachhaltige Veränderungen auf dem Weg zu vollständig inklusiven und respektvollen Arbeitsplätzen erzielt werden; in der Erwägung, dass Diskriminierung häufig mehrere Dimensionen hat und dass nur ein bereichsübergreifender Ansatz den Weg zu nachhaltigen Veränderungen ebnen kann, mit denen tief in der Gesellschaft verankerte rassistische Praktiken und Strategien überwunden werden können; in der Erwägung, dass Angehörige rassifizierter Gruppen und von Gruppen in schutzbedürftigen Situationen, die sich überschneidender Diskriminierung ausgesetzt sind, unter Entscheidungsträgern nicht ausreichend vertreten sind;

T. in der Erwägung, dass Rassendiskriminierung für rassifizierte Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt eine zusätzliche Gefährdung darstellen und ihnen den Zugang zu der Unterstützung, den Ressourcen und der Gesundheitsversorgung, die sie benötigen, erschweren kann;

U. in der Erwägung, dass mit EU-Mitteln finanzierte Organisationen keine fremdenfeindlichen oder rassistischen Ansichten fördern sollten;

V. in der Erwägung, dass Hetze und Hassverbrechen zu den schwerwiegendsten Erscheinungsformen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gehören; in der Erwägung, dass Hetze und Hassverbrechen in Europa stetig zunehmen; in der Erwägung, dass die COVID-19-Pandemie einer der Faktoren war, die zu diesem Anstieg beigetragen haben[23]; in der Erwägung, dass Hetze zu Hassverbrechen führen kann; in der Erwägung, dass nach Angaben der FRA bis zu 90 % der Hassverbrechen und hassmotivierten Angriffe in der EU nicht gemeldet und daher nicht geahndet werden[24];

1. betont, dass die Union umgehend ein tragfähiges, inklusives, umfassendes und vielschichtiges Konzept zur wirksamen Bekämpfung aller Formen von Rassismus und Diskriminierung in der EU, einschließlich strukturellen und institutionellen Rassismus, aus allen Gründen und in allen Bereichen erarbeiten muss; fordert mit Nachdruck, dass die Union und ihre Organe bei diesem Kampf mit gutem Beispiel vorangehen;

2. fordert bei diesem Kampf eine stärkere und kontinuierliche politische Führung auf höchster Ebene, unter anderem durch entschlossenes und schnelles Vorgehen gegen Hetze und Hassverbrechen, sowie die persönliche Teilnahme an Gipfeln zu Antirassismus;

3. fordert die Kommission auf, die Umsetzung des geltenden Rechtsrahmens der EU für die Bekämpfung von Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hetze und Hassverbrechen und anderen Formen von Intoleranz weiterhin zu bewerten, damit ermittelt werden kann, wie er bei Bedarf verbessert werden kann, und sich an einem regelmäßigen Dialog und Austausch über bewährte Verfahren mit den Mitgliedstaaten, kommunalen und regionalen Behörden, rassifizierten Gruppen und anderen einschlägigen Interessenträgern, darunter Organisationen der Zivilgesellschaft, zu beteiligen; fordert die Kommission auf, im Falle von Verstößen gegen das EU-Recht durch die Mitgliedstaaten konkrete Maßnahmen, einschließlich Vertragsverletzungsverfahren, zu ergreifen;

4. fordert die Kommission und alle Verwaltungsebenen in der EU auf, Gleichstellung und Rassengerechtigkeit in ihrer gesamten politischen Arbeit durchgängig zu berücksichtigen, auch durch die Finanzierung von Projekten auf Ebene der Mitgliedstaaten sowie auf regionaler und kommunaler Ebene; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, eine Politik der Nulltoleranz gegenüber der Unterstützung der EU für Projekte innerhalb oder außerhalb der EU zu verfolgen, mit denen fremdenfeindliche oder rassistische Ansichten direkt oder indirekt gefördert werden; weist darauf hin, dass die Haushaltsordnung der EU[25] und die Verordnung über gemeinsame Bestimmungen für von der EU finanzierte Programme[26] im Rahmen des derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmens mehrere Antidiskriminierungsbestimmungen enthalten, insbesondere in Bezug auf Rasse oder ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten daher auf, die ordnungsgemäße Anwendung dieser Bestimmungen sicherzustellen;

5. weist auf die langjährige Forderung des Parlaments nach der Annahme einer horizontalen Antidiskriminierungsrichtlinie hin, die seit 2008 im Rat blockiert wird; fordert den Rat auf, eine Ratsformation für die Gleichstellung der Geschlechter und Gleichstellungsfragen einzurichten, um hochrangige Diskussionen über diese Themen, darunter strukturelle und sich überschneidende Diskriminierung, in einem regelmäßigen und ständigen Gremium zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass Antirassismus und die durchgängige Berücksichtigung der Gleichstellung der Geschlechter in alle politischen Strategien einfließen; fordert die Kommission auf, den Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung auf der Grundlage des Standpunkts des Parlaments zu aktualisieren, indem auch sich überschneidende Diskriminierung angegangen und Diskriminierung aus einem oder mehreren in der Charta aufgeführten Gründen ausdrücklich verboten wird;

6. fordert die Mitgliedstaaten auf, für die vollständige Umsetzung und wirksame Überwachung der Rassismusbekämpfungsrichtlinie und der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie zu sorgen; verurteilt aufs Schärfste den Umstand, dass rassische, ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten und Migranten, darunter LGBTQI-Personen, unter strukturellem Rassismus, Diskriminierung, Hassverbrechen und Hetze, anhaltenden sozioökonomischen Ungleichheiten in Bereichen wie unter anderem Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und anderen grundlegenden Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung im Bereich der geistigen Gesundheit und der sexuellen und reproduktiven Gesundheit leiden und größere Schwierigkeiten beim Zugang zur Justiz haben, was als großes Hindernis für die uneingeschränkte Ausübung der Grundrechte und erhebliche Barriere für Inklusion und Gleichstellung anerkannt werden muss, die zu Armut und sozialer Ausgrenzung führen;

7. bedauert, dass selbst 14 Jahre nach der Annahme des Rahmenbeschlusses des Rates zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mehrere Mitgliedstaaten seine Bestimmungen noch nicht vollständig und korrekt in nationales Recht umgesetzt haben; fordert die Mitgliedstaaten auf, rassistische Hassverbrechen und Hetze unter Strafe zu stellen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ein rassistisches oder fremdenfeindliches Motiv als erschwerender Umstand angesehen wird oder dass die Gerichte ein solches Motiv bei der Festlegung der Strafe berücksichtigen können; fordert die Mitgliedstaaten außerdem auf, im Einklang mit der Opferschutzrichtlinie einschlägige Normen und Maßnahmen zum Schutz von Zeugen und Opfern von Hassverbrechen vor, während und nach strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren einzuführen und sich über bewährte Verfahren bei Maßnahmen auszutauschen, die sich bei der Förderung der Meldung von Straftaten als wirksam erwiesen haben, wie Hotlines und geschützte Räume; bedauert, dass es in der EU nach wie vor Fälle gibt, in denen Strafverfolgungsbeamte Meldungen über rassistisch motivierte Verbrechen nicht ernst nehmen, und fordert, dass alle Fälle ordnungsgemäß untersucht werden[27]; betont, wie wichtig spezielle Schulungen zu Rassismusbekämpfung, Nichtdiskriminierung und Hassverbrechen für Strafverfolgungs- und Justizbehörden sind, insbesondere zur korrekten Ermittlung und Aufzeichnung von Vorfällen;

8. ist äußerst besorgt über die Fälle von Polizeigewalt gegen rassifizierte Personen in mehreren Mitgliedstaaten; fordert die Mitgliedstaaten auf, für den Zugang zu unabhängigen und gut funktionierenden Mechanismen für Beschwerden über die Polizei zu sorgen, mit denen Ermittlungen in Fällen von Gewalt, Fehlverhalten und Missbrauch durch die Polizei eingeleitet werden können, und das Recht zu schützen, diese Fälle zu dokumentieren;

9. begrüßt die Mitteilung der Kommission vom 9. Dezember 2021 mit dem Titel „Ein inklusiveres und besser schützendes Europa: Erweiterung der Liste der EU-Straftatbestände um Hetze und Hasskriminalität“ (COM(2021)0777); fordert den Rat auf, sich rasch auf die Annahme dieses Beschlusses zu einigen; begrüßt die Bestimmungen des Gesetzes über digitale Dienste (COM(2020)0825), mit dem sichergestellt wird, dass das, was außerhalb des Internets verboten ist, auch im Internet illegal ist, und somit zur Bekämpfung illegaler Hetze im Internet beigetragen werden soll; fordert die Mitgliedstaaten auf, die von der Arbeitsgruppe der EU für die Erfassung von Hassverbrechen, die Datenerhebung und die Förderung ihrer Meldung im März 2021 erarbeiteten zentralen Leitprinzipien zur Förderung der Meldung von Hassverbrechen anzuwenden; spricht sich für den Austausch über bewährte Verfahren zwischen den zuständigen Behörden aus, unter anderem über alternative Strafen wie gemeinnützige Arbeit oder verpflichtende Schulungen;

10. erkennt an, dass KI dazu beitragen könnte, die Auswirkungen menschlicher Vorurteile zu ermitteln und zu verringern, und dass KI-Software auf Datensätze angewandt werden könnte, um diskriminierte Gruppen zu erfassen; ist jedoch besorgt über das Risiko, dass durch KI bestehende Diskriminierung verstärkt und bestehende Ungleichheiten und soziale Ausgrenzung verschärft werden könnten; betont, dass für die Entwicklung von Algorithmen hochwertige Daten verwendet werden müssen, da die Standards von KI-Systemen auf den Daten basieren, mit denen sie trainiert werden; betont, wie wichtig es ist, potenzielle Risiken anzugehen und sicherzustellen, dass beim Einsatz von KI-Instrumenten die notwendigen Garantien für die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen vorhanden sind, insbesondere wenn sie von der Strafverfolgung eingesetzt werden, und dafür zu sorgen, dass KI-Systeme von den Grundsätzen der Transparenz, Erklärbarkeit, Fairness und Rechenschaftspflicht geleitet werden und dass unabhängige Prüfungen durchgeführt werden, um zu verhindern, dass diese Systeme Diskriminierung, Rassismus, Ausgrenzung und Armut verschärfen;

11. fordert, dass die Mitgliedstaaten jegliche Form der Erstellung von Personenprofilen auf der Grundlage der Rasse oder ethnischen Herkunft beenden; fordert die Mitgliedstaaten und die Agentur der EU für die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung auf, mehr Schulungen dazu durchzuführen, wie sich die rechtswidrige Erstellung von Personenprofilen im Bereich der Strafverfolgung vermeiden lässt, und dabei zu helfen, Vorurteile zu verstehen und zu beseitigen; weist darauf hin, dass eine Erstellung von Personenprofilen, die zur Folge hat, dass natürliche Personen auf der Grundlage von personenbezogenen Daten diskriminiert werden, die ihrem Wesen nach hinsichtlich der Grundrechte und Grundfreiheiten besonders sensibel sind, nach dem Unionsrecht verboten ist, wie in der Richtlinie (EU) 2016/680[28] und der Verordnung (EU) 2016/679[29] festgehalten;

12. nimmt zur Kenntnis, dass rassifizierte Gruppen in den unteren Einkommensschichten der europäischen Bevölkerung überproportional vertreten sind, und fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, den spezifischen Bedürfnissen rassifizierter Gruppen in Bereichen wie Bildung, Wohnraum, Gesundheit, Beschäftigung, Polizeiarbeit, Sozialdienste, Justiz sowie politische Teilhabe und Vertretung gerecht zu werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Europäische Garantie für Kinder in vollem Umfang zu nutzen, um auch den strukturellen Rassismus gegen rassifizierte Kinder zu bekämpfen, und spezifische nationale Programme auszuarbeiten, um den Kreislauf der Armut zu durchbrechen, von dem rassifizierte Kinder besonders stark betroffen sind;

13. begrüßt den Umgang der EU mit den Menschen, die aus der Ukraine fliehen, und die Inanspruchnahme der Richtlinie über vorübergehenden Schutz[30]; ist besorgt angesichts von Berichten über diskriminierende und rassistische Vorfälle an den Grenzen gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe und Minderheiten wie Roma und erinnert die Mitgliedstaaten daran, dass nach dem Völkerrecht jeder das Recht auf Asyl und eine respektvolle Behandlung hat[31]; bekräftigt, dass Migrationskontrollen und Grenzkontrollen nicht über die Sicherheit, die Rechte und das Leben der Menschen gestellt werden dürfen, und fordert die Kommission auf, die Dimension der Gleichstellung ohne Unterschied der Rasse im gesamten rechtlichen und politischen Rahmen der EU für Migration durchgängig zu berücksichtigen;

14. bedauert, dass die Roma-Gemeinschaften nach wie vor eine der am stärksten diskriminierten und gefährdeten Gruppen in der EU sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, die am 12. März 2021 angenommene Empfehlung des Rates zu Gleichstellung, Eingliederung und Teilhabe der Roma sowie den Strategischen Rahmen der EU für Gleichstellung, Eingliederung und Teilhabe der Roma umzusetzen und die bereitgestellten Finanzmittel voll auszuschöpfen; fordert die Mitgliedstaaten auf, den Antiziganismus offiziell als spezifische Form des Rassismus gegen Roma anzuerkennen;

15. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen gegen den besorgniserregenden Anstieg des Antisemitismus in der EU zu ergreifen; stellt fest, dass die jüdische Bevölkerung in der EU in den letzten Jahren zurückgegangen ist und dass 38 % der Juden in den letzten fünf Jahren aufgrund von Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit in Erwägung gezogen haben, die EU zu verlassen[32];

16. verurteilt Praktiken wie Genitalverstümmelung bei Frauen und Mädchen, eheliche Gefangenschaft und „Ehrenverbrechen“, von denen insbesondere Frauen betroffen sind, und fordert, dass die Täter für solche Praktiken zur Rechenschaft gezogen werden; fordert sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene eine stärkere Sensibilisierung und ein stärkeres Engagement, um solchen schädlichen Praktiken in der EU ein Ende zu setzen;

17. betont, dass viele Frauen afrikanischer Abstammung und andere rassifizierte Frauen mit generationenübergreifender Armut und Ausgrenzung konfrontiert sind und durchweg zu den Gruppen gehören, die den schlechtesten Zugang zu Gesundheitsdiensten haben und bei der Geburtshilfe, Mutterschaft und Kinderbetreuung diskriminiert werden[33];

18. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesundheitsdienste auf spezifische Gesundheitsprobleme vorbereitet sind, die vor allem Menschen mit afrikanischer, nahöstlicher, lateinamerikanischer und asiatischer Abstammung betreffen können, indem sie unter anderem die notwendigen Schulungen anbieten und die Curricula ihrer medizinischen Ausbildung entsprechend überarbeiten;

19. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Stereotype, zur Beseitigung von Diskriminierung und Ungleichheiten sowie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen rassifizierte Frauen zu ergreifen, einschließlich durch die Annahme der vorgeschlagenen Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (COM(2022)0105), durch die Aufnahme geschlechtsspezifischer Gewalt in die Liste der EU-Straftatbestände sowie durch die Einstufung von Zwangssterilisation und Zwangsabtreibung als Straftaten und die Bereitstellung von Rechtsbehelfen, Unterstützung und Entschädigung für die Opfer;

20. hebt die Rolle von Bildung, Kultur und Sport bei der Bekämpfung von Stereotypen aus Gründen der Rasse und der ethnischen Herkunft und bei der Förderung von Gleichheit und sozialer Inklusion hervor; ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten Rassismus und Diskriminierung frühzeitig bekämpfen und für die systematische Einbeziehung einer inklusiven Pädagogik in alle offiziellen Lehrpläne sorgen sollten; betont, wie wichtig es ist, die historischen Wurzeln von Rassismus und Antisemitismus anzuerkennen und im Unterricht zu vermitteln, auch im Hinblick auf die Förderung eines besseren Verständnisses der derzeitigen Migrationsbewegungen; ist besorgt angesichts der Auswirkungen von Rassismus und Diskriminierung auf die körperliche und geistige Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund und andere rassifizierte Personen, wodurch ihre Integration in die Gesellschaft behindert wird; betont, dass diese Vorurteile langfristige Auswirkungen im Erwachsenenalter haben; verurteilt aufs Schärfste die Trennung auf der Grundlage der Rasse oder ethnischen Herkunft in Schulen, die in der EU immer noch vorkommt und Kinder aus rassischen und ethnischen Minderheitengemeinschaften unverhältnismäßig stark beeinträchtigt; warnt davor, dass solche Praktiken zu Ausgrenzung führen, die strukturelle Diskriminierung fortbestehen lassen und den gleichberechtigten Zugang zu einer hohen Lebensqualität verhindern; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, inklusive Strategien einzuführen oder zu stärken, um soziale Ausgrenzung zu verhindern, und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Kinder aus rassischen und ethnischen Minderheiten zu unterstützen;

21. fordert die EU-Organe nachdrücklich auf, sich überschneidende Diskriminierung in den Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen der EU zur Bekämpfung von Diskriminierung anzugehen und sich in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und den betroffenen Gruppen für einen entsprechenden EU-Rahmen einzusetzen;

22. betont, dass für eine sinnvolle Beteiligung aller von sich überschneidender Diskriminierung betroffenen Gruppen an der Politikgestaltung auf Unionsebene, nationaler und kommunaler Ebene gesorgt werden muss, was insbesondere für Minderheitengruppen gilt;

23. fordert alle Mitgliedstaaten der EU auf, vergleichbare und stichhaltige aufgeschlüsselte Daten von freiwilligen Teilnehmern mit Selbstidentifikation und unter Vorbehalt ihrer Zustimmung in Kenntnis der Sachlage zu erheben, um Diskriminierung vollständig zu verstehen und zu dokumentieren, gesellschaftliche Probleme zu analysieren und ganzheitlich gegen Ungleichheit vorzugehen, wobei Anonymität und Geheimhaltung zu schützen, die Beteiligung der Gemeinschaft an der Festlegung von Kategorien, der Analyse und der Bewertung sicherzustellen, die wichtigsten Grundsätze der EU-Rechtsvorschriften zum Datenschutz und die Grundrechte zu achten und die nationalen Rechtsvorschriften einzuhalten sind; fordert die Kommission auf, diesbezüglich weiterhin gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine gemeinsame Vorgehensweise auszuarbeiten, damit die erhobenen Daten vergleichbar, korrekt und zuverlässig sind; unterstützt die Arbeit der FRA im Bereich der Analyse dieser Daten und begrüßt weitere Entwicklungen in diesem Bereich im Einklang mit ihrem neuen Mandat und durch eine strukturierte und enge Zusammenarbeit mit Agenturen für Justiz und Inneres und betroffenen Gruppen;

24. fordert alle Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, gemäß dem EU-Aktionsplan gegen Rassismus bis Ende 2022 nationale Aktionspläne gegen Rassismus und Diskriminierung anzunehmen, die den historischen Wurzeln des Rassismus Rechnung tragen und eine Erinnerungskultur schaffen; fordert die Kommission auf, die Arbeit der Untergruppe „Nationale Aktionspläne gegen Rassismus“ transparenter zu gestalten und rassifizierte Gruppen verstärkt daran zu beteiligen, einschließlich durch die Bereitstellung von Informationen zu nationalen Kontaktstellen; betont, dass der EU-Aktionsplan gegen Rassismus nach 2025 fortgeführt und zu einer vollwertigen Strategie der EU ausgeweitet werden muss, und fordert die Kommission auf, die Fortführung dieser Arbeit vor dem Ende ihres jetzigen Mandats sicherzustellen;

25. betont, dass es eines Überwachungs- und Rechenschaftsverfahrens bedarf, damit die Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen der EU gegen Rassismus und Diskriminierung wirksam angewandt und durchgesetzt werden, und weist erneut darauf hin, wie wichtig die Beteiligung von Organisationen der Zivilgesellschaft an diesem Prozess ist; fordert die Annahme einer Empfehlung des Rates zu nationalen Aktionsplänen gegen Rassismus und Diskriminierung, um das Bekenntnis zu den gemeinsamen Leitprinzipien und den sich anschließenden Fortschrittsindikatoren sowie das Verfahren zu ihrer Überwachung zu stärken;

26. weist erneut darauf hin, dass es Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützt, insbesondere in den Bereichen Rassismusbekämpfung, Nichtdiskriminierung und Toleranz; bekräftigt, dass antirassistische Menschenrechtsverteidiger bei ihrer Arbeit geschützt und unterstützt werden müssen; weist erneut darauf hin, dass zweckgebundene und ausreichende EU-Mittel für Organisationen der Zivilgesellschaft erforderlich sind; unterstreicht darüber hinaus die Bedeutung eines regelmäßigen und strukturierten Dialogs mit Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich auf europäischer, nationaler und kommunaler Ebene für Rassengerechtigkeit und Gleichbehandlung einsetzen; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, unter Einbeziehung von Organisationen der Zivilgesellschaft und betroffenen Gruppen Sensibilisierungskampagnen für die Öffentlichkeit auszuarbeiten und durchzuführen, um den in der Allgemeinbevölkerung vorherrschenden Stereotypen und Vorurteilen entgegenzuwirken; fordert substanziellere Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen des Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ im Bereich der Bekämpfung von Diskriminierung; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass das Ständige Forum der zivilgesellschaftlichen Organisationen zur Bekämpfung von Rassismus formell in die Ausarbeitung einschlägiger Strategien und Rechtsvorschriften einbezogen wird; bedauert Angriffe in unterschiedlicher Form (unter anderem Hetze, benachteiligende Steuerregelungen, strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung und Angriffe auf Büros oder Personen, die darin arbeiten) gegen Organisationen der Zivilgesellschaft, die den Bürgern in diesem Bereich Hilfestellung und den politischen Entscheidungsträgern fachliche Unterstützung bieten;

27. unterstreicht die Bedeutung von Repräsentation und Diversität als Instrument für die Entwicklung inklusiver Gesellschaften; weist darauf hin, dass die Medien eine gewisse Verantwortung tragen, Gesellschaften in all ihrer Vielfalt widerzuspiegeln, und bedauert den derzeitigen Mangel an Vielfalt auf allen Ebenen; verurteilt die rassistische Rhetorik bestimmter Medien, durch die rassifizierte Gemeinschaften stigmatisiert werden; betont ferner, wie wichtig eine ausgewogene Beteiligung der Geschlechter sowie die Beteiligung rassifizierter Personen in den Medien ist, um eine angemessene Repräsentation sicherzustellen und Kindern aus rassifizierten Gruppen positive Vorbilder zu bieten;

28. hebt die bedeutenden Auswirkungen hervor, die Kampagnen und Initiativen zur Förderung der Medienkompetenz für die Verringerung der Verbreitung rassistisch diskriminierender Narrative durch Desinformation haben können; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mehr Augenmerk auf die Förderung kritischen Denkens, der Medienkompetenz und der digitalen Kompetenzen zu legen, um Rassismus und Diskriminierung zu bekämpfen; fordert die Mitgliedstaaten auf, die Aktivitäten und Finanzierungsquellen extremistischer hassverbreitender Gruppen in der EU zu ermitteln und zu analysieren, einschließlich solcher mit engen Verbindungen zu Russland, die genutzt werden, um die EU zu destabilisieren und ihre Einheit zu untergraben, und weitere Schritte zu unternehmen, um gegen die Aktivitäten dieser Organisationen in der EU vorzugehen;

29. begrüßt die Initiative der Kommission zu Mindeststandards für Gleichstellungsstellen, die darauf abzielt, EU-weit für einen gleich hohen Schutz vor Diskriminierung zu sorgen, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, in dieser Hinsicht einen ehrgeizigen Vorschlag vorzulegen; fordert die Kommission auf, konkrete legislative Maßnahmen zu ergreifen, um die Rolle und Unabhängigkeit der Gleichstellungsstellen in den Mitgliedstaaten zu stärken und dafür zu sorgen, dass sie über ausreichend Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen, insbesondere, wenn es um eine bessere Erhebung von Daten zur Darstellung von Diskriminierung und Ungleichheiten in der EU geht; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass sich das Mandat aller Gleichstellungsstellen auf alle Formen der Diskriminierung, einschließlich Viktimisierung und Hetze, erstreckt;

30. bedauert, dass in der Gesellschaft der EU nach wie vor struktureller Rassismus herrscht; fordert die EU-Organe auf, in ihren Strukturen dagegen vorzugehen und gegen die Unterrepräsentation von rassifizierten und anderen von Diskriminierung betroffenen Gruppen vorzugehen, und zwar insbesondere in Führungspositionen, und umgehend eine Strategie zur Förderung der Vielfalt des Personals und zur Eingliederung anzunehmen; betont, dass Personen aufgrund ihrer Leistungen, Qualifikationen und Fähigkeiten eingestellt werden sollten; weist darauf hin, dass Hetze gemäß Artikel 10 der Geschäftsordnung des Parlaments neben verleumderischer Sprache und Aufstachelung zu Diskriminierung verboten ist, und fordert seine Präsidentin und die Ausschussvorsitzenden auf, diese Vorschrift ordnungsgemäß umzusetzen und für angemessene Untersuchungen und Folgemaßnahmen in Fällen zu sorgen, in denen ein Verstoß gegen diese Vorschrift festgestellt wird;

31. begrüßt in dieser Hinsicht die Annahme der Strategie des Parlaments für Vielfalt und des zugehörigen Fahrplans für den Zeitraum 2022-2024; betont, dass es auch die Verantwortung der jeweiligen Fraktionen ist, sie in ihrer jeweiligen Personalstrategie umzusetzen;

32. begrüßt die Ernennung der ersten Antirassismus-Koordinatorin der Kommission im Jahr 2021 und die durchgehende Wiederernennung der Koordinatorin für die Bekämpfung von Antisemitismus und die Förderung des jüdischen Lebens seit 2015; fordert die Kommission auf, zügig einen Koordinator für die Bekämpfung von Islamfeindlichkeit zu benennen; bedauert, dass der Posten seit Juli 2021 vakant ist; weist darauf hin, dass diese Posten ständige Posten sein sollten und die Koordinatoren daher mit ausreichenden Mitteln versorgt und unterstützt werden sollten; unterstreicht die zentrale Rolle der Antirassismus-Koordinatorin und der hochrangigen Gruppe der EU zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz bei der systematischen Einbeziehung der Rassengleichheit in alle politischen Maßnahmen der EU;

33. ist besorgt über die fortgesetzte Ausbreitung von rassistischen und fremdenfeindlichen Verschwörungstheorien, die auf der ganzen Welt zu Hass und Gewalt, einschließlich Hassverbrechen, aufstacheln; ist zutiefst beunruhigt darüber, dass diese Theorien, etwa die Theorie des „Großen Austauschs“, systematisch Eingang in den politischen Diskurs einer Reihe politischer Akteure der extremen Rechten in den Mitgliedstaaten gefunden haben, und betont, dass dies eine Bedrohung der Grundwerte und der gemeinsamen Werte der Union darstellt;

34. erinnert an seinen Standpunkt zum jährlichen Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit und insbesondere an seine Forderung, einen eigenen Abschnitt über Organisationen der Zivilgesellschaft aufzunehmen und sich mit den Grundrechten, einschließlich der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Rasse, Hautfarbe oder ethnischen Herkunft, zu befassen; fordert darüber hinaus eine Zusammenfassung der Umsetzung des EU-Aktionsplans gegen Rassismus in den Länderkapiteln des Berichts;

35. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.


 

BEGRÜNDUNG

Die Europäische Union beruht auf den in Artikel 2 EUV verankerten Werten der Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören, und wird von diesen geleitet. Diese Grundsätze und Werte bilden die Grundlage des Einsatzes der EU gegen Ungerechtigkeit, Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art. Dies schlägt sich auch im Leitsatz der EU nieder: „In Vielfalt geeint“. Das Recht auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung ist in der EU ein Grundrecht und muss in der gesamten EU uneingeschränkt geachtet werden.

 

Alle, die in der EU leben, sollten in Sicherheit leben und ihr gesamtes Potenzial ausschöpfen können. Berichten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) zufolge sind jedoch Diskriminierung und Belästigung überall in der Europäischen Union an der Tagesordnung. Minderheiten leiden tagtäglich unter strukturellem Rassismus in der EU. So fühlten sich etwa in den fünf Jahren vor der jeweiligen Befragung 41 % der Roma, 45 % der Menschen mit nordafrikanischem Hintergrund, 39 % der Menschen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, 60 % der Roma und Reisenden sowie 25 % der jüdischen Bevölkerung aufgrund ihres ethnischen Hintergrunds oder Migrationshintergrunds diskriminiert[34]. Belästigung wegen des ethnischen Hintergrunds oder Migrationshintergrunds wurde von einem Viertel der muslimischen Befragten als übliche Erfahrung genannt, und fast die Hälfte dieser Personen erlebte in dem Jahr vor der Studie mindestens sechs entsprechende Vorfälle[35]. Dies muss nun ein Ende haben, und es gilt, dafür zu sorgen, dass in der Europäischen Union ernsthaft gegen Diskriminierung sowie strukturellen und institutionalisierten Rassismus vorgegangen wird, die in der Geschichte verwurzelt und auch heute noch durchaus keine Seltenheit sind.

 

Wichtig ist, dass über einen intersektionalen Ansatz gegen Rassismus und Diskriminierung vorgegangen wird, da nur ein Ansatz dieser Art den Weg zu echten Veränderungen in der Gesellschaft ebnen kann. Außerdem ist die durchgängige Berücksichtigung der Gleichstellung der Geschlechter ein zentrales Element, das bei allen Aspekten und auf allen Ebenen berücksichtigt werden muss, wenn es um die Bekämpfung von Rassismus geht. Sie muss bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften ebenso Anwendung finden wie bei der Annahme von Haushaltsplänen, Empfehlungen oder der Umsetzung von Rechtsvorschriften.

 

Im Zuge des massiven öffentlichen Aufschreis nach dem Mord an George Floyd am 25. Mai 2020 erreichte das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Themen Diskriminierung und Rassismus seinen Höhepunkt. Als Reaktion wurden viele positive Maßnahmen getroffen. Die EU nahm in der Folge verschiedene politische Dokumente an, etwa „Eine Union der Gleichheit: EU-Aktionsplan gegen Rassismus 2020-2025“ (der sogenannte EU-Aktionsplan), und schuf den neuen Posten des EU-Koordinators für die Bekämpfung von Rassismus. Die Statistiken der FRA und der Zivilgesellschaft zeigen jedoch, dass noch mehr getan werden muss. Die Prävalenz von Rassismus und Diskriminierung ist sowohl im Zeitverlauf als auch in den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor hoch. Beispielsweise gab fast ein Viertel (24 %) der Befragten mit unterschiedlicher Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit und unterschiedlichem Migrationshintergrund in der EU an, sich in den vergangenen zwölf Monaten diskriminiert gefühlt zu haben[36]. Die EU muss echte Fortschritte bei der Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung erzielen, und zu diesem Zweck sollte sie das Thema Ungerechtigkeit ganzheitlich und vorausschauend angehen.

Die EU und das Europäische Parlament dürfen sich in ihrem Handeln nicht von tragischen Ereignissen leiten lassen. Vielmehr müssen die Maßnahmen kohärent, koordiniert, gut geplant und über einen langen Zeitraum priorisiert sein. Die EU muss von den Mitgliedstaaten echte Veränderungen fordern und verbindliche Ziele anwenden, keine allgemeinen Schlussfolgerungen ohne echte Maßnahmen. Nur dann kann die EU wirklich etwas bewirken und Worten Taten folgen lassen, um Rassismus und Diskriminierung zu bekämpfen und allen Menschen in der Union Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen.

 

Der EU-Aktionsplan kann als eindeutiges politisches Signal gedeutet werden, die Rassismusbekämpfung in der EU zu unterstützen. Insbesondere wird festgestellt, dass es das erste politische Instrument der EU ist, das über zwischenmenschlichen Rassismus hinausgeht, indem der Schwerpunkt auf strukturelle, institutionalisierte und historische Dimensionen von Rassismus und Diskriminierung gelegt wird, die alle Machtebenen und Ebenen der Politikgestaltung durchdringen und verhindern, dass Menschen, die in der EU leben, dieselben Chancen haben. Allerdings ist besorgniserregend, dass es dem EU-Aktionsplan an ordnungsgemäßen Nachbereitungsmechanismen und messbaren Zielvorgaben fehlt. Da sich in den Mitgliedstaaten positive wie auch negative Entwicklungen beobachten lassen, muss unbedingt die Möglichkeit gegeben sein, die Fortschritte zu messen, die durch Austausch über bewährte Verfahren und entsprechende Lehren erzielt werden, und gleichzeitig die Lücken in Rechtsvorschriften und Politik zu füllen. Besonders wichtig ist außerdem, dass Untätigkeit angesprochen, angegangen und nachverfolgt wird. Der EU-Aktionsplan sollte daher regelmäßige Folgemaßnahmen nach sich ziehen, und es sollte ordnungsgemäße Verfahren geben, damit die Umsetzung überwacht wird.

 

Wichtig ist auch, dass die Kommission weiterhin ein gemeinsames Verfahren für Gleichstellungsdaten mit den Mitgliedstaaten erarbeitet, um den Stand der Gleichstellung zu beschreiben und zu analysieren und ganzheitlich gegen Ungleichheiten vorzugehen. Die Daten müssen als aufgeschlüsselte, vergleichbare, genaue und zuverlässige Daten von freiwilligen Teilnehmern mit Selbstidentifikation und unter Vorbehalt ihrer Zustimmung in Kenntnis der Sachlage erhoben werden, wobei Anonymität und Geheimhaltung zu schützen, die wichtigsten Grundsätze der EU-Rechtsvorschriften zum Datenschutz und die Grundrechte zu achten und die nationalen Rechtsvorschriften einzuhalten sind. Eine enge Zusammenarbeit mit der FRA ist von grundlegender Bedeutung.

 

Darüber hinaus gilt es hervorzuheben, dass mit dem EU-Aktionsplan Anreize für alle Mitgliedstaaten gesetzt werden, bis Ende 2022 nationale Aktionspläne gegen Rassismus und Diskriminierung zu erarbeiten und anzunehmen. Aktionspläne haben sich als zentrale Möglichkeit für die Mitgliedstaaten erwiesen, Antirassismus vorrangig zu behandeln, und haben das Potenzial, eine wirksame Reaktion auf Rassismus und Diskriminierung zu bieten. Daher ist es besorgniserregend, dass bislang lediglich zwölf Mitgliedstaaten entsprechende Aktionspläne vorgelegt haben. Alle Mitgliedstaaten werden aufgefordert, umgehend entsprechende Schritte in die Wege zu leiten, falls dies nicht bereits geschehen ist, damit die Frist eingehalten wird und alle Aktionspläne vor Ende dieses Jahres vorliegen.

 

Außerdem werden die EU-Organe aufgefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen, konkrete Maßnahmen zu treffen und gegen strukturellen und institutionalisierten Rassismus, Diskriminierung und die Unterrepräsentation in ihren eigenen Strukturen vorzugehen. Alle EU-Organe sollten eigene Strategien zur Förderung der Vielfalt des Personals und zur Eingliederung annehmen. In dieser Hinsicht wird die S&D-Fraktion als Vorreiter begrüßt, die im April 2022 eine entsprechende Strategie angenommen hat.

 

Um den Zusagen nach der „Black Lives Matter“-Bewegung gerecht zu werden, muss dafür gesorgt werden, dass die Maßnahmen der EU gegen Rassismus darauf abzielen, rassifizierten Menschen Gerechtigkeit und Gleichbehandlung zuteilwerden zu lassen und etwas gegen die zunehmende Kriminalisierung und institutionelle Gewalt gegen sie und ihre Zivilgesellschaft zu unternehmen. Die weitverbreiteten Vorurteile in Europa befeuern Diskriminierung und Gewalt auf den höchsten Machtebenen. Es gilt, ein Modell der Eingliederung und des Dialogs zwischen allen Bürgerinnen und Bürgern zu fördern, statt sie gegeneinander aufzubringen.

 

Außerdem muss unbedingt größte Besorgnis über den derzeitigen rasanten Anstieg der Nutzung des Internets als Verstärker für Hass geäußert werden. Online-Hasstaten sind für viele Gruppen in der EU inzwischen alltägliche Realität, ob nun als Hetze, Belästigung oder Anstachelung zu Gewalt oder Hass oder Verschwörungstheorien. Das Internet ist zu einem Spielfeld geworden, auf dem die Täter das Gefühl haben, sie könnten ihrem Hass ungestraft freien Lauf lassen und ihn verbreiten. Es ist an der Zeit, dem Wilden Westen im Internet ein Ende zu setzen. Was offline eine Straftat ist, muss auch online verhindert und kriminalisiert werden.

 

Auch die jüngsten Skandale sind zutiefst besorgniserregend, die zeigen, wie Algorithmen diskriminierend verwendet werden. KI-basierte Systeme haben umfassende gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen, können zu Menschenrechtsverletzungen führen und strukturelle Diskriminierung und Ungleichheiten verschärfen. Aufgrund neuer technischer und legislativer Entwicklungen verursacht die algorithmische Analyse von Massendaten und ihre Verwendung für Einwanderungskontrolle und Strafverfolgungszwecke ein hohes Risiko der vorhersagenden Polizeiarbeit, die sich unverhältnismäßig stark auf Menschen mit dunkler Hautfarbe auswirkt, da sie die Verzerrungen reproduziert, die in der Gesellschaft ohnehin bestehen.

 

 


ANGABEN ZUR ANNAHME IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

Datum der Annahme

10.10.2022

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

48

6

3

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Abir Al-Sahlani, Konstantinos Arvanitis, Malik Azmani, Pietro Bartolo, Malin Björk, Patrick Breyer, Saskia Bricmont, Patricia Chagnon, Clare Daly, Andrzej Halicki, Evin Incir, Assita Kanko, Alice Kuhnke, Jeroen Lenaers, Lukas Mandl, Nuno Melo, Nadine Morano, Javier Moreno Sánchez, Maite Pagazaurtundúa, Emil Radev, Paulo Rangel, Terry Reintke, Karlo Ressler, Diana Riba i Giner, Isabel Santos, Birgit Sippel, Sara Skyttedal, Vincenzo Sofo, Ramona Strugariu, Tomas Tobé, Yana Toom, Milan Uhrík, Elissavet Vozemberg-Vrionidi, Elena Yoncheva, Javier Zarzalejos

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Romeo Franz, Erik Marquardt, Fulvio Martusciello, Peter Pollák, Michal Šimečka, Paul Tang, Róża Thun und Hohenstein, Miguel Urbán Crespo

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 209 Abs. 7)

Marek Paweł Balt, Gilles Boyer, Jonás Fernández, Vlad Gheorghe, Hannes Heide, Eero Heinäluoma, Othmar Karas, Georgios Kyrtsos, Karsten Lucke, Evelyn Regner, Antonio Maria Rinaldi, Simone Schmiedtbauer, Ralf Seekatz, Ivan Štefanec

 


NAMENTLICHE SCHLUSSABSTIMMUNG IM FEDERFÜHRENDEN AUSSCHUSS

48

+

PPE

Andrzej Halicki, Othmar Karas, Jeroen Lenaers, Lukas Mandl, Fulvio Martusciello, Peter Pollák, Emil Radev, Paulo Rangel, Karlo Ressler, Simone Schmiedtbauer, Ralf Seekatz, Ivan Štefanec, Elissavet Vozemberg-Vrionidi, Javier Zarzalejos

S&D

Marek Paweł Balt, Pietro Bartolo, Jonás Fernández, Hannes Heide, Eero Heinäluoma, Evin Incir, Karsten Lucke, Javier Moreno Sánchez, Evelyn Regner, Isabel Santos, Birgit Sippel, Paul Tang, Elena Yoncheva

RENEW

Abir Al-Sahlani, Malik Azmani, Gilles Boyer, Vlad Gheorghe, Georgios Kyrtsos, Maite Pagazaurtundúa, Michal Šimečka, Ramona Strugariu, Róża Thun und Hohenstein, Yana Toom

VERTS/ALE

Patrick Breyer, Saskia Bricmont, Romeo Franz, Alice Kuhnke, Erik Marquardt, Terry Reintke, Diana Riba i Giner

THE LEFT

Konstantinos Arvanitis, Malin Björk, Clare Daly, Miguel Urbán Crespo

 

6

-

PPE

Nuno Melo, Nadine Morano

ID

Patricia Chagnon, Antonio Maria Rinaldi

ECR

Vincenzo Sofo

NI

Milan Uhrík

 

3

0

PPE

Sara Skyttedal, Tomas Tobé

ECR

Assita Kanko

 

Erklärung der benutzten Zeichen:

+ : dafür

- : dagegen

0 : Enthaltung

 

 

 

Letzte Aktualisierung: 4. November 2022
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