ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
4.7.2005
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Graham Watson und Janusz Onyszkiewicz
im Namen der ALDE-Fraktion
zur Unterstützung der unabhängigen Medien in Belarus
B6‑0413/2005
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unterstützung der unabhängigen Medien in Belarus
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Belarus,
– unter besonderem Hinweis auf seine Entschließung vom 10. März 2005 zu Belarus,
– unter besonderem Hinweis auf seine Entschließung vom 28. Oktober 2004 zur politischen Lage in Belarus nach den Parlamentswahlen und dem Referendum vom 17. Oktober 2004,
– unter besonderem Hinweis auf seine Entschließung vom 16. September 2004 zur Lage in Belarus,
– unter Hinweis auf die abschließenden Feststellungen der internationalen Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 9. Dezember 2004,
– unter Hinweis auf die Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Lage in Belarus und insbesondere deren Entschließung vom 28. April 2004 zur Verfolgung der Presse in der Republik Belarus,
– unter Hinweis auf die Resolution der Vereinten Nationen vom 14. April 2005 zur Menschenrechtssituation in Belarus,
– unter besonderem Hinweis auf den von seiner Delegation für die Beziehungen zu Belarus am 23. Februar 2005 verabschiedeten EU-Aktionsplan für die Förderung der Demokratie in Belarus,
– unter Hinweis auf den von ihm verliehenen Sacharow-Preis für geistige Freiheit, der im Dezember 2004 an den Journalistenverband von Belarus vergeben wurde,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2004 zur Europäischen Nachbarschaftspolitik (KOM(2004)0373),
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und besonders die Artikel 19 und 21, in denen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung garantiert wird,
– unter Hinweis auf die am 2. Juli 2004 gegen offizielle Vertreter von Belarus verhängten EU-Sanktionen als Reaktion auf das Verschwinden von drei belarussischen Oppositionsführern und einem Journalisten,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die parlamentarische Troika zu dem Ergebnis gekommen ist, dass seit 1996 weder die Volksabstimmungen noch die Parlaments- oder die Präsidentschaftswahlen frei und fair verlaufen sind und dass ihnen bewusste und massive Maßnahmen der Regierung gegen die politische Opposition, die unabhängigen Medien und die Organisationen zur Wahlbeobachtung vorausgingen,
B. in der Erwägung, dass der Europarat die Parlamentswahlen und das Referendum vom 17. Oktober 2004 in Belarus anprangerte, da sie nicht internationalen Standards genügten,
C. in der Erwägung, dass sich die Situation in Belarus keineswegs verbessert, sondern weiter verschlechtert und einen Punkt erreicht hat, an dem die grundlegenden Menschenrechte mit Füßen getreten werden, das Repräsentantenhaus über keinerlei Gesetzgebungsbefugnisse verfügt und das Wirtschaftsleben vom Präsidenten kontrolliert wird; in der Erwägung, dass diese Verstöße die Inhaftierung und andere Formen von Repressalien gegen die Mitglieder der demokratischen Opposition umfassen,
D. in der Erwägung, dass die Europäische Union bereits mehrfach die Verhaftung wichtiger Oppositionsführer durch die Regierung Lukaschenko angeprangert hat und dass die belarussischen Behörden keine Fortschritte bezüglich der ungeklärten Fälle mehrer verschwundener Personen erzielt haben,
E. in der Erwägung, dass in den vergangenen Jahren mehrere politische Parteien und über fünfzig demokratische nichtstaatliche Organisationen auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen sowie verschiedene Bildungseinrichtungen „aus technischen Gründen“ geschlossen wurden, dass aber diese Organisationen in allen Fällen eindeutig wegen Kritik am Präsidenten und seiner Politik bestraft wurden,
F. unter Hinweis darauf, dass die UN-Menschenrechtskommission im April 2004 Kritik an Belarus übte, weil es ständig Meldungen gab über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen und wegen der Behelligung von nichtstaatlichen Organisationen, Oppositionsparteien und Personen, die sich für Demokratie einsetzten,
G. in der Erwägung, dass im Zeitraum 2003-2004 22 unabhängige Zeitungen und sieben weitere im Vorfeld der Parlamentswahlen im Oktober 2004 vorübergehend geschlossen wurden,
H. in der Erwägung, dass die Anmeldung neuer Zeitungen von den staatlichen Organen gestoppt wurde und dass viele bestehende Zeitungen mit Geldbußen belegt wurden, die es ihnen unmöglich machen, weiterhin zu veröffentlichen; so wurde im April eine Geldbuße von 26.000 US-Dollar gegen BDG (Biełarusskaja Dielowaja Gazieta) verhängt, und Irina Chalip, eine Journalistin der BDG, musste 600 US-Dollar zahlen, im Juni wurde die Tageszeitung Narodnaja Voljamit mit einer Geldbuße von 40.000 Euro belegt, die gesamte Ausgabe der Zeitung Dzień wurde von den belarussischen Behörden konfisziert, die sich weigerten, eine erneute Anmeldung der Zeitung zuzulassen; Andrej Šantarovič, der Herausgeber von Miestnaja Gazieta , und Alena Raubieckaja, Herausgeberin von of Birża informacji, mussten 500 Dollar zahlen, weil sie gegen die Schließung ihrer Zeitungen protestierten,
I. in der Erwägung, dass es in Belarus nach wie vor zu politisch motivierten Festnahmen und Verfahren gegen Aktivisten der demokratischen Bewegung und unabhängige Journalisten sowie zur Deportation ausländischer Bürger kommt, sowie in der Erwägung, dass zwei Journalisten der Zeitung Pahonia, Pavał Mažejka und Mikoła Markievič, sowie der Verleger der Zeitung Rabočy, Viktar Ivaškievič, nach Artikel 367 und 378 des belarussischen Strafgesetzbuchs zu Gefängnisstrafen zwischen 6 und 9 Monaten verurteilt wurden, nachdem sie wegen Verleumdung des Staatschefs angeklagt worden waren,
J. unter Hinweis darauf, dass in der Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 28. Mai 2004 Nachweise einer Beteiligung führender staatlicher Vertreter an der Entführung und mutmaßlichen Ermordung führender Persönlichkeiten der Opposition 1999 festgestellt wurden,
K. in der Erwägung, dass 1999 der WRD-Korrespondent Dźmitry Zavadzki verschwand und dass die belarussischen Behörden die Untersuchung zu verschleppen scheinen, sowie in der Erwägung, dass Vieranika Čarkasava, eine Journalistin der Zeitung Salidarnaść, am 20. Oktober 2004 ermordet wurde und dass gewalttätige Übergriffe gegen Journalisten sich häufen, weshalb das Europäische Parlament äußerst besorgt über die sich verschlechternde Sicherheitslage für Journalisten in Belarus ist,
L. in der Erwägung, dass das Verlagswesen inzwischen vom Staat monopolisiert wurde und dass die verbliebenen privaten Verleger mit hohen Geldstrafen rechnen müssen, wenn sie unabhängige Zeitungen veröffentlichen, weshalb viele unabhängige Zeitungen im Ausland herausgegeben werden, wozu Dzień und BDG gehören, die oft an der Grenze von den belarussischen Behörden konfisziert werden,
M. in der Erwägung, dass das Pressevertriebssystem vom staatlichen Unternehmen Biełsajuzdruk und von der staatlichen Post monopolisiert ist und dass jeglicher privater Vertrieb von Massenmedien 2004 verboten wurde, während die Bürger sich Strafverfolgungen ausgesetzt sehen, wenn sie eine unabhängige Presse vertreiben,
N. in der Erwägung, dass die terrestrische Ausstrahlung aller nationalen und regionalen Fernsehsender in den Händen der Regierung liegt,
O. in der Erwägung, dass alle Kabelnetzbetreiber strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie ausländische Kanäle anbieten, die von der belarussischen Regierung nicht genehmigt wurden, und dass auf dieser Grundlage alle ukrainischen Sender sowie der polnische Kanal Polonia für eine Ausstrahlung durch belarussische Kabelnetzbetreiber verboten wurden,
P. in der Erwägung, dass der einzige private Nachrichtensender, Radio 101,2, der in belarussischer Sprache sendete und über seinen eigenen Nachrichtendienst und analytische Programme verfügte, 1996 geschlossen wurde und dass alle verbleibenden privaten Rundfunksender entweder durch Eigentümerschaft oder die Androhung administrativer oder strafrechtlicher Verfolgung unter staatlicher Kontrolle stehen,
Q. in der Erwägung, dass der im Staatsbesitz befindliche Internetanbieter den gesamten Internetverkehr in Belarus kontrolliert und zahlreiche E-Mail-Konten und Seiten des World Wide Web blockiert, die als Quellen für alternative soziopolitische Informationen dienen könnten,
R. in der Erwägung, dass die belarussischen Behörden durch die Strafverfolgung und Schließung der Printmedien, die die belarussische Sprache verwenden (Svaboda, Rabočy, Pahonia, Dzień), durch die Schließung des einzigen belarussischen Rundfunksenders, Radio 101,2, und durch die fast vollständige Verbannung der belarussischen Sprache aus den wichtigsten Fernsehsendern durchgehend, zwangsweise und bewusst die belarussische Sprache marginalisieren, die gemäß der Volkszählung als Muttersprache von ca. 74 % der belarussischen Bevölkerung gilt,
1. verurteilt nachdrücklich die wahllosen Übergriffe des belarussischen Regimes auf Medien, Journalisten, Mitglieder der Opposition, Menschenrechtsaktivisten und generell jeden, der versucht, in Freiheit Kritik am Präsidenten und am Regime zu äußern, wobei diese Übergriffe als willkürliche Festnahmen, die Misshandlung von Häftlingen, das Verschleppen von Personen, politisch motivierte Verfolgung und andere Akte der Repression vorkommen, die gegen die wesentlichen Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verstoßen;
2. fordert den Rat und die Kommission auf, dringend ein komplexes, aber äußerst flexibles Mehrjahresprogramm zur Förderung der unabhängigen Medien in Belarus zu begründen, das die Unterstützung unabhängiger Rundfunksendungen aus Polen, Litauen, Lettland und möglicherweise der Ukraine und die Unterstützung für Journalisten und unabhängige Zeitungen sowie in nächster Zukunft des Fernsehsenders für Sendungen in belarussischer Sprache aus dem Ausland umfassen wird;
3. fordert den Rat und die Kommission auf, dringend die notwendigen Voraussetzungen für den Beginn der Ausstrahlung unabhängiger Rundfunkprogramme nach Belarus aus Polen, Litauen, Lettland und möglicherweise der Ukraine zu schaffen;
4. betont, dass die Rundfunkprogramme von unabhängigen Journalisten aus Belarus konzipiert werden sollten, die die Authentizität, Objektivität und Unabhängigkeit der Programme gewährleisten werden;
5. unterstreicht, dass das Rundfunknetz eine private Initiative sein sollte und keinesfalls ein Organ irgendeines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder irgendeiner Institution der Europäischen Union sein darf;
6. hebt hervor, dass für die Radiosendungen alle Übertragungsbandbreiten einschließlich Internet und Satellit nutzbar und ständig verfügbar sein sollten;
7. fordert den Rat und die Kommission auf, eine Zweckbindung von im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte und des Instruments für eine dezentrale Zusammenarbeit verfügbaren Mitteln vorzunehmen, um zur Unterstützung von Journalisten und ihren Familien beizutragen, die Repressionen ausgesetzt sind;
8. fordert den Rat und die Kommission auf, dringend ein Programm für Stipendien, Praktika und Fortbildungsprogramme für unabhängige belarussische Journalisten bei führenden europäischen Massenmedien zu begründen;
9. betont, dass die Schaffung des Rundfunknetzes Teil der Unterstützung für die verbleibenden unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften in Belarus sein sollte und dass besondere Unterstützung den nicht registrierten unabhängigen Presseorganen geleistet werden sollte, die jenseits von Zensur und staatlicher Kontrolle operieren; die Unterstützung sollte verlegerische Arbeit, Herausgabe und den Vertrieb der unabhängigen Presse beinhalten;
10. unterstreicht erneut, dass die künftige Entwicklung der Beziehungen der Europäischen Union zu Belarus weiterhin von den Fortschritten im Hinblick auf Demokratisierung und Reformen im Land und vom Zugang der belarussischen Bürger zu objektiven, freien und transparenten Medien abhängen wird;
11. fordert, dass die Kommission, der Rat und das Parlament, falls die belarussischen Behörden die Situation in Bezug auf Redefreiheit und Massenmedien nicht verbessern oder eine weitere Verschlechterung verzeichnet würde, unverzüglich das Verfahren zur Erweiterung der Liste der Vertreter des belarussischen Staates, die an der Strafverfolgung von Massenmedien beteiligt sind, einleiten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen das belarussische Regime beschließen;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten sowie den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarates zu übermitteln.