Entschließungsantrag - B6-0420/2005Entschließungsantrag
B6-0420/2005

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

4.7.2005

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Elisabeth Schroedter, Milan Horáček und Marianne Isler Béguin
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zu unabhängigen Medien und zur politischen Situation in Belarus

Verfahren : 2005/2582(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0420/2005
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B6-0420/2005
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B6‑0420/2005

Entschließung des Europäischen Parlaments zu unabhängigen Medien und zur politischen Situation in Belarus

Das Europäische Parlament,

– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Lage in Belarus und insbesondere die Entschließung vom 10. März 2005 zur Situation der politischen Gefangenen,

– unter Hinweis auf die Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Lage in Belarus und insbesondere deren Entschließung vom 28. April 2004 zur Verfolgung der Presse in der Republik Belarus,

– unter besonderem Hinweis auf den von seiner Delegation für die Beziehungen zu Belarus am 23. Februar 2005 verabschiedeten EU-Aktionsplan für die Förderung der Demokratie in Belarus,

– unter Hinweis auf die von der Ukraine und Moldawien unterstützte Erklärung des luxemburgischen Ratsvorsitzes vom 14. Juni 2005, in der dieser seine tiefe Besorgnis über die zunehmenden Repressalien gegen die belarussische Opposition, die Massenmedien, die Gewerkschaften und andere Strukturen der Zivilgesellschaft sowie über die Verhaftungen und Verurteilungen von Oppositionspolitkern und Geschäftsleuten Ausdruck gibt,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 12. Mai 2004 zur Europäischen Nachbarschaftspolitik (KOM(2004)373),

– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und besonders die Artikel 19 und 21, in denen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung garantiert wird,

– unter Hinweis auf die am 2. Juli 2004 gegen offizielle Vertreter von Belarus verhängten EU-Sanktionen als Reaktion auf das Verschwinden von drei belarussischen Oppositionsführern und einem Journalisten,

– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass sich die Situation in Belarus weiter verschlechtert hat, Menschenrechte und Meinungsfreiheit offen unterdrückt werden, das Repräsentantenhaus über keinerlei Gesetzgebungsbefugnisse verfügt und das Wirtschaftsleben vom Präsidenten geregelt wird sowie in der Erwägung; in der Erwägung, dass diese Verstöße die Inhaftierung von Mitgliedern der demokratischen Opposition und andere Formen von Repression umfassen,

B. in der Erwägung, dass die Europäische Union bereits mehrfach die Verhaftung wichtiger Oppositionsführer durch die Regierung Lukaschenko angeprangert hat und dass keine Fortschritte bezüglich der ungeklärten Fälle mehrer verschwundener Personen zu verzeichnen sind,

C. in der Erwägung, dass in den vergangenen Jahren mehrere politische Parteien und über fünfzig demokratische nichtstaatliche Organisationen auf verschiedenen Ebenen und mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen und verschiedene Bildungseinrichtungen „aus technischen Gründen“ geschlossen bzw. aufgelöst wurden, dass aber diese Organisationen in allen Fällen eindeutig wegen Kritik am Präsidenten und seiner Politik bestraft wurden,

D. unter Hinweis darauf, dass die UN-Menschenrechtskommission im April 2004 Kritik an Belarus übte wegen ständiger Meldungen über willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen und wegen der Behelligung von nichtstaatlichen Organisationen, Oppositionsparteien und Personen, die sich für Demokratie einsetzten,

E. in der Erwägung, dass 22 unabhängige Zeitungen im Zeitraum 2003-2004 geschlossen wurden und im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Oktober 2004 weitere sieben zeitweilig ihre Tätigkeit einstellen mussten,

F. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament im Dezember 2004 beschloss, seinen Sacharow-Preis für Gedankenfreiheit an den belarussischen Journalistenverband zu vergeben, um die Aufmerksamkeit auf die prekäre Lage der unabhängigen Medien in diesem Land zu lenken,

G. in der Erwägung, dass die Registrierung neuer Zeitungen von den staatlichen Behörden gestoppt wurde, Tag für Tag Gerichtsverfahren gegen Zeitungen und Journalisten stattfinden und viele bestehende Zeitungen mit Geldstrafen belegt wurden, so dass sie nicht mehr erscheinen können,

H. in der Erwägung, dass es in Belarus nach wie vor zu politisch motivierten Festnahmen und Verfahren gegen Aktivisten der demokratischen Bewegung und unabhängige Journalisten sowie zur Deportation ausländischer Bürger kommt; in der Erwägung, dass zwei Journalisten der Zeitung Pahonia – Pawel Mascheiko und Nikolai Markjewitsch –, sowie der Herausgeber der Zeitung Rabotschi, Wiktor Iwaschkjewitsch, gemäß Artikel 367 und 378 des belarussischen Strafgesetzbuchs wegen Verleumdung des Staatsorberhaupts zu Freiheitsstrafen zwischen sechs und neun Monaten verurteilt worden sind,

I. in der Erwägung, dass Professor Bandaschewski, ein auf Nuklearmedizin spezialisierter medizinischer Wissenschaftler, am 18. Juni 2001 zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurde wegen seiner offenen Kritik an den staatlichen Behörden im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Kernreaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986,

J. unter Hinweis darauf, dass in der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 28. Mai 2004 Nachweise einer Beteiligung führender staatlicher Vertreter an der Entführung und angeblichen Ermordung führender Persönlichkeiten der Opposition 1999 festgestellt wurden,

K. in der Erwägung, dass 1999 der Mitarbeiter des russischen Fernsehsenders ORT, Dimitri Sawatzki, verschwand und die belarussischen Behörden die Ermittlungen nur schleppend voranzutreiben scheinen; in der Erwägung, dass am 20. Oktober 2004 Veronika Tscherkassowa, eine Journalistin der Zeitung Solidarność, ermordet wurde und gewalttätige Übergriffe gegen Journalisten immer häufiger werden,

L. in der Erwägung, dass das Verlagswesen vom Staat monopolisiert worden ist und die verbleibenden privaten Verleger enorme Geldstrafen erhalten, wenn sie unabhängige Zeitungen herausgeben, weshalb viele unabhängige Zeitungen im Ausland erscheinen; Dzien und BDG werden beide in Russland herausgegeben, an der Grenze jedoch oft von den belarussischen Behörden konfisziert,

M. in der Erwägung, dass das Pressevertriebssystem dem Monopol des staatlichen Unternehmens Sajuz Petschati und der Post unterliegt und jeglicher privater Vertrieb von Massenmedien 2004 verboten wurde,

N. in der Erwägung, dass Lukaschenko am 31. Mai 2005 den Erlass 247 „betreffend weitere Grundsätze für den Gebrauch der Wörter „belarussisch“ und „national“ unterzeichnete, der eine neue Regelung enthält, nach der nichtstaatliche Medien, Organisationen und Geschäftsleute die Wörter „belarussisch“ oder „national“ nicht in ihrem Namen tragen dürfen, wodurch alle, die eines dieser beiden Adjektive in ihrem Namen tragen, gezwungen werden, sich binnen drei Monaten unter einem anderen Namen neu anzumelden, wobei sie ihre Zeitung förmlich aufgeben und einen Antrag auf Neuanmeldung stellen müssen, der bereits wegen geringer Versäumnisse abgelehnt zu werden droht,

O. in der Erwägung, dass sämtliche Fernsehprogramme, ob national oder regional, in den Händen der Regierung liegen,

P. in der Erwägung, dass der einzige private Radiosender, Radio 101,2, im Jahr 1997 geschlossen wurde und alle verbleibenden Anstalten einen Teil ihrer Aktien an den Staat abtreten mussten; dass sie vollständig unter der Kontrolle des Regimes stehen und die Ausstrahlung des letzten ukrainischen Fernsehsenders „Inter-plus“ nach dem „Eurovision“-Gesangswettbewerb vom Informationsminister verboten wurde,

Q. in der Erwägung, dass alle Internetverbindungen von einer unter staatlicher Leitung stehenden Gesellschaft verwaltet werden, die zahlreiche Internetkonten und -seiten blockiert hat,

R. in der Erwägung, dass Belarus wegen der massiven Menschenrechtsverletzungen und der faktischen Diktatur des so genannten „Präsidenten“ Lukaschenko das einzige europäische Land ohne Vertragsbeziehungen zur EU ist,

S. in der Erwägung, dass alle erdenklichen politischen und diplomatischen Anstrengungen unternommen werden sollten, um Belarus wieder in die europäische Familie zurückzuholen und es diesem Land so zu erlauben, eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik zu spielen,

1. verurteilt nachdrücklich die wahllosen Übergriffe auf die Medien, Journalisten, Mitglieder der Opposition, Menschenrechtsaktivisten und generell jeden, der unabhängige Informationen verbreitet, mehr Transparenz fordert oder versucht, in Freiheit Kritik am Präsidenten und am Regime zu äußern, wie sich an den willkürlichen Festnahmen, der Misshandlung von Häftlingen, dem Verschleppen von Personen, politisch motivierter Verfolgung und anderen Akten der Repression zeigt, die gegen die wesentlichen Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit verstoßen;

2. betont, dass die Mehrheit der belarussischen Gesellschaft keine Möglichkeit hat, unabhängige politische Informationen über das eigene Land oder Europa, kritische Berichte oder Aufklärung über die Tätigkeiten der Opposition, die wahre wirtschaftliche Situation des Landes oder über die aktuellen Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 auf ihr Leben zu erhalten; ist der Ansicht, dass die belarussische Gesellschaft vor allem mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2006 unabhängige Informationen über die Kandidaten erhalten muss, die als Konkurrenten von Präsident Lukaschenko auftreten werden; glaubt, dass dies nur mit ausländischer Hilfe möglich sein wird und fordert den Rat und die Kommission auf, sich ihrer aus der Nachbarschaftsstrategie ergebenden Verantwortung zu stellen und die belarussische Zivilgesellschaft zu unterstützen, um damit anzuerkennen, dass die Bevölkerung dieses Landes in der Lage ist, das Land zurück zur Demokratie zu bringen;

3. bekräftigt seine Unterstützung im Hinblick auf die Einrichtung alternativer und zugänglicher Informationsquellen wie Fernseh- und Radiosender in den benachbarten Ländern;

4. fordert den Rat und die Kommission in diesem Zusammenhang auf, alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein mehrjähriges Programm zur Unterstützung unabhängiger Medien in Belarus zu schaffen, das unabhängigen Radiosendern in Polen, Litauen und gegebenenfalls der Ukraine sowie Journalisten und unabhängigen Zeitungen Hilfe bietet;

5. vertritt die Auffassung, dass die Radioprogramme sowohl in belarussischer als auch in russischer Sprache ausgestrahlt werden sollten, dass sie von unabhängigen Journalisten aus Belarus gestaltet werden sollten, die in der Lage sind, die Authentizität und Unabhängigkeit der Programme zu gewährleisten, und dass diese auch über das Internet zugänglich gemacht werden sollten;

6. fordert den Rat und die Kommission auf, verfügbare Gelder im Rahmen der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) für eine solche Initiative zurückzustellen;

7. fordert den Rat und die Kommission auf, ein Stipendien und Praktika umfassendes Programm für Journalisten aus Belarus aufzulegen und Ausbildungsprogramme für junge unabhängige Journalisten anzubieten;

8. betont, dass die Gründung eines Radionetzwerks Teil der Unterstützung für die verbleibenden unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften in Belarus sein sollte und dass die nicht registrierte unabhängige Presse, die jenseits von Zensur und staatlicher Kontrolle arbeitet, unterstützt werden sollte;

9. hebt nachdrücklich hervor, dass die künftige Entwicklung der Beziehungen der EU zu Belarus an den Forschritt im Hinblick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte sowie die Entwicklung freier und transparenter Medien geknüpft ist;

10. fordert den Rat und die Kommission auf, das Thema Belarus mit den russischen Behörden zu erörtern, um gemeinsame Maßnahmen festzulegen, die zu konkreten demokratischen Veränderungen in diesem Land führen können;

11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarats zu übermitteln.