ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
24.10.2005
eingereicht gemäß Artikel 115 der Geschäftsordnung
von Cecilia Malmström und Anneli Jäätteenmäki
im Namen der ALDE-Fraktion
zur Westsahara
B6‑0571/2005
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Westsahara
Das Europäische Parlament,
- unter Hinweis auf die UN-Konvention von 1951 und das UN-Protokoll von 1967 betreffend die Rechtstellung der Flüchtlinge,
- unter Hinweis auf die Entschließungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Westsahara,
- unter Hinweis auf seine frühere Entschließung vom 15. März 2000 zur Westsahara,
- in Kenntnis des Berichts der Technischen Mission nach Marokko vom 7.-11. Oktober 2005 über illegale Einwanderung,
- unter Hinweis auf die Erklärungen des Rates und der Kommission vom 12. Oktober 2005 zu aktuellen Problemen im Bereich der Einwanderung,
- gestützt auf Artikel 115 seiner Geschäftsordnung,
A. tief besorgt über Berichte, wonach große Gruppen von Migranten, u.a. möglicherweise auch Flüchtlinge, aus westafrikanischen Ländern von marokkanischem Militär zusammengetrieben und nach Algerien deportiert oder in Wüstengebieten an der Grenze zu Mauretanien ausgesetzt wurden,
B. in der Erwägung, dass Hunderte von Personen aus Ländern südlich der Sahara in den letzten Tagen von den marokkanischen Behörden im Rahmen ihrer Bemühungen aufgegriffen wurden, Einwanderer aus den Regionen um die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla zu entfernen, wo einige der Emigranten bei dem Versuch, EU-Territorium zu erreichen, getötet oder verletzt wurden,
C. in der Erwägung, dass Berichten zufolge viele dieser Menschen weite Strecken in Bussen zurückgelegt haben und mit geringen oder keinerlei Nahrungs- oder Wasservorräten in Wüstengebieten an der Grenze Marokkos zu Algerien und Mauretanien ausgesetzt wurden und dass etliche dieser Menschen deshalb gestorben sind,
D. in der Überzeugung, dass das Aussetzen von Menschen in Wüsten ohne Nahrung und Wasser eine sehr schwere Menschenrechtsverletzung darstellt,
E. in der Erwägung, dass ein Sonderteam der UNCHR, das am 11. Oktober entsandt wurde, noch immer keine Erlaubnis hat, außerhalb der marokkanischen Hauptstadt Rabat im Lande zu reisen,
F. besorgt über das Ausbleiben substantieller Fortschritte bei der Suche nach einer gerechten und dauerhaften politischen Lösung für die Westsahara, die für die verschiedenen Parteien in der Diskussion akzeptabel ist,
G. in der Erwägung, dass dieser Konflikte unannehmbares Elend und Leid über unschuldige Menschen bringt und zu einer untragbaren humanitären Situation geführt hat, die nicht länger hingenommen werden darf,
H. in der Erwägung, dass die Menschenrechte und der Schutz der Flüchtlinge bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung nicht auf der Strecke bleiben dürfen,
I. in der Erwägung, dass das einzig wirksame und grundsätzlich vertretbare Mittel zur Bewältigung des Einwanderungsdrucks auf Europa eine umfassende Politik ist, die Einwanderungskontrolle und Respektierung internationaler Verpflichtungen in Einklang bringt,
1. ist der Auffassung, das die Deportationen ein Verstoß gegen fundamentale internationale Flüchtlings- und Menschenrechtsbestimmungen sind, und fürchtet um Leben und Sicherheit jener, die in Grenzregionen ausgesetzt werden;
2. ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass niemand ohne gründliche Prüfung der Ansprüche auf internationalen Schutz aus der Union ausgewiesen wird;
3. begrüßt grundsätzlich den Vorschlag der Kommission bezüglich einer Verbesserung der Schutzkapazitäten der Länder in den Ursprungs- und Transitregionen der Flüchtlinge, um die Bedingungen für dauerhafte Lösungen im Hinblick auf Wiedereingliederung, örtliche Integration und freiwillige Rückführung zu schaffen;
4. ist entschieden der Auffassung, dass der Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung Grundrechte sind, die jedem jederzeit und ungeachtet der Staatszugehörigkeit oder der Legitimität des Aufenthalts in einem Land zu gewähren sind;
5. anerkennt das Recht der Staaten auf Kontrolle ihrer Grenzen und auf Regelung des Zugangs von Ausländern zu ihrem Territorium; unterstreicht jedoch, dass Marokko nach dem Völkerrecht verpflichtet ist, die grundlegenden Menschenrechte aller Personen auf seinem Gebiet, einschließlich der illegalen Einwanderer, zu schützen;
6. fordert die marokkanische Regierung auf, unverzüglich dem UNCHR-Team den Zugang zu den betroffenen Personen zu gewähren;
7. begrüßt, dass eine Delegation des Europäischen Parlaments vom 7. bis 10. Dezember Ceuta und Melilla besuchen wird und erwartet die volle Kooperation der spanischen und der marokkanischen Regierung;
8. fordert die EU auf, ihre Partnerschaft mit Marokko zu verstärken und die Frage der Einwanderung zu behandeln, die für alle betroffenen Länder ein gewaltiges Problem darstellt, sowie diesem Land bei seinen Bemühungen zu helfen, seinen Verpflichtungen aus der Genfer Konvention von 1951 nachzukommen;
9. besteht darauf, dass der 10. jährliche Gipfel, der im Rahmen des Barcelona-Prozesses am 27. und 28. November 2005 stattfindet, auch die Frage der Wanderungsströme als prioritären Punkt auf die Tagesordnung setzt, um Initiativen für eine starke Kooperation im Rahmen der Europa-Mittelmeerpolitik in der Frage der Migration zu beschließen und konkrete Schritte zu vereinbaren, um hier zu einem Ansatz zu gelangen, der angemessen dem gesamtafrikanischen Charakter der Herausforderung Rechnung trägt;
10. ist der Auffassung, dass die Fragen dieser Wanderungsbewegungen auf die Tagesordnung der nächsten Tagung von EU und Afrikanischer Union gesetzt werden sollten; ist ferner der Auffassung, dass ein gemeinsames EU-AU-Programm in der Sitzung der AU-EU-Troika, die am 1. und 2. Dezember 2005 stattfindet, vorbereitet werden sollte;
11. ersucht die AU-EU-Troika, eine Reihe konkreter Initiativen festzulegen, die sich auf ein besseres Reagieren auf die Wanderungsbewegungen, die illegale Einwanderung und den Menschenschmuggel richten;
12. fordert alle betroffenen Parteien nachdrücklich auf, politische Gespräche über die Zukunft der gesamten Region aufzunehmen, die über potentielle Vereinbarungen zur Umsetzung internationaler Lösungen hinausgehen;
13. unterstützt entschieden den Generalsekretär der Vereinten Nationen und seinen Sondergesandten in ihren Bemühungen um eine beiderseits akzeptable politische Lösung des Konflikts in der Westsahara;
14. fordert alle betroffenen Parteien, die Nachbarstaaten und die EU auf, aktiver mit den Vereinten Nationen bei der Suche nach einer gerechten und dauerhaften Lösung des Konflikts zusammenzuarbeiten;
15. fordert den Rat und die Kommission auf, die betroffenen Parteien angemessen zu ermutigen, mit den Vereinten Nationen im Hinblick auf die Annahme und die Durchführung des Friedensplans zusammenzuarbeiten;
16. fordert die Kommission auf, die humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge in der Westsahara zu verstärken, und fordert sie insbesondere auf, die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung der Westsahara, insbesondere was Lebensmittel, Wasser, Gesundheit und Bildung anbelangt, zu intensivieren;
17. bekräftigt seinen Beschluss, eine Delegation des Europäischen Parlaments in die Westsahara zu entsenden, um die Entwicklungen vor Ort zu beurteilen;
18. beauftragt seine Delegation in der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer (EMPA), die am 20. und 21. November 2005 in Rabat tagen wird, die Fragen der Wanderungsbewegungen und das Problem Westsahara zur Sprache zu bringen;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der Afrikanischen Union, dem Parlament und der Regierung von Marokko sowie der Frente Polisario zu übermitteln.