Entschließungsantrag - B6-0100/2006Entschließungsantrag
B6-0100/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

8.2.2006

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Jan Marinus Wiersma, Hannes Swoboda und Panagiotis Beglitis
im Namen der PSE-Fraktion
zu den Aussichten für Bosnien-Herzegowina

Verfahren : 2006/2513(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0100/2006
Eingereichte Texte :
B6-0100/2006
Angenommene Texte :

B6‑0100/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Aussichten für Bosnien-Herzegowina

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Bosnien und Herzegowina und zum westlichen Balkan, insbesondere seine Entschließung vom 14. April 2005 zum Stand der regionalen Integration im Westbalkan[1]; seine Entschließung vom 17. November 2004 zu der militärischen Operation „Althea“ der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina[2] und seine Entschließung vom 7. Juli 2005 zu Srebrenica[3],

–  unter Hinweis auf vorangegangene Resolutionen der Vereinten Nationen, insbesondere die Resolution 827 des UN-Sicherheitsrates vom 25. Mai 1993, mit der der Internationale Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien eingerichtet wurde, und mit dem Hinweis darauf, dass dieser Gerichtshof seit seiner Einsetzung einige der schlimmsten Fälle von Kriegsverbrechen aufgedeckt und vor Gericht gebracht hat, dass aber die am meisten gesuchten Personen nach wie vor flüchtig sind,

–  unter Hinweis auf den im Jahre 1999 von der Europäischen Union eingeleiteten Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess für die Länder des westlichen Balkan, mit dem Demokratisierung, Gerechtigkeit, Aussöhnung und Frieden in dieser Region gefördert werden sollen,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes des Europäischen Rats von Thessaloniki vom 21. Juni 2003, in denen die Unterstützung der Union für die europäische Perspektive der Länder des westlichen Balkan, die integraler Bestandteil der EU werden sollen, sobald sie die festgelegten Kriterien erfüllen, bekräftigt wird,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Ratsvorsitzes des Europäischen Rates vom 16.-17. Juni 2005 in Brüssel, in denen der Rat seine Verpflichtung zur vollständigen Umsetzung der Agenda von Thessaloniki bekräftigt und darauf hinweist, dass die Fortschritte der einzelnen Länder auf dem Weg zur europäischen Integration davon abhängen, wie sehr sie sich darum bemühen, den Kriterien von Kopenhagen und den Bedingungen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses zu entsprechen,

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission: Strategiepapier 2005 zur Erweiterung (KOM(2005) 561),

–  unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 27. Januar 2006: Der westliche Balkan auf dem Weg in die EU: Konsolidierung der Stabilität und Steigerung des Wohlstands (KOM(2006)27),

–  unter Hinweis auf die politische Vereinbarung des Rates vom 12. Dezember 2005 zu Entwürfen für Beschlüsse zu den in der europäischen Partnerschaft mit Bosnien und Herzegowina enthaltenen Grundsätzen, Prioritäten und Bedingungen,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Länder des westlichen Balkan in den zurückliegenden drei Jahren erhebliche Fortschritte in den Bereichen Stabilisierung und Aussöhnung, interne Reformen und regionale Zusammenarbeit erzielt haben; in der Erwägung ferner, dass sie sich dadurch noch stärker der Europäischen Union angenähert haben, die ihrerseits Beitrittsverhandlungen mit Kroatien eingeleitet, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien Bewerberstatus zuerkannt, den Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) mit Albanien in greifbare Nähe gerückt und Verhandlungen mit Serbien und Montenegro sowie Bosnien und Herzegowina aufgenommen hat; in der Erwägung ferner, dass der politische Prozess zur Regelung des künftigen Status des Kosovo eingeleitet worden ist,

B.  in der Erwägung, dass die EU das Ziel verfolgt, Stabilität, Sicherheit und Wohlstand im westlichen Balkan (darunter auch in Bosnien und Herzegowina) durch eine allmähliche Einbindung der Region in die europäischen Strukturen zu fördern,

C.  in der Erwägung, dass die Sicherstellung von Frieden und Stabilität im westlichen Balkan für die Zukunft und die umfassende Umsetzung der Agenda von Thessaloniki von größter Bedeutung ist und ihr für die Umsetzung der Ziele des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses eine Schlüsselrolle zukommt,

D.  in der Erwägung, dass die NATO die Mission der Stabilisierungskräfte (SFOR) erfolgreich abgeschlossen hat und die Europäische Union am 2. Dezember 2004 die Verantwortung übernahm und die EUFOR-Operation Althea eingeleitet hat,

E.  in der Erwägung, dass Bosnien und Herzegowina bei der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof erhebliche Fortschritte erzielt haben, dass aber eine umfassende Zusammenarbeit nach wie vor aussteht,

F.  in der Erwägung, dass die politischen Führer und die Parteien im Oktober 2005 eine Einigung über die Reform der Polizeistrukturen erzielt haben, womit die Aufnahme von Verhandlungen mit der Europäischen Union zum Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ermöglicht wird,

G.  in der Erwägung, dass der Rat am 21. November 2005 den Entwurf für Verhandlungsleitlinien angenommen und die Kommission ermächtigt hat, mit Bosnien und Herzegowina Verhandlungen für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aufzunehmen; in der Erwägung ferner, dass diese Verhandlungen offiziell am 25. November 2005 in Sarajewo aufgenommen wurden mit dem Ziel, eine engere Anbindung an die Europäische Union herbeizuführen, was als großer Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Mitgliedschaft in der Union betrachtet wird,

H.  in der Erwägung, dass Bosnien und Herzegowina bei der Verabschiedung und Umsetzung von Reformen beträchtliche Fortschritte erzielt haben, dass aber ihre zentralen Institutionen und ihre komplexen Verfassungsstrukturen vielfach zu Blockierungen und Ineffizienz bei Beschlussfassungen führen; in der Erwägung ferner, dass die von den USA und der EU geleiteten Verhandlungen zur Verfassungsreform kürzlich ohne endgültige Einigung beendet wurden,

I.  in der Erwägung, dass der Rat Christian Schwarz-Schilling als EU-Sonderbeauftragter für Bosnien und Herzegowina ernannt und dieser am 30. Januar 2006 sein Amt als Nachfolger von Paddy Ashdown angetreten hat,

J.  in der Erwägung, dass der österreichische Ratsvorsitz den westlichen Balkan zu seinen Prioritäten erklärt hat und beabsichtigt, ihn bei einem informellen Treffen der Außenminister am 10. und 11. März in Salzburg eingehend zu erörtern,

1.  begrüßt die Einleitung von Verhandlungen zu einem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) und weist nachdrücklich darauf hin, dass der Fortgang der Verhandlungen von der Fähigkeit der drei wichtigsten Gemeinschaften des Landes – Bosnier, Serben und Kroaten –, sich auf einen Zeitplan für Reformen zu einigen, und von der Fähigkeit des Landes, diese Reformen umzusetzen, abhängt;

2.  bedauert, dass die (von den USA und der EU unterstützten) Vertreter der führenden politischen Parteien in der jüngsten Debatte über Verfassungsänderungen keine Einigung erzielt haben, die es ermöglicht hätte, eine effiziente Funktionsweise der zentralen Institutionen des Landes zu gewährleisten; fordert die politischen Führer und die Parteien in Bosnien und Herzegowina auf, diesen Prozess dynamisch und in Eigenverantwortung fortzusetzen; fordert den Rat und die Kommission auf, sich aktiver in die gemeinsamen Überlegungen in Bezug auf Verfassungsreformen einzubringen und dazu die politischen Kräfte und die Bürger des Landes bei ihrer Suche nach einem Konsens zu unterstützen;

3.  erwartet, dass im Rahmen der Reform der Verfassung die Achtung der kollektiven Rechte der ethnischen Gemeinschaften anerkannt wird und der multiethnische Charakter sowie die persönlichen Rechte der Bürger im Hinblick auf eine Verringerung der ethnischen Polarisierung in Bosnien und Herzegowina gestärkt werden;

4.  bekundet seine vorbehaltlose Unterstützung für die wertvolle und schwierige Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs und weist erneut darauf hin, dass Bosnien und Herzegowina und insbesondere die Republik Serbien ihren Verpflichtungen zur umfassenden und dauerhaften Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nachkommen sollten; betont, dass eine umfassende und vorbehaltlose Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof nicht verhandelbar ist und zu den wesentlichsten Forderungen für einen reibungslosen und beschleunigten Prozess im Hinblick auf eine mögliche Integration in die EU gehört; fordert deshalb die Kommission und den Rat auf, im Falle einer ernsthaften Verletzung der wesentlichen Grundsätze der EU und insbesondere im Falle einer Weigerung des Landes zur umfassenden Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof die Verhandlungen auszusetzen;

5.  begrüßt die von der Militärmission der Europäischen Union (EUFOR) und der EU-Polizeimission, die bei der Unterstützung der politischen Zielsetzungen der EU zu wichtigen Partnern geworden sind, geleistete Arbeit;

6.  bekräftigt seine Unterstützung für die europäische Perspektive von Bosnien und Herzegowina, die integraler Bestandteil der Europäischen Union werden sollen, sobald sie die festgelegten Kriterien erfüllen; weist jedoch darauf hin, dass der Vertrag von Nizza keine brauchbare Grundlage für eine Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses darstellt; weist darauf hin, dass die Europäische Union somit gehalten ist, ihre eigenen Hausaufgaben zu machen und echte Fortschritte bei der Reform ihrer eigenen Organisation und Institutionen wird erzielen müssen, bevor neben den bestehenden 25 Mitgliedstaaten und den beiden, deren Mitgliedschaft bereits vereinbart worden ist, weitere Staaten der Union beitreten können;

7.  würdigt die wichtige Rolle des neuen EU-Sonderbeauftragten; vertritt jedoch die Ansicht, dass seine Hauptaufgabe darin bestehen sollte, die Bemühungen zur Förderung einer größerer Eigenverantwortung und den Beitrag zur Umwandlung von Bosnien und Herzegowina in selbständige Staaten, die in der Lage sind, in absehbarer Zukunft ihre volle Verantwortung zu übernehmen und ohne Intervention der internationalen Gemeinschaft zu funktionieren, zu unterstützen;

8.  stellt fest, dass das Bruttosozialprodukt in den vergangenen Jahren beträchtlich gestiegen ist und dass bei einer niedrigen Inflationsrate ebenfalls Schritte zur Verbesserung des Unternehmensklimas unternommen wurden; bekundet jedoch seine ernsthafte Besorgnis in Bezug auf die hohe Arbeitslosenquote (von über 40 %) vor allem unter heimgekehrten Flüchtlingen und Vertriebenen, die nach wie vor fehlende Nachhaltigkeit der Wirtschaft des Landes und die hohen Handels- und Währungsbilanzdefizite;

9.  begrüßt deshalb die Absicht des neuen EU-Sonderbeauftragten, die Bewältigung wirtschaftlicher und sozialer Herausforderungen prioritär anzugehen; fordert die Behörden auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die wirtschaftliche Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern und die Arbeitslosigkeit unter anderem durch eine Senkung der übermäßig kostenintensiven Verwaltungsstrukturen zu verringern, die Privatisierung großer staatseigener Unternehmen voranzutreiben, die Europäische Charta für KMU umzusetzen, das Unternehmertum auf regionaler Ebene zu fördern sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze und eine stärkere soziale Kohäsion zu gewährleisten, die auch zu einer Verringerung der alarmierenden Auswanderung der Jugend beitragen dürften;

10.  weist nachdrücklich darauf hin, dass die für Oktober 2006 vorgesehenen Parlamentswahlen für die Zukunft von Bosnien und Herzegowina und ihren Weg in die europäische Integration von entscheidender Bedeutung sein werden; fordert alle politischen Führer, Parteien und Behörden auf, die erforderlichen Reformen vorzubereiten und zu verabschieden und alles zu tun, um reibungslose, faire, freie und demokratische Wahlen zu gewährleisten;

11.  nimmt zur Kenntnis, dass Rechtsvorschriften zur Förderung der Rückkehr von Flüchtlingen verabschiedet wurden und dass in Bezug auf die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen erhebliche Fortschritte erzielt worden sind; weist jedoch darauf hin, dass eine umfassende wirtschaftliche und soziale Integration dieser Menschen nach wie vor aussteht; fordert die Kommission auf, ihre Unterstützung zu intensivieren, und fordert die Regierung und die Behörden von Bosnien und Herzegowina auf, Maßnahmen zur Behebung der extrem hohen Arbeitslosigkeit unter zurückgekehrten Flüchtlingen und Vertriebenen zu ergreifen; weist darauf hin, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, um in den Bereichen Menschenrechte und Minderheitenrechte internationale Normen zu erreichen, wobei eine Aufteilung von Schulen nach ethnischen Grenzen vermieden und Maßnahmen zur erleichterten Integration der Roma-Minderheit insbesondere in Bezug auf Eigentumsrechte und den Zugang zu persönlichen Dokumenten ergriffen werden müssen;

12.  begrüßt die Reformen in den Bereichen Polizei, Verteidigung, Mehrwertsteuer und öffentlich-rechtlicher Rundfunk; weist nachdrücklich darauf hin, dass ein umfassender Aktionsplan für eine Reform der öffentlichen Verwaltung erforderlich ist, mit dem die Reformen zügiger umgesetzt werden können, sowie die Vorbereitung und Umsetzung eines adäquaten Aktionsplans zur Bekämpfung der Korruption und eine rasche Umsetzung der Mehrwertsteuergesetzgebung und der Polizeireform;

13.  weist darauf hin, welche Bedeutung die Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina der Aussicht auf eine Liberalisierung der Visaregelung beimisst; nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, im Frühjahr 2006 Vorschläge zur Vereinfachung und Beschleunigung der Visaverfahren in den örtlichen Konsulaten und zur Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung des Austauschs von Studenten und Wissenschaftlern vorzulegen; weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass weitaus mehr getan werden muss, um die Visaverfahren zu vereinfachen;

14.  stellt fest, dass Bosnien und Herzegowina bei der Förderung der regionalen Zusammenarbeit in einigen Bereichen wie Verkehr und Energie (Vertrag der Energiegemeinschaft Südosteuropa) Fortschritte erzielt haben; weist darauf hin, dass es weiterer regionaler Zusammenarbeit bedarf, etwa in den Bereichen Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Erleichterung der Rückkehr von Flüchtlingen, Aufbau einer Freihandelszone mit Anziehungskraft für ausländische Investitionen und Aufbau grenzüberschreitender integrierter Netzwerke;

15.  wiederholt sein Bedauern bezüglich des im Juni 2003 in Kraft getretenen Beschlusses der Vereinigten Staaten, demzufolge aufgrund einer Ratifizierung durch das Parlament von Bosnien und Herzegowina US-Bürger in Bosnien Immunität in Bezug auf die Verfolgung durch den Internationalen Strafgerichtshof von Den Haag genießen;

16.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament von Bosnien und Herzegowina zu übermitteln.