ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
8.2.2006
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Erik Meijer
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zu den Perspektiven für Bosnien-Herzegowina
B6‑0105/2006
Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Perspektiven für Bosnien-Herzegowina
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf „Die Agenda von Thessaloniki für den Westlichen Balkan: auf dem Weg zur europäischen Integration”, in deren Rahmen die europäischen Partnerschaften als Mittel zur Realisierung der europäischen Perspektive der Länder des Westlichen Balkan eingeführt wurden,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Rat über die Fortschritte Bosniens und Herzegowinas bei der Umsetzung der Prioritäten, die in dem „Bericht über die Fähigkeit Bosniens und Herzegowinas zur Aushandlung eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union (KOM(2003)692)” (KOM(2005)0529) ermittelt wurden,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass durch das Dayton-Abkommen im Oktober 1995 der Krieg beendet wurde, dass es durch dieses Abkommen jedoch nicht gelang, tragfähige demokratische Strukturen zu schaffen und eine nachhaltige Entwicklung für Bosnien-Herzegowina einzuleiten,
B. in der Erwägung, dass dringend neue politische Initiativen mit dem Ziel erforderlich sind, die Konflikte, den Kampf um die Vorherrschaft einer Gruppe über die anderen und die ethnische Aufspaltung des Landes wirklich zu beenden,
C. in der Erwägung, dass friedliche, tragfähige und dauerhafte Lösungen nicht von außen vorgeschrieben werden können, sondern die Unterstützung jeder einzelnen Gruppe in Bosnien-Herzegowina benötigen; ferner in der Erwägung, dass Diskussionen über Reformen zur Straffung der zentralen Einrichtungen des Landes eingeleitet wurden, jedoch noch nicht zu Ergebnissen geführt haben,
D. in der Erwägung, dass eine 7 000 Mann starke Friedenstruppe der Europäischen Union (EUFOR) noch stets in Bosnien-Herzegowina stationiert ist, um neue Gewalt zu verhindern,
E. in der Erwägung, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann und dass es daher von äußerster Wichtigkeit ist, alle Verantwortlichen für Kriegsverbrechen und andere Straftaten der Gerichtsbarkeit zuzuführen; ferner in der Erwägung, dass wichtige Schritte unternommen wurden, um dieser Herausforderung zu begegnen,
F. in der Erwägung, dass Bosnien-Herzegowina stark von internationaler finanzieller Unterstützung abhängig ist, dass die wirtschaftliche Lage durch Stagnation gekennzeichnet ist, die eine offizielle Arbeitslosenrate von 40% zur Folge hat, und dass Jugendliche davon besonders betroffen sind; ferner in der Erwägung, dass 50% der bosnischen Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze leben, 50% keine medizinische Versorgung erhalten und 18% keinen Strom haben,
G. in der Erwägung, dass nach der Unterzeichnung des Dayton-Abkommens mit internationaler Unterstützung mehr als eine Million Zivilisten zurückgekehrt sind, dass jedoch schätzungsweise 620 000 Flüchtlinge und Vertriebene im gesamten Balkan, meist serbischer Abstammung, noch immer auf ihre Rückkehr warten; ferner in der Erwägung, dass die wirtschaftliche Lage ein schwerwiegendes Hindernis für die endgültige Lösung des Problems ist und die ausländische Hilfe drastisch gekürzt wurde,
H. in der Erwägung, dass Korruption und organisiertes Verbrechen sowie Schwarzmarktstrukturen wesentliche Probleme für die Wirtschaft und Gesellschaft von Bosnien-Herzegowina darstellen,
I. in der Erwägung, dass der Europäische Rat von Thessaloniki vom 19. und 20. Juni 2003 seine Entschlossenheit bekräftigt hat, die europäische Perspektive der Länder des Westlichen Balkans uneingeschränkt und wirksam zu unterstützen,
1. ist der Ansicht, dass es an der Zeit ist, den Bürgern von Bosnien-Herzegowina reale und umfassende Souveränitätsrechte zuzugestehen;
2. tritt nachdrücklich für die Rechte der Bürger von Bosnien-Herzegowina ein, die Zukunft ihres Landes selbst zu bestimmen;
3. begrüßt die Diskussionen über eine Verfassungsreform in Bosnien und Herzegowina; ist der Ansicht, dass der Prozess der Suche nach einem Konsens zwischen Bosniern, Serben und Kroaten Zeit erfordert und ohne Einmischung von außen stattfinden sollte; unterstützt jede Lösung, die den Herausforderungen einer wirklichen Demokratie, einer wirksamen Staatsführung und der Respektierung des multikulturellen Charakters von Bosnien-Herzegowina gerecht wird;
4. fordert den baldmöglichsten Rückzug aller ausländischen Militärverbände aus Bosnien-Herzegowina;
5. ist der Ansicht, dass weitere Bemühungen unternommen und zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Aussöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften zu fördern;
6. betont, dass die soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Schlüssel zu einer stabilen Entwicklung in der Region ist; fordert die Behörden in Bosnien-Herzegowina und die EU auf, der Lösung dieser Probleme höchste Priorität einzuräumen; fordert daher die Kommission auf, die Schaffung von Arbeitsplätzen als eine ihrer Prioritäten in ihr gesamtpolitisches Konzept für diese Region aufzunehmen;
7. betont die Bedeutung einer Verstärkung der regionalen und grenzübergreifenden Zusammenarbeit und der Aussöhnung zwischen den Völkern der Länder des Westlichen Balkans sowie mit ihren Nachbarn; ist der Ansicht, dass regionale Entwicklungs- und Investitionsprogramme, gemeinsame Bildungs- und Beschäftigungsinitiativen, gemeinsame Verkehrs- und Fremdenverkehrsprojekte zur Schaffung gemeinsamer Mechanismen wie einer Zollunion für den Westlichen Balkan führen sollten, und zwar lange bevor die betreffenden Länder der EU beitreten;
8. begrüßt die kürzlich unterzeichnete Vereinbarung zwischen Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien-Montenegro über die Rückkehr von Flüchtlingen und Entschädigungsleistungen als wichtigen Schritt zur Auseinandersetzung mit dem Erbe von etwa drei Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen; dringt bei der Europäische Kommission und den Mitgliedstaaten darauf, ihre Beiträge zu Projekten zum Wiederaufbau von Häusern und für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit nicht weiter zu kürzen und Spenden, Kredite und Investitionen nach Möglichkeit von Beschäftigungsmöglichkeiten für Heimkehrer abhängig zu machen;
9. begrüßt die Aufnahme der Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien und Herzegowina am 25. November 2005;
10. bringt seine uneingeschränkte Unterstützung für die schwierige Tätigkeit des ICTY zum Ausdruck und betont erneut, dass die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit dieser Einrichtung eine Voraussetzung für alle Länder in der Region für engere Beziehungen mit der EU darstellt;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, der Präsidentschaft, der Regierung und dem Parlament von Bosnien-Herzegowina und seinen Teilstaaten sowie den Regierungen und Parlamenten der Länder des Westlichen Balkans zu übermitteln.