ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
14.2.2006
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Graham Watson, Karin Riis-Jørgensen, Jean-Marie Cavada, Annemie Neyts, Sarah Ludford und Jeanine Hennis-Plasschaert
im Namen der ALDE-Fraktion
zum Recht auf Meinungsfreiheit und zum Respekt gegenüber Glaubensbekenntnissen
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0136/2006
B6‑0139/2006
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Recht auf Meinungsfreiheit und zum Respekt gegenüber Glaubensbekenntnissen
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen,
– gestützt auf die Artikel 6 und 11 des Vertrags über die Europäische Union,
– gestützt auf die Artikel 9 und 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie die Artikel 10 und 11 der Grundrechtecharta der Europäischen Union,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass zwölf Karikaturen, die den Propheten Mohammed zeigen, am 30. September 2005 im Zusammenhang mit einer Debatte über Selbstzensur und Redefreiheit zum ersten Mal in der Zeitung Jyllands-Posten veröffentlicht und einige von ihnen oder alle später in 40 anderen Ländern abgedruckt wurden, darunter auch in einer ägyptischen Zeitung bereits im Oktober 2005,
B. in der Erwägung, dass die Karikaturen von zahlreichen Muslimen als Beleidigung oder Gotteslästerung empfunden wurden und sich die Zeitung Jyllands-Posten in der Folge für die Beleidigung, die die Karikaturen möglicherweise ausgelöst haben, entschuldigt hat,
C. in der Erwägung, dass dies zu legitimen Protesten, einem Konsum- und Handelsboykott sowie gewalttätigen Unruhen in der ganzen Welt, insbesondere in islamischen Ländern, geführt hat, wobei einige davon gesteuert waren,
D. in der Erwägung, dass freie und unabhängige Medien eine wesentliche Voraussetzung für die vollständige Achtung des Rechts auf Meinungsfreiheit sind und der Grundsatz der Demokratie, auf dem die Union beruht, damit gestärkt wird,
E. in der Erwägung, dass in demokratischen und weltlichen Gesellschaften die unterschiedlichsten Meinungen und Standpunkte, ob politischer oder religiöser Art, frei geäußert werden können, was die Vielfalt innerhalb der Gesellschaft widerspiegelt; in der Erwägung, dass eine Missachtung dieses Rechts ausschließlich durch das Gesetz festgestellt werden kann,
F. in der Erwägung, dass dieser Grundsatz in internationalen Übereinkommen und in den Verfassungstraditionen weltlicher Demokratien allgemein anerkannt ist,
1. ist zutiefst davon überzeugt, dass die Meinungsfreiheit ein Grundrecht ist, das so umfassend wie möglich garantiert und wahrgenommen werden muss;
2. verurteilt mit äußerstem Nachdruck die Brandanschläge auf die Botschaften von Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die Drohungen gegen EU-Bürger; bedauert, dass einige Regierungen die Gewalt nicht verhindern konnten und andere Regierungen offensichtlich gewalttätige Übergriffe gesteuert haben; fordert alle Staaten auf, ihre Verpflichtungen im Rahmen des Wiener Übereinkommens einzuhalten;
3. betont, dass die Karikaturen zwar als Beleidigung oder Gotteslästerung aufgefasst werden können, derartige Übergriffe und Drohungen nicht durch irgendwelche Begründungen legitimiert werden können und absolut inakzeptabel sind;
4. bringt seine uneingeschränkte Unterstützung für die betroffenen Länder und ihre Bevölkerung sowie die Solidarität mit ihnen unter diesen unvorhergesehenen und schwierigen Umständen zum Ausdruck; verweist auf die Solidaritätsklausel in Artikel 11 des Vertrags über die Europäische Union und fordert daher eine nachdrückliche Reaktion der EU, die bislang gefehlt hat;
5. fordert in diesem Zusammenhang die Kommission und die österreichische EU-Präsidentschaft auf, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass einzelne Mitgliedstaaten nicht Opfer von diplomatischen Sanktionen und einem Handelsboykott sind;
6. unterstützt alle demokratischen Kräfte – Politiker, Medien und Zivilgesellschaft –, die mit autoritären oder tyrannischen religiösen Regimen konfrontiert sind und dagegen kämpfen;
7. unterstützt die Initiative des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Bildung einer „Allianz der Zivilisationen“;
8. ist der Auffassung, dass die Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs und das Eintreten für gegenseitiges Verständnis und gegenseitigen Respekt eine stetige Herausforderung für die globalisierte Welt sind;
9. ist der festen Überzeugung, dass bei der Entwicklung dieser Schritte der Rahmen der Zusammenarbeit und des Dialogs mit den Partnerländern im Mittelmeerraum und in Asien vollständig genutzt wird;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Europarat sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Organisation der Islamischen Konferenz sowie der Arabischen Liga zu übermitteln.