Entschließungsantrag - B6-0161/2006Entschließungsantrag
B6-0161/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

9.3.2006

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Francis Wurtz, Ilda Figueiredo und Helmuth Markov
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zum Beitrag zur Frühjahrstagung 2006 des Europäischen Rates im Hinblick auf die Lissabon-Strategie

Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0161/2006
Eingereichte Texte :
B6-0161/2006
Angenommene Texte :

B6‑0161/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Beitrag zur Frühjahrstagung 2006 des Europäischen Rates im Hinblick auf die Lissabon-Strategie

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 3. März 2005 zur Vorbereitung der Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie (B6-0186/2005),

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 12. April 2005 mit den integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung (2005-2008),

–   in Kenntnis der Mitteilung der Kommission „Das Lissabon-Programm der Gemeinschaft“ vom 20. Juli 2005 (KOM(2005)330),

–   unter Hinweis auf die 25 Nationalen Reformprogramme im Rahmen der Lissabon-Strategie, die von den Mitgliedstaaten vorgelegt wurden,

–   in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 25. Januar 2006 mit dem Titel „Jährlicher Fortschrittsbericht“,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von März 2000, März 2001, März 2005 und Oktober 2005,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

Allgemeine Fragen – wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Bemerkungen

1.  bedauert, dass die so genannte Wiederbelebung der Lissabon-Strategie, die auf der Frühjahrstagung des Europäischen Rates im letzten Jahr beschlossen wurde, einseitig ausgerichtet war auf „Wettbewerbsfähigkeit“, "wirtschaftliche Strukturreformen" und „Unternehmergeist“, wodurch ein deutlicher neoliberaler Akzent gesetzt wurde, der die soziale Dimension aufs Spiel gesetzt und die wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Probleme in einigen Mitgliedstaaten außen vor gelassen hat; betont, dass diese Prioritäten von allen Mitgliedstaaten in konkrete nationale Reformprogramme (NRP) umgesetzt wurden, die den in den einzelnen Mitgliedstaaten laufenden Reformen in den Bereichen öffentliches Beschaffungswesen, öffentliche Einrichtungen, Arbeitsmärkte und nationale Sozialversicherungssysteme neue Dynamik verleihen werden;

2.  betont, dass die vom Europäischen Rat im März 2000 festgelegte Lissabon-Strategie - die die eindeutige Unterstützung der wichtigsten europäischen Arbeitnehmerorganisationen UNICE und ERT genossen hat - das wichtigste Instrument in der Europäischen Union darstellte zur Förderung von Liberalisierung und Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, Flexibilität und Anpassung der Arbeitsmärkte, zurückhaltender Lohnabschlüsse und für die Öffnung der meisten Sozialversicherungssysteme, einschließlich Ruhegehälter und Gesundheitswesen, für private Interessen;

3.  stellt mit tiefer Besorgnis fest, dass die Europäische Union seit 2000 mit langsamem Wirtschafts- und Beschäftigungszuwachs, einer Umschichtung der Produktivitätsgewinne von den Arbeitnehmern auf die Arbeitgeber, mit anhaltend hohen Arbeitslosigkeits- und Armutsraten, dem Fortbestehen von sozialer Ausgrenzung und unsicheren Arbeitsbedingungen sowie mit ungleichen Löhnen und Gehältern zu kämpfen hat; ferner in Besorgnis darüber, dass dem gegenüber die Gewinnanteile im Verhältnis zum BIP in der Euro-Zone derzeit nahe ihrem Höchststand seit 25 Jahren liegen, während der Lohn-Anteil Jahrzehnt für Jahrzehnt weiter gesunken ist;

4.  betont, dass die Lissabon-Strategie weitgehend erfolglos dabei war, die verkündeten Ziele eines durchschnittlichen Wirtschaftswachstums von 3%, der Vollbeschäftigung durch die Schaffung von 20 Millionen neuer Arbeitsplätze sowie globaler FuE-Ausgaben in Höhe von 3% des BIP zu erreichen; stellt fest, dass nach den Angaben der Kommission das durchschnittliche Wirtschaftswachstum bei etwa der Hälfte des angestrebten Ziels liegt, nur etwa ein Viertel der geplanten neuen Arbeitsplätze geschaffen werden konnten (ohne Berücksichtigung der Qualität der neuen Arbeitsplätze und der fast 20 Millionen Arbeitslosen), und die Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung unter 2% des BIP liegen;

5.  unterstreicht, dass der anhaltende Prozess der Liberalisierung der Märkte und der Privatisierung öffentlicher Unternehmen keine sichtbaren Vorteile in Bezug auf Preise, Dienstleistungsqualität oder Senkung der öffentlichen Ausgaben gebracht hat. Die Verbraucherverbände und Anwender-Vereinigungen haben im Gegenteil über Preissteigerungen, einen Rückgang im Niveau der Dienstleistungsqualität und Erhöhungen bei den Bereitstellungskosten berichtet. Des Weiteren trägt die Liberalisierung dazu bei, Arbeitsplätze in den betroffenen Sektoren zu vernichten und private Monopole zu schaffen, die die Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte gefährden;

6.  ist der Auffassung, dass die Geld- und Steuerpolitik in der EU eine negative Auswirkung auf Wirtschafts- und Beschäftigungszuwachs hatte und betont die Notwendigkeit, eine Geld- und Steuerpolitik zu betreiben, die den wirtschaftlichen Wideraufschwung fördert und der Arbeitslosigkeit entgegenwirkt;

7.  bedauert das vom Europäischen Rat im Dezember 2005 erzielte Abkommen über den Finanzrahmen für den Zeitraum 2007-2013, insbesondere die Kürzungen bei den Strukturfonds (von 0,41 % des EU-BNE auf 0,37 %) und bei den Programmen in den Bereichen Sozialpolitik, Umwelt, Forschung, Kultur und Bildung;

8.  hält 1,045 % des EU-BNE für äußerst unzureichend und betont, dass der Finanzrahmen für 2007-2013 zu einer tatsächlichen Aufstockung des EU-Haushalts führen muss, um den sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Herausforderungen einer erweiterten EU und den Erfordernissen der Kohäsion Rechnung tragen zu können;

9.  betont, dass die EU einen makroökonomischen Rahmen benötigt, der die nachhaltige Entwicklung, eine verstärkte umweltfreundliche Binnennachfrage, Vollbeschäftigung bei Achtung der Rechte und den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt fördert; fordert die Mitgliedstaaten und die Union daher auf, sich auf eine kohärente europäische Investitionsstrategie zu einigen, indem sie ein „EU-Investitionsprogramm für nachhaltige Entwicklung und Beschäftigung“ in Höhe von wenigstens 1 % des EU-BNE schaffen, das von den Mitgliedstaaten ergänzt werden sollte;

10.  fordert eine kombinierte und koordinierte expansive Steuerpolitik der EU und ihrer Mitgliedstaaten, die darauf abzielt, die Binnennachfrage, die öffentliche Investition, Forschung und Bildung sowie die Entwicklung der Humanressourcen voranzutreiben, und auf folgenden Faktoren beruht :

  • i)Lockerung der Geldpolitik der EZB, basierend auf demokratischer Kontrolle und wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten, die parallel zu einem Wandel in ihrem allumfassenden Ziel der Preisstabilität eingeführt werden muss;
  • ii)Annullierung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes;

11.  unterstreicht die Bedeutung einer progressiven Lohn- und Gehaltspolitik zur Förderung der Binnennachfrage, zur Verbesserung der sozialen Eingliederung und zur Bekämpfung von Ungleichgewichten bezüglich des Arbeitsentgelts; bedauert, dass maßvolle Lohnerhöhungen immer noch eines der Ziele der integrierten Leitlinien darstellt;

12.  fordert, dass die Lissabon-Strategie ersetzt wird durch eine „Europäische Strategie für Solidarität und nachhaltige Entwicklung“, die speziell ausgerichtet ist auf die spezifischen Stärken der EU-Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitiken und die Investitionen fördert – und zwar in:

  • i)Forschung und Innovation, Gleichheit der Arbeit in allen Facetten und Verbesserung der Qualifikationen, um so zu einer bestens geschulten und ausgebildeten Arbeitnehmerschaft zu gelangen,
  • ii)Basisinfrastrukturen und die Industrietätigkeit fördernde Infrastrukturen,
  • iii)in öffentliche Einrichtungen, um deren Qualität zu verbessern,
  • iv)Umweltschutz und Ökotechnologien,
  • v)die Verbesserung der Mindestbestimmungen betreffend Arbeit, Sozialschutz, Umwelt und Sicherheit, um eine Harmonisierung auf höchstem Niveau zu ermöglichen,
  • vi)die Sozialwirtschaft;

13.  in der Erwägung, dass die Umweltpolitik ein nennenswertes wirtschaftliches Potenzial zur Schaffung von sowohl direkten als auch indirekten Arbeitsplätzen im großen Maßstab sein kann, sofern Innovation und Industriepolitik auf die Förderung der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet sind;

Evaluierung der NRP und des Jährlichen Fortschrittsberichts im Hinblick auf die Frühjahrstagung des Europäischen Rates 2006

14.  betont, dass das Lissabon-Programm der Gemeinschaft und die NRP im Rahmen der revidierten Lissabon-Strategie ein Instrument darstellen, die eine Art nationale Rechtfertigung liefern und die Förderung einheitlicher struktureller Reformen in allen Mitgliedstaaten ermöglichen, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich der sozialen Sicherheit, woraus sich wichtige wirtschaftliche und soziale Konsequenzen ergeben werden, die durch die integrierten Leitlinien und den Stabilitäts- und Wachstumspakt noch weiter verstärkt werden;

15.  nimmt den jährlichen Fortschrittsbericht der Kommission zur Kenntnis und bedauert, dass in den grundlegenden Prioritäten der Kommission im Namen der Aktivierung von Unternehmenspotenzial und Privatinvestition eine gewisse tendenzielle Ausrichtung zu beobachten ist, insbesondere betreffend

  • i)die Lieferung einer Rechtfertigung für weitere Privatisierungen der sozialen Sicherheit, um so die Sozialleistungen zu kürzen und das gesetzlich festgelegte und effektive Ruhegehaltsalter zu erhöhen;
  • (ii)die Betonung einer noch stärkeren Flexibilität des Arbeitsmarktes mit dem neuen Konzept der „Flexicurity“ zusammen mit der Beschäftigungsfähigkeit,

   (iii)   die Verknüpfung von Investitionen in Forschung und Entwicklung und Ausbildung mit den Launen des freien Marktes und die daraus resultierende Rechtfertigung der Nutzbarmachung von Wissen und Forschung,

  • (iv)die Betonung der Liberalisierung der Energiemärkte und absoluter Vorrang für die Vollendung des Dienstleistungsbinnenmarktes;
  • 16.bedauert das von der Kommission eingeführte Konzept der “Flexicurity”, das als eine Kombination von ausreichend flexiblen Arbeitsverträgen und Arbeitsmarktpolitiken, die einen häufigen Arbeitsplatzwechsel begünstigen, definiert wird; ist der Auffassung, dass dieses Konzept mit dem Konzept der Beschäftigungsfähigkeit zusammenhängt, das die Arbeitsplatzbeschaffung der Verantwortung des Arbeitnehmers überträgt; betont, dass beide Konzepte eine Deregulierung des Arbeitsmarkts und die Liberalisierung von Massenentlassungen befördern, was den sozialen Zusammenhalt und die Qualität der Arbeit in Gefahr bringt;
  • 17.ist tief betroffen, dass die wichtigsten Leitlinien der nationalen Strategieprogramme für nachhaltige Ruhegehälter der zweiten Generation zu Gunsten einer Privatisierung der Altervorsorge, der Anhebung des Rentenalters und der Senkung der Ansprüche konzipiert sind; bedauert, dass die Kommission darauf besteht, der so genannten Modernisierung der Sozialschutzsysteme weiter den Weg zu ebenen;
  • 18.ist der Auffassung, dass der im Rahmen der Lissabon-Strategie ausgeübte Druck der Kommission und des Rates im Hinblick auf einen weiteren Abbau bzw. eine weitere Privatisierung der öffentlichen Altervorsorge und eine Anhebung des tatsächlichen und gesetzlichen Rentenalters; verwirft jeden Versuch der Anhebung des gesetzlichen Rentenalters;
  • 19.bedauert, dass bei den letztes Jahr von der Kommission vorgeschlagenen acht EU-Schlüsselmaßnahmen der Vollendung des Dienstleistungsbinnenmarktes und der Annahme der Bolkestein-Richtlinie Vorrang eingeräumt wird; bekräftigt seine Entschlossenheit, die wirtschaftliche Bedeutung des Dienstleistungssektors für die europäische Wirtschaft und Arbeitsplatzschaffung zu berücksichtigen, ist aber der Auffassung, dass die Liberalisierung der Dienstleistungen die Deregulierung der Arbeitsmärkte und Sozial- und Umweltdumping fördert sowie die öffentlichen Dienste, die Arbeitsplätze, die sozialen Rechte und die Verbraucherrechte gefährdet; verwirft die Bolkestein-Richtlinie und fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt zurückzuziehen;
  • 20.verweist auf den Widerspruch zwischen der Förderung eines flexiblen Arbeitsmarkts und unsicheren Arbeitsplätzen sowie die notwendige Förderung der Qualität der Arbeit in allen ihren Aspekten; weist darauf hin, dass die Arbeitsmarktreformen zu einer Verringerung des Produktivitätswachstums geführt haben; fordert die Kommission auf, eine Mitteilung über den Zusammenhang zwischen der Qualität der Arbeit und der Produktivität zu erstellen;
  • 21.verweist auf den tief verwurzelten Kampf und Widerstand der Arbeitnehmer, Verbraucher und Nutzer öffentlicher Dienste gegen den gegenwärtigen Liberalisierungsprozess und die Reformen des Arbeitsmarkts und der sozialen Sicherheit und fordert den im Frühling anberaumten Europäischen Rat auf, dies zu berücksichtigen und die gegenwärtigen Vorschläge der Gewerkschaften, Verbraucherverbände und Zusammenschlüssen der Nutzer öffentlicher Dienste einzubeziehen;
  • 22.bedauert, dass die Kommission in ihrer Mitteilung genau wie auch in ihrem Frühlingsbericht 2005 die soziale Agenda - und zwar die Strategie der sozialen Integration im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung - ganz und gar vernachlässigt hat;
  • 23.bedauert, dass die meisten nationalen Reformprogramme die Strategie der sozialen Integration nicht erwähnen, obwohl sie ein Pfeiler der sozialen Agenda und der im März 2000 beschlossenen Lissabon-Strategie ist; verweist darauf, dass 72 Millionen Personen in der erweiterten EU einem Armutsrisiko ausgesetzt sind; fordert den im Frühling anberaumten Europäischen Rat auf, das ehrgeizige Ziel der Halbierung der Armutsrate in der EU bis 2010 und der Halbierung der im S80/S20-Indikator ausgedrückten Einkommensungleichheiten festzulegen;
  • 24.bedauert, dass die meisten nationalen Reformprogramme sich auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze fokussieren und dabei Qualitätsaspekte, die andere Seite der Medaille, ignorieren; betont, dass die Förderung der Qualität der Arbeit in allen Aspekten im jährlichen Fortschrittsbericht und in den nationalen Reformprogrammen nicht angemessen behandelt wurde und ist der Auffassung, dass sie eine Priorität für die EU sein sollte, weil sie in engem Zusammenhang mit der Lebensqualität, sozialen Integration und Produktivität steht; fordert den im Frühling anberaumten Europäischen Rat auf, das Ziel festzulegen, dass die Hälfte der Zahl der Angestellten in der EU mit befristeten Arbeitsverträgen bis 2010 einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat;
  • 25.anerkennt die Bedeutung der öffentlichen Dienste für die Förderung des sozialen, wirtschaftlichen und regionalen Zusammenhalts in der Europäischen Union; übt heftige Kritik an dem Vorurteil gegenüber dem Staat als Erbringer von Diensten im allgemeinen Interesse und fordert, dass öffentliche Güter vom öffentlichen Sektor verwaltet werden;
  • 26.anerkennt, dass die EU ein starkes Engagement für eine Senkung der Arbeitszeit ohne Gehaltseinbußen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Produktivitätssteigerung braucht; fordert die Kommission auf, ihren Vorschlag zur Änderung der Arbeitszeitrichtlinie zurückzuziehen;
  • 27.anerkennt, dass die in der Initiative für bessere Rechtsvorschriften vorgeschlagenen Bewertungen der Kostenwirksamkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu Gunsten der Geschäftsinteressen konzipiert sind und den Abbau aller dem Wettbewerb oder der Rentabilität abträglichen Rechtsvorschriften beeinträchtigen, zum wichtigsten Ziel haben; ist der Auffassung, dass Folgenabschätzungen die ursprünglichen Ziele vorgeschlagener oder bestehender Rechtsvorschriften, d.h. den Schutz der Rechte im Bereich der Arbeit, des Sozialen, der Umwelt und der Verbraucher, nicht in Frage stellen sollten;

   Hin zu Solidarität und zur sozialen Agenda

  • 28.betont, dass die Lissabon-Strategie im Hinblick auf die Schaffung einer breiten Koalition für den Wandel danach streben muss, die Systeme der sozialen Vorsorge zu verbessern statt zu schwächen (ohne die Grundrechte auf Rente, Krankenversicherung und Arbeitslosengeld oder erworbene Rechte und Vergünstigungen anzutasten) und jene Arbeitsmärkte zu fördern, die der Qualität der Arbeit und der gerechten Verteilung der erwirtschafteten Gewinne den Vorrang geben, und keinen nach unten gerichteten Druck auf die Sozial- und Umweltstandards ausüben darf;
  • 29.betont, dass die Nachhaltigkeit der sozialen Sicherheit am besten durch Vollbeschäftigung mit Rechten, einer abgestuften Einkommenspolitik und der vollen Integration/Legalisierung der eingewanderten Arbeitnehmer, einer gerechten Einkommensverteilung, einem ausreichenden Produktivitätswachstum und der koordinierten Bekämpfung der Schwarzarbeit zu sichern ist; ist der Auffassung, dass es wichtig ist, den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen zu gewährleisten und zu erhöhen; betont, dass neue Instrumente der Finanzierung der öffentlichen Systeme der sozialen Sicherheit entwickelt werden müssen, zum Beispiel Sondersteuern auf Kapitalmarkttransaktionen oder eine Abgabe auf der Basis des Mehrwerts des Unternehmens;
  • 30.betont die Bedeutung einer neuen sozialpolitischen Agenda mit folgenden Zielen:
  • (i)die Entwicklung einer integrativen und kohäsiven Gesellschaft, was Maßnahmen zu Gunsten stabiler Arbeitsplätze und die Beachtung der Arbeitnehmerrechte voraussetzt,
  • (ii)die Entwicklung einer Gesellschaft, die auf der Gleichstellung der Geschlechter und der Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung beruht,

   (iii)   die Verteilung des erwirtschafteten Reichtums zur Verbesserung des Wohlergehens aller, was öffentlich bereitgestellte universelle Systeme der sozialen Vorsorge sowie den garantierten universellen Zugang zu qualitativ hochwertigen öffentlichen Diensten einschließlich der Gesundheit, der Bildung und des Wohnungswesens voraussetzt,

  • (iv)eine Sozialpolitik, die alle Gruppen berücksichtigt,
  • (v)bürgernahe Demokratie als Bestandteil der verschiedenen Sozial- und Beschäftigungspolitiken;
  • 31.verweist auf die Notwendigkeit verbesserter Infrastrukturen im Bildungs- und Sozialbereich sowohl für jüngere als auch ältere Menschen einschließlich der Möglichkeit für lebenslanges Lernen, erschwingliche Kinderbetreuung sowie Kranken- und Altenpflege; erinnert die Mitgliedstaaten an ihre anlässlich des Gipfels von Barcelona 2002 eingegangene Verpflichtung, bis 2010 Tagesbetreuungseinrichtungen für mehr als 33 % aller Kinder unter drei Jahren und für 90 % aller Kinder zwischen drei Jahren und dem schulpflichtigen Alter einzurichten;
  • 32.betont, dass politische Strategien vonnöten sind, um die Gleichstellung von Frauen und Männern durchzusetzen (zum Beispiel gleiche Löhne, Mutter- und Vaterschaftsurlaub, und Zugang zu qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen) und bessere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu schaffen, auch während der verschiedenen Phasen des Berufslebens, und die Infrastrukturen zur Erziehung und Versorgung von Abhängigen quantitativ und qualitativ zu verbessern;
  • 33.verweist auf notwendige Maßnahmen zur Förderung der Gleichbehandlung und Bekämpfung von Diskriminierungen, insbesondere durch neue legislative Initiativen zur Umsetzung von Artikel 13 des EG-Vertrags im Bereich der Rechte der Frauen, der Einwanderer und Menschen mit einer Behinderung; verweist auch auf die notwendige Stärkung der Verbindung zwischen dem Europäischen Sozialfonds und den nationalen Aktionsplänen für die Beschäftigung und soziale Integration, um letzteren eine angemessene Finanzierung zu ermöglichen und sicherzustellen, dass die nationalen Parlamente, die in den oben genannten Bereichen tätigen nichtstaatlichen Organisationen und die Akteure des Arbeitsmarkts wirklich zusammenarbeiten können;
  • 34.erinnert an die Strategie der Kommission für neue Möglichkeiten der Arbeitsplatzschaffung, insbesondere durch die Förderung der lokalen, gemeinschaftsbasierten Dienste, der öffentlichen Dienste, der Sozialdienste, der Dienste für Einzelpersonen, der kulturellen Dienste und der Umweltberufe; ist der Auffassung, dass diese Strategie auch die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze angemessen berücksichtigen sollte, so dass dies nicht zur Schaffung von „Minijobs“ führt;
  • 35.ist der Auffassung, dass die Einwanderungspolitik die erfolgreiche wirtschaftliche und soziale Integration von Einwanderern fördern sollte, die auch zur Nachhaltigkeit der sozialen Sicherheit beitragen könnten; ist der Auffassung, dass eine erfolgreiche Einwanderungspolitik auch von der Umsetzung einer umfassenden und vorausschauenden Strategie der vollen Integration abhängt, die eine Reihe sozialer, wirtschaftlicher und bürgerbezogenen Maßnahmen umfasst;

Mehr Investitionen in Forschung, Bildung und Innovation

36.  ist der Auffassung, dass ökologische Innovation und FuE zum Erreichen des allgemeinen politischen Ziels der nachhaltigen Entwicklung wichtig sind und zur Schaffung von Wohlfahrt und Arbeitsplätzen beitragen; unterstreicht die Bedeutung öffentlich finanzierter diesbezüglicher Grundlagenforschung und angewandter Forschung;

37.  unterstreicht, dass eine expansive makroökonomische Politik sich auf die Förderung ökologischer Innovation richten muss, da nur bei Verknüpfung von stärkerer Nachfrage und Wirtschaftswachstum mit erheblicher Verringerung des Energie- und Rohstoffverbrauchs nachhaltige Entwicklung möglich ist;

38.  vertritt die Auffassung, dass FuE-Investitionen darauf ausgerichtet sein sollten, die Lebensqualität zu verbessern und die nachhaltige Entwicklung zu fördern, und dass im 7. Forschungsrahmenprogramm 2007-2013 das Schwergewicht auf die Sozialwissenschaften, die Informationsgesellschaft (einschließlich freier und Open-Source-Software), Vorsorgemedizin und Gesundheitsversorgung, Lebensmittelsicherheit, Chemikalienkontrolle, Umwelttechnologien und Tätigkeiten im Bereich der nachhaltigen Entwicklung wie erneuerbare Energien und umweltfreundliche Landwirtschaft, etwa den ökologischen Landbau, gelegt werden sollte;

39.  ist der Auffassung, dass die EU diese strategischen Prioritäten durch Stärkung ihrer Innovations- und Forschungskapazitäten umsetzen sollte, und bedauert in diesem Zusammenhang die in diesem Bereich vom Europäischen Rat im Dezember vorgenommenen Einschnitte in der Finanziellen Vorausschau 2007-2013;

40.  fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen zur Förderung von Innovationen nicht nur in mittelgroßen Unternehmen sondern auch in den 20 Millionen kleinen europäischen Unternehmen, die wesentlich das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa tragen, zu verdoppeln; ist der Auffassung, dass ein besserer Zugang der KMU zum 7. Forschungsrahmenprogramm entscheidend für die Stärkung der Fähigkeit der KMU ist, Arbeitsplätze zu schaffen;

41.  ist besorgt über die übermäßige Konzentration auf die unmittelbare Nutzanwendung von Wissen und Forschung und warnt davor, nur noch profitmaximierte angewandte Forschung mit Marktchancen zur Reife zu bringen;

42.  unterstreicht die Bedeutung einer Anhebung des allgemeinen Bildungs- und Qualifizierungsniveaus in der Bevölkerung, um Innovationen und Forschung und Entwicklung zu fördern, und ist der Auffassung, dass verstärkte Investitionen in Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen dafür grundlegend sind; vertritt die Auffassung, dass die Qualität der Bildungs- und Ausbildungssysteme auf den verschiedenen Lebensstufen gestärkt und der Zugang zu höherer Bildung erleichtert werden müssen; unterstreicht die Notwendigkeit, dass die Unternehmen stärker in die Ausbildung ihrer Arbeitskräfte investieren;

43.  fordert die Mitgliedstaaten auf, sich in erster Linie auf das Problem der Schulabbrecher im Primär- und Sekundarschulbereich zu konzentrieren; ist der Auffassung, dass der Anteil der Schulabbrecher in der EU (1 auf 5 Schüler) unakzeptabel hoch ist; fordert den Europäischen Rat im Frühjahr auf, ehrgeizige Ziele im Hinblick auf eine Verringerung dieser Quote um die Hälfte bis 2010 festzulegen; ist besorgt darüber, dass die von der Kommission für den nächsten Frühjahrsgipfel vorgelegten Vorschläge spezifische Zielsetzungen für die Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Schulabgänger zur Reduzierung der Schulabbrecherquote enthalten;

In Richtung auf eine kohärente Energiepolitik

44.  ist der Auffassung, dass Energie und Energieversorgung für die wirtschaftliche Entwicklung und für das Wohlergehen der Bevölkerung von grundlegender Bedeutung sind; unterstreicht, dass die Energie ein öffentliches Gut und die Energieversorgung eine öffentliche Dienstleistung sind; bedauert, dass die meisten nationalen Reformprogramme und der jährliche Fortschrittsbericht der Liberalisierung der Energiemärkte bis 2007, wie von den Mitgliedstaaten im Rat beschlossen, weiterhin Vorrang einräumen; erinnert daran, dass diese Liberalisierung zu Preiserhöhungen führen und die Versorgung mit Dienstleistungen gefährden kann;

45.  ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten der EU erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden und den gegenwärtigen nichtnachhaltigen Trend umzukehren; unterstreicht, dass die ökologische und soziale Nachhaltigkeit Kernstück der gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen öffentlichen Investitionsprogramme sein muss; stellt fest, dass die Investitionen verstärkt werden sollten zur Förderung der erneuerbaren Energien, der Abkopplung des Wirtschaftswachstums vom Energiewachstum und der Ressourcennutzung, Verbesserung der Energieeffizienz und zur Energieeinsparung über eine Verringerung des Gesamtenergieverbrauchs; ist der Auffassung, dass ein rascher Übergang zu erneuerbaren Energien Kernstück der Lissabon-Strategie und eine der wesentlichen Prioritäten des 7. Gemeinschaftlichen Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung sein sollte;

46.  ist der Auffassung, dass eine kohärente Energiepolitik für eine nachhaltige Entwicklung wesentlich ist, die eine Reduzierung des Energieverbrauchs, verbesserte Effizienz und Nutzung erneuerbarer Energien impliziert; stellt fest, dass ein Wechsel bei den Ansätzen im Hinblick auf den Energieverbrauch zu einer Verringerung des gegenwärtigen Energieverbrauchs in Europa um etwa 20 % führen dürfte; ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass die Diskussionen über Energiefragen auf dem Frühjahrsgipfel zu konkreten Maßnahmen im Bereich der Energieeinsparung, der Ressourceneffizienz und der weiteren Förderung erneuerbarer Energien führen sollten;

47.  betont daher, dass die EU beträchtliche Mittel in die Realisierung des größten Energieeinsparungspotenzials investieren sollte bei gleichzeitiger Schaffung von Arbeitsplätzen in jenen Sektoren, die kurzfristig am ergiebigsten sind, insbesondere im Gebäudesektor, auf den über 40 % des gesamten Energieverbrauchs in der EU25 entfallen;

48.  ist sich der Tatsache bewusst, dass eine langfristige Energiesicherheit nicht ohne eine Umstellung auf erneuerbare Energien möglich ist, und fordert höhere Anstrengungen, um sicherzustellen, dass die gesetzten Ziele in den Bereichen erneuerbare Energien, Elektrizität aus erneuerbaren Energien, Biotreibstoffe und Energieeffizienz voll erreicht werden; fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Anreize zu schaffen und Investitionen in erneuerbare Energien vorzunehmen, um die im Hinblick auf erneuerbare Energie gesetzten Ziele zu erreichen oder noch zu übertreffen;

49.  ist der Auffassung, dass die Bekämpfung des Klimawandels wirtschaftliche und soziale Chancen bietet, die dazu beitragen können, die Strategie einer nachhaltigen Entwicklung zu stützen; weist auf die Notwendigkeit rechtlich verbindlicher Ziele im Hinblick auf die Reduzierung der Treibhausgase; fordert die Kommission nachdrücklich auf, die Bedeutung des Klimaschutzes in den Gesprächen mit internationalen Partnern, insbesondere den Vereinigten Staaten, zu unterstreichen und zu betonen, dass die Beziehungen zwischen der EU und Drittländern von mangelnder konstruktiver Einstellung in dieser Frage nicht unberührt bleiben können;

50.  betont die vorhandenen Kapazitäten im Hinblick auf Alternativen und die Wechselbeziehungen zwischen Energie, Umwelt und Landwirtschaft – zum letztendlichen Wohl der Bürger und ihrer Lebensqualität sowie der beteiligten wirtschaftlichen Sektoren – im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung; ist gleichwohl der Auffassung, dass die richtige Ausgewogenheit hergestellt werden sollte zwischen Anbaupflanzen, die der Nahrung dienen, und solchen, die der Energieerzeugung dienen, um sicherzustellen, dass Unabhängigkeit und Sicherheit im Nahrungsmittelbereich nicht gefährdet werden;

51.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.