ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
3.4.2006
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Stefano Zappalà, Simon Busuttil, David Casa und Patrick Gaubert
im Namen der PPE-DE-Fraktion
zur Bewältigung des außergewöhnlichen Zustroms von Migranten nach Malta
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0235/2006
B6‑0241/2006
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Bewältigung des außergewöhnlichen Zustroms von Migranten nach Malta
Das Europäische Parlament,
– – unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, insbesondere auf Artikel 14,
– unter Hinweis auf die Genfer Konvention von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, insbesondere auf Artikel 31,
– unter Hinweis auf die Europäische Menschenrechtskonvention, insbesondere auf Artikel 5,
– unter Hinweis auf die Grundrechtscharta der Europäischen Union[1], insbesondere auf die Artikel 1 und 18,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten und die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, die so genannte Dublin-II-Verordnung, zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist,
– gestützt auf Artikel 6 des EU-Vertrags und Artikel 63 des EG-Vertrags,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass eine Delegation des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am 24. März 2006 nach Malta gereist ist, um die Zentren für Verwaltungsgewahrsam zu besichtigen, namentlich die Zentren Hal Safi, Hal Far und Lyster Barracks, und mit den maltesischen Behörden und nichtstaatlichen Organisationen zusammenzutreffen, um über die Einwanderungsfrage zu beraten,
B. in Erwägung der von den Mitgliedern der Delegation vor Ort getroffenen Feststellungen,
C. in der Erwägung, dass die an den südlichen Grenzen der Europäischen Union gelegene Insel Malta als kleine Insel mit einer Größe von 316 km2 und 400 000 Einwohnern bei einer Bevölkerungsdichte von 1 200 Einwohnern pro km2 ganz offensichtlich nur über sehr begrenzte Kapazitäten für die Aufnahme und Unterbringung der Migranten und Asylbewerber verfügt, die regelmäßig in großer Anzahl an seinen Küsten landen,
D. in der Erwägung, dass die im Jahresdurchschnitt in Malta ankommenden Personen 45% der maltesischen Geburtenrate entsprechen und dass in Malta eine ankommende Person im Verhältnis zur Bevölkerung 140 ankommenden Personen in Italien, 150 in Frankreich und 205 in Deutschland entspricht; in der Erwägung, dass 2005 1 800 Personen in Malta angekommen sind, was 252 000 ankommenden Personen in Italien, 270 000 in Frankreich und 369 000 in Deutschland entspricht,
E. in der Erwägung, dass Malta 1% seines Staatshaushalts zur Bewältigung der aktuellen Situation aufwendet, die sich in den kommenden Monaten und Jahren nur noch verschlimmern kann; in der Erwägung, dass Malta einen erheblichen Teil seiner Armee und seine Polizeikräfte, d.h. über 10% seines Personals zur Bewältigung der humanitären Notsituation und zur Verwaltung der Gewahrsams- und Aufnahmezentren einsetzt,
F. in der Erwägung, dass Malta nicht das Endbestimmungsland der auf der Insel ankommenden Personen ist, die erklären, dass sie in andere Länder der Europäischen Union einreisen möchten,
G. in der Erwägung, dass die maltesischen Behörden nicht über genügend Personal verfügen, um die Asylanträge innerhalb einer vertretbaren Frist zu bearbeiten,
H. in der Erwägung, dass ein Teil der in Malta ankommenden Personen aus Ländern stammt, in denen Krieg herrscht, namentlich aus Ländern am Horn von Afrika und aus Darfour, und dass es schwierig ist, sie in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken,
I. in der Erwägung, dass die Unterbringung in „offenen Zentren“ dem Aufenthalt in echten Gewahrsamszentren immer noch vorzuziehen ist, wie dies die Erfahrung in den Städten Ceuta und Melilla gezeigt hat,
J. in der Erwägung, dass die Höchstdauer des Gewahrsams einen vernünftigen Zeitraum nicht überschreiten darf,
K. in der Erwägung, dass die maltesische Bevölkerung von der Europäischen Union ein Zeichen der Solidarität und der Unterstützung erwartet, das bisher jedoch noch ausgeblieben ist,
L. in der Erwägung, dass die Europäische Union dringend mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln einschreiten müsste, um Malta bei seinen Bemühungen zu unterstützen, die Migrationsströme zu bewältigen, wie dies auch von den maltesischen Behörden gewünscht wird,
M. in der Erwägung, dass der Beitritt zur Europäischen Union für Malta und andere kleine Länder Probleme bei der Anwendung der Verordnung Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003, der so genannten Dublin-II-Verordnung, aufwirft,
1. erkennt die Schwierigkeiten an, vor die sich Malta in den letzten Jahren bei der Bewältigung des Migrationsdrucks gestellt sieht;
2. äußert seine Solidarität mit der maltesischen Bevölkerung, den maltesischen Behörden und den Ordnungskräften, die sich angesichts der Größe Maltas und seiner Bevölkerungszahl und angesichts der Tatsache, dass Malta nicht das Endbestimmungsland der Migranten und Asylbewerber ist, mit einem erheblichen Problem konfrontiert sehen;
3. begrüßt, dass die maltesischen Behörden um Transparenz bemüht sind und der Delegation des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten und der Presse freien Zugang zu den Zentren gewährt haben;
4. bedauert jedoch die unhaltbaren Lebensbedingungen der Migranten und Asylbewerber in den Zentren für Verwaltungsgewahrsam in Malta;
5. fordert die maltesischen Behörden auf, die Dauer, für die Migranten in Gewahrsam gehalten werden, erheblich zu verkürzen;
6. setzt sich für eine stärkere Rolle der Europäischen Union bei der Bewältigung humanitärer Notsituationen ein, die durch Migrationsströme und Asylbewerber verursacht werden;
7. vertritt die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten der Union sich stärker solidarisch mit den Mitgliedstaaten zeigen sollten, die besonders stark unter dem Zustrom von Migranten leiden, deren Ziel die EU ist, und fordert die Mitgliedstaaten auf, aus Malta und anderen kleinen Ländern stammende Asylbewerber auf ihrem Hoheitsgebiet aufzunehmen, indem sie insbesondere die im ARGO-Programm und im Europäischen Flüchtlingsfonds sowie im Europäischen Fonds für die Zusammenarbeit an den Außengrenzen, im Europäischen Integrationsfonds und im Rückführungsfonds für den Zeitraum 2007-2013 vorgesehenen Mittel verwenden;
8. fordert die Kommission auf, umgehend die Schaffung eines Soforthilfefonds vorzuschlagen, um humanitäre Krisen in den Mitgliedstaaten zu bewältigen, und im Rahmen der neuen Fonds für den Zeitraum 2007-2013 einen Soforthilfemechanismus vorzusehen, damit in Notsituationen Finanzhilfe geleistet werden kann;
9. fordert die Kommission dringend auf, umgehend einen Vorstoß zur Änderung der Verordnung Nr. 343/2003, der so genannten Dublin-II-Verordnung, zu unternehmen, durch die deren eigentlicher Grundsatz, wonach das erste Einreiseland der für die Bearbeitung eines Asylantrags zuständige Mitgliedstaat ist, was für die Länder im Süden und Osten der EU eine untragbare Belastung darstellt, in Frage gestellt wird und ein Mechanismus für eine gerechte Verteilung der Verantwortlichkeiten auf die Mitgliedstaaten festgelegt wird;
10. fordert den Rat auf, so rasch wie möglich gemeinsam mit dem Parlament die „Rückführungsrichtlinie“ zu erlassen, die unter anderem die Festlegung von Mindestnormen für die Haftbedingungen irregulärer Migranten in der Europäischen Union vorsieht;
11. erinnert daran, dass die Einwanderungs- und Asylpolitik der Gemeinschaft auf der Öffnung der legalen Einwanderungswege und auf der Definition gemeinsamer Standards für den Schutz der Grundrechte der Einwanderer und der Asylbewerber in der gesamten Europäischen Union beruhen muss, wie dies 1999 vom Europäischen Rat von Tampere festgelegt und durch das Programm von Den Haag bestätigt wurde;
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen zu übermitteln.
- [1] ABL. C 364 vom 18.12.200, S. 1.