Entschließungsantrag - B6-0296/2006Entschließungsantrag
B6-0296/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

23.5.2006

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Francis Wurtz
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zur Lage der Häftlinge in Guantánamo

Verfahren : 2006/2572(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0296/2006

B6‑0296/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der Häftlinge in Guantánamo

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis der verschiedenen Genfer Konventionen, insbesondere der Dritten Konvention über die „Behandlung von Kriegsgefangenen“ und der Vierten Konvention über den „Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten“,

–  in Kenntnis des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

–  in Kenntnis der Leitlinien der Europäischen Union gegen Folter und Todesstrafe sowie ihrer Leitlinien für den Menschenrechtsdialog mit Drittländern,

–  in Kenntnis des Berichts von Amnesty International vom April 2006 über die Umsetzung der Verpflichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Guantánamo, insbesondere seine Entschließung vom 7. Februar 2002 und seine Entschließung vom 15. Februar 2006 zu Guantánamo, sowie auf seine Empfehlung vom 10. März 2004 an den Rat,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass der UN-Ausschuss gegen Folter, der sich aus unabhängigen Sachverständigen zusammensetzt, am 19. Mai 2006 einen niederschmetternden Bericht veröffentlichte, in dem die schweren Verstöße der Vereinigten Staaten gegen das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter aus dem Jahr 1984 beschrieben werden,

B.  in der Erwägung, dass aus diesem Bericht eindeutig hervorgeht, dass die amerikanischen Behörden systematisch Foltermethoden gegen Häftlinge einsetzen, vor allem in den von den USA kontrollierten Gefangenenlagern wie jenem in Guantánamo Bay (Kuba),

C.  in der Erwägung, dass die Haftbedingungen in diesen Lagern unmenschlich und erniedrigend sind und dass es im Gefangenenlager von Guantánamo seit seiner Einrichtung durch die USA im Jahr 2002 41 Selbstmordversuche gegeben hat,

D.  unter Hinweis darauf, dass das Pentagon unter internationalem Druck am 16. Mai 2006 eine Liste von 759 Gefangenen veröffentlicht hat, die im amerikanischen Gefangenenlager von Guantánamo inhaftiert sind; allerdings unter Betonung der Tatsache, dass sich das Pentagon geweigert hat, zu präzisieren, ob diese Liste erschöpfend ist und die Namen aller Gefangenen enthält, die Guantánamo durchlaufen haben, so dass die Möglichkeit offen bleibt, dass noch nicht identifizierte Häftlinge von anderen Regierungsorganen in Guantánamo inhaftiert wurden,

1.  verurteilt in aller Schärfe die Regierung der USA wegen der schweren und andauernden Verstöße gegen die Menschenrechte, die durch ihre Vertreter in Guantánamo begangen werden;

2.  verurteilt die Regierung der USA, weil sie in den Gefangenenlagern unter amerikanischer Kontrolle, insbesondere Guantánamo, praktisch zum Einsatz von Folter anstiftet und diesen „legalisiert“; betont, dass viele dieser Verstöße gegen Menschenrechtsstandards ein unmittelbares Ergebnis der Regierungspolitik sind, einschließlich von Bestrebungen der USA, ihre Auslegung der Definition von Folter gemäß Artikel 1 des entsprechenden Übereinkommens der Vereinten Nationen einzuengen, der Genehmigung von Verhörmethoden, die nach nationalem wie auch nach internationalem Recht verboten sind, und der Inhaftierung von Häftlingen in geheimen Gefangenenlagern;

3.  erinnert daran, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus unter gebührender Achtung der Grundrechte und der einschlägigen internationalen Übereinkommen erfolgen muss;

4.  fordert die amerikanischen Behörden erneut auf, alle vom Ausschuss der Vereinten Nationen kritisierten Gefangenenlager so rasch wie möglich zu schließen; fordert in Bezug auf Guantánamo die sofortige Schließung aller militärischen Einrichtungen der USA;

5.  fordert die Vereinigten Staaten auf, alle Schlussfolgerungen des Berichts des UN-Ausschusses gegen Folter vom 19. Mai 2006 zu akzeptieren und umzusetzen, insbesondere jene, in denen die Vereinigten Staaten aufgefordert werden, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um jede Form der Folter durch ihre Sicherheitskräfte auszumerzen;

6.  unterstützt uneingeschränkt die Schlussfolgerungen des Berichts des UN-Ausschusses gegen Folter, insbesondere jene, in denen die Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit Guantánamo aufgefordert werden,

  • a)zu gewährleisten, dass niemand in geheimen Gefangenenlagern auf dem Hoheitsgebiet der Vereinigten Staaten, auf Gebiet unter ihrer Gerichtshoheit oder an Orten unter ihrer De-facto-Kontrolle festgehalten wird,
  • b)anzuerkennen, dass das Festhalten von Personen in geheimen Lagern per se je nach den genauen Umständen, dem Zweck und der Härte einen Akt der Folter oder der grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe darstellt,
  • c)davon abzulassen, Personen in Guantánamo Bay zu inhaftieren, und dieses Gefangenenlager zu schließen, den Gefangenen Zugang zu einem Gerichtsverfahren zu ermöglichen oder sie so rasch wie möglich freizulassen und dabei zu gewährleisten, dass sie nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in dem die reale Gefahr besteht, dass sie gefoltert werden;

7.  erinnert daran, dass die Vereinigten Staaten vom Ausschuss gegen Folter auch verdächtigt werden, Folter „auszulagern“, indem sie Terrorverdächtige in andere Länder bringen, um sie dort zu verhören, und erwartet diesbezüglich die Schlussfolgerungen seines Nichtständigen Ausschusses zu der vermuteten Heranziehung europäischer Staaten zur Beförderung und unrechtmäßigen Inhaftierung von Gefangenen durch die CIA;

8.  fordert die zuständigen amerikanischen Stellen auf, unverzüglich gegen jene Personen vorzugehen, die für Folter und Misshandlung in Guantánamo verantwortlich sind, einschließlich hochrangiger Politiker; fordert, diese Personen vor Gericht zu stellen;

9.  unterstreicht mit Nachdruck, dass jeder Gefangene im Einklang mit dem internationalen humanitären Recht behandelt und sein Fall unverzüglich in einem fairen und öffentlichen Verfahren vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht behandelt werden muss; fordert die unverzügliche Freilassung aller Häftlinge, die sich ohne rechtzeitig erhobene Anklage und ohne faires Gerichtsverfahren in Gewahrsam befinden;

10.  äußert seine tiefe Besorgnis darüber, dass die USA in Bezug auf internationale Menschenrechtsnormen selektiv vorgehen und ihre Verpflichtungen im Rahmen der Verträge über das internationale humanitäre Recht und die Menschenrechte außer Acht lassen, eine Entwicklung, die den gesamten Rahmen des internationalen Menschenrechts zu untergraben droht, einschließlich des Konsens über das absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe;

11.  fordert den Rat und die Kommission auf, die Frage der Verstöße gegen die Menschenrechte in Gefangenenlagern, insbesondere in Guantánamo Bay, auf die Tagesordnung des nächsten Gipfeltreffens EU-USA zu setzen;

12.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die GASP, dem Präsidenten und dem Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika, dem Parlament und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.