Entschließungsantrag - B6-0332/2006Entschließungsantrag
B6-0332/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

29.5.2006

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Daniel Marc Cohn-Bendit, Monica Frassoni, Jean Lambert, Gisela Kallenbach und Elisabeth Schroedter
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zu rassistischer Gewalt und Gewalt gegen Homosexuelle

Verfahren : 2006/2587(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0332/2006
Eingereichte Texte :
B6-0332/2006
Angenommene Texte :

B6‑0332/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zu rassistischer Gewalt und Gewalt gegen Homosexuelle

Das Europäische Parlament,

–  gestützt auf die Artikel 2, 6, 7 und 29 des Vertrags über die Europäische Union und Artikel 13 des EG-Vertrags, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die höchsten Standards in den Bereichen Menschenrechte und Nichtdiskriminierung zu wahren, und gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,

–  unter Hinweis auf das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (CERD), das von allen Mitgliedstaaten der EU und mehreren Drittstaaten unterzeichnet wurde,

–  unter Hinweis auf seine frühere Entschließung zum Gedenken an den Holocaust sowie zu Antisemitismus und Rassismus (P6_TA(2005)0018),

–  unter Hinweis auf seine frühere schriftliche Erklärung zur Bekämpfung von Rassismus im Fußball (P6_TA-PROV(2006)0080),

–  unter Hinweis auf seine frühere Entschließung zu der Lage der Roma in der Europäischen Union (P6_TA(2005)0151),

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit irrationale Beweggründe haben, die mit sozialer Marginalisierung und Ausgrenzung, Armut, Arbeitslosigkeit und mangelnder Bildung zusammenhängen und durch die Weigerung motiviert sind, unsere Gesellschaften als multikulturell zu verstehen und Anderssein als eine Bereicherung zu betrachten,

B.  in der Erwägung, dass Voreingenommenheit gegen Homosexuelle auf ähnlichen Vorurteilen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus beruht,

C.  in der Erwägung, dass es in mehreren europäischen Ländern, unter anderem Belgien, Frankreich, Deutschland, Polen und Russland, in den letzten Monaten zu Gewalttaten und Morden gekommen ist, die durch rassistischen, fremdenfeindlichen, homophoben und antisemitischen Hass motiviert waren, und in der Erwägung, dass weitere direkte und indirekte Formen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Antisemitismus innerhalb und außerhalb der EU fortbestehen,

D.  in der Erwägung, dass Gewalt nur eine Erscheinungsform des Rassismus ist und dass die andere Form des täglichen Rassismus und der täglichen Verletzung der Menschenwürde weiter verbreitet ist; in der Erwägung, dass Studien ergeben haben, dass Rassismus in weiten Teilen der Gesellschaft verwurzelt ist; in der Erwägung, dass die Akzeptanz so genannter „No-go-areas“ für potenzielle Opfer des Rassismus durch die Mehrheit der Gesellschaft ein friedliches Zusammenleben in einer Gesellschaft unmöglich macht,

E.  in der Erwägung, dass in einigen Regionen rassistische Aktionen, die darauf gerichtet sind, kleine Geschäfte ausländischer oder einer Minderheit angehörender Inhaber zugrunde zu richten, das positive Geschäftsklima zunehmend zerstören,

F.  in der Erwägung, dass auf politischer Ebene extremistische Positionen hinsichtlich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zugenommen haben, was in mehreren Mitgliedstaaten zu Hass, Angst und fremdenfeindlichen Kampagnen geführt hat,

G.  empört darüber, dass offen rassistische Parteien aus staatlichen Mitteln gefördert werden,

H.  in der Erwägung, dass beim „Zentrum für Chancengleichheit“ in Belgien jährlich durchschnittlich 1 000 Beschwerden über rassistische Taten eingehen,

I.  in der Erwägung, dass es an statistischem Material mangelt und in der Erwägung, dass Definitionen der rassistischen und fremdenfeindlichen Gewalt unzureichend und in einigen Mitgliedstaaten gar nicht vorhanden sind,

J.  in der Erwägung, dass in Polen ein Wiederaufleben des Antisemitismus in der Bevölkerung festzustellen ist, was auch in einigen Äußerungen von Politikern und Journalisten zum Ausdruck kommt,

K.  in der Erwägung, dass die Medien eine wichtige und entscheidende Rolle bei der Wahrnehmung rassistisch motivierter Gewalt in der Öffentlichkeit spielen und in einigen Mitgliedstaaten zu einer einseitigen und voreingenommenen Darstellung der Gewalt neigen und damit Verantwortung für die Verbreitung von Fehlinformationen über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit tragen,

L.  in der Erwägung, dass die Zivilgesellschaft nachdrücklich fordert, dass die zuständigen demokratisch gewählten Politiker sowie die Kommunal- und Regionalbehörden angemessene Standards aufrechterhalten und Jugendprogramme, insbesondere in ländlichen Gebieten und benachteiligten Regionen, unter anderem finanziell unterstützen und damit die maßgebende Rolle einer demokratischen Erziehung der Jugend wahren, und verhindern, dass sich rassistische Parteien und Organisationen die Unzulänglichkeiten der Verwaltungsbehörden zunutze machen, um sich soziale und kulturelle Hilfe zur Förderung ihrer Ideologien zu sichern,

M.  in der Erwägung, dass die Polizei- und Justizsysteme in den Mitgliedstaaten eine entscheidende Rolle bei der Strafverfolgung und Verhinderung rassistischer Gewalttaten spielen, manchmal jedoch ihrer Verantwortung nicht nachkommen, die Bürger vor rassistischer Gewalt zu schützen,

N.  in der Erwägung, dass eine Vielzahl von Internet-Homepages als Hauptquelle der Informationen über rassistische Gruppen und Gruppen, die zu Hass anstiften, Anlass zu der Sorge gibt, wie diesem Problem entgegengewirkt werden soll, ohne gegen die freie Meinungsäußerung zu verstoßen,

O.  in der Erwägung, dass alle Versuche des Rates, den Vorschlag von 2001 für einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anzunehmen bisher fehlgeschlagen sind,

1.  verurteilt nachdrücklich den vorsätzlichen Mord an einer schwarzen Frau malischer Staatsangehörigkeit und des belgischen Kindes, dessen Kindermädchen sie war, der am 12. Mai 2006 von Hans Van Themsche, einem jungen Mann mit rechtsextremistischen Ansichten, in Antwerpen begangen wurde, der nur wenige Augenblicke zuvor eine türkischstämmige Frau bei dem Versuch, sie umzubringen, schwer verletzt hatte;

2.  ist bestürzt über die Entführung, Folter und Ermordung von Ilan Halimi im Februar 2005 in Frankreich und ist insbesondere beunruhigt über den antisemitischen Hintergrund dieses Verbrechens;

3.  ist zutiefst besorgt über den brutalen Überfall auf einen deutschen Staatsbürger äthiopischer Abstammung, Kevin K., in dem Dorf Pömmelte in Sachsen-Anhalt am 9. Januar 2006, insbesondere wegen des rassistischen Beweggrunds;

4.  bekräftigt seine Ansicht, dass der Vlaams Belang, der zu Rassenhass aufhetzt, zumindest die moralische Verantwortung für die rassistischen Morde in Antwerpen trägt;

5.  betont, dass nur die Parteien, welche die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und ganz achten, Anspruch auf öffentliche Finanzmittel haben sollten;

6.  ist entrüstet über die Aufforderungen zu offener Gewalt gegen Homosexuelle von Seiten eines Mitglieds einer polnischen Regierungspartei im Zusammenhang mit den Plänen, im Juni 2006 in Warschau eine Parade für die Rechte von Homosexuellen abzuhalten;

7.  verurteilt nachdrücklich das Verbot der ersten Homosexuellen-Parade in Moskau und die gewaltsame Auflösung der friedlichen Demonstration für die Rechte von Lesbierinnen, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen am 27. Mai 2006; bekundet seine Solidarität mit all jenen, die unter den Folgen der gewalttätigen Tumulte und Festnahmen zu leiden hatten, und unterstützt sie, ihre Familienangehörigen und Freunde bei weiteren friedlichen Anstrengungen zur Förderung und Verteidigung der Rechte von Lesbierinnen, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen in Russland;

8.  bringt seine tiefe Besorgnis über die Rolle zum Ausdruck, die russische Politiker und religiöse Organisationen bei der Anstiftung zu Gewalt und Hass gegen Lesbierinnen, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle gespielt haben, und erinnert die russischen Behörden daran, dass die Versammlungsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, das durch Artikel 31 der Verfassung der Russischen Föderation garantiert wird; hofft, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft unterbleiben und fordert die russischen Behörden auf, die Homosexuellen-Parade im Jahr 2007 zu gestatten und die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten;

9.  bedauert es, dass in mehreren Mitgliedstaaten die Unterstützung für rechte Parteien und Gruppen mit eindeutig fremdenfeindlichen und rassistischen Zielsetzungen zugenommen hat und betont die Notwendigkeit, sich mit dieser Entwicklung zu befassen, auch im Rahmen der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, nicht zuletzt unter Jugendlichen;

10.  fordert die polnische Regierung auf, eine energische Haltung gegen alle antisemitischen Äußerungen einzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des antisemitischen Klimas zu treffen;

11.  betont die Notwendigkeit, Initiativen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Zusammenhang mit der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft in der Bundesrepublik Deutschland zu unterstützen und fordert die Behörden auf, die für rassistische Taten Verantwortlichen genau zu überwachen, strafrechtlich zu verfolgen und zu verurteilen;

12.  erinnert daran, dass fundierte und klare Definitionen und Statistiken über rassistisch motivierte Gewalt notwendig sind, um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wirksam bekämpfen zu können, wie dies bereits aus dem Jahresbericht der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) von 2005 hervorgeht, worin die mangelnde statistische Erfassung rassistisch motivierter Gewalttaten, z.B. in Italien, Portugal und Griechenland, hervorgehoben wurde;

13.  weist darauf hin, dass eine auf breiterer Basis aktive Gesellschaft notwendig ist, einschließlich NRO, die Opfer des Rassismus unterstützen; fordert daher alle Mitgliedstaaten auf sicherzustellen, dass die aktive Gesellschaft über genügend finanzielle, personelle und materielle Mittel verfügt, um ihre Aufgaben erfüllen zu können;

14.  fordert die Mitgliedstaaten auf, der Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie und Antisemitismus sowohl in ihren Beziehungen zueinander als auch in ihren bilateralen Beziehungen zu Drittländern gebührende Beachtung zu schenken;

15.  fordert den Rat dringend auf, die Arbeit an dem Vorschlag von 2001 für einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wieder aufzunehmen, der eine harmonisierte Definition und eine Angleichung der strafrechtlichen Maßnahmen vorsieht;

16.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie der Russischen Föderation zu übermitteln.