Entschließungsantrag - B6-0611/2006Entschließungsantrag
B6-0611/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

13.11.2006

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Angelika Beer
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zu biologischen Waffen und unmenschlichen konventionellen Waffen (den BWÜ- und CCW-Überprüfungskonferenzen im November 2006) und der Notwendigkeit eines Verbots von Streumunition

Verfahren : 2006/2657(RSP)
Werdegang im Plenum
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B6-0611/2006
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B6‑0611/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zu biologischen Waffen und unmenschlichen konventionellen Waffen (den BWÜ- und CCW-Überprüfungskonferenzen im November 2006) und der Notwendigkeit eines Verbots von Streumunition

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Dritte Konferenz zur Überprüfung des Übereinkommens über bestimmte konventionelle Waffen (CCW-Übereinkommen, das so genannte „Übereinkommen über unmenschliche Waffen“) von 1980, die am 7. bis 17. November 2006 in Genf stattfindet,

–  unter Hinweis auf die Sechste Konferenz zur Überprüfung des Übereinkommens über das Verbot von biologischen Waffen und Toxinwaffen (BWÜ) von 1972, die vom 20. November bis zum 8. Dezember 2006 in Genf stattfindet,

–  unter Hinweis darauf und unter Bekräftigung seines Standpunkts, dass bis zu einem vollständigen Verbot von Streumunition alle Staaten ein allgemeines Moratorium ihrer Herstellung, Lagerung, Weitergabe und ihres Einsatzes (wie unter anderem in seiner Entschließung vom 13. Februar 2003 zu den schädlichen Auswirkungen nicht zur Wirkung gelangter Kampfmittel [Landminen und Streumunition] und abgereichertes Uran enthaltender Munition gefordert) akzeptieren sollten,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen sowohl zum BWÜ als auch zum CCW-Übereinkommen, insbesondere auf seine Entschließung vom 14. Juni 2001 zum Protokoll zur Einhaltung des BWÜ,

–  unter Hinweis auf die Europäische Sicherheitsstrategie 2003 und die im Jahr 2003 verabschiedete EU-Strategie zu Massenvernichtungswaffen und ihren Trägermitteln sowie die Entschließung des Parlaments vom 17. November 2005 zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen: Eine Rolle für das Europäische Parlament,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass das BWÜ nahezu weltweit gilt, da es von einer großen Mehrheit der Staaten (155 bis zum 1. Januar 2006, darunter sämtliche Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen) unterzeichnet wurde, dass aber das Übereinkommen dennoch den Mangel fehlender Vorkehrungen zur Überprüfung seiner Einhaltung aufweist; auch in der Erwägung, dass das Übereinkommen in einer Zeit formuliert wurde, als die potenzielle Bedrohung durch mit biologischen Waffen ausgerüstete nichtstaatliche Akteure nicht richtig erkannt wurde;

B.  in der Erwägung, dass zwar die Zahl der Unterzeichner des CCW-Übereinkommens stetig steigt (100 beim einleitenden Rahmenübereinkommen im Januar 2006), es aber weit davon entfernt ist, weltweit zu gelten, und die Zahl der Unterzeichner bei seinen fünf Protokollen, die den eigentlichen Inhalt des Übereinkommens enthalten, (P I über nicht entdeckbare Splitter, in Kraft seit 1983: am 1. Januar 2006 von 97 Staaten unterzeichnet; P II über Minen und Sprengfallen, 1983: 87; P III über Brandwaffen, 1983: 93; P IV über Laserblendwaffen, 1998: 82; P V über explosive Kampfmittelrückstände, 2006: 23) deutlich niedriger liegt,

C.  in der Erwägung, dass das CCW-Übereinkommen zwar als schrittweiser Ansatz zur Abrüstung über die „Regulierung des Einsatzes“ zu betrachten ist, aber weitere Mängel aufweist, beispielsweise das Fehlen von Überprüfungsmechanismen (und dem für die Gewährleistung seiner Einhaltung erforderlichen politischen Willen); mangelnde Klarheit hinsichtlich der von dem Übereinkommen erfassten Waffenarten; die Freiwilligkeit der Bestimmungen; die Tatsache, dass solche Waffen zwar auf sehr umstrittene und ungezielte Weise eingesetzt werden können und eingesetzt werden (was unnötige und unverhältnismäßige Opfer unter nicht Kämpfenden fordert, Einsatz in städtischen Gebieten), aber dennoch im Rahmen des Übereinkommens immer noch nicht verboten sind,

D.  in der Erwägung, dass — wie im Fall des Chemiewaffenübereinkommens und des Vertrags über die Nichtverbreitung von Atomwaffen — das effiziente Funktionieren des BWÜ und des CCW-Übereinkommens äußerst wichtig ist, um den Einsatz unmenschlicher Waffenkategorien nicht nur durch Krieg führende Staaten, sondern auch durch nichtstaatliche Akteure einschließlich Terroristen und Verbrecher zu verbieten,

E.  beunruhigt durch den ausgiebigen Einsatz von Streumunition durch die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) im jüngsten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Südlibanon, den die IDF am 22. August 2006 einräumten, und die ausgiebige Verwendung von Waffen gegen Zivilisten in Israel durch die Hisbollah, darunter Raketen, die dazu ausgelegt sind, Zivilisten möglichst großen Schaden zuzufügen, wie Amnesty International am 14. September 2006 berichtete,

F.  unter Bekräftigung seiner Auffassung, dass Streumunition eine unmenschliche und wahllose Waffenart ist, die sowohl durch ihren Einschlag zum Zeitpunkt des Angriffs als auch durch die Kontaminierung von Flächen mit nicht detonierten Sprengkörpern nach den Kampfhandlungen Zivilisten ungeheuren Schaden zufügt; unter nachdrücklichem Hinweis darauf, dass eine solche Kontaminierung die wirtschaftliche und soziale Sanierung der betroffenen Regionen bedroht, und in der Überzeugung, dass sich technische Lösungen wie die Verringerung der Ausfallrate von Streubomben als zur Lösung des Problems ungeeignet erwiesen haben,

Ergebnis der BWÜ-Überprüfungskonferenz und Zukunft des BWÜ

1.  erinnert daran, dass der erste Teil der fünften BWÜ-Überprüfungskonferenz von 2001 scheiterte, was maßgeblich auf den Rückzug der US-Regierung unter Präsident Bush von den (fast erfolgreich abgeschlossenen) Verhandlungen über die Formulierung eines rechtsverbindlichen Mechanismus zur Stärkung der Einhaltung des Übereinkommens (d. h. eines Protokolls zur Prüfung der Einhaltung des Übereinkommens durch die ihm angehörenden Staaten) und die Forderung der US-Regierung nach vollständiger Beendigung des Mandats für den Verhandlungsprozess zurückzuführen war;

2.  weist darauf hin, dass die sechste Überprüfungskonferenz eine Gelegenheit bietet, die Bemühungen um die Ausarbeitung echter und wirksamer Mittel zur Prüfung des BWÜ neu zu beleben;

3.  begrüßt die am 27. Februar 2006 beschlossene Gemeinsame Aktion der EU in Bezug auf das BWÜ und den am 20. März 2006 angenommenen Gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf die Förderung der Universalität des BWÜ (u. a. mittels einer Durchführungshilfe) und die Unterstützung eines rechtzeitig zur siebten Überprüfungskonferenz im Jahr 2011 abzuschließenden pragmatischen Arbeitsprogramms für die Weiterbehandlung der Aktion zur Verbesserung der Umsetzung und Einhaltung durch die Vertragsstaaten und nichtstaatlichen Akteure;

4.  begrüßt die andauernden diplomatischen Vorstöße der EU (des Rates und der Kommission), um die internationalen Anstrengungen zur Stärkung des BWÜ am Leben zu erhalten, und erkennt die Rolle der EU in Bezug auf die Förderung der Sondierung freiwilliger, unverbindlicher Inspektionen als „vertrauensbildende Maßnahmen“ sowie die Stärkung der nationalen Rechtsvorschriften im Vorfeld der Überprüfungskonferenz an;

5.  ist jedoch besorgt, dass die offenkundige mangelnde Bereitschaft der EU und der internationalen Gemeinschaft insgesamt, der Weigerung der USA, ein rechtlich verbindliches Überprüfungsprotokoll zuzulassen, entgegenzutreten, die Zukunft des BWÜ und seine Glaubwürdigkeit schädigt;

6.  ermutigt daher die EU, diese Frage in den transatlantischen Foren (insbesondere der NATO) aufzugreifen und der US-Regierung klar zu machen, dass ihr einseitiger Standpunkt nicht hinnehmbar ist;

Ergebnis der CCW-Überprüfungskonferenz, Zukunft des CCW-Übereinkommens und Notwendigkeit eines Verbots von Streumunition

7.  bedauert, dass zu Beginn der CCW-Überprüfungskonferenz kein öffentlich angekündigter eindeutiger gemeinsamer Standpunkt der EU zu Absichten und Taktiken für die Konferenz oder zu ihrem Inhalt und Ergebnis vorlag;

8.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, den Geltungsbereich des CCW-Protokolls III über Brandwaffen abzuklären, um den künftigen Einsatz von Granaten mit Weißem Phosphor gegen militärische und zivile Ziele zu verhindern und den Einsatz von Gefechtsköpfen mit (abgereichertem) Uran in bewaffneten Konflikten zu unterbinden;

9.  begrüßt die Tatsache, dass das CCW-Protokoll V über explosive Kampfmittelrückstände am 12. November 2006 in Kraft getreten ist und somit verbindliches Völkerrecht geworden ist; unterstreicht, dass dies bedeutet, dass die Staaten ihre Hoheitsgebiete von nicht detonierten Sprengkörpern reinigen müssen, um die Zahl der zivilen Opfer nach Konflikten zu verringern; unterstreicht ferner, dass dieses Protokoll diejenigen Vertragsparteien, die für die Rückstände verantwortlich sind, verpflichtet, an ihrer Beseitigung mitzuwirken, selbst wenn das entsprechende Gebiet nicht unter ihrer Kontrolle steht; weist nachdrücklich darauf hin, dass dieses Protokoll für nicht detonierte Sprengkörper aller Art einschließlich Streumunition gilt;

10.  betont, dass viel mehr Staaten dieses Protokoll (sowie das CCW-Rahmenübereinkommen und die vier anderen Protokolle) unterzeichnen und ratifizieren sollten und dass wegen der Schwäche des Texts und der Freiwilligkeit der meisten seiner Bestimmungen sein Erfolg von seiner entschlossenen und gründlichen Umsetzung abhängen wird; bedauert, dass das Protokoll nur für künftige Kriege gilt; fordert den Rat und die Kommission auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun um sicherzustellen, dass alle EU-Mitgliedstaaten dieses Protokoll ordnungsgemäß unterzeichnen und ratifizieren und dass alle Länder, die Abrüstungshilfe erhalten, das Protokoll ebenfalls unterzeichnen und ratifizieren, auch wenn sie (wie der Libanon) dem CCW-Übereinkommen bisher nicht beigetreten sind;

11.  begrüßt den Aufruf des Nothilfekoordinators der Vereinten Nationen Jan Egeland und von Generalsekretär Kofi Annan anlässlich der Eröffnung der CCW-Überprüfungskonferenz an alle Staaten zum Einfrieren des Einsatzes von Streumunition in bevölkerten Gebieten und zur Zerstörung von ungenauer und unzuverlässiger Streumunition;

12.  unterstützt den Aufruf des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) auf der CCW-Überprüfungskonferenz, die Bestände an solchen Waffen zu zerstören und im Frühjahr 2007 ein Expertentreffen abzuhalten, um dort die Elemente zu ermitteln, die in einem Vertrag über Streumunition enthalten sein müssen;

13.  begrüßt nachdrücklich, dass auf einem CCW-Treffen im September 2006 sechs Staaten (Österreich, der Heilige Stuhl, Irland, Mexiko, Neuseeland und Schweden) dazu aufgerufen haben, ein rechtlich verbindliches Instrument in Erwägung zu ziehen, das sich mit den humanitären Problemen befasst, die durch Streumunition aufgeworfen werden, und dass während der ersten drei Tage der CCW-Überprüfungskonferenz dieser Vorschlag von Argentinien, Costa Rica, der Tschechischen Republik, Dänemark, Deutschland, Ungarn, Liechtenstein, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien und der Schweiz unterstützt wurde und dass viele andere ihre Absicht angedeutet haben, dies ebenfalls zu tun; fordert die EU und alle ihre Mitgliedstaaten auf, diesen Vorschlag möglichst tatkräftig zu unterstützen;

14.  begrüßt die Initiativen vieler Staaten, u. a. Belgiens und Norwegens, innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, um Streumunition in ihrem Hoheitsgebiet und bei ihren Streitkräften zu verbieten;

15.  betont, dass die internationale Gemeinschaft unverzüglich Verhandlungen aufnehmen muss, um ein umfassendes und wirksames Übereinkommen aufzustellen, mit dem Streumunition ebenso wie zuvor Antipersonenminen weltweit verboten wird;

16.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, bis zur Erreichung eines solchen Übereinkommens — im Geiste des Ziels des CCW-Übereinkommens, gegebenenfalls Protokolle zu relevanten Waffensystemen zu verfassen — die Schaffung eines spezifischen Protokolls VI zu verlangen, um die Herstellung, die Lagerung, die Weitergabe und den Einsatz von Streumunition zu unterbinden;

17.  bekräftigt seine Aufrufe an alle Mitgliedstaaten der EU und der NATO, innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, mit denen die Herstellung, die Lagerung, die Weitergabe und der Einsatz von Streumunition für rechtswidrig erklärt werden (was Sanktionen gegen Banken und Unternehmen einschließt, die sich in diesem Sektor weiterhin betätigen), und öffentlich zu erklären, dass diese Munition von ihren Streitkräften in keiner unter ihrem Kommando durchgeführten internationalen Operation zum Einsatz kommt;

BWÜ und CCW-Übereinkommen

18.  fordert alle Mitgliedstaaten der EU, den Rat und die Kommission auf, sich intensiv dafür einzusetzen, dass in absehbarer Zukunft sowohl das BWÜ als auch das CCW-Übereinkommen ein ständiges Sekretariat erhalten, das — entsprechend der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), die durch das Chemiewaffenübereinkommen zu diesem Zweck eingerichtet wurde — ihre erfolgreiche Umsetzung beaufsichtigt;

19.  fordert die Mitgliedstaaten der EU, den Rat und die Kommission auf sicherzustellen, dass die Resolution 1540 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 28. April 2004 zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen an nichtstaatliche Akteure weltweit umgesetzt wird, und eine Ausweitung ihres Geltungsbereichs über Massenvernichtungswaffen hinaus auch auf unmenschliche konventionelle Waffen in Erwägung zu ziehen;

20.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den entsprechend spezialisierten nichtstaatlichen Organisationen sowie dem Generalsekretär und allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu übermitteln.