Entschließungsantrag - B6-0624/2006Entschließungsantrag
B6-0624/2006

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

22.11.2006

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Carl Schlyter, Marie-Hélène Aubert und Raül Romeva I Rueda
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zu HIV/AIDS (Welt-Aids-Tag)

Verfahren : 2006/2668(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0624/2006
Eingereichte Texte :
B6-0624/2006
Angenommene Texte :

B6‑0624/2006

Entschließung des Europäischen Parlaments zu HIV/AIDS (Weltaidstag)

Das Europäische Parlament,

–  mit Blick auf den Welt-Aids-Tag am 1. Dezember 2006 und sein Thema: Gemeinsam gegen Aids: Wir übernehmen Verantwortung – für uns selbst und andere,

–  unter Hinweis auf die Erklärung von Abuja von 2001,

–   unter Hinweis auf den am 21. November 2006 veröffentlichten UNAIDS/WHO-Bericht „AIDS epidemic update“,

–   in Kenntnis der Sitzung der VN-Generalversammlung zur Prüfung der Fortschritte bei der Verpflichtungserklärung zu HIV/AIDS, die vom 31. Mai bis 1. Juni 2006 stattfand,

–   unter Hinweis auf die Milleniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und insbesondere das Ziel, bis 2015 die Ausbreitung von HIV/AIDS zum Stillstand zu bringen,

–   in Kenntnis des Ziels, das von der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung gesetzt wurde, dass bis zum Jahr 2015 reproduktive Gesundheit weltweit verfügbar sein soll,

–   unter Hinweis auf das europäische Arbeitsprogramm zur Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose (2007-2011), das alle Entwicklungsländer betrifft und von der Kommission im April 2005 angenommen wurde,

–   unter Hinweis auf die Zusagen von Gleneagles und der Vereinten Nationen von 2005, bis 2010 allen Menschen Zugang zu Prävention, Behandlung und Pflege zu ermöglichen,

A.  angesichts der Tatsache, dass es nach dem am 21. November 2006 veröffentlichten UNAIDS-Bericht 4,3 Millionen Neuinfektionen gab, wovon 2,8 Millionen (65 %) davon allein auf Schwarzafrika entfielen,

B.  angesichts der Tatsache, dass 95 % der 39,5 Millionen Menschen weltweit, die an HIV/AIDS leiden, in Entwicklungsländern leben,

C.  in Kenntnis der Angaben, nach denen die Infektionsraten in Osteuropa und Zentralasien um mehr als 50 % seit 2004 angestiegen sind, und in der Erwägung, dass es nur wenige Beispiele von Ländern gibt, in denen die Neuinfektionen tatsächlich zurückgingen,

D.  in Kenntnis der Tatsache, dass nur 24 % der 6,8 Millionen Menschen, die mit AIDS in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen leben und antiretrovirale Medikamente benötigen, Zugang zu der notwendigen Behandlung haben,

E.  in der Erwägung, dass es schätzungsweise 15 Millionen HIV/AIDS-Waisen weltweit gibt, von denen 12,3 Millionen allein in Schwarzafrika leben,

F.  in der Erwägung, dass ältere Geschwister und Großeltern die Verantwortung für oftmals viele AIDS-Waisen übernehmen, und dass das Wegsterben einer Generation von HIV/AIDS-infizierten jungen Erwachsenen dazu führt, dass in einigen Ländern Engpässe bei Lehrern, Krankenschwestern, Ärzten und anderen wichtigen Berufsgruppen auftreten,

G.  in der Erwägung, dass AIDS die Generation wirtschaftlich aktiver junger Menschen überproportional betrifft,

H.  in der Erwägung, dass nunmehr Frauen 50 % und in Afrika 60 % aller HIV-Infizierten ausmachen,

I  in der Erwägung, dass die sozioökonomische Stellung der Frauen und ihre Abhängigkeit von den Männern ihnen in vielen Ländern oft nicht die Möglichkeit lassen, sicheren Sex zu praktizieren, und dass Microbizide deshalb als ein vielversprechendes Schutzmittel angesehen werden,

J.  in der Erwägung, dass die Ungleichheiten der Geschlechter und die Gewalt gegen Frauen weiterhin Hauptgründe für die Ausbreitung der Seuche sind,

K.  in der Erwägung, dass sexuelle Rechte und Rechte bezüglich der reproduktiven Gesundheit mit der Verbreitung von HIV/AIDS und anderen armutsbedingten Krankheiten eng verknüpft sind,

L.  in der Erwägung, dass die Milleniums-Entwicklungsziele nur zu erreichen sind, wenn Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in vollem Umfang in die Agenda der Milleniums-Entwicklungsziele aufgenommen werden,

M.  in der Erwägung, dass HIV-infizierte Menschen besondere Bedürfnisse hinsichtlich ihrer reproduktiven Gesundheit haben, was die Familienplanung, sicheres Gebären und Stillen von Babys anbelangt, die oft trotz der Ausbreitung der Seuche auf Frauen übersehen werden,

N.  in der Erwägung, dass Präventivmaßnahmen wie die Prävention der Mutter-Kind-Übertragung (PMTCT) dadurch ergänzt werden sollten, dass den Müttern eine anhaltende antiretrovirale Behandlung geboten wird,

O.  in der Erwägung, dass fünf Jahre nach der Erklärung von Doha die reichen Länder ihrer Pflicht nicht nachkommen, dafür zu sorgen, dass billigere lebensrettende Medikamente in Entwicklungsländern zur Verfügung stehen,

P.  in der Erwägung, dass nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 74 % der AIDS-Medikamente immer noch einem Monopol unterliegen, 77 % der Afrikaner immer noch keinen Zugang zu einer AIDS-Behandlung haben und 30 % der Weltbevölkerung immer noch keinen regelmäßigen Zugang zu lebensnotwenigen Arzneimitteln haben,

1.  erkennt an, dass HIV/AIDS einen weltweiten Notfall und eines der ernstesten Probleme für die Entwicklung, den Fortschritt und die Stabilität unserer jeweiligen Gesellschaften und der Welt insgesamt darstellt;

2.  fordert die internationalen Geber auf, dafür zu sorgen, dass HIV-Präventionsprogramme diejenigen Menschen erreichen, bei denen das höchste Infektionsrisiko besteht, denn aus den Schlussfolgerungen von UNAIDS ergib sich, dass man sich um diese gefährdeten Bevölkerungsgruppen nicht kümmert;

3.  fordert den IWF auf, von monetären Rahmenbedingungen und Haushaltsplafonds abzusehen, die Länder dazu zwingen, ihre Ausgaben für die öffentliche Gesundheit und Bildung einzuschränken;

4.  erkennt die allgemeine Ausbreitung und Übergreifen der Pandemie auf Frauen sowie den Umstand an, dass nunmehr Frauen weltweit 50 % und in Afrika 60 % aller Infizierten ausmachen;

5.  fordert, dass bei allen Hilfsprogrammen sichergestellt wird, dass nach Beginn der Behandlung eines Patienten die Finanzierung für eine anhaltende, ununterbrochene Behandlung zur Verfügung steht, um erhöhte Arzneimittelresistenz zu verhindern, die Folge einer unterbrochenen Behandlung ist;

6.  unterstreicht die Notwendigkeit, jede Form der Gewalt gegen Frauen, einschließlich der häuslichen Gewalt, Vergewaltigung, erzwungene Heiraten, Prostitution, Menschenhandel mit Frauen und Entführung während bewaffneter Konflikte sowie Mädchensklaverei zu bekämpfen, was einer der Gründe für die Verbreitung der HIV/AIDS-Seuche sind; fordert von der Kommission und den Partnerländern deshalb nachdrücklich, den Schutz von Frauen gegen diese Praktiken Vorrang einzuräumen und Programme hierfür einzurichten;

7.  betont die Notwendigkeit, dass die EU Programme finanziert, um sicherzustellen, dass Frauen, die Opfer von Vergewaltigung sind, Zugang zu Gesundheitsdiensten haben und dass ihnen die Möglichkeit geboten wird, wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden, und dass das oft mit Opfern solcher Straftaten verbundene Stigma bekämpft wird;

8.  betont, dass die EU besondere Programme finanzieren muss um sicherzustellen, dass Kinder, die von AIDS durch den Verlust von einem oder beiden Elternteilen oder dadurch betroffen sind, dass sie die Krankheit selbst haben, im Bildungsprozess verbleiben;

9.  fordert die Kommission und die Regierungen unserer Partnerländer auf, dafür zu sorgen, dass Gesundheit und Bildung – und insbesondere HIV/AIDS und sexueller und reproduktiver Gesundheit – in den Länderstrategiepapieren Vorrang eingeräumt wird;

10.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Programme zu unterstützen, die die Homophobie bekämpfen und Hindernisse beseitigen, die die wirksame Bekämpfung der Krankheit verhindern, insbesondere in Kambodscha, China, Indien, Nepal, Pakistan, Thailand und Vietnam und überall in Lateinamerika, wo es immer mehr Anzeichen dafür gibt, dass die HIV-Seuche unter Männern ausbricht, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben;

11.  betont die Notwendigkeit einer generellen Mittelerhöhung seitens der Geberinstanzen in den kommenden Jahren für alle Verhütungsmittel (einschließlich Kondome zur Verhütung der Übertragung von HIV), um die Kluft zwischen der eigentlich möglichen Versorgung und den Mitteln, um sich diese zu beschaffen, zu füllen;

12.  betont, dass die Erbringer von Gesundheitsdienstleistungen, einschließlich all derjeniger, die sich um die Familienplanung kümmern, eine fachliche Schulung in der Prävention und Erkennung von sexuell übertragbaren Krankheiten und der Beratung in diesem Bereich erhalten, insbesondere was die Infektion von Frauen und Jugendlichen betrifft, da solche Krankheiten auch die Übertragung von HIV erleichtern;

13.  äußert seine Besorgnis über die Tatsache, dass in dem UNAIDS-Bericht hervorgehoben wird, dass die Kenntnisse über sicheren Sex und HIV in vielen Ländern immer noch gering sind, einschließlich in denjenigen, in denen die Seuche schwere Auswirkungen hat; fordert in dieser Hinsicht Aufklärung, Schulung und Beratung über verantwortungsbewusstes sexuelles Verhalten und wirksame Prävention gegen sexuell übertragbare Krankheiten, einschließlich HIV, damit sie integrale Bestandteile aller Dienstleistungen im Bereich reproduktiver und sexueller Gesundheit wrden;

14.  fordert, dass in den EU-Programmen im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit der Werbung für hochwertige Kondomen und der verlässlichen Versorgung und Verteilung derselben sowie der Förderung der Benutzung von Kondomen mit anderen Verhütungsmethoden Vorrang eingeräumt und jede Fehlinformation bekämpft wird, die über die Wirksamkeit von Kondomen verbreitet wird;

15.  betont, dass die für eine wirksame Bekämpfung von HIV/Aids erforderlichen Strategien ein umfassendes Konzept für Verhütung, Aufklärung, Pflege und Behandlung sowie die derzeit gebräuchlichen Technologien, einen verbesserten Zugang zu Behandlung sowie die dringende Entwicklung von Impfstoffen beinhalten müssen;

16.  fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die Mittel für die Entwicklung von Mikrobiziden beträchtlich zu erhöhen angesichts der vorsichtigen Schätzungen, dass die Einführung von auch nur teilweise wirksamen Mikrobiziden zur Vermeidung von etwa 2,5 Millionen HIV-Fällen über drei Jahre führen würde und dass bis Ende des Jahrzehnts ein wirksames Mikrobizid entwickelt werden könnte, sofern die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden;

17.  fordert von dem neugewählten US-amerikanischen Kongress, die sogenannte „global gag rule“ der Regierung Bush zu beseitigen, durch die die Finanzierung von im Bereich der reproduktiven Gesundheit tätigen Organisationen durch ausländische NRO verhindert wird, die Beratung über Schwangerschaftsunterbrechung bieten, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die US-amerikanische Regierung ihren sogenannten „global gag“ bei Ausgaben im Bereich der reproduktiven Gesundheit aufgibt;

18.  fordert die WTO auf, die Auswirkungen des TRIPS-Übereinkommen auf die Erschwinglichkeit und Verfügbarkeit von Arzneimitteln in Entwicklungsländern fünf Jahre nach der Annahme der Erklärung von Doha zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass alle Länder in der Lage sind, die öffentliche Gesundheit zu schützen;

19.  fordert die USA auf, die Praxis aufzugeben, insbesondere mittels ihrer bilateralen und regionalen Handelsabkommen Entwicklungsländer zu drängen, strengere Vorschriften über Rechte des geistigen Eigentums zu verabschieden;

20.  fordert die EU auf klarzustellen, dass sie nicht auf über das TRIPS-Abkommen hinausgehende Maßnahmen („TRIPS-+“) in Wirtschaftspartnerschaftsabkommen drängen und Entwicklungsländern den politischen Spielraum zur freien Nutzung der Möglichkeiten des TRIPS-Übereinkommens garantieren wird;

21.  fordert Unterstützung für stärkeres Wachstum der regionalen und nationalen Industrien für Generika in betroffenen Gebieten, um den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln zu erleichtern;

22.  fordert die pharmazeutischen Unternehmen auf, nicht weiter Lobbyismus dafür zu betreiben, dass die Regierungen der reichen Länder strengere Vorschriften über Rechte des geistigen Eigentums weltweit fördern, und nicht weiter arme Länder zu drängen, schärfere Vorschriften über Rechte des geistigen Eigentums zu akzeptieren, die die öffentliche Gesundheit untergraben;

23.  betont, dass sichergestellt werden muss, dass das Ziel der Versorgung von Entwicklungsländern mit erschwinglichen Arzneimitteln nicht durch übermäßig restriktive oder umständliche Verfahren unterwandert wird;

24.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Regierungen der Mitgliedstaaten der EU und der AKP-Staaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und den Leitern von UNAIDS, UNDP und UNFPA zu übermitteln.