ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
2.5.2007
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von André Brie und Gabriele Zimmer
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zum Gipfeltreffen EU-Russland
B6‑194/07
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gipfeltreffen EU-Russland
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das im Jahre 1997 in Kraft getretene und im Jahre 2007 auslaufende Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Ausbau der Zusammenarbeit und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen der EU und Russland für die Stabilität, die Sicherheit und das Wohlergehen von ganz Europa von wesentlicher Bedeutung sind,
B. in der Erwägung, dass der Abschluss eines strategischen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation für den Ausbau dieser Zusammenarbeit von größter Bedeutung ist, vor allem in Bezug auf die Bereiche künftige Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen auf der Grundlage von Gleichheit, Transparenz und Wahrung der international anerkannten Verfahren, Stärkung der Sicherheit und der Stabilität in Europa mit Hilfe der Suche nach friedlichen politischen Lösungen für regionale Konflikte im Rahmen der gemeinsamen Nachbarschaft, sowie weitere Stärkung der Achtung der Menschenrechte, Wahrung der Rechtstaatlichkeit und eines demokratischen Rahmens als Grundlage für diese Beziehungen;
C. in der Erwägung, dass es auf dem Gipfeltreffen EU-Russland vom 24. November 2006 nicht gelungen ist, Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen zwischen der EU und Russland zur Ablösung des 2007 auslaufenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens einzuleiten,
D. in der Erwägung, dass der Ausbau der Beziehungen lange Zeit durch kontroverse Themen wie die Lage in Tschetschenien, die Nachbarländer, die Energieversorgung sowie die demokratischen Rechte und die Menschenrechte überschattet war,
E. in der Erwägung, dass zunehmend Sorge besteht in Bezug auf die Schwächung der Demokratie in Russland, eine zunehmende staatliche Medienkontrolle, eine Verschlechterung des Klimas für nichtstaatliche Organisationen, eine zunehmende politische Kontrolle der Gerichte, eine zunehmende Arbeitsbehinderung der politischen Opposition sowie andere Maßnahmen, durch die die Befugnisse des Kreml erheblich ausgeweitet wurden,
F. in der Erwägung, dass die Pläne der USA zur Stationierung eines Raketenabwehrsystems mit Stellungen in Polen und der Tschechischen Republik zu neuen Spannungen und Vertrauensverlusten im Rahmen der Beziehungen zwischen der EU und Russland geführt haben; in der Erwägung ferner, dass der russische Präsident Putin angekündigt hat, Russland werde sich nicht länger an die Bestimmungen des Vertrags über die Nichtverbreitung und den Abbau konventioneller Land- und Luftstreitkräfte in Europa aus dem Jahre 1999 halten;
G. in der Erwägung, dass erhebliche Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten die Europäische Union davon abhält, gegenüber Russland eine effiziente Politik zu betreiben;
H. in der Erwägung, dass Russland als Energielieferant und die EU als Energieverbraucher gegenseitig voneinander abhängen;
1. betont die Bedeutung einer verstärkten und ausgeweiteten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation auf der Grundlage einer gegenseitigen Abhängigkeit und geteilter Interessen in den Bereichen wirtschaftliche Zusammenarbeit und Energiezusammenarbeit, Achtung der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit sowie Stärkung der Stabilität und der Sicherheit in der gemeinsamen Nachbarschaftspolitik;
2. unterstützt eine frühzeitige Aufnahme von Verhandlungen zu einem strategischen Partnerschaftsabkommen; bedauert die Verzögerungen der EU bei der Ausformulierung eines Mandats für die Verhandlungen zu einem neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen;
3. betont, dass die Beziehungen zwischen der EU und Russland sich in einem kritischen Stadium befinden, und fordert deshalb beide Partner auf, konstruktiv und ergebnisorientiert zusammenzuarbeiten;
4. teilt die ernsthafte Besorgnis der russischen Bevölkerung in Bezug auf die Pläne der US-.Regierung zur Stationierung eines Raketenabwehrsystems in EU-Mitgliedstaaten; vertritt den Standpunkt, dass neue Raketenabwehrsysteme möglicherweise zu einem neuen Wettrüsten führen und Europa zu einer Zielscheibe für Militärangriffe machen können, und damit neue politische Spaltungen unter den EU-Mitgliedstaaten sowie zwischen Russland und der EU hervorrufen; fordert die USA auf, diese Pläne, die die Öffentlichkeit in Europa alarmiert haben, zurückzuziehen; fordert die Regierungen und die Parlamente der Tschechischen Republik und Polens auf, auf ihrem Hoheitsgebiet keine Raketenabwehrsysteme zuzulassen;
5. vertritt die Auffassung, dass die Ankündigung des russischen Präsidenten Putin, Russland werde nicht länger zu den Vereinbarungen des Vertrags über die Nichtverbreitung und den Abbau konventioneller Land- und Luftstreitkräfte in Europa aus dem Jahre 1990 stehen, eine unangemessene Antwort auf die Pläne für ein Raketenabwehrsystem darstellen; besteht darauf, dass alle bestehenden vertraglichen Vereinbarungen über Waffenkontrolle und Abrüstung genauestens eingehalten werden; fordert die Wiederaufnahme des politischen Dialogs über Sicherheit, Waffenkontrolle und Abrüstung im Rahmen der OSZE im Hinblick auf die Herbeiführung einer endgültigen Beendigung des Wettrüstens in Europa, die Vereinbarung weiterer Waffenreduzierungen und die Verwirklichung eines atomwaffenfreien Europa;
6. betont, dass der Schutz der Menschenrechte und der demokratischen Werte zu den wesentlichen Grundsätzen der Beziehungen zwischen der EU und Russland gehört; betont, dass alle Formen des Kontakts mit der Russischen Föderation eingesetzt werden müssen, um die russischen Behörden darin zu bestärken, einen echten Schutz der Menschenrechte mit besonderem Bezug auf Freizügigkeit, freie Wahlen, Meinungsfreiheit und Wahrung der Rechte nationaler Minderheiten, insbesondere der Rechte der Georgier und der Tschetschenen, gegen die derzeit laufend verstoßen wird, zu gewährleisten;
7. bekundet seine Besorgnis in Bezug auf die soziale und politische Polarisierung sowie die Beschränkung des demokratischen Raumes im Vorfeld der Wahlen zur Duma im Dezember 2007 und der Präsidentschaftswahlen im März 2008; fordert die russischen Behörden auf, das Recht der russischen Bevölkerung auf freie Wahlen zu gewährleisten und dazu die notwendigen Voraussetzungen für einen freien und fairen Wahlprozess zu schaffen, ferner sicherzustellen, dass die Oppositionsparteien die Gelegenheit erhalten, einen Wahlkampf zu führen, und sich zu dem Grundsatz der Meinungsfreiheit zu bekennen; betont ferner, dass die Medienfreiheit von zentraler Bedeutung sein wird, wenn die Wahlen als frei angesehen werden sollen;
8. bekundet erneut seine tiefe Besorgnis über die Serie von Ermordungen von Prominenten wie etwa Anna Politkowskaja, die sich der aktuellen russischen Regierung entgegenstellen oder für die Grundrechte der russischen Bürger eingetreten sind; betont, dass die Partnerschaft mit Russland ernsthaft beeinträchtigt wird, wenn Russland es versäumt, diesem Teufelskreis Einhalt zu gebieten und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen;
9. betont, dass die Lage in Tschetschenien nach wie vor ein Hindernis für den Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Russland darstellt; wiederholt seine energische Kritik der russischen Politik in Tschetschenien und seine Verurteilung der zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in diesem Land; fordert Russland auf, pro-aktiv an einer politischen Lösung des Konflikts zu arbeiten, bei der alle demokratischen Komponenten der tschetschenischen Gesellschaft einbezogen werden und für alle in Tschetschenien lebenden oder in dieses Land zurückkehrenden Menschen das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit sowie der tschetschenischen Bevölkerung die Wahrung ihrer kulturellen und nationalen Identität und Würde zugesichert werden;
10. bedauert die ausbleibenden Fortschritte im Menschenrechtsdialog und wiederholt seine Forderung nach einer Ausweitung dieses Dialogs zwischen der EU und Russland, damit dieser effizienter und ergebnisorientierter ausgestaltet werden kann, und dabei das Europäische Parlament auf allen Ebenen einzubeziehen, um auch dieses Element in dem neuen und überfälligen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu stärken;
11. weist auf die zwischen der EU und Russland bestehenden Unterschiede im Bereich der Nachbarschaftspolitik hin; lehnt eine Außenpolitik ab, die auf die Begründung von Einflusssphären ausgerichtet ist; betont die Notwendigkeit einer umfassenden Beachtung der Hoheitlichkeit und der territorialen Integrität aller Staaten, einschließlich des Rechts eines jeden Staates, nach Wegen zu suchen, um seine Beziehungen zu anderen Staaten und Organisationen auf der Grundlage seiner eigenen Definition seiner Interessen ohne Einmischung von außen auszubauen; fordert die EU und Russland auf, entsprechend vorzugehen;
12. betont, dass es für die Beziehungen zwischen der EU und Russland nach wie vor in erster Linie darauf ankommt, Fortschritte bei der Unterzeichnung und Ratifizierung der noch ausstehenden Grenzabkommen zwischen Estland und Russland sowie zwischen Lettland und Russland zu erzielen, und dass diese Frage in einer konstruktiven, ausgewogenen und für alle Seiten annehmbaren Form behandelt werden sollte;
13. erinnert daran, dass die EU und Russland gemeinsam an multilateralen Lösungen für globale Fragen arbeiten sollten; begrüßt den konstruktiven Ansatz Russlands im Rahmen der Sechs-Nationen-Gespräche mit Nordkorea; fordert die EU und Russland auf, im Rahmen des Quartetts konstruktiv zusammenzuarbeiten und an der Organisation einer internationalen Friedenskonferenz für den Nahen Osten beizutragen, um in dieser Region einen gerechten und dauerhaften Frieden auf der Grundlage der UN-Resolutionen zu verwirklichen;
14. nimmt die kürzlich zwischen der EU und Russland zustande gekommene Vereinbarung über Visaerleichterungen zur Kenntnis, betont jedoch, dass ein Bedarf für umfangreichere Visaerleichterungen besteht, bei denen auch gewöhnliche Reisende, die keiner bestimmten zuvor festgelegten Kategorie angehören, einbezogen werden und eine langfristige Liberalisierung angestrebt wird;
15. betont die strategische Bedeutung der Energiezusammenarbeit und die Notwendigkeit einer Stärkung der energiepolitischen Beziehungen zwischen der EU und Russland; betont ferner, dass die weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich auf den Grundsätzen der gegenseitigen Abhängigkeit und der Transparenz beruhen muss, und betont die Notwendigkeit der Gegenseitigkeit in Bezug auf den Marktzugang, auf Infrastrukturen und Investitionen, mit dem Ziel der Vermeidung oligopolitischer Marktstrukturen und der Diversifizierung der Energieversorgung der Europäischen Union; wiederholt in diesem Zusammenhang seine Besorgnis in Bezug auf die jüngsten Fälle von Unterbrechungen der Gasversorgung gegenüber mehreren Nachbarländern;
16. betont die Bedeutung einer zunehmenden regionalen Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland im Rahmen der Nördlichen Dimension, bei der die EU und Russland zusammen mit Island und Norwegen gleichwertige Partner sind; betont die Notwendigkeit der Begründung konkreter Partnerschaftsprojekte zur Unterstützung und Stärkung bestehender Kooperationsprojekte und multilateraler Partnerschaften insbesondere in Bezug auf die Ostsee-Zusammenarbeit nach Maßgabe der vom Parlament in seiner Entschließung vom 16. November 2006 angenommenen Ostsee-Strategie für die Nördliche Dimension[1]; betont die Bedeutung einer weiteren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung im Gebiet von Kaliningrad als ein Modell für eine intensivierte wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland;
17. wiederholt seine Besorgnis bezüglich der Sicherheit auf See in der Ostsee, und weist darauf hin, dass die von Russland gebauten neuen Häfen und der rasch zunehmende Seeverkehr neue Bedrohungen für die fragile Ostseeumwelt darstellen; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit zu prüfen, Öltankern, die nicht die strengsten internationalen Sicherheitsstandards erfüllen, die Ausübung von Beförderungstätigkeiten in der Ostsee zu verbieten; fordert die EU und Russland auf, ihre Zusammenarbeit im Bereich der nuklearen Sicherheit zu intensivieren, vor allem in Bezug auf die Behandlung von nuklearem Abfall im Rahmen der Nördlichen Dimension;
18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und Russland zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P6_TA(2006)0494.